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[Pause von 10 Minuten.]

[Der Zeuge Hiemer betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Wie heißen Sie?

ZEUGE ERNST HIEMER: Ernst Hiemer.

DR. MARX: Darf ich noch einen Augenblick unterbrechen, Her Präsident?

Ich möchte zunächst erklären, daß ich nicht etwa den Marschall für den Irrtum verantwortlich machen möchte. Es war die Sache so: den Irrtum wegen der Bestellung des Zeugen...

VORSITZENDER: Es geht in Ordnung, Dr. Marx.

DR. MARX: Ich halte es für meine Pflicht, hier zu erklären, daß nicht etwa der Marschall für den Irrtum mit dem Zeugen verantwortlich ist. Eine Angestellte von mir sprach gestern mit einem Herrn...

VORSITZENDER: Danke schön, wir verstehen schon, Dr. Marx.

DR. MARX: Dann, Herr Präsident, möchte ich mir gestatten, nun die Exhibits zu übergeben, und zwar mit den Nummern 1, 5, 6, 7, 8, 9 bis 18. Ich weiß nicht, ob das jetzt klar ist; die Nummern 1, 5, und von 6 mit 18. Es fehlen also die Nummern 2, 3, 4, weil sie gestrichen wurden. Alle anderen Exhibitnummern sind hierin enthalten, also Nummer 1, und von 5 ab mit 18.

VORSITZENDER: Nehmen Sie nicht auch 19 dazu?

DR. MARX: Nein, 19 und 20 sind nicht notwendig.

VORSITZENDER: Entschuldigen Sie bitte, ich muß mich geirrt haben; ich habe 19 niedergeschrieben. Aber Sie haben 19 nicht oder doch?

DR. MARX: Nummer 18 ist mein letztes. Ich bitte, diese als Anlage zum Protokoll übernehmen zu wollen.

VORSITZENDER: Und jetzt sind Sie bereit, mit dem Zeugen fortzufahren?

DR. MARX: Jawohl.

VORSITZENDER: Wie heißen Sie?

HIEMER: Ernst Hiemer.

VORSITZENDER: Sprechen Sie mir diesen Eid nach.

Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. MARX: Seit wann kennen Sie Herrn Streicher? Wie kamen Sie in Verbindung mit ihm, und welche Stellung bekleideten Sie im »Stürmer«?

HIEMER: Ich wurde Ende 1934 dem damaligen Gauleiter Julius Streicher im »Deutschen Hof« in Nürnberg vorgestellt. Streicher beauftragte mich, an seiner volksgesundheitlichen Zeitschrift »Die deutsche Volksgesundheit« mitzuarbeiten. Im Jahre 1935 schrieb ich dann auch Berichte für den »Stürmer«. Streicher überwies mich daraufhin in den Innendienst der Schriftleitung des »Stürmer« als Mitarbeiter.

Schließlich hatte ich unter Streichers Anleitung und unter der Anleitung anderer Mitarbeiter des »Stürmer« auch redaktionelle Arbeiten als Schriftleiter zu verrichten. Der verantwortliche Schriftleiter des »Stürmer« war der Stellvertreter Streichers, Karl Holz. Der Gestalter des »Stürmer« aber war Streicher selbst. Im Jahre 1938 kam nun aus Berlin die Anweisung, daß Holz wohl weiter für den »Stürmer« arbeiten könne, daß er aber in seiner Eigenschaft als Hoheitsträger – Holz war stellvertretender Gauleiter – nicht mehr im Impressum des »Stürmer« genannt werden dürfe. Daraufhin erfolgte nun auf Anweisung Streichers die Eintragung meines Namens in das Impressum des »Stürmer« als verantwortlich. Die gesamte Leitung der Schriftleitung und sämtliche Vollmachten der Schriftleitung behielt Streicher wie bisher bei, und er behielt sie bis zum Zusammenbruch.

DR. MARX: Welches war der Hauptgedanke bei der Arbeit im »Stürmer«? Was war der Leitgedanke?

HIEMER: Streicher wollte im »Stürmer« in möglichst einfacher, volkstümlicher Sprache jedem Manne und jeder Frau des deutschen Volkes das Wissen vom Juden vermitteln. Streicher wollte daß das ganze deutsche Volk erkennen sollte, daß der Jude ein Fremdling im Volk sei.

