HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Pause von 10 Minuten.]

VORSITZENDER: Herr Dr. Laternser! Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß die Fragen, die Sie bis jetzt gestellt haben, wenn überhaupt, dann nur sehr wenig erheblich sind. Der Gerichtshof kann das Kreuzverhör nicht noch längere Zeit fortführen lassen, weil sonst noch mehr Zeit des Gerichtshofs verschwendet würde. Der Gerichtshof ist der Ansicht und hat beschlossen, daß Sie die Frage, die Sie seiner Meinung nach stellen wollen, in dieser Form stelle können: Der Zeuge hat von Berichten über Greueltaten im Osten gesprochen, die der von Ihnen erwähnte Personenkreis erhalten hat; der Gerichtshof ist der Ansicht, daß Sie ihn fragen können, wer diese Berichte vorgelegt hat.

DR. LATERNSER: Herr Zeuge! Ich bitte, diese Frage zu beantworten: Von wem stammten diese Berichte über Morde in Polen und Rußland?

GISEVIUS: Ich kenne einen Bericht, den der Generaloberst von Blaskowitz in den ersten Monaten des Polenkrieges auf Grund der ihm zugegangenen Informationen und seiner nachgeordneten militärischen Dienststellen gemacht hat. Darüber hinaus wurden solche Berichte meines Wissens nur von der Gruppe Canaris-Oster zusammengestellt. Ich möchte aber nicht damit behaupten, daß vielleicht nicht doch noch irgendwo ein anderer einen solchen Bericht geschrieben hat.

DR. LATERNSER: Was war der Zweck dieses Berichtes, den Generaloberst Blaskowitz eingereicht hatte?

GISEVIUS: Generaloberst von Blaskowitz wollte bei den damaligen...

VORSITZENDER: Der Bericht, den ein bestimmter General gemacht hat, zeigt nicht unbedingt, ob diese Gruppe unschuldig oder verbrecherisch war.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Das ist doch ein Hilfsmittel, um festzustellen, wie die Einstellung der Gruppe war.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß der Bericht eines Generals kein Beweis hinsichtlich der Kriminalität der ganzen Gruppe ist.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ist die Frage nunmehr zugelassen? Ich habe nach dem Zweck des Berichtes gefragt.

VORSITZENDER: Nein, der Gerichtshof ist der Ansicht, daß das, was im Bericht enthalten war, nicht zugelassen werden kann.

DR. LATERNSER: Ich habe keine weiteren Fragen mehr.

VORSITZENDER: Dann kann der Zeuge abtreten.

[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

Dr. Pannenbecker! Damit ist Ihr Fall beendet, nicht wahr?

DR. PANNENBECKER: Der Fall des Angeklagten Frick ist damit beendet bis auf die Antworten auf die Fragebogen, die noch nicht eingegangen sind.

VORSITZENDER: Jawohl.

Verteidiger des Angeklagten Streicher, Herr Dr. Marx, bitte!

DR. HANNS MARX, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN STREICHER: Mit Erlaubnis des Gerichts, Herr Präsident, rufe ich nun den Angeklagten Julius Streicher als Zeugen auf.

[Der Angeklagte Streicher betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Wie heißen Sie?

JULIUS STREICHER: Julius Streicher.

VORSITZENDER: Wollen Sie mir folgenden Eid nachsprechen:

Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. MARX: Herr Zeuge! Geben Sie dem Gerichtshof zunächst eine kurze Schilderung Ihres Werdeganges.

STREICHER: Ich möchte das Hohe Gericht bitten, mir zu meiner Verteidigung eine sachliche kurze Feststellung geben zu lassen. Erstens:...

VORSITZENDER: Sie müssen aber die Fragen beantworten, die Ihnen gestellt werden.

STREICHER: Euer Lordschaft! Mein Verteidiger kann nicht das sagen, was ich jetzt sagen muß. Das kann er nicht. Ich möchte darum bitten, sachlich und kurz: Mein Verteidiger hat meine Verteidigung nicht so geführt oder nicht so führen können, wie ich es haben wollte, und ich möchte das dem Gericht bekanntgeben.

VORSITZENDER: Angeklagter! Sie verstehen, daß der Gerichtshof seine Zeit nicht mit unnötigen Sachen in Anspruch nehmen lassen möchte. Er hat nichts dagegen, wenn Sie etwas sagen, was erheblich ist, oder wenn Sie es, falls nötig, verlesen. Er hofft, daß Sie sich so kurz wie möglich fassen werden.

STREICHER: Ich sage nur Tatsachen, vier Tatsachen:

Erstens: Das Statut, das für diesen Internationalen Militärgerichtshof geschaffen wurde, garantiert dem Angeklagten das Recht auf eine ungehinderte und damit gerechte Verteidigung.

Zweitens: Vor Beginn dieses Prozesses erhielten die Angeklagten eine Liste mit den Namen der Rechtsanwälte zugestellt, aus denen der Angeklagte sich einen Verteidiger wählen konnte. Da der Münchener Rechtsanwalt, den ich für meine Verteidigung ausgewählt hatte, mir nicht mehr zur Verfügung gestellt werden konnte, bat ich das Hohe Militärgericht, mir den Nürnberger Rechtsanwalt Dr. Marx zur Verfügung zu stellen. Das ist geschehen.

