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[Zum Zeugen gewandt:]

Wenn ich Sie recht verstanden habe, sagen Sie, daß Sie diese Demonstrationen nicht gebilligt hätten und daß sie veranstaltet wurden, ohne daß Sie davon wußten, oder zuvor gewußt hätten. Stimmt das?

STREICHER: Jawohl, das stimmt.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich möchte Sie jetzt daran erinnern, was Sie am nächsten Tage, am 10. November, sagten. Es ist ein Bericht über die Ereignisse:

»In Nürnberg und Fürth kam es zu Demonstrationen der Volksmenge gegen das jüdische Mördergesindel. Sie dauerten bis in die frühen Morgenstunden an.«

Und nun gehe ich zum Schluß des Absatzes über:

»Nach Mitternacht hatte die Erregung der Bevölkerung ihren Höhepunkt erreicht, und eine größere Menschenmenge zog vor die Synagogen in Nürnberg und Fürth und steckte diese beiden Judenhäuser, in denen der Mord am Deutschtum gepredigt wurde, in Brand.«

Jetzt folgt, was Sie dazu sagten: Es ist Seite 44 des Dokumentenbuches, Euer Lordschaft.

»Der Jude wird von Kindesbeinen an erzogen nicht mit solchen Sätzen, wie wir erzogen werden, ›Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst‹ oder ›Wenn du auf die linke Wange geschlagen wirst, so halte die rechte auch hin‹. Nein, ihm wird gesagt: ›Mit dem Nichtjuden kannst du tun, was du willst.‹ Er wird sogar dazu erzogen, die Hinschächtung eines Nichtjuden als gottwohlgefälliges Werk anzusehen. Seit 20 Jahren schreiben wir das im ›Stürmer‹, seit 20 Jahren predigen wir es der ganzen Welt, und Millionen haben wir zur Erkenntnis der Wahrheit gebracht.«

Klingt das, als ob Sie diese Demonstrationen, die in der Nacht vorher stattfanden, mißbilligt hätten?

STREICHER: Zunächst muß ich feststellen, daß der Bericht, den Sie zum Teil vorgelesen haben, in der »Tageszeitung« stand. Es ist dieses also nicht von mir zu verantworten. Wenn hier geschrieben wurde, daß sich Volksteile erhoben hätten gegen das Mördergesindel, so entspricht das dem Befehl des Propagandaministers von Berlin. Nach außen hin wurde diese Aktion als spontane Volkskundgebung.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Das ist nicht die Antwort auf meine Frage.

Klingt die Stelle, die ich eben verlesen habe, so, als ob Sie die Demonstrationen mißbilligt hätten, die in der Nacht vorher stattfanden, ja oder nein?

STREICHER: Ich war gegen diese Demonstration.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich will nun weiterlesen:

»Aber wir wissen, daß es auch bei uns noch Leute gibt, die Mitleid mit den Juden haben, Leute, die nicht wert sind, in dieser Stadt wohnen zu dürfen, die nicht wert sind, zu diesem Volke zu gehören, von denen Ihr ein stolzer Teil seid.«

Warum wäre es dann notwendig gewesen, daß Leute Mitleid mit den Juden hatten, wenn Sie – Sie und die Nazi-Partei – sie nicht verfolgt hätten?

STREICHER: Ich habe heute bereits darauf hingewiesen, daß ich gezwungen war, nach dieser Demonstration öffentlich Stellung zu nehmen und zu sagen, man soll nicht soviel Mitleid haben. Ich wollte damit beweisen, daß es sich hier um keine spontane Volkssache gehandelt hat; also die Sache spricht nicht gegen mich, sondern für mich. Das Volk war, wie ich selbst, gegen die Demonstration, und ich sah mich veranlaßt, die Öffentlichkeit, ich möchte sagen, etwa wieder so weit zu bringen, daß man vielleicht in dieser Aktion nicht etwas so Schweres sah.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wenn Sie und das Volk dagegen waren, warum sollte es dann Ihre Pflicht gewesen sein, zu versuchen, das Volk umzustimmen, daß es für so etwas sein sollte? Warum waren Sie dagegen und warum versuchten Sie dann, die Leute gegen die Juden aufzubringen?

