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[Zum Zeugen gewandt:]

Sehen Sie bitte auf Seite 3-A dieses Heftes, D-809, das GB-331 wird:

»Die Judenfrage ist noch nicht gelöst. Sie ist auch dann noch nicht gelöst, wenn einmal der letzte Jude Deutschland verlassen hat. Sie ist erst dann gelöst, wenn das Weltjudentum vernichtet ist.«

War das Ihr Ziel, auf das Sie hinarbeiteten, als Sie sagten, daß Sie auf die internationale Lösung des Problems hinarbeiteten: Die Vernichtung des Weltjudentums?

STREICHER: Je nachdem man das Wort »Vernichtung« aufgefaßt haben will. Der Artikel wurde von meinem damaligen Chefredakteur geschrieben. Er schreibt, die Judenfrage sei noch nicht gelöst, wenn der letzte Jude Deutschland verlassen hat; und wenn er nun plötzlich sagt »erst dann ist sie gelöst, wenn die Juden vernichtet sind«, dann mag er jedenfalls gemeint haben, wenn die Macht des Weltjudentums vernichtet ist. An eine Massentötung oder an die Möglichkeit einer Massentötung hat auch mein Parteigenosse Holz nicht gedacht.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Das hier gebrauchte deutsche Wort heißt »vernichtet«, nicht wahr? Sehen Sie sich Ihr Exemplar an. »Vernichtet«, das heißt doch »to annihilate«?

STREICHER: Ja, wenn man zurückschaut, kann man's so deuten; damals nicht.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Nun, wir wollen damit nicht die Zeit verschwenden, wir haben ja noch eine ganze Reihe von Dokumenten durchzusehen. Sehen Sie die nächste Seite an. Es war im Januar, als Sie das geschrieben haben. Das Dokument D-810, GB-332, ist vom April 1939. Ich verweise nur auf die zwei letzten Zeilen. Auch dieser Artikel stammt von Ihrem Hauptschriftleiter:

»Dann werden vielleicht ihre Gräber künden, daß dieses Mörder- und Verbrechervolk doch noch sein verdientes Ende fand.«

Was meinen Sie mit »Gräbern« hier? Meinen Sie damit den Ausschluß von Geschäften dieser Welt?

STREICHER: Ich habe diesen Artikel heute zum erstenmal zu Gesicht bekommen. Das ist die Meinungsäußerung eines Mannes, der vielleicht über die Zeit in einem Wortspiel hinausgeschaut hat; aber soweit ich ihn kannte, und soweit wir uns besprachen über die Judenfrage, von Massentötung zu jener Zeit, da war nicht die Rede, und auch nicht daran zu denken. Das war vielleicht sein Wunsch, ich weiß es nicht; es ist halt so geschrieben worden.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Gut. Wir gehen nun zum Mai 1939 über, D-811, GB-333. Ich verlese die letzten sechs Zeilen:

»Es muß eine Strafexpedition über die Juden in Rußland kommen.«

Das war natürlich vor der Invasion Rußlands.

»Es muß eine Strafexpedition über die Juden in Rußland kommen. Eine Strafexpedition, die ihnen dasselbe Ende bereitet, wie es jeder Mörder und Verbrecher zu erwarten hat: Das Todesurteil, die Hinrichtung! Die Juden in Rußland müssen getötet werden. Sie müssen ausgerottet werden mit Stumpf und Stiel. Dann wird die Welt sehen, daß das Ende der Juden auch das Ende des Bolschewismus ist.«

STREICHER: Wer hat diesen Artikel geschrieben?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Dieser Artikel erschien in Ihrem »Stürmer«. Wir können es leicht ausfindig machen, wenn es notwendig sein sollte. Sie haben ihn nicht geschrieben, aber er ist in Ihrer Zeitung »Der Stürmer« erschienen, und Sie haben vor Gericht gesagt, daß Sie die Verantwortung für alles übernehmen, was im »Stürmer« geschrieben ist.

STREICHER: Gut, ich übernehme die Verantwortung, erkläre aber, daß es auch hier sich um eine private Meinungsäußerung eines Mannes handelt, der im Mai 1939 nicht daran denken konnte, daß aus einem Nichts heraus – denn wir hatten keine Soldaten – ein Marsch nach Rußland stattfinden konnte. Das ist also eine theoretisch stark aufgetragene Meinungsäußerung jenes Antisemiten.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich habe Sie nur gefragt: Tritt dieser Artikel nicht für die Ermordung von Juden ein? Wenn nicht, wofür tritt er dann ein?