Drittens: Als ich mit meinem Verteidiger zum erstenmal zusammentraf, sagte ich ihm, er müsse sich darauf gefaßt machen, als mein Verteidiger öffentlich angegriffen zu werden. Bald darauf erfolgte ein Angriff seitens einer in der russischen Zone in Berlin erscheinenden kommunistischen Zeitung. Das Internationale Militärtribunal sah sich veranlaßt, in einer öffentlichen Erklärung den Angriff jener Zeitung zurückzuweisen und meinen Verteidiger des Schutzes des Militärgerichts ausdrücklich zu versichern.

Viertens: Obwohl durch die Erklärung des Internationalen Militärgerichtshofs kein Zweifel darüber bestehen konnte, daß das Gericht die Verteidigung der Angeklagten unbehindert wissen wollte, erfolgte ein erneuter Angriff, diesmal durch den Rundfunk. Der Rundfunksprecher sagte: »Unter den Verteidigern befinden sich verkappte Nazis und Antisemiten.« Daß dieser Terror mit der Absicht erfolgte, die Verteidiger einzuschüchtern, ist klar. Diese Terrorangriffe dürften mit dazu geführt haben – das ist mein Eindruck –, daß mein eigener Verteidiger es abgelehnt hat, eine große Anzahl meiner Beweisanträge, die ich für wichtig halten mußte, dem Gericht vorzulegen.

Fünftens: Ich stelle hiermit fest, daß mir vor diesem Internationalen Militärgerichtshof eine ungehinderte und damit gerechte Verteidigung nicht möglich gemacht worden ist.

VORSITZENDER: Sie können versichert sein, daß der Gerichtshof dafür sorgen wird, daß alles, was nach der Meinung des Gerichtshofs mit Ihrem Fall etwas zu tun hat oder für Ihren Fall erheblich oder für Ihren Fall irgendwie wesentlich ist, vorgelegt wird und daß Ihnen die bestmögliche Gelegenheit zur Verteidigung gegeben wird.

STREICHER: Ich danke. Aus meinem Leben...

DR. MARX: Verzeihung, Herr Präsident, darf ich ganz kurz bitten, zu der Sache Stellung nehmen zu können.

Hoher Gerichtshof, als ich seinerzeit vor die Frage gestellt wurde, die Verteidigung des Herrn Streicher zu übernehmen, waren bei mir naturgemäß sehr starke Bedenken vorhanden. Ich habe...

VORSITZENDER: Dr. Marx, ich glaube wirklich nicht, daß es notwendig ist, daß Sie jetzt irgendeine persönliche Erklärung abgeben. Es ist sehr gut möglich, daß der Angeklagte über seine eigene Verteidigung anderer Meinung ist. Ich glaube, daß wir ihn mit seiner Verteidigung beginnen lassen sollten.

DR. MARX: Ich bitte mir trotzdem zu dem einen Punkt, Herr Präsident, noch einmal ein Wort zu erlauben, und zwar handelt es sich um folgendes: Als Anwalt und als Verteidiger eines Angeklagten muß ich für mich das Recht in Anspruch nehmen, zu bestimmen, in welcher Weise ich die Verteidigung führe. Wenn der Klient der Meinung ist, daß gewisse Dokumente oder Bücher nach seiner Auffassung beweiserheblich sind, der Anwalt aber der Meinung ist, daß sie nicht beweiserheblich sind, dann besteht eben eine Divergenz zwischen dem Verteidiger und seinem Klienten. Wenn Herr Streicher der Meinung ist, daß ich nicht fähig oder nicht in der Lage bin, seine Verteidigung zu führen, dann möge er um einen anderen Verteidiger bitten. Ich bin mir aber bewußt, daß es in dieser Lage des Verfahrens sehr schwer ist, auch für mich, nun die Konsequenzen zu ziehen und zu sagen, ich bitte, mich von dieser Verteidigung zu entbinden. Aber ich fühle mich zwar nicht terrorisiert von irgendeinem Zeitungsschreiber, aber etwas anderes ist es, wenn der eigene Klient kein Vertrauen zu seinem Verteidiger hat. Ich sehe mich daher veranlaßt, die Entscheidung des Gerichte herbeizuführen, ob ich unter diesen Umständen die Verteidigung noch weiterführen soll, oder wie sich das Gericht dazu stellt.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß die von Ihnen soeben abgegebene Erklärung und Feststellung den Überlieferungen des Anwaltsberufs entspricht; er glaubt deshalb, daß das Verfahren fortgesetzt werden sollte und daß Sie den Fall weiter behandeln. Nun, Angeklagter, fahren Sie fort.