DR. MARX: Herr Hiemer! Das will ich nicht wissen, sondern Sie sollen sich darüber äußern, ob der Herr Streicher, sagen wir mal, die Emigration propagieren wollte, oder ob er irgendeinen anderen Gedankengang hatte. Es sollen hier keine langen Ausführungen über die Judenfrage gemacht werden.

HIEMER: Streicher vertrat den Gedanken in Deutschland die Judenfrage durch die Emigration der Juden zu lösen. Er übte wiederholt Kritik an der Führung des Reiches; sie würde die Emigration der Juden nicht so entschlossen durchführen, wie Streicher es sich gedacht hatte. Und als der Krieg kam, da erklärte Streicher, die Judenfrage würde nun für das kriegführende Deutschland keine Bedeutung mehr haben, wenn man sie, so wie Streicher es sich gedacht hatte, schon im Frieden durch eine völlige Emigration der Juden gelöst hätte.

DR. MARX: Ist es richtig, daß in dem Blatt das Palästina- und Madagaskar-Problem erörtert wurde?

HIEMER: Ja, Streicher hat sich sowohl mündlich als auch schriftlich dahingehend geäußert, daß Palästina und Madagaskar geeignet seien, die in Deutschland wohnenden Juden aufzunehmen. Er hat allerdings den Gedanken weiter nicht mehr vertreten; denn über Palästina und Madagaskar, da konnte ja Deutschland nicht verfügen, sondern nur England und Frankreich.

DR. MARX: Wie beurteilen Sie den Einfluß, den Streicher und der »Stürmer« seit 1933 hatten? War es nicht so, daß seit 1933 ein starker Rückgang dieses Einflusses im deutschen Volk bemerkbar war?

HIEMER: Ja, das stimmt. Es ist in vielen Kreisen bekannt gewesen, daß der Einfluß Streichers auf die Bewegung und der Einfluß seines Blattes auf die Bewegung von 1933 ab zurückgegangen sind. Streicher hatte viel Streit mit anderen Parteiführern, und er schuf sich viele Feinde. Vor allem vom Jahre 1937 an wurde Streicher immer mehr in den Hintergrund gestellt. Die theoretische Betreuung des Judenproblems durch die Partei hatte das »Institut zum Studium der Judenfrage«, Alfred Rosenberg, inne, und Vollmachten gegenüber dem Judentum besaß bekanntlich ja nur Himmler.

Als dann schließlich im Jahre 1940 Streicher seines Postens als Gauleiter enthoben wurde, war er vollständig isoliert. Er lebte dann nur noch auf seinem Hofe und arbeitete dort als Bauer und arbeitete vor allem schriftlich nur für den »Stürmer«.

DR. MARX: Wie gestaltete sich die Auflage des »Stürmer« seit 1933? Können Sie darüber Angaben machen? Seit der Zeit, wo Sie eingetreten sind, natürlich.

HIEMER: Diese Frage könnte natürlich am besten der Verlagsleiter beantworten, der mit diesen Dingen zu tun hatte. Aber ungefähre Zahlen sind mir schon in Erinnerung. Der »Stürmer« war noch 1933 sehr klein gewesen, stieg aber im Jahre 1935 ungefähr auf 800000 an, um allerdings dann wieder stark zurückzugehen.

Der »Stürmer« hatte im Krieg natürlich eine geringere Auflage. Ich kann hier keine genauen Zahlen nennen, und die letzten Monate war die Auflage des »Stürmer« natürlich äußerst gering. Durchschnittlich kann man also sagen, daß der »Stürmer« eine Auflage von um eine halbe Million Exemplaren hatte. Es gab allerdings Sondernummern, die eine entschieden höhere Auflage hatten.

Doch, wie gesagt, diese Angaben können nur vom Verlagsleiter authentisch gemacht werden.

DR. MARX: Worauf ist denn dieses Ansteigen im Jahre 1935 zurückzuführen?

HIEMER: Diese Frage kann ich schwer beantworten.

DR. MARX: War es nicht so, daß durch Parteiorgane gewissermaßen Zwangsabonnements bei Betrieben und allen möglichen Stellen eingeführt wurden?

HIEMER: Herr Rechtsanwalt! Sie stellen Fragen an mich, die eigentlich nur ein Verlagsmann beantworten kann. Ich kann diese Frage nicht mit Sicherheit beantworten; infolgedessen muß ich mich darüber ausschweigen. Meine Angaben sind dann nicht sicher.

