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[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

DR. MARX: Mit Erlaubnis des Hohen Gerichtshofs rufe ich nunmehr den Zeugen Ernst Hiemer.

GERICHTSMARSCHALL: Es ist kein Zeuge hier.

VORSITZENDER: Ist er nicht hier?

GERICHTSMARSCHALL: Nein, wir haben keinen Zeugen hier.

VORSITZENDER: Er sagt, Herr Dr. Marx, daß keine Zeugen da sind.

DR. MARX: Verzeihung, Herr Präsident, der Zeuge Hiemer ist doch hier im Gefängnis, ich habe doch selbst mit ihm gesprochen.

VORSITZENDER: Haben Sie die Gefängnisbehörde gestern unterrichtet, daß Sie ihn aufrufen werden?

DR. MARX: Ich sprach mit dem Gerichtsmarschall am Montag, daß Hiemer für Dienstag bestellt werden sollte nach meiner Erinnerung. Es muß also ein Irrtum vorliegen.

VORSITZENDER: Gut, haben Sie andere Zeugen außer Hiemer?

DR. MARX: Den Zeugen Wurzbacher.

VORSITZENDER: Wo ist er? Wo ist Wurzbacher?

DR. MARX: Wurzbacher befindet sich ebenfalls hier im Gefängnis.

VORSITZENDER: Können Sie in der Zwischenzeit die Dokumente behandeln, während man ihn holt?

DR. MARX: Jawohl, das kann ich auch machen.

GERICHTSMARSCHALL: Die Genannten werden in ungefähr fünf Minuten hier sein.

VORSITZENDER: Sehr gut, fahren Sie fort, Herr Dr. Marx!

DR. MARX: Herr Präsident! Bevor ich zu der Frage der Dokumente Stellung nehme, möchte ich auf folgendes hinweisen: In der gestrigen Verhandlung nachmittags wurden von seiten der Anklagebehörde verschiedene Dokumente vorgelegt, die mir neu waren, und ich war noch nicht in der Lage, dazu Stellung zu nehmen. Auch konnte ich mit dem Angeklagten Streicher darüber noch nicht sprechen. Ich halte es vom Standpunkte der Verteidigung für erforderlich, zu diesen außerordentlich wichtigen Dokumenten Stellung zu nehmen, und zwar muß das nach meiner Ansicht dadurch geschehen, daß ich nun die sämtlichen Artikel der Wochenschrift »Stürmer« darauf nachprüfe, ob daraus zu erkennen ist, daß Streicher diese einzelnen Mitteilungen aus dem »Israelitischen Wochenblatt« irgendwie verwertet hat; denn seine Verteidigung geht doch dahin: »Ich habe das nicht geglaubt, was da drin gestanden ist.« Wenn er nun in keinem Artikel diese Mitteilungen verwertet hat, dann erhält seine Einlassung eine gewisse Stütze. Ich muß daher die Sache nachprüfen...

VORSITZENDER: Einen Augenblick. Aus einem bestimmten Artikel wurde gestern im Kreuzverhör gezeigt, so wie ich verstand, daß er tatsächlich einen Artikel aus der jüdischen Zeitung verwertet hat.

DR. MARX: Jawohl, dieser Artikel ist mir bekannt, das ist der vom 4. November 1943.

VORSITZENDER: Ja, Dr. Marx, was beantragen Sie jetzt eigentlich? Was ist Ihr Antrag?

DR. MARX: Mein Antrag geht dahin, daß mir der Hohe Gerichtshof erlauben möge, mein Dokumentenbuch dahin zu ergänzen, daß ich zu dem gestrigen Vorbringen und den gestrigen Vorlagen der Anklagebehörde Stellung nehmen kann durch Vorlage von Gegendokumenten. Meine Vorlage wäre unvollständig, wenn ich zu diesen, mir neuen Vorlagen der Staatsanwaltschaft nicht Stellung nehmen könnte.

VORSITZENDER: Dr. Marx! Der Gerichtshof gibt Ihrem Antrag statt, vorausgesetzt daß Sie ihn in der üblichen Weise schriftlich vorbringen und daß Sie auf alle Stellen hinweisen, die nach Ihrer Ansicht die von der Anklagebehörde vorgelegten Zitate aufklären.

DR. MARX: Jawohl. Darf ich nun mit der Besprechung der einzelnen Dokumente beginnen?

VORSITZENDER: Ja.

DR. MARX: In dem Exhibit Nummer 1 ist dargelegt, daß es sich bei der Zeitung »Stürmer« gemäß Entscheidung des Führers nicht um ein offizielles Parteiorgan handelte und daß diese Zeitung nicht einmal berechtigt war, das Hoheitszeichen zu führen, während sämtliche anderen Presseorgane dieses Hoheitszeichen an sichtbarer Stelle trugen. Damit soll der Beweis geführt werden, daß es sich hier um ein Privatpresseorgan des Angeklagten Streicher handelte.

VORSITZENDER: Dr. Marx! Sie werden doch diese Dokumente als Beweismaterial vorlegen und ihnen Beweisstück-Nummern geben, nicht wahr?