STREICHER: Aus meinem Leben: Ich bin am 12. Februar 1885 in einem kleinen Dorf in Bayerisch- Schwaben geboren worden. Ich bin das letzte von neun Kindern gewesen. Mein Vater war Volksschullehrer, auch ich bin Volksschullehrer geworden. Nachdem ich einige Jahrein meiner engeren Heimat in Bayerisch-Schwaben beruflich tätig gewesen war, wurde ich im Jahre 1909 an die Stadtschule nach Nürnberg berufen. Hier hatte ich Gelegenheit, mit den Familien der Arbeiterkinder der Vorstädte in Berührung zu kommen, und hier hatte ich Gelegenheit, die sozialen Gegensätze kennenzulernen, und diese Erkenntnis führte dazu, daß ich mich im Jahre 1911 entschloß, politisch tätig zu werden. Ich wurde Mitglied der demokratischen Partei. Ich habe 1912 als junger demokratischer Redner zur Reichstagswahl gesprochen. Das Auto, das mir zur Verfügung gestellt worden war, wurde bezahlt vom Bankhaus Kohn. Ich betone dies deshalb: ich hatte zu jener Zeit viel Gelegenheit, mit Juden zu verkehren, auch in der demokratischen Partei. Es müssen also schicksalsmäßige Gründe gewesen sein, wenn ich später rassenpolitischer Schriftsteller und Redner wurde. Es kam der Weltkrieg. Auch ich rückte ein als Gefreiter eines Infanterie-Regiments. Ich wurde dann Offizier in einer Maschinengewehrabteilung. Ich kehrte in die Heimat zurück mit beiden Eisernen Kreuzen, mit dem Bayerischen Orden und dem seltenen österreichischen Verdienstkreuz am Bande der Tapferkeit. Als ich in die Heimat zurückgekommen war, hatte ich nicht das Verlangen, noch einmal politisch tätig zu sein. Ich hatte nur die Absicht, in aller Zurückgezogenheit meinem Beruf zu leben. In Deutschland, da sah ich die blutroten Plakate der Revolution, und ich begab mich erstmals unter die tobenden Massen jener Zeit. Als der Versammlungsredner zu Ende gesprochen hatte, bat ich um das Wort als Unbekannter. Eine innere Stimme schickte mich hinauf auf das Podium und ich sprach. Ich sprach zur Diskussion und ich sprach zu dem, was in Deutschland sich jetzt zugetragen hatte. In Deutschland hatten durch die Novemberrevolution 1918 Juden und Judengenossen die politische Macht an sich gerissen. Juden waren in der Reichsregierung und befanden sich nun auch in sämtlichen Länderregierungen. In meinem engeren Vaterland Bayern wurde ein polnischer Jude Ministerpräsident, Eisner- Kosmanowsky. Die Reaktion in Deutschland im Bürgertum offenbarte sich in einer Vereinigung, die sich nun gebildet hatte, dem »Schutz- und Trutzbund«. In allen großen Städten Deutschlands wurden Ortsgruppen des Schutz- und Trutzbundes gebildet, und wie es das Schicksal wollte, als ich wieder einmal in einer Rednerversammlung zur Diskussion gesprochen hatte, trat ein Bürger an mich heran und bat mich, ich möchte in den Kulturverein, in den Goldenen Saal kommen und hören, was man dort zu sagen habe. So, meine Hohen Herren, kam ich in das hinein, was mich nun hierhergeführt hat. Schicksalhafte Fügung machte mich zu dem, wozu mich eine internationale Propaganda glaubte gemacht zu haben. Man erklärte mich zu einem Bluthund, man erklärte mich zu einem blutigen Zaren von Franken. Man ging heran an meine Ehre. Man zahlte einen Verbrecher mit 300 Mark, der hier in diesem Saale seine Hand zum Schwur erheben mußte, der erklärte, er hätte gesehen, wie ich während des Krieges als Offizier in Frankreich, in Atis bei Peronne, eine Lehrersfrau, eine Madame Duquesne, angeblich vergewaltigt hätte. Zwei Jahre hat es gedauert, bis die Wahrheit an den Tag kam durch einen Verrat. Hier in diesem Saale, meine Herren, lag die Quittung über 300 Mark. Mit 300 Mark wollte man mir meine Ehre nehmen. Ich erwähne diesen Fall nur, meine Hohen Herren – mein Fall ist ein besonderer Fall – und wenn er gerecht beurteilt werden soll, dann muß es mir gestattet sein, im Vorübergehen so eine Bemerkung machen zu dürfen. Vielleicht darf ich in diesem Zusammenhang sagen, meine Herren: Es ist kein Zufall, daß die erste Frage des vernehmenden Offiziers der Delegation aus Sowjetrußland an mich war, ob ich ein Sittlichkeitsverbrecher sei. Nein, meine Herren, ich habe eben berichtet, wie schicksalhaft ich in den Schutz- und Trutzbund, in die Volksaufklärung hineingekommen bin. Ich habe Ihnen erzählt, wie die Verhältnisse damals in Deutschland waren, und so war es nun eine ganz natürliche Entwicklung, daß ich nicht mehr in die Revolutionshäuser ging, um zur Diskussion zu sprechen. Ich fühlte die Berufung in mir, selbst Versammlungen einzuberufen, und sprach nun, ich darf wohl sagen, fünfzehn Jahre lang fast jeden Freitag vor etwa 5000 bis 6000 Menschen. Ich sprach im Laufe von zwanzig Jahren, ich bekenne das ganz offen heraus, in den größten Städten Deutschlands, manchmal vor Versammlungen auf Sportplätzen, auf Stadtplätzen vor 150000 bis 200000 Menschen. Ich habe das zwanzig Jahre lang getan und erkläre hier: Ich bin von der Partei nicht bezahlt gewesen. Der Anklagevertretung ist es nicht möglich, auch nicht durch einen öffentlichen Aufruf, hier in diesem Saale irgend jemanden zu bringen, der bezeugen könnte, daß ich bezahlt war. Ich hatte ein kleines Gehalt, das mir noch gelassen war, nachdem ich im Jahre 1924 aus meinem Beruf enthoben worden war. Trotzdem blieb ich der einzige unbezahlte Gauleiter in der Bewegung. Daß später meine schriftstellerische Tätigkeit mich und meine Mitarbeiter ernährte, das war selbstverständlich.