DR. MARX: Wenn Sie es nicht wissen, können Sie selbstverständlich sagen, »darüber habe ich keine ausreichende Kenntnis«.

Wie verhält es sich mit der Kenntnis des Herrn Streicher von den Vorgängen im Osten, insbesondere in den Konzentrationslagern, und was sagte er Ihnen darüber persönlich?

HIEMER: Ich habe aus dem Munde Streichers nie gehört, daß er von den Vorgängen, die sich in den Konzentrationslagern abspielten, in Kenntnis gesetzt worden sei. Streicher sagte vielmehr, er hätte von diesen Vorkommnissen erst im Jahre 1944 durch die Schweizer Presse Kenntnis bekommen. Streicher wurde regelmäßig die Schweizer Presse zugestellt, darunter vor allem das »Israelitische Wochenblatt« der Schweiz. Und dieses Blatt brachte im Jahre 1944 ziemlich ausführliche Darstellungen über die Vorkommnisse in den Konzentrationslagern.

Streicher hat anfänglich die Meldungen, die in der Schweizer Presse zu lesen waren, entschieden abgelehnt und als Zwecklügen bezeichnet. Er erklärte, diese Meldungen würden nur deshalb gegeben, um das Ansehen des deutschen Volkes im Ausland zu untergraben. Allerdings änderte Streicher hier sehr bald seine Meinung. Er wurde in seiner Meinung unsicher, und er glaubte schließlich, daß diese Vorkommnisse, die in der Schweizer Presse über die Vorgänge in den Konzentrationslagern gemeldet wurden, doch den Tatsachen entsprachen.

Streicher bezeichnete Himmler als denjenigen, der allein die Ausübung der Verbrechen angeordnet haben konnte.

DR. MARX: Sie sagten, er änderte seine Meinung sehr bald. Was heißt das?

HIEMER: Er hat anfänglich entschieden erklärt, diese Meldungen könnten nicht stimmen. Dann wurde er unsicher, und er sagte, sie könnten doch stimmen; und ich habe den Eindruck gehabt, als ob entweder die Ausführlichkeit der Meldungen der Schweizer Presse Streicher davon überzeugt haben, daß die Vorkommnisse stimmten, oder daß Streicher vielleicht von irgendwelcher Seite, sei es persönlich oder brieflich, doch erfahren hat, daß diese Vorkommnisse in den Konzentrationslagern Tatsache sind.

Darauf führe ich seine Sinnesänderung zurück.

DR. MARX: Und wann war das etwa?

HIEMER: Ich kann keinen genauen Zeitpunkt nennen, ich glaube aber, Mitte des Jahres 1944.

DR. MARX: Welche Stellung nahm er nun dazu ein, wie er sich endgültig überzeugt glaubte? Hat er nun seine Befriedigung darüber zum Ausdruck gebracht, daß man so viele Menschen umgebracht hat?

HIEMER: Nein. Streicher hat die Vorgänge in den Konzentrationslagern entschieden abgelehnt. Es ist vorgekommen, daß Streicher im Zorne, wenn er einmal sich über Vorkommnisse der Politik besonders geärgert hat, daß er oft oder manchmal erklärte der Jude, als der Feind des deutschen Volkes, gehörte ausgerottet Aber Streicher sprach so nur in der ersten Erregung. Wenn er sich beruhigt hatte, dann sprach er sich gegen eine Ausrottung der Juden aus.

DR. MARX: Es ist aber doch wiederholt in Artikeln des »Stürmer« von Ausrottung und Vernichtung die Rede?

HIEMER: Ja, das ist Tatsache, daß in Berichten des »Stürmer« von Vernichtung der Judenheit die Rede ist. Dem steht aber gegenüber, daß Streicher immer wieder sich gegen eine Ermordung der Juden ausgesprochen hat, und nach meiner bestimmten Überzeugung hat Streicher und hat sein »Stürmer« unter keinen Umständen mit den Vorkommnissen in den Konzentrationslagern etwas zu tun. Das glaube ich nicht. Denn man weiß es ja heute, daß diese Verbrechen in den Konzentrationslagern auf Befehl von einzelnen führenden Männern ausgeführt wurden, auf dienstlichen Befehl hin, und hiermit haben nach meiner bestimmten Überzeugung weder Streicher noch sein »Stürmer« etwas zu tun.

