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[Pause von 10 Minuten.]

DR. MARX: Haben Sie Konzentrationslager besucht?

STREICHER: Jawohl. Ich habe das Konzentrationslager Dachau besucht.

DR. MARX: Wann ist dies gewesen?

STREICHER: Ich glaube, das erstemal, als sämtliche Gauleiter zusammengerufen wurden, ich glaube, 1935 oder, ich weiß es nicht mehr, 1934 oder 1935, ich weiß es nicht.

DR. MARX: In welchen Zwischenräumen haben Sie dann dieses Lager besucht? Es wird behauptet, Sie seien alle vier Wochen in Dachau gewesen.

Herr Streicher, machen Sie immer eine kurze Pause nach meiner Frage und fangen Sie dann erst mit der Beantwortung an.

STREICHER: Also wiederholen Sie bitte.

DR. MARX: Es wird behauptet, Sie seien alle vier Wochen in Dachau gewesen. In welchen Zwischenräumen waren Sie dort?

STREICHER: Ich bin im ganzen viermal in Dachau gewesen.

DR. MARX: Es wird behauptet, daß nach jedem Ihrer Besuche in Dachau dort ein Jude verschwunden sein soll?

STREICHER: Das weiß ich nicht, ob Juden verschwunden sind.

DR. MARX: Was gab Ihnen Veranlassung, das Lager Dachau wiederholt zu besuchen?

STREICHER: Ich bin in das Lager Dachau, um dort gefangengesetzte sozialdemokratische und kommunistische Funktionäre aus meinem Gau zu besuchen, sie mir vorstellen zu lassen. Ich habe, ich weiß nicht mehr, wieviel Hunderte es waren, aber aus der Gesamtzahl jedesmal, wenn ich in Dachau war, habe ich eine Anzahl, etwa 10 oder 20 ausgesucht, von denen polizeilich festgestellt worden war, daß sie nicht kriminelle Vorstrafen hatten; ich habe sie ausgesucht aus der Masse und habe sie dann Weihnachten jeden Jahres durch Autobusse nach Nürnberg bringen lassen ins Hotel »Deutscher Hof«, wo ich sie dann mit ihren Frauen und Kindern zusammenbrachte, und wo ich dann am gemeinsamen Essen teilnahm.

Ich möchte das Gericht bitten, vielleicht für die Nürnberger Öffentlichkeit, eine ganz kurze Erklärung mir geben zu lassen, warum ich diese Kommunisten herausgeholt habe. Ich wurde in ein Parteiverfahren genommen, weil ich das getan habe. Es gingen dann Gerüchte, die nicht stimmten. Dürfte ich eine ganz kurze Erklärung dazu geben, warum ich das tat?

DR. MARX: Ja, ich bitte, das vielleicht zu genehmigen, Herr Präsident, damit die Beweggründe, die den Angeklagten dabei geleitet haben, festgestellt werden.

VORSITZENDER: Ja, wenn es kurzgefaßt ist.

DR. MARX: Fassen Sie sich also kurz.

STREICHER: Wenn ich durch die Straßen von Nürnberg ging, dann kamen Kinder auf mich zu und sagten: »Mein Vater ist in Dachau.« Es kamen Frauen und baten um ihre Männer. Ich kannte nun viele von diesen Funktionären aus der Zeit, wo ich in den Revolutionsversammlungen in der Diskussion aufgetreten war, und ich konnte für diese Leute die Garantie übernehmen. Ich kenne nur einen Fall, in dem ich mit der Auswahl von den Herausgeholten danebenlangte. Alle anderen haben sich tadellos verhalten. Sie haben das Wort, das sie mir gaben, gehalten. Also, vielleicht wissen jetzt meine Parteigenossen, die auf der Anklagebank sitzen, daß ich nicht das Vaterland schädigen wollte, sondern daß ich menschlich Gutes tun wollte und getan habe.

DR. MARX: Ich komme nun zu den Bilderbüchern, die im Stürmer-Verlag erschienen sind. Sie wissen, daß zwei Bilderbücher herauskamen, und zwar eines mit dem Titel »Trau keinem Fuchs auf grüner Heid'«, und das andere mit der Überschrift »Der Giftpilz«. Übernehmen Sie für diese Bilderbücher die Verantwortung?