Und so, meine Herren, im Jahre 1921 – ich komme jetzt wieder zurück in jene Zeit –, da begab ich mich nach München. Ich war neugierig. Zu mir hatte jemand gesagt, Sie müssen einmal Adolf Hitler hören. Und nun kommt wieder das Schicksal. Man kann dieses Drama nur begreifen, wenn man nicht nur materiell zu sehen vermag, sondern wenn man die höheren Schwingungen in sich aufzunehmen vermag, die heute noch zu erfühlen sind.

Ich begab mich nach München in den Bürgerbräukeller. Dort sprach Adolf Hitler. Ich hatte nur den Namen gehört. Diesen Mann hatte ich noch nie gesehen gehabt. Und da saß ich als Unbekannter unter Unbekannten. Sah diesen Mann nach dreistündiger Rede, kurz vor Mitternacht, schweißgebadet, umstrahlt. Ein Nachbar neben mir sagte, er glaube einen Heiligenschein um diesen Kopf zu sehen; und ich empfand etwas, meine Hohen Herren, das war nicht alltäglich. Als er fertig war mit seiner Rede, da befahl mir eine innere Stimme, mich zu erheben. Ich begab mich an das Podium. Als Adolf Hitler herunterstieg, ging ich auf ihn zu und sagte meinen Namen.

Die Anklagevertretung hat dem Gericht ein Dokument übergeben, das an jenen Augenblick erinnert. Adolf Hitler schreibt in seinem Buch »Mein Kampf«, daß es mich eine Überwindung gekostet haben müsse, daß ich ihm meine Bewegung, die ich in Nürnberg geschaffen hatte, nun übergeben hätte.

Ich erwähne das, weil die Anklagebehörde glaubte, diese Bemerkung in Hitlers Buch »Mein Kampf« vorlegen zu sollen, gleichsam gegen mich auswerten zu sollen. Jawohl, ich bin stolz darauf; ich selbst habe mich bezwungen und habe die Bewegung, die ich in Franken geschaffen hatte, Hitler übergeben. Mit dieser fränkischen Bewegung bekam die Bewegung, die Adolf Hitler in München und in Südbayern geschaffen hatte, die Brücke nach Norddeutschland. Das war mit meine Tat.

Im Jahre 1923 nahm ich teil an der ersten nationalen Revolution das heißt, es war ein Revolutionsversuch; er ging ein in die Geschichte als Hitler-Putsch. Adolf Hitler hatte mich darum ersuchen lassen, nach München zu kommen. Ich begab mich nach München und nahm an jener Versammlung teil, in der Adolf Hitler mit den Vertretern des Bürgertums auf Handschlag vereinbart hatte, gemeinsam nun nach Norddeutschland zu gehen und dem Chaos ein Ende zu bereiten.

Ich habe den Marsch bis an die Feldherrnhalle mitgemacht. Ich wurde dann verhaftet und kam, wie Adolf Hitler, Rudolf Heß und so weiter, nach Landsberg am Lech. Nach einigen Monaten wurde ich vom Völkischen Block zum Abgeordneten des Bayerischen Landtages aufgestellt und als solcher im Jahre 1924 gewählt.

Im Jahre 1925 wurde ich, nachdem die Bewegung wieder gestattet worden war und Adolf Hitler das Gefängnis verlassen hatte, zum Gauleiter von Franken ernannt. Im Jahre 1933 wurde ich Reichstagsabgeordneter. Im Jahre 1933 oder 1934 erhielt auch ich den Titel, den Ehrentitel eines SA-Gruppenführers.

Im Februar 1940 wurde ich beurlaubt. Ich lebte dann fünf Jahre bis zum Kriegsende auf meinem Hof. Ende April begab ich mich nach Südbayern, nach Tirol. Ich wollte in den Freitod gehen. Dann kam ein Ereignis, das ich nicht weiter erzählen will. Aber das eine kann ich sagen, ich erklärte Freunden, ich habe zwanzig Jahre vor der Weltöffentlichkeit mich bekannt, ich will nicht durch Selbstmord enden. Ich will meinen Weg, sei er wie er will, als Wahrheitsfanatiker gehen bis zum Ende. Wahrheitsfanatiker, vielleicht darf ich die Bemerkung hier machen. Ich habe bewußt meinem Kampfblatt, dem »Stürmer«, einen Untertitel gegeben und dieser Titel lautet: Wochenblatt zum Kampfe um die Wahrheit. Ich war mir bewußt, daß ich nicht die ganze Wahrheit besitzen könne, aber ich bin mir bewußt, daß ich zu 80 und zu 90 % die Wahrheit überzeugt bekannt habe.