DR. MARX: Wie sind denn die Artikel zustandegekommen, die Sie geschrieben haben? Haben Sie da jeweils die Richtlinien von Herrn Streicher erhalten, und haben Sie, das nur redigiert oder selbst verfaßt?

HIEMER: Streicher war der Gründer, der Herausgeber des »Stürmer«. Er war aber tatsächlich auch der Hauptschriftleiter; denn sämtliche Mitarbeiter, ganz gleich, ob dies sein Stellvertreter Holz war oder ob es andere waren, sämtliche Mitarbeiter mußten Streicher ihre Arbeiten vorher, bevor sie in Druck gegeben wurden, vorlegen. Streicher ordnete dann von Fall zu Fall Änderungen an; er gab auch den Mitarbeitern Artikel in Auftrag, das heißt, er gab ihnen an, wie sie diese oder jene Beweisführung zu gestalten hätten; und von sämtlichen Artikeln, die im Stürmer erschienen sind, hat Streicher Kenntnis genommen, so daß man mit Überzeugung sagen kann, daß Streicher der Verantwortliche, der Schriftleiter des »Stürmer« gewesen ist. Die anderen waren seine Mitarbeiter. Er selbst war, wie er sich oft mit Stolz bekannte, ein und dasselbe mit dem »Stürmer«; »Streicher und Stürmer sind ein und dasselbe«. Das war seine Losung.

DR. MARX: Das gibt er ja auch zu. Er sagt ja, daß er die Verantwortung übernimmt. Wie verhält es sich mit der sogenannten pornographischen Bibliothek?

HIEMER: Der »Stürmer« war im Besitz eines großen Archivs. Dieses Archiv bestand aus vielen Tausenden von deutschen, fremdsprachigen Büchern, aus Dokumenten, Edikten und so weiter. Diese Bücher waren entweder durch »Stürmer«-Freunde dem »Stürmer«- Archiv zur Verfügung gestellt worden oder sie stammten aus Judenwohnungen. Die Polizei stellte Bücher, die in den Judenwohnungen gefunden worden waren, dem »Institut zum Studium der Judenfrage« von Rosenberg zu Forschungszwecken zur Verfügung. Was dann in den Nürnberger Judenwohnungen übrigblieb, wurde dem »Stürmer«-Archiv übergeben. Unter diesen Büchern befanden sich nun auch zahlreiche Bücher sogenannten sexual-wissenschaftlichen Inhalts, also Bücher eines Magnus Hirschfeld, Bloch und rein pornographische Bücher; also Bücher, die sowohl von den »Stürmer«-Freunden eingesandt wurden, als auch Bücher, die in den Judenwohnungen gefunden worden waren, waren dieser Art.

Nun wurden im »Stürmer«-Archiv diese Bücher in einer kleinen Sonderabteilung unter Verschluß gehalten und aufbewahrt. Die Öffentlichkeit hatte hierzu keinen Zutritt. Es handelte sich also bei diesen pornographischen Büchern nicht um eine persönliche pornographische Bibliothek Streichers, sondern um einen Bestandteil des »Stürmer«-Archivs. Streicher hat diese Bücher nie gelesen. Diese Bücher sollten nach dem Kriege im Zuge des Neuaufbaues noch einmal durchgesehen werden. Es sollten alle jene entfernt werden, die nicht rein jüdischen Ursprungs waren. Aber Streicher hat, wie gesagt, diese Bücher nicht gelesen.

DR. MARX: Wo wurden denn diese Bücher aufbewahrt? Waren sie im Verlagshaus, oder wie erklärt es sich, daß ein Teil...

VORSITZENDER: Dr. Marx! Bezüglich dieser bestimmten Art von Büchern liegt keine Beschuldigung vor.

DR. MARX: Also, ich habe nach der Richtung keine Fragen mehr. Ich habe mir nur erlaubt, diese Sache klarzustellen, weil das in der Öffentlichkeit eine sehr große Rolle gespielt hat. Ich habe dann an den Zeugen keine weiteren Fragen mehr.

VORSITZENDER: Wollen noch andere Verteidiger Fragen stellen?

DR. ALFRED THOMA, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN ROSENBERG: Ich habe nur eine Frage.