STREICHER: Jawohl. Ich darf vielleicht zusammenfassend sagen, daß ich für alles, was meine Mitarbeiter geschrieben haben, oder was von außen her eingegangen ist an meinen Verlag, für alles übernehme ich die Verantwortung.

DR. MARX: Wer hat diese Bilderbücher verfaßt?

STREICHER: Das Bilderbuch »Trau keinem Fuchs auf grüner Heid' und keinem Jud bei seinem Eid« wurde von einer jungen Künstlerin verfaßt, gezeichnet, und sie hat auch den Text dazu gegeben. Der Titel, der auf dem Bilderbuch steht, stammt von Dr. Martin Luther.

Das zweite Bilderbuch, das wurde verfaßt vom Chefredakteur des »Stürmer«, der früher Pädagoge, Lehrer war. Veranlaßt zu diesen beiden Bilderbüchern wurde ich durch zwei Kriminalfälle, die sich zugetragen haben in Nürnberg und die hier in diesem Saale, soviel ich weiß, verhandelt wurden. Hier war ein Fabrikant, Louis Schloß, ein Jude, der hatte Nürnberger junge Mädchen, noch unberührt zum Teil...

DR. MARX: Herr Streicher! Das wollen wir jetzt nicht hören, denn meine Frage ging dahin, wer diese Bilderbücher verfaßt hat, und ob Sie die Verantwortung für beide übernehmen?

STREICHER: Es ist für das Gericht wichtig, doch richtig zu wissen, wie ich jetzt dazu komme, daß nun plötzlich in meinem Verlag zwei Bilderbücher für die Jugend erscheinen. Ich gebe diese Erklärung absolut sachlich. Ich spreche hier von gerichtlichen Fällen. Hier sitzen Herren, die sind Zeugen, die waren hier im Justizpalast und haben die Verhandlungen miterlebt. Nur so versteht man, warum die Bilderbücher herausgekommen sind. Sie waren die Antwort auf Taten, die geschehen sind.

DR. MARX: Ja, es handelt sich ja hier nur darum, es wird Ihnen zum Vorwurf gemacht, daß Sie dadurch auf die Seelen noch jugendlicher Menschen bereits eine Einwirkung ausgeübt hätten, die nicht erforderlich war und die geeignet erscheinen konnte, vergiftend zu wirken.

STREICHER: Ich will ja durch meine Erklärung beweisen, daß wir die Jugend schützen wollten, weil eben Taten geschehen waren.

DR. MARX: Aber die Jugend konnte doch kaum den Fall »Schloß« begreifen, oder irgend so einen Fall, nicht?

STREICHER: Es war öffentliches Gespräch in Nürnberg und darüber hinaus in ganz Deutschland.

DR. MARX: Also für mich ist diese Frage beantwortet, Herr Präsident.

STREICHER: Für mich als Angeklagten nicht.

VORSITZENDER: Sie haben uns gesagt, daß diese Bücher herausgegeben wurden als Erwiderung auf Dinge, die hier geschehen sind, das genügt.

DR. MARX: Herr Zeuge! Ein weiterer, gegen Sie erhobener schwerer Vorwurf der Anklage ist jene Ritualmord-Nummer, welche im Stürmer-Verlag herausgebracht worden ist und im Zuge des Stürmers erschienen ist. Wie ist es zu dieser Nummer gekommen, und was war der Beweggrund dazu? Haben Sie diese Nummer selbst verfaßt?

STREICHER: Nein.

DR. MARX: Wer war der Verfasser?

STREICHER: Mein Mitarbeiter und damaliger Chefredakteur, der nun verstorbene Karl Holz. Ich übernehme aber die Verantwortung.

DR. MARX: Ist es nicht so, daß Sie bereits in den zwanziger Jahren im »Stürmer« ebenfalls sich mit dieser Frage befaßt haben?

STREICHER: Jawohl, und in öffentlicher Rede.

DR. MARX: Jawohl, in öffentlicher Rede. Warum haben Sie nun diese zweifellos sehr schwerwiegend wirkende Angelegenheit im Jahre 1935 wieder aufgerührt?

STREICHER: Ich möchte meinen Verteidiger bitten, keine Werturteile über das, was ich geschrieben habe, zu fällen; mich zu befragen, aber keine Werturteile. Das macht die Anklagevertretung.

Sie haben mich gefragt, wie es zu dieser Nummer kam. Ich will ganz kurz erklären...