DR. MARX: Herr Zeuge! Weshalb erfolgte Ihre Entlassung aus dem Lehrberuf? Haben Sie sich insbesondere je einer strafbaren oder unsittlichen Handlungsweise schuldig gemacht?

STREICHER: Ich habe diese Frage eigentlich schon beantwortet. Jeder weiß, ich hätte nicht im öffentlichen Leben in diesem Beruf sein können, wenn ich mich eines Verbrechens schuldig gemacht haben würde. Das ist unwahr. Ich bin aus dem Beruf entlassen worden, weil die Mehrheit der Parteien im Bayerischen Landtag im Herbst 1923 nach dem Hitler- Putsch verlangte, daß ich aus meinem Beruf entlassen werde. Das war mein Sittlichkeitsverbrechen, meine Herren.

DR. MARX: Es ist Ihnen bekannt, daß Sie in zwei Punkten angeklagt sind. Einmal sind Sie beschuldigt, daß Sie der Verschwörung angehört haben, welche das Ziel hatte, einen Angriffskrieg oder Angriffskriege allgemein zu führen, Verträge zu brechen und bei dieser Gelegenheit oder auch schon vorher Verbrechen gegen die Humanität zu begehen; und zum zweiten sind Sie des Verbrechens gegen die Humanität beschuldigt. Zu dem ersten Punkt stelle ich nun verschiedene Fragen an Sie: Besprachen Sie sich je mit Adolf Hitler oder nahmen Sie je an Besprechungen anderen führender Männer des Staates oder der Partei teil, bei denen die Frage eines Angriffskrieges behandelt wurde?

STREICHER: Das kann ich gleich mit einem Nein beantworten Aber ich bitte, mir eine kurze Erklärung dazu zu gestatten. Ich habe mich im Jahre 1921, wie ich bereits sagte, nach München begeben und in aller Öffentlichkeit am Podium dem Führer meine Bewegung übergeben. Habe ihm auch später noch den Brief geschrieben diesbezüglich; weiter hat keine Besprechung mehr statt gefunden, weder mit Adolf Hitler noch mit irgendeiner anderer Persönlichkeit. Ich ging zurück nach Nürnberg und sprach weiter. Bei Verkündung des Parteiprogramms war ich gar nicht dabei. Die Verkündung geschah aber wiederum in aller Öffentlichkeit, so öffentlich war die Verschwörung gewesen, daß politische Gegner einen Terrorversuch machen konnten.

Also, ich fasse zusammen: Es hat nie eine geheime Besprechung stattgefunden, bei der man einen Eid ablegte und etwas vereinbarte, was die Öffentlichkeit nicht hätte wissen sollen. Das Programm stand. Es war der Polizei übergeben, auf Grund des Vereinsgesetzes war die Partei wie andere Parteien in das Vereinsregister eingetragen gewesen. Es war also damals keine Verschwörung vor gekommen.

DR. MARX: Einer der wichtigsten Programmpunkte des Parteiprogramms war doch die Forderung »Los von Versailles!«. Welche Gedanken haben Sie sich darüber gemacht, wie das Diktat von Versailles einmal beseitigt werden sollte?

STREICHER: Ich glaube, da kann ich mich auch ganz kurz fassen. Ich glaube, das Gericht weiß längst, wie die Sache liegt. Selbstverständlich, es gibt in einem Volk mal einen Verräter, so wie er heute hier saß, und es gibt eine Menge von anständigen Menschen. Und diese anständigen Menschen damals nach dem Weltkrieg, die hatten in sich die Parole »Los von Versailles!«

JUSTICE JACKSON: Hohes Gericht! Ich glaube, daß ich gegen diese Art von Verfahren Einspruch erheben muß. Dieser Zeuge hat nicht das Recht, einen anderen Zeugen Verräter zu nennen. Man hat ihm keine Frage gestellt, worauf dieses eine Antwort wäre. Ich verlange, daß der Gerichtshof ihn unzweideutig verwarnt und daß er sich hier darauf beschränkt, die Fragen zu beantworten, damit das Verfahren in Ordnung weitergeht.

VORSITZENDER: [zum Zeugen gewandt] Ja, Sie werden diese Zurechtweisung beachten.

STREICHER: Ich bitte das Gericht zu entschuldigen. Das ist mir entschlüpft.

VORSITZENDER: Die Bemerkung, die Sie gemacht haben, habe ich anscheinend selbst nicht gehört. Aber sie wurde bezüglich eines Zeugen gemacht, der hier gerade ausgesagt hat. Sie waren keineswegs berechtigt, ihn Verräter zu nennen oder über seine Aussagen irgendwelche Bemerkungen zu machen.

DR. MARX: Also, Herr Streicher, derartige Bemerkungen wollen Sie bitte unterlassen.

Adolf Hitler sprach an den Gedenktagen zu der Partei stets von einer verschworenen Gemeinschaft. Was wollen Sie hierzu sagen?

STREICHER: Verschworene Gemeinschaft, das sollte heißen, daß er, Hitler, der Überzeugung ist, daß seine alten Anhänger mit ihm in Gesinnung, im Herzen und in der Überzeugung der politischen Treue verbunden sind. Verschworene Gemeinschaft in der Gesinnung, im Herzen verbunden.

