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[Zum Zeugen gewandt:]

Sagen Sie bitte, Herr Zeuge, Sie standen lange Zeit in enger Verbindung mit dem Angeklagten Schacht. Habe ich das richtig verstanden?

GISEVIUS: Jawohl.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Daher waren Sie über die politische und amtliche Tätigkeit des Angeklagten Schacht gut unterrichtet.

GISEVIUS: Ich glaube, ja.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Sagen Sie bitte, wissen Sie, welche Rolle der Angeklagte Schacht bei der Machtergreifung Hitlers spielte?

GISEVIUS: Das ist genau die Zeit, wo ich Schacht noch nicht kannte, und über die ich auch nichts aussagen kann.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Aber was wissen Sie darüber?

GISEVIUS: Ich weiß nur, daß er in das Kabinett eingetreten ist und daß er zweifellos Hitler bei den vorangehenden politischen Verhandlungen geholfen hat.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Ist Ihnen etwas darüber bekannt, daß Schacht im Jahre 1933 ein Zusammentreffen Hitlers mit den Großindustriellen zustande brachte?

GISEVIUS: Nein.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Als Ergebnis dieser Zusammenkunft wurde ein Fonds geschaffen, der den Sieg der Nazi-Partei bei den Wahlen sichern sollte. Was wissen Sie von dieser Besprechung?

GISEVIUS: Mir ist über diese Besprechung nichts bekannt. Ich habe in meinem Buche geschrieben, daß meines Wissens die entscheidende Geldsumme in dem Wahlkampf 1932 von Thyssen und dem damaligen Mitglied der Rheinisch-Hessischen Schwerindustrie Grauert gegeben wurde.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Welche Rolle spielte der Angeklagte Schacht in diesem Fall?

GISEVIUS: Ich habe Schacht damals nicht im Ruhrgebiet gesehen und weiß auch nicht, daß er damals da war. Ich betone noch einmal, ich kannte ihn gar nicht.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Das ist mir bekannt. In Ihrem Buch: »Bis zum bitteren Ende«, das 1946 veröffentlicht wurde, und in Ihren Antworten auf die Frage des Rechtsanwalts Dr. Dix gaben Sie eine günstige Schilderung des Angeklagten Schacht. Ist das richtig?

GISEVIUS: Ich habe die letzten Worte nicht verstanden.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Ich wiederhole: Sie gaben eine günstige Schilderung des Angeklagten Schacht. Ist das richtig?

GISEVIUS: Ja, ja.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Sie behaupten, daß der Angeklagte Schacht vom Jahre 1936 an zur Opposition gegen das Hitler-Regime überging und daß er seine Einstellung recht offen zur Schau trug. Stimmt das?

GISEVIUS: Nein, ich sage ausdrücklich, daß er von 1936 an begann hellhörig zu werden, daß aber der Übergang zur Opposition gegen Hitler erst während der Fritsch-Krise einsetzte.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: In welchem Jahr fand diese Sinnesänderung statt?

GISEVIUS: Ende 1937 und Anfang 1938. Anfang 1938 ist die Fritsch-Krise gewesen.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Sagen Sie, wäre es unter dem damaligen Regime möglich gewesen, daß Hitler von der oppositionellen Einstellung Schachts, die er Ihrer Darstellung nach seit 1937 hatte, nichts erfuhr?

GISEVIUS: Sie meinen, daß Hitler nach 1938 nicht unterrichtet gewesen sei?

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Nein, ich fragte Sie, ob es unter dem damaligen Regime in Deutschland möglich war, daß Hitler von der oppositionellen Haltung Schachts nicht unterrichtet wurde?

GISEVIUS: Hitler wußte ja, daß Schacht sehr kritisch dem System gegenüberstand und sehr oft opponierte. Er bekam ja sehr oft Briefe von Schacht und hörte natürlich eine Menge. Aber wie weit diese Opposition ging, hatte er nicht gehört.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Wie konnte dann Schacht bis zum Jahre 1943 der Reichsregierung angehören, als Minister ohne Geschäftsbereich und als Hitlers persönlicher Berater, wenn Hitler, wie Sie sagen, wußte, daß Schacht seiner Politik kritisch gegenüberstand?

GISEVIUS: Hitler war immer darauf bedacht, prominente Männer leise verschwinden zu lassen oder in den Schatten zu stellen, so daß die Auslandspropaganda sich dieser Tatsache nicht bemächtigen konnte. Der Fall Schacht ist nicht der einzige, wo Hitler versuchte, eine offene Krise zu camouflieren.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Kannten Sie den Brief, den Hitler am 19. Januar 1939 an Schacht anläßlich dessen Abberufung von seinem Amt als Reichsbankpräsident schrieb? Ich möchte Ihnen den Inhalt dieses Briefes in Erinnerung rufen. In diesem Brief schrieb Hitler an Schacht:

»Ich nehme den Anlaß Ihrer Abberufung vom Amte des Präsidenten des Reichsbankdirektoriums wahr, um Ihnen für die Deutschland und mir persönlich in dieser Stellung in langen und schweren Jahren erneut geleisteten Dienste meinen aufrichtigsten und wärmsten Dank auszusprechen. Ihr Name wird vor allem für immer mit der ersten Epoche der nationalen Wiederaufrüstung verbunden sein. Ich freue mich, Sie in Ihrer Eigenschaft als Reichsminister nunmehr zur Lösung neuer Aufgaben einsetzen zu können.«

VORSITZENDER: Alle diese Dinge sind vom Zeugen schon gestern behandelt worden.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Ich bitte um Entschuldigung. Aber im Zusammenhang mit diesem Brief habe ich einige Fragen an den Zeugen zu stellen.