[Zum Zeugen gewandt:]
Herr Zeuge! Können Sie mir diejenigen Generale namhaft machen, die am 20. Juli beteiligt waren?
VORSITZENDER: Nun, was hat diese Frage mit der Anklage gegen das Oberkommando zu tun?
DR. LATERNSER: Dem Generalstab wird der Vorwurf gemacht, Teilnehmer an einer Verschwörung gewesen zu sein. Die Frage nach der Beteiligung...
VORSITZENDER: Wir sind nicht hier, um die Ehre des OKW einer Prüfung zu unterziehen. Wir sind hier, um zu prüfen, ob es eine verbrecherische Organisation im Sinne des Statuts ist oder nicht. Das ist die einzige Frage, mit der wir uns befassen werden – wenigstens, was Sie betrifft.
DR. LATERNSER: Herr Präsident! Es wird doch dem Generalstab und dem OKW zur Last gelegt, Teilnehmer an einer Verschwörung gewesen zu sein. Wenn ich nachweise, wie ich versuchte, es mit dieser Frage zu tun, daß ganz im Gegenteil, statt Teilnehmer einer Verschwörung gewesen zu sein, Teile des Generalstabs ganz im Gegenteil sich an einer Haltung gegen das Regime beteiligt haben, dann spricht die Beantwortung dieser Frage zu diesem Punkt dafür, daß gerade das Gegenteil der Fall gewesen ist, und ich bitte aus diesem Grunde, die Frage zuzulassen.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß das, was der Generalstab im Juli 1944 getan hat, als die Umstände vollkommen anders waren als im September 1939, in keiner Weise erheblich ist für die Frage der Beteiligung im September 1939 oder vorher.
DR. LATERNSER: Herr Präsident! Wenn ich mich auf den Standpunkt der Anklage stelle, dann muß ich annehmen, daß die Anklagebehörde annimmt, daß die Verschwörung fortgedauert hat; denn hier ist weder aus den Ausführungen der Anklagebehörde noch aus irgendeinem Vorbringen zu entnehmen, daß die Verschwörung von einem gewissen Zeitpunkt ab aufgehört haben soll, so daß auch die Beantwortung dieser Frage von Wichtigkeit, ich glaube, von entscheidender Wichtigkeit wäre. Ich möchte noch ergänzend vortragen, Herr Präsident...
VORSITZENDER: Gut, Herr Dr. Laternser.
DR. LATERNSER: Ich möchte noch ergänzend vortragen, daß gerade für die Zugehörigkeit der von mir vertretenen Gruppe als maßgeblicher Zeitpunkt angegeben worden ist der Zeitraum zwischen 1938 und Mai 1940.
VORSITZENDER: Sie meinen, daß die Gruppe sich geändert hat; deswegen könnten es 1944 andere sein?
DR. LATERNSER: Ich füge hinzu, daß insbesondere eine große Anzahl der zu dieser Gruppe gehörigen Personen erst im Laufe 1944 auf Grund ihrer Dienststellung in diese Gruppe gelangt ist, und daß ich das doch für wichtig halte.
VORSITZENDER: Jawohl.
DR. LATERNSER: Herr Zeuge! Meine Frage lautete: Können Sie mir die Namen derjenigen Generale angeben, die an dem Attentat vom 20. Juli 1944 beteiligt waren?
GISEVIUS: Der Generaloberst Beck, der Generalfeldmarschall von Witzleben, der General Olbricht, der General Hoeppner.
DR. LATERNSER: Eine Zwischenfrage; Der General Hoeppner war vorher Oberbefehlshaber einer Panzerarmee?
GISEVIUS: Ich glaube ja. Der General von Haase und sicherlich noch eine große Anzahl von Generalen, die ich so schnell nicht aufzählen kann; ich habe hier nur die Namen derjenigen genannt, die an diesem Nachmittag in der Bendlerstraße waren.
DR. LATERNSER: Eine Frage, Herr Zeuge: Wissen Sie, ob Feldmarschall Rommel auch beteiligt war am 20. Juli 1944?