STREICHER: Das verstehe ich nicht, was Sie damit sagen wollen.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich habe Sie dahin verstanden, daß Sie gegen diese Demonstrationen gewesen sind, daß auch das Volk dagegen war, und daß es aus diesem Grunde Ihre Pflicht gewesen sei, zu suchen, die Leute aufzuhetzen, so daß sie für die Demonstrationen waren, die bereits stattgefunden hatten. Warum sollte das Ihre Pflicht gewesen sein?

STREICHER: Heute läßt sich vielleicht sagen, dies oder jenes wäre Pflicht gewesen. Aber man muß sich in jene Zeit hineindenken, jenes Durcheinander; hier schnell einen Entschluß zu fassen, wie hier vielleicht in diesem Saal, das ist einfach nicht möglich. Das, was geschah, ist geschehen; ich war dagegen, die Öffentlichkeit auch. Was darüber sonst geschrieben wurde, das geschah aus taktischen Gründen.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Gut. Waren Sie für die Arisierung jüdischer Häuser und Geschäfte? Waren Sie dafür oder mißbilligten Sie auch diese Sache?

STREICHER: Ich habe heute ausführlich im Zusammenhang mit einer Erklärung meines Parteigenossen Holz die Frage bereits beantwortet. Ich habe erklärt, ich wiederhole mich hier, daß mein Stellvertreter zu mir kam...

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Halten Sie einen Moment inne. Ich will keine Rede von Ihnen; ich habe Ihnen eine Frage gestellt, die Sie mit Ja oder Nein beantworten können.

Waren Sie für die Arisierung von jüdischen Geschäften und Häusern oder waren Sie dagegen?

STREICHER: Das kann man nicht so schnell mit Ja oder Nein beantworten. Ich habe es heute bereits klargelegt und Sie müssen mir gestatten, es zu sagen, damit kein Mißverständnis entsteht. Mein Parteigenosse...

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich werde Sie das nicht wiederholen lassen.

Wenn Sie nicht bereit sind, diese Frage zu beantworten, dann werde ich weitergehen. Der Gerichtshof hat es gehört, und ich gehe also weiter.

STREICHER: Ich will Sie ja beantworten. Ich habe, nachdem meine Parteigenossen...

VORSITZENDER: Angeklagter...

STREICHER:... nachdem die Parteigenossen kamen...

VORSITZENDER: Sie haben sich doch gerade geweigert, die Frage richtig zu beantworten, eine Frage, die entweder mit Ja oder Nein beantwortet werden kann. Waren Sie dafür oder dagegen?

Sie können darauf eine Antwort und später eine Erklärung dazu geben.

STREICHER: Ich war innerlich nicht für die Arisierung.

Als Holz wiederholte, war es als Begründung, daß jetzt diese Häuser zusammengeschlagen seien und so weiter, da könne man für ein Gauhaus Mittel bekommen, sagte ich: »Gut, wenn Sie es machen können, dann machen Sie es.« Ich habe bereits heute erklärt, daß das eine Fahrlässigkeit meinerseits war.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Es gab doch eine große Anzahl jüdischer Geschäfte und Häuser in Nürnberg und in Franken, die arisiert wurden, nicht wahr?

STREICHER: Ja.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wollen Sie sich nun ein neues Beweisstück ansehen, D-835, das GB-330 wird. Es ist ein Originaldokument, eine Liste von jüdischem Besitz in Nürnberg und Fürth, der arisiert worden ist. Haben Sie diese Liste oder eine ähnliche schon früher einmal gesehen?

STREICHER: Nein.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Gut, Sie dürfen mir glauben, daß diese Liste die Adressen von über 800 Grundstücken in Nürnberg und Fürth enthält, die den Juden weggenommen und Ariern übergeben wurden. Geben Sie mir zu, daß es mindestens 800 Häuser in Ihrer eigenen Stadt waren, die arisiert wurden?

STREICHER: Ich weiß das im einzelnen nicht; aber ich muß eine Feststellung machen: Ich weiß nicht, ist das das staatliche Dokument? Ich habe heute bereits erklärt, mein Parteigenosse Holz begann mit der Arisierung. Diese Arisierung wurde dann von Berlin her rückgängig gemacht. Dann kam die staatliche Arisierung. Da hatte ich auch keinen Einfluß gehabt, das ist also nicht meine Sache. Diese Arisierung, die Enteignung des jüdischen Besitzes, wurde befohlen von Berlin.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Sie haben heute früh erwähnt, daß Sie Abonnent einer Wochenschrift gewesen seien, die sich »Israelitisches Wochenblatt« nannte. Stimmt das?