DR. MARX: Verzeihung, Herr Präsident! Ich muß dagegen Stellung nehmen, daß der Herr Streicher hier im Zuge seiner Vernehmung durch mich Kritik an der Art meiner Fragestellung üben zu können glaubt. Ich bitte das Gericht, dazu Stellung zu nehmen, da ich sonst ja gar nicht mehr in der Lage bin, die Fragen zu stellen.

VORSITZENDER: Dr. Marx! Sie haben Ihre Stellung bereits festgelegt und der Gerichtshof unterstützt Sie darin absolut. Wollen Sie bitte fortfahren.

Und Ihnen, Angeklagter, lassen Sie mich folgendes sagen: Wenn Sie Ihrem Verteidiger oder dem Gerichtshof gegenüber frech sind, wird der Gerichtshof die Anhörung Ihres Falles jetzt nicht fortsetzen können. Sie wollen Ihren Verteidiger und den Gerichtshof mit der erforderlichen Höflichkeit behandeln.

STREICHER: Darf ich bitten, dazu etwas zu sagen?

VORSITZENDER: Nein, bitte beantworten Sie die Fragen.

DR. MARX: Ich setze jetzt meine Fragen fort.

Es wird Ihnen von der Anklage bei dieser Ritualmord-Angelegenheit zum Vorwurf gemacht, daß Sie ohne Unterlagen die Sache behandelt hätten, unter Rückgriff auf eine mittelalterliche Sache. Was war, kurz gesagt, Ihre Quelle?

STREICHER: In dieser Nummer sind die Quellen angegeben. Es wurde nichts geschrieben, wenn nicht zugleich die Quelle angegeben worden war. Es wurde hingewiesen auf ein Buch, das ein ehemaliger Rabbiner, der zum Christentum übergetreten war, veröffentlichte in griechischer Sprache. Es wurde hingewiesen auf eine Veröffentlichung eines hohen Mailänder Geistlichen, auf ein Buch, das in Deutschland seit 50 Jahren erscheint. Das Judentum hat gegen dieses Buch auch unter der demokratischen Regierung keine Klage erhoben. Diese Ritualmord-Nummer nimmt Bezug auf Gerichtsakten, die sich in Rom befinden, es nimmt Bezug auf Akten, die sich bei Gericht befinden. Es sind Bilder beigegeben, die zeigen in 23 Fällen, daß die Kirche selbst sich mit dieser Frage befaßte. Die Kirche hat 23 durch Ritualmord geendete Nichtjuden heiliggesprochen. Es sind die Bilder zum Teil gebracht, Skulpturen, also Steinmale, überall ist auf die Quelle hingewiesen, sogar ein Fall in England wurde hier angeführt und in Kiew aus Rußland. Ich möchte aber in dem Zusammenhang sagen, so wie ich auch einem jüdischen Offizier hier sagte, wir wollten nie behaupten, daß das gesamte Judentum nun dazu bereit wäre, Ritualmorde zu begehen. Aber es ist eine Tatsache, daß innerhalb des Judentums eine Sekte besteht, die sich mit diesen Morden befaßte und bis in die neue Zeit hinein befaßt hat. Ich habe meinen Verteidiger gebeten, er möge dem Gericht einen Akt aus Pisek vorlegen, aus der Tschechoslowakei, aus der neuesten Zeit. Ein Revisionsgericht hat einen Ritualmordfall bestätigt. Also zusammenfassend muß ich sagen...

JUSTICE JACKSON: Herr Vorsitzender! Ich erhebe gegen diese Erklärung Einspruch. Nachdem sein Verteidiger sich geweigert hat, dieses Dokument vorzulegen, besteht der Zeuge darauf, hier den Inhalt des Gerichtsprotokolls zu zitieren. Das ist nicht der richtige Weg, Beschuldigungen gegen das jüdische Volk zu erheben. Streicher sagt, daß er seinen Verteidiger um Vorlage ersucht hat. Sein Verteidiger hat sich anscheinend geweigert, woraufhin er hier Beweismittel zu bringen beginnt, von denen er weiß, daß sie die Zusammenfassung einer Angelegenheit sind, welche einzureichen sein Verteidiger sich geweigert hat. Meines Erachtens hat er nach Bestellung eines Verteidigers zur Führung seines Falles wiederholt gezeigt, daß er nicht gewillt ist, seinen Fall auf anständige Art zu führen. Er sollte daher in seine Zelle zurückgebracht werden und alle weiteren Erklärungen, die er vor diesem Gerichtshof zu machen wünscht, können durch seinen Verteidiger schriftlich eingebracht werden. Sein Verhalten ist absolut unfair und stellt eine Nichtachtung des Gerichtshofs dar.