GISEVIUS: Ich kann nicht nur mit Ja antworten, denn es ist Tatsache, daß ebenso Rommel, wie auch der Feldmarschall von Kluge beteiligt waren. Es würde aber doch ein falsches Bild entstehen, wenn nun der Feldmarschall Rommel plötzlich in der Kategorie derer erschiene, die gegen Hitler gekämpft hätten. Herr Rommel suchte als typischer Parteigeneral sehr spät Anschluß, und wir hatten einen sehr peinlichen Beigeschmack, als plötzlich Herr Rommel im Angesicht seiner persönlichen militärischen Katastrophe uns den Vorschlag machte, wir sollten Hitler umbringen lassen, dann aber möglichst auch Göring und Himmler dazu. Und selbst dann wünsche er nicht, sofort bei der ersten Gelegenheit dabei zu sein, sondern er wolle sich in einer gewissen Reserve halten, um uns seine Popularität später zur Verfügung zu stellen. Also, es ist eben immer ein sehr großes Problem, ob diese Herren unserer Gruppe beitraten als geschlagene Größen, wann diese Herren kamen, ob als Leute, die ihre Pension retten wollten, oder als Leute, die von Anfang an sich für Anstand und Ehre einsetzten.
DR. LATERNSER: Haben Sie selbst mal mit Feldmarschall Rommel über diesen Punkt gesprochen?
GISEVIUS: Nein, ich habe nie Wert darauf gelegt, seine Bekanntschaft zu machen.
DR. LATERNSER: Eine weitere Frage: Waren auch Generalstabsoffiziere am 20. Juli beteiligt?
GISEVIUS: Ja, eine große Menge.
DR. LATERNSER: Wieviel der Zahl nach schätzen Sie?
GISEVIUS: Das kann ich nicht, weil ich damals nicht informiert war, wieviel Generalstäbler Stauffenberg auf seiner Seite hatte. Ich zweifle nicht, daß Stauffenberg, Oberst Hansen und manche andere mutige Männer eine Anzahl sauberer, mutiger Generalstabsoffiziere vorgefunden hatten, und daß sie auf die Gefolgschaft sehr vieler anständiger Generalstäbler zählen konnten, die sie natürlich vorher nicht in ihre Pläne einweihen konnten.
DR. LATERNSER: Ja, das wird genügen zu diesem Punkt. Nun ist mir noch eine Frage eingefallen. Sie erwähnten vorher General von Treskow. Kannten Sie General von Treskow persönlich?
GISEVIUS: Ja.
DR. LATERNSER: Wissen Sie etwas darüber, daß General von Treskow, nachdem er von der Herausgabe des Kommissarbefehls erfahren hatte, Vorstellungen bei Rundstedt gemacht hat, und daß diese Vorstellungen mit dazu beigetragen haben, daß der Kommissarbefehl im Bereich des Generalfeldmarschalls von Rundstedt nicht weitergegeben wurde?
GISEVIUS: Treskow gehörte seit Jahren zu unserer Gruppe. Es gab keine Aktion, die uns so beschämte wie diese, und er machte von Anfang an mutig seine Vorgesetzten auf das Unzulässige solcher furchtbaren Befehle aufmerksam. Ich weiß, wie damals der berühmte Kommissarerlaß bei uns zunächst vom Hörensagen bekannt wurde, und wie wir sofort einen Kurier zu Treskow schickten und ihm zunächst von der bloßen Absicht einer solchen Schändlichkeit Mitteilung machten, und wie dann auf ein gegebenes Stichwort hin Treskow nach Erscheinen des Erlasses beim Generalfeldmarschall von Rundstedt in dem von Ihnen geschilderten Sinne vorstellig wurde.
VORSITZENDER: Sie sagten vor kurzem, daß Sie im Begriffe seien, eine letzte Frage zu stellen.
DR. LATERNSER: Herr Präsident! Es tut mir leid, ich konnte das nicht einhalten. Eine Anzahl Fragen ergab sich aus den Aussagen des Zeugen. Aber das war meine letzte Frage.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich jetzt zurückziehen.