DR. MARX: Sollte damit nicht zum Ausdruck gebracht sein, daß eine Verschwörung bestände?

STREICHER: Dann hätte er gesagt, wir sind eine Verschwörergemeinschaft.

DR. MARX: Bestand zwischen Ihnen und den übrigen Angeklagten eine irgendwie geartete nähere Gemeinschaft, die man als Verschwörung bezeichnen konnte, und waren Sie mit einem dieser Mitangeklagten überhaupt näher bekannt oder in näheren Beziehungen?

STREICHER: Soweit es alte Parteigenossen sind, ist es eine Gesinnungsgemeinschaft. Man hat sich auf Gauleitertagungen getroffen, vielleicht, daß einer einmal in der Gaustadt sprach; dann sah man ihn. Die Reichsminister, die habe ich erst die Ehre gehabt, hier richtig kennenzulernen. Die Herren vom Heer habe ich auch erst hier kennengelernt. Also eine politische Gemeinschaft, Tatgemeinschaft, hat wirklich nicht bestanden.

DR. MARX: Wie dachte man sich denn in den Anfängen der Partei die Lösung der Judenfrage?

STREICHER: Ja, in den Anfängen der Partei, da wurde überhaupt nicht über die Lösung der Judenfrage gesprochen, genau so wie damals nicht darüber gesprochen wurde, wie die Frage von Versailles, das Diktat von Versailles, gelöst werden sollte. Man muß sich das Chaos vorstellen, das damals in Deutschland herrschte. Ein Adolf Hitler, der damals gesagt hätte zu seinen Mitgliedern, ich werde im Jahre 1933 beginnen, einen Krieg hervorzurufen, zu dem hätte man gesagt, er sei ein Narr. Wir hatten in Deutschland keine Waffen mehr; das Hunderttausend-Mann-Heer hatte nur noch ein paar Infanteriekanonen; eine Möglichkeit zu einem Krieg, ihn zu prophezeien, gab es nicht, und von einer Judenfrage zu sprechen in einer Zeit, ich möchte sagen, wo die Öffentlichkeit den Juden ja nur nach der Religion unterschied, darüber zu sprechen, über eine Lösung, wäre ein Unding gewesen. Es wurde also vor 1933 über eine Lösung der Judenfrage nicht gesprochen. Ich habe Adolf Hitler nicht sprechen hören darüber; auch hier sitzt niemand, von dem ich sagen könnte, ich hätte einmal ein Wort darüber von ihm gehört.

DR. MARX: Es wird angenommen, daß Sie in besonders engen Beziehungen zu Adolf Hitler gestanden seien und daß Sie einen erheblichen Einfluß auf die Entschließungen dieses Mannes ausgeübt hätten. Ich möchte Sie daher ersuchen, Ihre Beziehungen zu Adolf Hitler nun etwas klarzulegen.

STREICHER: Wer Gelegenheit hatte, Adolf Hitler kennenzulernen, der weiß, wie richtig das ist, was ich jetzt sagen werde: Wenn irgendeiner glaubte, er könnte sich einen Weg bahnen, um vielleicht einmal persönlicher Freund von Adolf Hitler zu werden, der hatte sich darüber völlig falsche Gedanken gemacht. Adolf Hitler war nun einmal etwas Absonderliches in jeder Beziehung, und ich glaube sagen zu können, eine Freundschaft zwischen ihm und anderen Männern gab es nicht, eine Freundschaft, von der man hätte sagen können, das ist nun wirklich eine Herzensfreundschaft. Adolf Hitler, es war schwer sich ihm zu nahen, und wer ihm nahe kommen wollte, der kam ihm nur nahe durch eine männliche Tat, und wenn Sie mich nun hier gefragt haben, ich weiß, worauf die Frage hinaus will, so darf ich folgendes sagen: Vor 1923 hat Adolf Hitler mir mißtraut; obwohl ich ihm meine Bewegung mit offenem Gesicht übergeben hatte, schickte er nach einiger Zeit den späteren Reichsmarschall Hermann Göring nach Nürnberg. Er kam als junger SA-Führer, ich glaube, er war SA- Führer, und prüfte die Verhältnisse, ob ich recht hätte oder meine Denunzianten. Das soll keine Anklage sein, sondern nur eine Feststellung. Kurze Zeit später sandte er wieder einen und dann nochmals einen. Also, Adolf Hitler hat mir vor 1923 nicht getraut. Dann kam München, der Putsch. Nach Mitternacht, als er von den meisten verlassen worden war, da erschien ich vor ihm und sagte ihm, man müsse jetzt doch die Öffentlichkeit aufklären, wenn der nächste Tag komme. Da schaute er mich mit großen Augen an und sagte:

»Wollen Sie es machen?« Ich sagte: »Ich mache es.«

Vielleicht hat die Anklagebehörde nun das Dokument in Händen. Er schrieb nun nach Mitternacht auf ein Blatt Papier: »Streicher ist die gesamte Organisation übertragen.« Das sollte für den kommenden Tag, den 11. November, sein und am 11. November leitete ich nun die Propaganda in der Öffentlichkeit, bis eine Stunde vor dem Marsch auf die Feldherrnhalle. Als ich zurückkehrte, war alles aufgestellt. Vorne die Fahne, die dann später zur Blutfahne wurde. Ich stellte mich in das zweite Glied, wir marschierten nun in die Stadt hinein, marschierten Richtung Feldherrnhalle, und als ich nun vor der Feldherrnhalle Gewehr an Gewehr sah, und als ich nun wußte, jetzt wird geschossen, begab ich mich zehn Meter vor die Fahne und marschierte in die Gewehre hinein. Es kam dann das Blutbad, und wir wurden verhaftet.