VORSITZENDER: Dr. Marx! Ich glaube, Sie sollten besser fortfahren.

DR. MARX: Ich möchte bemerken, daß die Angelegenheit damit erledigt ist. Es ist ja nur das Wesentliche, ob man sagen kann, daß er ohne Unterlagen diesen Fall behandelt hat. Die Verteidigung interessiert sich für die Angelegenheit überhaupt nicht und ich habe nach meiner Erinnerung einem der Herren der Anklagebehörde auch den Vorschlag gemacht, diese Angelegenheit vielleicht ganz wegzulassen; denn es ist ja wirklich so, daß diese Angelegenheit so abscheulich ist und einem so contre cour geht, daß man sie besser gar nicht behandelt. Aber der Angeklagte wollte ja nur sagen, daß er nur unter Zugrundelegung dieser verschiedenen Unterlagen den Fall behandelt hat und ich meine, das genügt, damit sollte die Sache erledigt sein.

Also, Herr Streicher, Sie verfallen immer wieder in den Fehler, daß Sie viel zu weit ausholen und daß Sie hier Sachen besprechen, die Ihnen als Propaganda ausgelegt werden können. Ich möchte Sie jetzt zum letzten Male bitten, sich an meine Fragen zu halten und alles Weitere wegzulassen. Es liegt in Ihrem eigenen Interesse.

Es wird Ihnen zum Vorwurf gemacht, daß Sie in Ihrem Gau verschiedentlich Handlungen begangen haben, die gegen die Humanität verstießen, daß Sie sich Mißhandlungen von Gaueingesessenen zuschulden haben kommen lassen. So wird Ihnen zum Vorwurf gemacht, daß Sie einen politischen Gefangenen, einen gewissen Steinruck, in seiner Zelle aufgesucht und dort geschlagen haben. Ist das richtig?

STREICHER: Jawohl.

DR. MARX: War Steinruck ein Jude?

STREICHER: Nein.

DR. MARX: Aus welchem Beweggrund haben Sie das gemacht?

STREICHER: Steinruck hatte sich in einem öffentlichen Lokal vor vielen Zeugen in abfälliger Weise über den Führer ausgesprochen, in verleumderischer Weise. Er befand sich auf der Polizei. Ich hatte mit dem Polizeipräsidenten darüber gesprochen und sagte ihm, daß ich mir diesen Steinruck einmal anschauen möchte. Ich ging mit meinem Adjutanten – in dem Göring-Bericht heißt es, es sei noch Parteigenosse Holz dabei gewesen, das ist aber nicht richtig –, ich ging also mit meinem Adjutanten zur Polizei. Der gleiche Polizeipräsident, der mich dann später bei Reichsmarschall Göring denunzierte, führte mich zur Zelle des Steinruck. Wir begaben uns in die Zelle. Ich erklärte hier, ich ging mit der Absicht hin, um mit ihm zu sprechen, vernünftig zu sprechen. Wir sprachen mit ihm. Nun hat er sich so feige benommen, daß sich das nun aus dem Augenblick heraus ergeben hatte, er wurde gezüchtigt. Ich stehe nicht an, hier zu erklären, daß ich diesen Fall bedauere, daß ich es als eine Entgleisung empfinde.

DR. MARX: Es wird dann weiter behauptet, Sie hätten im August 1938 einen Schriftleiter Burger verprügelt. Ist das richtig?

STREICHER: Nein, das ist nicht richtig. Wenn ich ihn verprügelt hätte, dann würde ich es hier sagen. Ich glaube aber, daß mein Adjutant und noch jemand mit dem eine Auseinandersetzung hatten.

DR. MARX: Was war das mit dem Vorfall im Künstlerhaus in München?