DR. MARX: Diese Dokumente betrachte ich als vorgelegt, und ich habe ja mit der Staatsanwaltschaft darüber gesprochen, und insoweit hat die Staatsanwaltschaft keinen Einwand dagegen.

VORSITZENDER: Es wird ein schriftliches Protokoll aufgenommen, und wenn Sie nicht jedes Dokument als Beweisstück vorlegen und sagen, daß es die oder die Beweisstück-Nummer haben wird, kommt es nicht ins Protokoll. Wenn Sie wünschen, können Sie sie als eine Gruppe vorlegen und sagen: Ich lege die und die Dokumente vor als Beweisstück 1 bis 100, oder was für Nummer Sie wünschen.

DR. MARX: Jawohl.

VORSITZENDER: Das Buch, das ich vor mir habe, enthält Beweisstück-Nummern; zum Beispiel Seite 1 bis 4 erscheint als Beweisstück Nummer 1 Seite 5 ist Beweisstück Nummer 5 und 6 ist Beweisstück Nummer 6; Seite 7 ist Beweisstück Nummer 7.

DR. MARX: Jawohl.

VORSITZENDER: Man sagt mir, Seite 4 ist Beweisstück Nummer 1; stimmt das?

DR. MARX: Die Einteilung, die hier getroffen war, ist eben eine ganz andere, als ich sie getroffen habe, und infolgedessen ist jetzt die Anordnung eine wesentlich andere geworden.

VORSITZENDER: Gut, setzen wir fort! Sie brauchen uns nur zu sagen, welche Dokumente Sie vorlegen und unter welchen Beweisstück-Nummern – Sie können das später machen, Dr. Marx, wenn Sie wollen.

DR. MARX: Ich lege weiter vor: Exhibit Nummer 5, Auszug aus einem Leitartikel des »Stürmer« vom Juli 1938, Nummer 28. Dieser Artikel, der nicht von dem Angeklagten Streicher, sondern von Karl Holz verfaßt ist, zeigt eine besonders scharfe Tonart, und es wird davon gesprochen, daß die Rache eines Tages losbrechen und Alljuda vertilgen wird. Dieser Artikel soll ausgelöst sein durch einen Brief, der aus Nürnberg nach Neuyork gerichtet worden ist und der seinerseits darauf abgestellt war, daß Deutschland im Falle eines Krieges aus der Luft zerstört werden würde. Es ist also wieder die Tendenz zum Ausdruck gebracht, die der Angeklagte gestern wahr haben wollte, daß eine scharfe Tonart jeweils durch eine vorausgegangene Handlung von anderer Seite ausgelöst worden sei. Das ist Exhibit Nummer 5, und ich bitte, es unter dieser Nummer als Beweisstück vorlegen zu dürfen.

Weiter lege ich als Exhibit Nummer 6 einen Auszug aus der Nummer 40 des »Stürmer« vom Oktober 1938 vor. Ich kann mir wohl, ersparen, dazu Stellung zu nehmen, da sich meine Stellungnahme ja aus dem Dokument ergibt, oder ist es erforderlich, dazu Stellung zu nehmen?

VORSITZENDER: Nein, Sie brauchen nicht darüber zu sprechen; legen Sie es nur vor.

DR. MARX: Ich lege weiter vor als Exhibit Nummer 7, Auszug aus dem »Völkischen Beobachter« vom 25. Februar 1942, zu Dokument Nummer 31 des Trialbriefs. Weiter lege ich vor Exhibit Nummer 8, Auszug aus dem »Völkischen Beobachter« vom 8. Februar 1939, Seite 2, dann als Exhibit Nummer 9 einen Auszug aus dem politischen Testament Adolf Hitlers vom 29. April 1945 als Exhibit Nummer 10, Auszug aus dem »Stürmer« Nummer vom Februar 1935, Blatt 4; als Exhibit Nummer 11, Auszug aus dem »Stürmer« vom September 1935, Nummer 38. Dann gebe ich der nächsten Seite die Exhibit-Nummer 12; das ist ein Auszug aus dem »Stürmer« vom September 1935, Nummer 38, Seite 9; Exhibit Nummer 13 ist ein Auszug aus dem »Stürmer« vom Januar 1938 Nummer 1; Exhibit Nummer 14 ist ein Auszug aus den »Stürmer« vom Mai 1938, Nummer 20. Als Exhibit Nummer 15 folgt ein Auszug aus dem »Stürmer« vom 5. November 1943 Nummer 45; Exhibit Nummer 16 ist ein Dokument der Anklagebehörde, 759-PS; als Exhibit Nummer 17 folgen Reden Himmlers vom April 1943, 4. Oktober 1943 und 28. September 1943 in Posen und Charkow; als Exhibit Nummer 18 eine Photokopie der Sondernummer des »Stürmer« vom Mai 1939, Nummer 20.

Ich bitte, diese Vorlagen genehmigen zu wollen. Ich habe mich dabei auf das äußerste beschränkt.

VORSITZENDER: Ist das alles? Sind alle Zeugen da? Vielleicht können wir uns auf zehn Minuten vertagen.