Ich bin gleich fertig damit.

In Landsberg – jetzt komme ich zum Kern der Sache – erklärte mir dann Adolf Hitler, mir und seinen Mitgefangenen, er würde mir das nie vergessen; also weil ich damals teilgenommen hatte am Marsch auf die Feldherrnhalle, an der Spitze des Marsches, hat sich Adolf Hitler zu mir vielleicht mehr hingezogen gefühlt gehabt als zu einem anderen. Das war die Freundschaft aus der Tat heraus geboren.

DR. MARX: Sind Sie fertig?

STREICHER: Jawohl.

DR. MARX: Wurden Sie von Adolf Hitler bei wichtigen Angelegenheiten zu Rate gezogen?

STREICHER: Ich bin mit Adolf Hitler, das heißt ich habe Adolf Hitler nur gesehen bei Gauleiter-Tagungen, wenn er zu einer Versammlung nach Nürnberg kam, dann saßen wir beisammen beim Essen, fünf, zehn oder auch noch mehr Leute. Ich entsinne mich, nur einmal mit ihm allein gewesen zu sein im Braunen Haus zu München, als das Braune Haus fertig geworden war, und das war ein unpolitisches Gespräch. Alle Gespräche, die ich mit Adolf Hitler hatte, sei es in Nürnberg, sei es in München oder sonstwo, vollzogen sich im Kreise von Parteigenossen.

DR. MARX: Ich komme nun zu der Zeit von 1933. Am 1. April 1933 war ein Boykott-Tag im ganzen Deutschen Reich gegen die jüdische Bevölkerung angesetzt. Was können Sie dazu sagen, und welche Rolle spielten Sie dabei?

STREICHER: Ich wurde einige Tage vor dem 1. April nach München in das Braune Haus befohlen. Adolf Hitler erklärte mir das, was ich eigentlich schon wußte. In der Auslandspresse sei eine ungeheure Hetze gegen das neue Deutschland; obwohl er – sagte er – erst Kanzler war, obwohl Hindenburg noch an der Spitze des Reiches stand, obwohl noch das Parlament da war, hatte sofort eine ungeheure Hetze in der Auslandspresse gegen Deutschland begonnen.

Der Führer sagte mir, sogar die Reichsfahne, das Hoheitszeichen würde im Ausland beleidigt, und wir müßten jetzt dem Weltjudentum sagen: »Bis hierher und nicht weiter«. Wir müßten ihnen ein Zeichen geben, daß wir uns das weiterhin nicht bieten lassen könnten. Er sagte dann daraufhin zu mir, es solle am 1. April ein Anti-Boykott-Tag festgesetzt werden, und er wünschte, daß ich die Sache übernehme. Vielleicht ist es von Bedeutung auf folgendes hinzuweisen: Für diesen Anti-Boykott-Tag glaubte Adolf Hitler, daß es vielleicht, gut wäre, sich meines Namens zu bedienen. Später ist es nicht mehr geschehen. Ich übernahm also die Leitung des Anti-Boykotts und gab eine Anweisung heraus, die dem Gericht, glaube ich, vorliegt. Da brauche ich nicht viele Worte zu verlieren. Ich ordnete an, daß kein jüdisches Leben angegriffen werden dürfe, daß vor jedem jüdischen Besitz, das heißt vor jedem Geschäft, ein Posten stehen müsse oder mehrere, die dafür verantwortlich sind, daß keine Sachbeschädigung geschehen könne. Kurz gesagt, ich traf meine Anordnungen, die man vielleicht von mir gar nicht erwartet hatte und vielleicht auch nicht von manchen Seiten in der Partei; das gebe ich offen zu. Fest steht, der Anti-Boykott-Tag ist bis auf Nebensächlichkeiten tadellos abgelaufen. Selbst ich glaube, daß kein Jude hier ist, der das Gegenteil erklären könnte. Der Anti-Boykott-Tag war etwas Diszipliniertes und war auch ein »Anti« nicht zum Angriff, sondern zur Abwehr.

DR. MARX: Wurde damals ein Komitee gebildet, das aus prominenten Mitgliedern, führenden Mitgliedern der Partei, bestand, und ist dieses Komitee überhaupt in Erscheinung getreten?

STREICHER: Mit diesem Komitee... da ist es gegangen, wie mit dem Geheimen Kabinettsrat in Berlin; das hat nie getagt, und ich glaube, die Kabinettsmitglieder haben sich gar nicht alle kennen gelernt oder gesehen.

DR. MARX: Die Komitee-Mitglieder?