STREICHER: Ich kam nach München in das Gasthaus »Künstlerstätte«, oder wie es heißt. Ich wurde empfangen vom Geschäftsführer. Da trat ein junger Mann auf mich zu, betrunken, und lallte und schrie auf mich ein. Der Geschäftsführer verbat sich dies, wies ihn vom Platze weg, der betrunkene junge Mann kam immer wieder herzu und da nahm mein Chauffeur diesen Betrunkenen und mein Sohn half ihm dabei. Sie gingen mit ihm in ein Zimmer hinein und züchtigten ihn, und dann bedankte sich der Besitzer der Gaststätte, daß er nun selbst vor dem Betrunkenen Ruhe hätte.

Aber nun hätte ich an das Gericht die Bitte, daß ich ganz kurz zu dem einen Fall, den, glaube ich, auch die Anklagevertretung fallen ließ, Stellung nehmen darf, wo ich bezichtigt wurde, mich würde gewissermaßen ein sadistischer Trieb dazu geführt haben...

VORSITZENDER: Angeklagter! Sie wissen ganz genau, daß dieser Zwischenfall aus dem Protokoll gestrichen wurde und daher nicht mehr gegen Sie vorgebracht wird. Es ist aus diesem Grunde absolut unnötig, darauf einzugehen. Der Gerichtshof kann Sie dazu nicht hören.

DR. MARX: Zeuge! Ich halte Ihnen nun aus dem sogenannten Göring-Bericht einige zum Gegenstand der Anklage gemachte Punkte vor:

Sie wissen, daß nach der Aktion vom November 1938 im Gau Franken Arisierungen jüdischen Besitzes in erheblichstem Umfang vorgenommen wurden. Wollen Sie dazu eine Erklärung abgeben?

STREICHER: Hier im Göring-Bericht befindet sich ein Hinweis auf eine Erklärung des verstorbenen Parteigenossen Holz. In dieser Erklärung wird gesagt, daß Holz nach jener Aktion zu mir gekommen sei, einen Vortrag gehalten hätte über die Aktion, sie ebenfalls für falsch erklärt hätte; er hat dann weiter gesagt, nun ist das geschehen, nun hält er es für notwendig, daß man nun weitergeht und den Besitz arisiert. Im Göring-Bericht heißt es, ich hätte dann dem Holz erklärt, das ginge nicht und hätte mich dem widersetzt. Dann heißt es weiter, Holz hätte dann mir gesagt, er hält es doch für gut, wenn man es tun würde. Man könne dann auch Mittel für die Errichtung einer Gauschule erhalten. Holz erklärt weiter, ich hätte dem Sinne nach erklärt: »Holz, wenn Sie glauben, es machen zu können, dann machen Sie es.«

Ich erkläre hier, es ist wahr, was hier der Parteigenosse Holz bekannt hat. Ich habe zuerst mich widersetzt und habe dann aus einer Stimmung heraus, die mir heute unklar ist, erklärt: »Wenn Sie es machen können, gut, dann machen Sie es«. Ich erkläre hier, daß ich damals, als ich das sagte, gar nicht dran glaubte, daß es nun geschehen sollte oder geschehen würde, aber es ist geschehen. Der Reichsmarschall hat als Beauftragter des Vierjahresplanes dann in Berlin dazu Stellung genommen, und zwar in scharfer Ablehnung. Ich habe damals erst erfahren, wie Holz diese Arisierung machte, hatte mit ihm eine Aussprache, kam in schweren Gegensatz, damals zerbrach dann unser Freundschaftsverhältnis. Holz meldete sich freiwillig zur Panzertruppe, ging ins Feld, trat als Stellvertreter zurück. Ich kam von Berlin nach Nürnberg zurück, und dann erschien in Nürnberg, vom Reichsmarschall als Beauftragten des Vierjahresplanes gesandt, ein Krimmalkommissar. Er meldete sich bei mir und frug mich, ob ich damit einverstanden sei, daß die Sache untersucht würde, und ich erklärte ihm, daß mir die Untersuchung willkommen sei. Es fand dann die Untersuchung statt. Die Arisierung wurde rückgängig gemacht, es wurde festgestellt, daß Holz persönlich sich nicht bereichert hatte, es wurde dann die Arisierung vom Staat übernommen, rückgängig gemacht und übernommen.

Ich erkläre also offen, ich habe mich hier zumindest einer Fahrlässigkeit schuldig gemacht.