STREICHER: Dann müßte der ganze Artikel vorgelesen werden, um zu wissen, welche Beweggründe da gegeben waren, um so etwas zu schreiben. Ich bitte, den ganzen Artikel der Öffentlichkeit preiszugeben, dann kann man ein richtiges Urteil bilden.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Nun, wir werden weitergehen und nicht Zeit verschwenden, außer wenn Sie wirklich den ganzen Artikel sehen wollen.

Herr Vorsitzender! Darf ich nun vielleicht diese Dokumente als Beweismittel vorlegen. Wie Euer Lordschaft sehen, handelt es sich hier um Auszüge aus dem »Stürmer«...

DR. MARX: Herr Präsident! Mit Erlaubnis des Gerichts möchte ich mir hier folgende Ausführungen gestatten. Es sind nun eine Reihe von Auszügen aus dem »Stürmer« hier zur Sprache gebracht worden, die mir zum erstenmal vorgelegt worden sind. Es handelt sich zum Teil um Artikel, die von dem Angeklagten nicht selbst verfaßt sind. Sie sind teilweise von Hiemer unterzeichnet, dann teilweise von Holz, der in seiner Schreibweise außerordentlich radikal war; es werden auch Stellen daraus zitiert, die vielleicht aus dem Zusammenhang genommen sind. Ich müßte daher bitten, daß mir doch die Möglichkeit gegeben wird, diese Auszüge zusammen mit dem Angeklagten Streicher zu prüfen; denn sonst könnte bei ihm die Meinung entstehen, daß ihm seine Verteidigung doch erschwert wird und ihm es unmöglich gemacht wird, sich entsprechend vorzubereiten.

VORSITZENDER: Dr. Marx, Sie werden die Möglichkeit haben, die verschiedenen Auszüge zu überprüfen und werden dann in der Lage sein, nötigenfalls Stellen einzuführen, die diese Auszüge verständlich machen. Das ist doch den Verteidigern schon zu wiederholten Malen erklärt worden.

Oberst Griffith-Jones, haben Sie nicht Auszüge, die vom Angeklagten selbst geschrieben oder unterzeichnet sind?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Jawohl, Euer Lordschaft, ich werde mit Ihrer Erlaubnis auf einige davon zu sprechen kommen. Aber um nicht auf alle eingehen zu müssen, wollte ich vorschlagen, daß ich vielleicht alle vorlege, und, falls nötig, dem Gerichtshof dann später die Nummern angebe, um Zeit zu sparen.

VORSITZENDER: Ja, natürlich.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich werde also die ganze Mappe zum Beweis vorlegen und nicht alle einzeln erwähnen.

VORSITZENDER: Dann können Sie uns die Beweisstücknummern später angeben.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wenn dies dem Gerichtshof recht ist.

VORSITZENDER: Ja.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Der Gerichtshof wird bei Durchsicht dieser Mappe feststellen, daß sie von der ersten Seite an, die, glaube ich, die Zahl 3 A trägt, bis 25 A verschiedene Auszüge enthält, die entweder von Ihnen oder von Mitgliedern Ihres Stabes in der Zeit vom Januar 1939 bis Januar 1941 geschrieben wurden.

Wollen Sie nunmehr behaupten, wie Sie in Ihrer Zeugenaussage angegeben haben, daß Sie niemals gewußt hätten, daß Juden zu Tausenden und Millionen in den Ostgebieten ausgerottet wurden? Haben Sie das niemals gewußt?

STREICHER: Nein.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Sie haben in Ihrer Aussage heute morgen, als Sie über das »Israelitische Wochenblatt« sprachen, angegeben – ich habe es mir aufgeschrieben:

»Manchmal waren in diesen Zeitungen Andeutungen, daß nicht alles in Ordnung sei. Später, im Jahre 1943, erschien ein Artikel, der darüber berichtete, daß Massen von Juden verschwänden, jedoch waren darüber keine Ziffern angegeben, und es wurde auch nichts von Morden erwähnt.«

Wollen Sie wirklich behaupten, daß in diesen Ausgaben des »Israelitischen Wochenblattes«, die Sie und Ihre Redakteure lasen, nichts weiter stand als Andeutungen über das Verschwinden ohne Angabe von Ziffern oder Morden? Wollen Sie dem Gerichtshof das einreden?

STREICHER: Jawohl, dabei bleibe ich, gewiß.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Nun, dann bitte ich Sie, sich diese Mappe vor Augen zu halten. Es ist eine Mappe mit Auszügen aus dem »Israelitischen Wochenblatt« von Juli 1941 bis zum Kriegsende. Der Gerichtshof wird nunmehr feststellen können, was ein Wahrheitsfanatiker wirklich erzählt.