STREICHER: Das Boykott-Komitee, das wurde in Berlin von Goebbels in die Zeitung gegeben; das war eine Zeitungssache. Ich habe einmal telephonisch mit Goebbels gesprochen, da frug er in München an, wo ich war, wie diese Sache ablaufe. Da habe ich ihm erklärt: alles tadellos. Also es hat nie eine Besprechung stattgefunden, das war mehr nach außen hin; das sollte eine Repräsentation sein, eine Ausschmückung, ins Große hinein.

DR. MARX: Herr Zeuge! Ihnen ist vorhin ein Fehler unterlaufen bei der Sache von München 1923. Sie wollten doch sagen 9. November, oder nicht? 9. November 1923. Und was haben Sie gesagt?

STREICHER: Das weiß ich nicht mehr.

DR. MARX: Es muß heißen 9. November 1923?

STREICHER: 9. November 1923.

DR. MARX: Ja. Im Jahre 1935 sind auf dem Reichsparteitag zu Nürnberg die sogenannten Rassengesetze verkündet worden. Wurden Sie bei der Planung und Beratung des Gesetzentwurfes beigezogen, und waren Sie dabei in irgendwelcher Weise beteiligt, bei der Vorbereitung insbesondere?

STREICHER: Ja, ich glaube insofern bin ich beteiligt gewesen, als ich seit Jahren geschrieben habe, daß eine weitere Vermischung des deutschen Blutes mit jüdischem Blut verhindert werden müsse. Ich habe wiederholt solche Artikel geschrieben, und ich habe immer wieder in meinen Artikeln darauf hingewiesen, daß wir die jüdische Rasse zum Vorbild nehmen müßten, oder das jüdische Volk. Ich habe immer wieder in Artikeln mitgeteilt, daß die Juden für sämtliche Rassen Vorbild sein sollten; denn sie haben sich ein Rassengesetz geschaffen, das Gesetz Moses, das da lautet: »Wenn ihr in ein fremdes Land kommt, so sollt ihr die fremden Frauen euch nicht zu eigen machen.« Und das, meine Herren, das ist von ungeheurer Bedeutung, wenn man die Nürnberger Gesetze beurteilen will. Sie sind zum Vorbild genommen worden, diese Gesetze der Juden. Als nach Jahrhunderten der Gesetzgeber Esra, der jüdische, festgestellt hatte, daß trotzdem viele Juden nichtjüdische Frauen geheiratet hatten, wurden diese Ehen getrennt, und damals entstand das Judentum, das deshalb, weil es diese Rassengesetze einführte, alle Jahrhunderte überdauert hat, während alle anderen Rassen und Kulturvölker zugrundegegangen sind.

DR. MARX: Also, Herr Streicher, das geht etwas zu sehr in die Breite. Ich habe Sie gefragt, ob Sie bei der Planung und Beratung des Gesetzentwurfes dabei waren, oder sind Sie nicht selbst durch die Verkündung dieser Gesetze überrascht gewesen?

STREICHER: Ich bin doch ehrlich gewesen, wenn ich selber sage, daß ich glaube, indirekt dazu beigetragen zu haben. Also jetzt weiter.

DR. MARX: Aber das Gesetz selbst haben nicht Sie mitberaten?

STREICHER: Nein, ich erkläre folgendes: Im Jahre 1935, am Reichsparteitag zu Nürnberg, da wurden wir in den Saal gerufen, ohne zu wissen, was kommen würde; wenigstens ich hatte keine Ahnung; und nun wurden die Rassengesetze verkündet. Ich habe dort erst von diesen Gesetzen erfahren, und ich glaube, soweit die Herren, die hier als Gefangene sitzen, damals am Reichsparteitag waren, bis auf den Herrn Heß und so weiter, wird es den meisten so gegangen sein. Erst auf dem Reichsparteitag haben wir von diesem Gesetz erfahren. Direkt habe ich nicht mitgearbeitet. Ich erkläre offen, ich habe es als Zurücksetzung empfunden, daß ich zur Beratung dieser Gesetze nicht beigezogen worden war.

DR. MARX: Man glaubte also Ihrer Mithilfe entsagen zu können?

STREICHER: Jawohl.

DR. MARX: Waren Sie der Meinung, daß diese Gesetzgebung von 1935 die endgültige Lösung der Judenfrage seitens des Staates darstellen sollte?

STREICHER: Mit Einschränkung, jawohl. Ich war der Überzeugung, daß durch die Erfüllung des Parteiprogramms nun die Judenfrage gelöst wäre. Die Juden sind im Jahre 1848 Staatsbürger geworden in Deutschland. Diese staatsbürgerlichen Rechte wurden ihnen durch Gesetze genommen; die Vereinigung, die geschlechtliche wurde verboten. Damit war für mich die Judenfrage in Deutschland gelöst. Aber ich glaubte, daß noch einmal eine internationale Lösung kommen würde, ich glaubte daran, daß von Staat zu Staat einmal Besprechungen stattfinden würden, im Sinne der Forderungen, die der Zionismus aufgestellt hatte. Diese Forderungen zielten auf einem Judenstaat.

DR. MARX: Was können Sie über die Demonstrationen gegen die jüdische Bevölkerung in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 sagen, und welche Rolle spielten Sie dabei?

VORSITZENDER: Herr Dr. Marx! Es ist jetzt 5.00 Uhr und wenn Sie das ausführlich behandeln wollen, ist es besser, wenn wir uns bis Montag vormittag vertagen.