Hatte Rosenberg irgendwelche Beziehungen zur Schriftleitung des »Stürmer«?

HIEMER: Meines Wissens waren die Beziehungen fast Null. Ich kannte nur persönlich Dr. Ballensiefen, der bei Rosenberg tätig war, Persönlich kannte ich auch Dr. Pohl. Aber Beziehungen insofern, daß eine Zusammenarbeit zwischen »Stürmer« und dem »Institut zum Studium der Judenfrage« bestanden hat, gab es nicht.

DR. THOMA: Hatte denn Ballensiefen Beziehungen zum »Stürmer«?

HIEMER: Pohl hat persönliche Beziehungen zu mir gehabt. Pohl war ein Hebräist und hatte Talmudübersetzungen vorgenommen; er hatte auch den »Talmudgeist« herausgegeben. So kam es, daß ich Dr. Pohl kennenlernte. Ballensiefen hatte mit dem »Stürmer« keine Verbindung.

DR. THOMA: Ja, hatte Pohl persönliche Beziehung...?

HIEMER: Nur zu mir, aber zum »Stürmer« nicht.

DR. THOMA: Oder war er ein Abgesandter Rosenbergs in dieser Sache?

HIEMER: Nein.

DR. THOMA: Ich habe keine weiteren Fragen mehr.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich habe Sie nur eines zu fragen. Wenn ich richtig verstehe, so sagten Sie, daß Streicher Mitte 1944 überzeugt war, daß die Berichte in der Schweizer Zeitschrift »Israelitisches Wochenblatt« der Wahrheit entsprechen?

HIEMER: Ich habe Sie nicht verstanden. Ich bitte, die Frage zu wiederholen.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wenn ich richtig verstehe, so sagen Sie, daß Streicher Mitte 1944 überzeugt war, daß die Berichte der Schweizer Zeitschrift »Israelitisches Wochenblatt« über die Konzentrationslager der Wahrheit entsprechen?

HIEMER: Ja, ich hatte den Eindruck, daß Streicher Mitte 1944...

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich möchte nur die Antwort ja oder nein. Das genügt vollkommen.

Ich möchte Ihnen nur drei Zeilen eines Artikels vorlesen, der im »Stürmer« am 14. September 1944 erschienen ist.

HIEMER: Jawohl.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES:

»Der Bolschewismus kann nicht besiegt werden, er muß vernichtet werden. Und ebensowenig kann das Judentum besiegt, entwaffnet oder wehrlos gemacht werden; es muß ausgerottet werden.«

Das ist auf Seite 2 zu lesen. Nun das Wort, das Sie anwenden – oder das angewandt wird – für »exterminate« ist »ausgerottet« was, soviel ich weiß, »vollkommen vernichtet« heißt.

Warum erschien dieser Artikel im September 1944 im »Stürmer« wenn der Eigentümer des »Stürmer« wußte, was sich in den Konzentrationslagern des Ostens zutrug? Was war der Zweck dieses Artikels?

HIEMER: Ich selbst habe diesen Artikel nicht geschrieben. Ich glaube, dieser Artikel ist von Streicher geschrieben worden. Ich kann also von mir aus die Absicht des Artikels nicht feststellen. Ich stelle aber fest, daß Streicher gegen die Ermordungen in den Konzentrationslagern sich geäußert hat und daß er die Ermordung der Judenheit nicht wünschte.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Gut, lassen wir das!

Hoher Gerichtshof! Aus Gründen der Zeitersparnis beabsichtige ich nicht, diesen Zeugen weiter einem Kreuzverhör zu unterziehen. Vielleicht darf ich mir gestatten, die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf die im Dokumentenbündel »A« enthaltenen Artikel zu lenken, Artikel, die von diesem Zeugen selbst verfaßt wurden. Es sind ungefähr sieben: Seite 3a, 35a, 38a, 40a, 49a, 50a und 51a. Sie erstrecken sich über einen Zeitraum von Januar 1939 bis August 1944.

Außerdem möchte ich die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs darauf lenken, daß der Zeuge der Verfasser des ekelerregenden Kinderbuches war, das ich dem Gerichtshof bei der Behandlung der Einzelanklage gegen Streicher vorgelegt habe.

VORSITZENDER: Wünscht noch jemand den Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen?