HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Zum Zeugen gewandt:]

Bitte schön, beantworten Sie die Frage, Herr Zeuge.

GISEVIUS: Ja, ich habe diesen Brief seinerzeit in die Schweiz gebracht und dort zur Post gegeben.

DR. DIX: Gut. Was geschah nun im Sinne der Herbeiführung eines Friedens oder eines Kampfes gegen Kriegsausweitung weiter von Ihrer Gruppe? Haben Sie weiter von Ihrer Oppositionsbeziehungsweise Verschwörergruppe aus außenpolitische Aktionen in dieser Richtung unternommen?

GISEVIUS: Das Entscheidende für uns war, eine Kriegsausweitung mit allen Mitteln zu verhindern. Diese Kriegsausweitung konnte nur in Richtung nach Holland und Belgien oder Norwegen gehen. Wir erkannten klar, daß, wenn ein Schritt in dieser Richtung erfolge, ungeheure Konsequenzen nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa sich daraus ergeben müßten. So wollten wir mit allen Mitteln diese Auslösung des Krieges im Westen verhindern.

Gleich nach dem Polenfeldzug entschied sich Hitler, seine Truppen vom Osten nach Westen zu werfen und den Überfall unter Neutralitätsbruch auf Holland und Belgien zu wagen.

Wir glaubten, wenn es uns gelingen würde, diesen Überfall im November zu verhindern, dann würden wir in den kommenden Wintermonaten soviel Zeit gewinnen, um einzelne Generale, an der Spitze Brauchitsch und Halder, und die Führer der Armeegruppen zu überzeugen, daß sie wenigstens der Kriegsausweitung widerstehen müssen.

Halder und Brauchitsch wichen aber nunmehr aus und meinten es sei zu spät, nunmehr werde die Gegenseite Deutschland bis zum letzten bekämpfen und vernichten. Wir waren nicht dieser Meinung. Wir glaubten, es sei noch ein Friede in Ehre möglich, wobei ich unter Ehre verstehe, daß wir selbstverständlich die Nazi-Herrschaft bis aufs letzte eliminieren. Zu dem Zwecke, den Generalen den Beweis zu liefern, daß das Ausland das deutsche Volk nicht vernichten wollte, sondern sich nur vor dem Nazi-Terror sichern wollte, für diesen Beweis unternahmen wir nun alle möglichen Schritte im Ausland; und der Auftakt dazu oder ein kleines Bruchstück in diesen Versuchen war jener Brief von Schacht an Fraser, in dem es darum ging, anzudeuten, daß gewisse innenpolitische Entwicklungen bevorstanden, und daß, wenn wir Zeit gewännen, also wenn wir über den Winter hinüberkämen, wir dann vielleicht die Generale zu einem Putsch bewegen konnten.

DR. DIX: Ich danke Ihnen. Darf ich Sie mal einen Moment unterbrechen. Ich darf das Gericht schon jetzt darauf hinweisen, der Zeuge bezieht sich auf eine Stelle, auf eine Andeutung dieses Briefes; der Brief ist englisch geschrieben, ich habe keine deutsche Übersetzung, ich muß also den einen Satz englisch lesen: »My feeling is, that the earlier discussions be opened, the easier it will be to influence the development of certain existing conditions.«- (»Ich glaube, je früher die Besprechungen anfangen, desto leichter wird es sein, die Entwicklung bestimmter vorhandener Tatbestände zu beeinflussen.«)

Die Frage ist nun...

Nun frage ich Sie, meinte Schacht mit den »... certain existing conditions«, die beeinflußt werden sollten, diese Ihre Bestrebungen?

JUSTICE JACKSON: Ich muß hier einen Einwand erheben. Ich weiß nicht genau, ob Sie es nicht mißverstanden haben. Ich glaube, das, was Schacht meinte, ist keine Frage, die an diesen Zeugen gestellt werden sollte. Ich erhebe keinen Einspruch dagegen, daß Dr. Schacht uns sagt, was er mit seinen kryptischen Worten meinte; aber ich glaube, daß dieser Zeuge keine Auslegung der Ideen Schachts geben kann, es sei denn, daß er andere als die hier ersichtlichen Informationen hat. Ich möchte in dieser Angelegenheit nicht kleinlich sein; aber es scheint mir, daß diese Frage für Dr. Schacht selbst vorbehalten werden sollte.

DR. DIX: Herr Justice Jackson hat natürlich recht; aber dieser Zeuge hat gesagt, daß dieser Brief von ihm hinübergeschmuggelt wurde in die Schweiz, und ich nehme an, daß er den Inhalt des Briefes mit Schacht besprochen hat und darum in einer Stellung war, wo er die kryptischen Worte auslegen konnte.

VORSITZENDER: Noch hat er es nicht gesagt. Er hat nicht gesagt, daß er den Brief jemals gesehen hat, nur den Umschlag. Er hat nicht gesagt, daß er den Brief jemals gesehen hat.

DR. DIX: Ich bitte Sie, sich dazu zu äußern, ob Sie den Brief gesehen haben und den Inhalt kannten.

GISEVIUS: Ich bitte um Entschuldigung, daß ich es nicht klar gesagt habe, aber ich habe an der Ausarbeitung des Briefes mitgearbeitet. Ich bin bei dem Schreiben und bei dem Formulieren dabei gewesen.

DR. DIX: Ich glaube, dann wird Herr Jackson seinen Einwand zurücknehmen.

JUSTICE JACKSON: Ja.

DR. DIX: Also, dann wollen Sie bitte die Frage beantworten, was mit diesen kryptischen Worten gemeint ist?

GISEVIUS: Wir wollten andeuten, daß wir in Deutschland gewisse Entwicklungen zu forcieren bemüht waren, und daß wir nun ein ermunterndes Wort von der Gegenseite erhofften. Ich möchte aber hier keine Mißverständnisse aufkommen lassen. Auch in diesem Briete ist klar herausgearbeitet, daß der Präsident Roosevelt inzwischen sehr viele Enttäuschungen von deutscher Seite erlebt hatte, so daß wir ihn also direkt bitten mußten – es ihm nahelegen mußten –, einen solchen Schritt zu wagen. Es waren ja von Präsident Roosevelt verschiedene Friedensschritte unternommen worden.

DR. DIX: Nun weiter: Wenn ich Ihnen als Stichwort »Vatikan-Aktion« geben werde?

GISEVIUS: Neben diesem Versuch, nach Amerika hin ins Gespräch zu kommen, glaubten wir, eine Erklärung der Englischen Regierung erbitten zu sollen. Es war wiederum unser Bemühen einzig und allein...

VORSITZENDER: Ist das Original dieses Briefes vorhanden, oder wird das nur aus dem Gedächtnis wiedergegeben?

DR. DIX: Die Originalkopie, ja, das heißt eine von Schacht eigenhändig unterschriebene Kopie ist hier. Sie ist während des Krieges in der Schweiz aufgehoben und uns jetzt von diesem Zeugen aus der Schweiz mit zurückgebracht worden.