DR. MARX: War Ihnen bekannt, daß die bei Arisierung von Häusern und Grundstücken gezahlten Erlöse nur etwa 20 Prozent des tatsächlichen Wertes darstellten oder noch weniger?

STREICHER: Holz war wochenlang nicht mehr zu mir gekommen. Er hatte die Arisierung im Hause der Arbeitsfront mit dem dortigen Sachwalter vorgenommen. Ich hatte erst in Berlin in der Sitzung, die der Reichsmarschall abhielt, die wirkliche Sachlage erfahren und deshalb kam es zwischen mir und Holz nun zur Aussprache und zum Bruch, weil ich die Art, wie die Arisierung besorgt worden war, ablehnen mußte.

DR. MARX: Es wird Ihnen weiter zum Vorwurf gemacht, daß Sie zum Zwecke Ihrer persönlichen Bereicherung Aktien der Mars-Werke in Nürnberg zu einem außerordentlich niedrigen Preise hätten erwerben lassen, und daß bei diesem Erwerb ein unzulässiger Zwang auf den Besitzer der Aktien ausgeübt worden sei?

STREICHER: In dem Göring-Bericht heißt es wörtlich, ich hätte einen Auftrag gegeben, an anderer Stelle, ich hätte den Befehl gegeben, für mich die Mars- Aktien zu erwerben. Ich erkläre hier, ich habe weder einen Auftrag noch einen Befehl gegeben, die Mars- Aktien zu erwerben. Die Sache war so: Mein Verlagsleiter hatte eine Generalvollmacht, weil ich persönlich mich nie in all den Jahren her um Finanzangelegenheiten, Geschäftsangelegenheiten gekümmert hatte. Er hatte also seine Generalvollmacht und konnte tun was er wollte. Eines Tages kam er mit meinem Adjutanten zu mir. Ich weiß jetzt nicht mehr, war der Adjutant der erste Sprecher oder der Verlagsleiter. Es wurde mir folgendes gesagt: Ein Rechtsanwalt habe angerufen und hätte gesagt, die Mars-Aktien würden vorteilhaft zum Kaufe angeboten. Ob ich damit einverstanden sei, frug mich nun mein Verlagsleiter. Ich erklärte, daß ich noch nie in meinem Leben eine Aktie in Besitz hatte, daß ich mich nie um Finanzsachen in meinem Verlag gekümmert habe. Wenn er glaube, die Aktien erwerben zu sollen, dann könne er es tun. Die Aktien wurden erworben. Es war der schwerste Vertrauensbruch, der je von einem Parteigenossen oder Angestellten an mir begangen worden war. Nach einiger Zeit stellte sich heraus, das heißt, erfuhr ich, wie die Aktien erworben wurden. Ich erfuhr, daß der Besitzer bedroht worden war. Als ich erfahren hatte, unter welchen Bedingungen dieser Aktienkauf geschah, erteilte ich sofort den Befehl, die Aktien wieder zurückzugeben. Im Göring-Bericht ist vermerkt, daß diese Rückgabe geschah. Bei den beschlagnahmter Akten meines Verlages befindet sich eine amtliche Erklärung über diese Angelegenheit, das heißt, daß diese Aktien wieder zurückerstattet wurden.

In diesem Zusammenhang ist es vielleicht gestattet, daß ich bemerke, mein Verlag befand sich bis zum Kriegsende in einem Miethaus. Zur Zeit der Arisierungen war man an mich herangetreten, man möchte doch für meinen Verlag ein arisiertes Haus erwerben. Ich lehnte dies ab. Ich erkläre hier zusammenfassend: Ich besitze nichts aus jüdischem Besitz.

Und als jene Demonstration geschehen war im Jahre 1938, da waren Schmuckgegenstände abgegeben worden auf dem Gauhaus. Diese Schmuckgegenstände wurden der Polizei übergeben. Ein Ehrenzeichenträger wurde zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt, weil er einen Ring und noch einen Schmuckgegenstand, der aus jener Zeit stammte, seiner Geliebten geschenkt hatte. Aber eines darf ich sagen: Die Schuld, daß dieser Ehrenzeichenträger soweit kam, liegt doch vielleicht bei denen, die den Befehl erteilt hatten: »Jetzt geht in die Judenhäuser!« Der Mann, soweit ich ihn kannte, war persönlich immer anständig gewesen. Hier kam er auf Grund dieses Befehls in eine Lage, daß er ein Verbrechen beging. Ich bin damit fertig.