STREICHER: Ja.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Seit wann waren Sie Abonnent dieser Zeitung?

STREICHER: Wie bitte?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Seit wann waren Sie Abonnent dieser Zeitung?

STREICHER: Das weiß ich nicht.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich zweifle nicht daran, daß Sie dem Gerichtshof das ungefähre Datum angeben können. Waren Sie seit dem Jahre 1933 ununterbrochen Abonnent dieser Zeitung?

STREICHER: Ja. Jede Nummer werde ich nicht gelesen haben, denn ich bin ja viel auf Reisen gewesen.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Aber Sie lasen es doch regelmäßig? Das steht doch wohl in dem Antrag Ihrer Frau, in dem sie bittet, als Zeugin vorgeladen zu werden?

STREICHER: Wir teilten uns, meine Freunde, die Redakteure und ich, in das Lesen dieses Blattes.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Kann ich annehmen, daß Sie und Ihre Redakteure, wenn auch nicht jede Nummer, so doch seit 1933 das Wochenblatt regelmäßig gelesen haben? Stimmt das ungefähr?

STREICHER: Von einem »regelmäßigen Lesen« ist nichts zu sagen.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Stimmt es, daß eine große Anzahl der Ausgaben dieser von Ihnen abonnierten Zeitung, die Sie jede Woche erhielten, von Ihnen und Ihren Redakteuren gelesen wurde?

STREICHER: Sicherlich.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Nun will ich für einen Augenblick auf etwas anderes übergehen. Ich möchte mich Ihnen hier vollkommen verständlich machen.

DR. MARX: Herr Präsident! Ich möchte die Aufmerksamkeit des Gerichts darauf lenken, daß das eben übergebene Dokument »Erfaßte Anwesen und Grundstücke« die Bezeichnung trägt: »Arisierungsstelle für Grundbesitz Nürnberg«. Das kann nichts anderes bedeuten, als daß es sich hier um ein Dokument handelt, das von der amtlichen Stelle, die dann für die Erfassung solcher Anwesen eingesetzt wurde, stammt. Keinesfalls aber kann das ein Dokument sein zum Nachweis dafür, daß es sich um die von Holz damals im Anschluß an den 9. November arisierten Grundstücke handelt.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich gebe zu, daß das der Fall sein mag.

DR. MARX: Ich möchte also darum bitten, hier eine Berichtigung eintreten lassen zu wollen.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Falls es falsch sein sollte, wenn ich sage, daß diese Grundstücke arisiert wurden, dann stimmt es doch auf jeden Fall, wenn ich sage, daß die Arisierungsstelle Nürnberg diese Liste zusammengestellt hat, um diese Grundstücke später zu arisieren, nicht wahr? Ist diese Behauptung richtig?

STREICHER: Nein.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich will diese Sache nicht weiter verfolgen. Ich möchte das ganz klar zum Ausdruck bringen, was ich Ihnen jetzt sagen will. Ich behaupte, daß Sie von 1939 an daran gingen, das deutsche Volk zum Mord an der jüdischen Rasse aufzuhetzen und die Tatsache von deren Ermordung hinzunehmen. Verstehen Sie das?

STREICHER: Das ist nicht wahr.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich habe nicht daran gezweifelt, daß Sie sagen würden, es sei nicht wahr. Ich wollte, daß Sie genau verstehen, wo meine Behauptung hinzielt.

Ich will, daß Sie sich jetzt einen Band von Auszügen aus dem »Stürmer« ansehen, der Ihnen überreicht wird. Sie können die Originale einsehen, die dem Gerichtshof vorliegen, wenn Sie es wünschen. Aber wir werden Zeit sparen, wenn wir uns der Dokumentenbücher bedienen.

Wollen Sie auf Seite 3-A blicken. Die Seiten in diesem Heft sind alle mit »A« bezeichnet worden, um sie leicht von den Zahlen des Original-Dokumentenbuches zu unterscheiden.

VORSITZENDER: Sind sie alle zum Beweis vorgelegt?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Keins von ihnen ist bisher vorgelegt worden. Ich dachte, es wäre am besten, die betreffenden Dokumente erst zum Schluß zusammen als Beweismittel vorzulegen, außer, wenn der Gerichtshof oder der Angeklagte Kopien davon zu sehen wünschen. Ich werde sie bei der Besprechung numerieren.