HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Keine Antwort.]

Die Anklagebehörde?

OBERSTLEUTNANT J. M. G. GRIFFITH-JONES, HILFSANKLÄGER FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH: Hoher Gerichtshof!

[Zum Zeugen gewandt:]

Als Sie Ihre Partei im Jahre 1922 Hitler übergaben, kannten Sie damals seine Politik und wußten Sie, was später die Politik der Nazi-Partei werden sollte?

STREICHER: Die Politik – ich möchte zunächst sagen, nein. Damals konnte nicht von Dingen gesprochen werden, die einfach nicht einmal in Gedanken möglich waren. Die Politik bestand damals darin, dem deutschen Volk einen neuen Glauben zu schaffen, und zwar einen Glauben, der das Chaos, die Unordnung verneint und zur Ordnung zurückkehrt.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Kann ich annehmen, daß Sie nach kurzer Zeit die Politik kennenlernten, die Politik nach dem Parteiprogramm und »Mein Kampf«?

STREICHER: Ich brauchte kein Parteiprogramm. Ich gestehe Ihnen offen, ich habe es nie ganz gelesen. Damals ging es nicht um Programme, sondern um Massenversammlungen...

VORSITZENDER: Das ist keine Antwort auf die Frage. Die Frage lautete, ob Sie kurz nach 1922 die Politik, wie sie im Parteiprogramm und »Mein Kampf« dargelegt ist, kennengelernt haben.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Sie wußten also, daß der Anschluß Österreichs Teil dieser Politik war? Können Sie das mit Ja oder Nein beantworten?

STREICHER: Nein. Von Österreich war nie die Rede gewesen. Ich entsinne mich nicht, daß der Führer darüber sprach, daß Österreich eingegliedert werden sollte.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich will von Ihnen nur eine Antwort auf meine Frage hören. Meine Frage war: Wußten Sie, daß der Führer mit seiner Politik den Anschluß Österreichs an Deutschland vorhatte? Ich verstehe Sie dahin, daß Sie das verneinten. Ist das richtig?

STREICHER: Daß er es vorhatte? Nein, das wußte ich nicht.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wußten Sie, daß er die Absicht hatte, die Tschechoslowakei anzugliedern oder wenigstens das Sudetenland?

STREICHER: Nein.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wußten Sie, daß in »Mein Kampf« der Lebensraum von Anfang an sein Endziel war?

STREICHER: Das, was ich im Buch »Mein Kampf« gelesen habe, das ist rot angestrichen. Das Buch ist beschlagnahmt. Ich habe nur das gelesen, was über die Judenfrage dort gesagt ist; die anderen Dinge habe ich nicht gelesen. Aber daß wir das Ziel hatten, einmal Lebensraum für unser Volk zu erhalten, das ist selbstverständlich. Auch ich persönlich hatte das Ziel mir gesetzt mitzuhelfen, auf irgendeinem Wege den überschüssigen Kindern eine Zukunft geben zu können.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Sehr gut. Darf ich annehmen, daß Sie während der Jahre 1922 und 1923 als Herausgeber und Besitzer des »Stürmer« und seit dem Jahre 1925 als Gauleiter alles taten, was in Ihrer Macht stand, um der Nazi-Partei zur Macht zu verhelfen?

STREICHER: Ja, das ist selbstverständlich.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Und haben Sie seit dem Jahre 1933 ununterbrochen Propaganda für die Politik der Nazi-Partei selbst gemacht und sie unterstützt?

STREICHER: Jawohl.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Nicht nur in der Frage der Juden, sondern auch in der Auslandspolitik?

STREICHER: Nein, das stimmt nicht. Im »Stürmer« befindet sich nicht ein Artikel, der sich mit dieser Auslandspolitik befaßte. Ich habe mich ausschließlich...

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Das ist vollkommen genug. Ich will mit dieser Angelegenheit keine Zeit verlieren. Ich bitte Sie nun, sich Dokument D-802 anzusehen.

Herr Vorsitzender! Es ist ein neues Beweisstück.

VORSITZENDER: Welche Nummer wird es haben?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: GB-327. Euer Lordschaft! Ich bitte um Entschuldigung, aber das Dokument scheint im Augenblick zu fehlen; vielleicht darf ich einen Auszug daraus verlesen.