DR. MARX: War es nicht so, daß die Angaben des Verlagsleiters Fink vor dem Parteigericht und auch schon vorher bei einer polizeilichen Vernehmung in wesentlichen Punkten von Ihren jetzigen Darlegungen abweichen?

STREICHER: Die Sache war so: Der Verlagsleiter Fink wurde auf die Polizei gerufen und einem Verhör unterzogen. Ein Interesse an dem Verhör hatte der Polizeipräsident, der jahrelang in meinem Hause als Freund verkehrt hatte. Fink kam von dem Verhör völlig verstört. Er ging vor mir auf und ab und schrie laut vor sich hin: »Ich wurde bedroht, ich habe Aussagen gemacht, die sind nicht wahr, ich bin ein Lump, ich bin ein Verbrecher.« Zeuge dieses Vorfalles war mein Chauffeur. Ich beruhigte ihn und sagte zu ihm: Ich war auch schon bei einem Verhör und war sogar schon im Gefängnis. Ich gebe Ihnen Gelegenheit...

VORSITZENDER: Sind alle diese Einzelheiten in diesem Falle wirklich notwendig?

DR. MARX: Ja, Verzeihung, Herr Vorsitzender. Das wäre vielleicht doch erforderlich, weil gerade in dem Bericht ja auf das Zeugnis Finks Bezug genommen wird und damit der Beweis zu erbringen versucht wird, daß die Darstellung des Angeklagten Streicher falsch sei, daß er nämlich den Auftrag zum Ankauf dieser Aktien, und zwar möglicherweise unter Zwang angeordnet und gebilligt hätte, während er sich dahin äußert, daß er weder wußte, daß diese Aktien zu diesem geringen Preis erworben werden sollten, noch daß ein erpresserischer Zwang dabei zur Anwendung kommen sollte.

Wenn letzteres unterstellt wird, ist die Angelegenheit selbstverständlich erledigt.

VORSITZENDER: Das hat er schon gesagt. Er hat das ganz deutlich gesagt, nicht wahr? Ich wollte nur darauf hinweisen, daß es nicht nötig ist, solche Einzelheiten zu dieser Frage zu erörtern.

DR. MARX: Herr Zeuge! Es wird vielleicht von Wichtigkeit sein, festzustellen, wie die Auflagebewegung des »Stürmer« seit dem Jahre 1933 sich gestaltete. Geben Sie eine kurze Darstellung über die Auflagehöhe des »Stürmer«, und dann werde ich noch eine weitere Frage an Sie stellen.

STREICHER: Der »Stürmer« erschien im Jahre 1923 in Oktavformat und hatte am Anfang eine Auflage von 2000 bis 3000 Stück. Im Laufe der Zeit stieg die Auflage auf 10000. Der »Stürmer« war damals eigentlich bis 1933 nur in Nürnberg, in meinem Gau, vielleicht auch noch in Südbayern etwas verbreitet. Der Verleger war ein Buchhändler und machte die Arbeit zunächst mit einem Mann und dann mit zwei Männern. Das ist ein Beweis dafür, daß die Auflage wirklich klein war.

Im Jahre 1933 wird die Auflage – ich sage das aber mit Vorbehalt, es könnte ja sein, daß der Verleger mir nicht immer genau die Auflagezahl sagte, ich hatte mit ihm keinen schriftlichen Vertrag, ich sage es mit Vorbehalt – ich glaube im Jahre 1933 war die Auflagehöhe 25000.

Im Jahre 1935 starb der Verleger, und da war die Auflage, ich glaube, 40000 gewesen. Dann übernahm den Verlag ein Fachmann, und er organisierte nun die Sache über ganz Deutschland hinweg. Da stieg nun die Auflage auf 100000, stieg hinauf bis auf 600000, schwankte, ging wieder zurück und fiel dann im Krieg – ich kann es nicht genau sagen, aber mit Vorbehalt – auf ungefähr 150000 oder 200000.

DR. MARX: Sie sagen, jener neue Mann organisierte die Auflage über ganz Deutschland hinweg. Wurde dabei der Parteiapparat eingeschaltet und wurden nicht Betriebe und sonstige Stellen, wie zum Beispiel auch die DAF, eingespannt, um die Auflage zwangsläufig zu erhöhen?

STREICHER: Ja, die Parteieinstellung, die offenbarte sich in einem Schreiben, das an alle Gaue hinausging, gezeichnet von Bormann. Da wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der »Stürmer« kein Parteiblatt sei und mit der Partei nichts zu tun hätte. Daraufhin sahen sich einige Gauleiter veranlaßt, anzuordnen, den »Stürmer« in ihrem Gau nicht mehr in Erscheinung treten zu lassen. Daß es nun innerhalb der Organisationen Parteigenossen gab, die aus Idealismus oder aus anderen Gründen sich für die Verbreitung eingesetzt haben, das ist klar. Ich selbst habe weder schriftlich noch mündlich irgendwohin einen Befehl an Parteiorganisationen zur Hilfe ergehen lassen.

DR. MARX: Herr Streicher! Sie sind bereits vor dem Jahre 1933 verschiedentlich mit den Gerichten in Berührung gekommen, ebenfalls wegen Ihrer Artikel und wegen Ihrer Haltung, die im »Stürmer« zutage trat. Geben Sie kurz eine Darstellung, wie oft dies der Fall war und welche Folgen das für Sie nach sich zog.

STREICHER: Wie oft, das kann ich heute nicht genau beantworten, aber es war oft. Ich bin wiederholt vor Gericht gestanden und Sie fragen mich, welche Folgen das hatte. Ich war wiederholt im Gefängnis, aber ich darf mit Stolz darauf hinweisen, in den Urteilen heißt es wiederholt »unbestechlicher Wahrheitsfanatiker«. Das waren die Folgen meiner rednerischen und schriftstellerischen Tätigkeit; aber vielleicht ist es wichtig, folgendes noch festzustellen: Ich kam nie vor Gericht wegen krimineller Dinge, sondern nur wegen meiner antisemitischen Tätigkeit, und da wurde geklagt von dem Verein der Staatsbürger jüdischen Glaubens. Der Vorsitzende hat wiederholt geklagt, wenn wir im Ausdruck uns vergaßen und damit die Möglichkeit gegeben haben, auf Grund der damaligen Paragraphen und Gesetze uns vor Gericht zu bringen. Vielleicht darf ich aber auch hier darauf hinweisen, daß der jüdische Justizrat Dr. Süßheim, der mir als Gegner gegenüberstand, vor Gericht erklärte, hier in diesem Saal: »Meine Herren Richter, er ist unser unerbittlicher Feind, aber er ist ein Wahrheitsfanatiker. Er ist überzeugt von dem, was er tut, er ist ehrlich.«

VORSITZENDER: Sie waren des öfteren im Gefängnis. In welchen Jahren war dies?

STREICHER: Das war natürlich vor 1933. Das erstemal kam ich nach Landsberg ins Gefängnis, weil ich den Hitler-Putsch mitgemacht habe, dann bekam ich dreieinhalb Monate Gefängnis hier in Nürnberg, wo ich nun bin. Dann bekam ich drei Monate Gefängnis...

VORSITZENDER: Sie brauchen uns hier keine Einzelheiten vorbringen.

STREICHER: Ich war also vor 1933 wiederholt mit Gefängnis- oder Geldstrafen belegt worden.

DR. MARX: Herr Vorsitzender! In dem Göring-Bericht ist dann noch die Rede davon, daß der Angeklagte Streicher persönlich sich für verschiedene jüdische Betriebe interessiert habe, um sich angeblich eine Kapitalanlage zu verschaffen.. Ich bin aber der Meinung, daß ein Eingehen auf diese Punkte nicht erforderlich ist, ebensowenig wie darauf, daß das Haus am Bodensee verkauft worden ist und an wen. Ich weiß nicht, ob der Angeklagte sich hierzu noch äußern soll. Von meiner Seite besteht keine Veranlassung, eine dahingehende Frage an ihn zu richten.

VORSITZENDER: Ich glaube, Sie können das weglassen und abwarten, ob es im Kreuzverhör aufgebracht wird; wenn das der Fall ist, können Sie ihn dann rückverhören.

DR. MARX: Ja, selbstverständlich.

Herr Präsident! Ich bin dann am Ende meiner Fragen an den Angeklagten.

VORSITZENDER: Wünscht sonst noch ein Verteidiger Fragen an den Angeklagten zu stellen?