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[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Ist damit Ihr Fall abgeschlossen, Herr Dr. Marx?

DR. MARX: Jawohl.

VORSITZENDER: Wir werden jetzt mit dem Fall Schacht fortfahren.

DR. DIX: Ich beginne mit meiner Beweisführung, mit der Zeugenschaft Dr. Schacht und bitte Euer Lordschaft anzuordnen, daß Dr. Schacht den Zeugenstand betreten kann.

[Der Angeklagte Schacht betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Wie heißen Sie?

HJALMAR SCHACHT: Hjalmar Schacht.

VORSITZENDER: Sprechen Sie mir diesen Eid nach!

Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

DR. DIX: Bitte erzählen Sie dem Gericht kurz Ihre Herkunft!

SCHACHT: Die Familien meiner beiden Eltern sind seit Jahrhunderten in Schleswig-Holstein, welches bis 1864 zu Dänemark gehörte. Meine beiden Eltern sind noch als dänische Staatsangehörige geboren. Nach der Übernahme durch Deutschland wanderte mein Vater nach Amerika aus, wohin schon drei seiner älteren Brüder ausgewandert waren. Mein Vater wurde amerikanischer Staatsbürger, meine beiden älteren Brüder sind drüben geboren. Er mußte dann nach Deutschland zurückkehren aus gesundheitlichen Rücksichten für meine Mutter.

Ich bin in Hamburg erzogen. Habe an deutschen Universitäten und in Paris studiert. Bin, nachdem ich meinen Doktorgrad erreicht hatte, zwei Jahre lang in wirtschaftlichen Organisationen tätig gewesen. Trat dann in die Banklaufbahn ein. Bin 13 Jahre in der Dresdner Bank gewesen, einer der großen sogenannten »D«-Banken. Habe dann die Leitung einer eigenen Bank übernommen, die später mit einer der »D«-Banken fusionierte. Bin im Jahre 1923 aus dem Privatleben ausgeschieden und in den öffentlichen Dienst gegangen als Reichswährungskommissar und wurde bald darauf Reichsbankpräsident und habe bis 1930 das Amt des Reichsbankpräsidenten versehen, worauf ich meinen Rücktritt erklärte.

DR. DIX: Warum haben Sie Ihr Amt als Reichsbankpräsident damals niedergelegt?

SCHACHT: Ich befand mich mit der Regierung auf zwei wesentlichen Gebieten in Meinungsverschiedenheit. Das eine war die innere Finanzpolitik der Regierung. Nachdem die entsetzliche Katastrophe des verlorenen Krieges und des Versailler Diktates hinter uns war, war es nach meiner Auffassung notwendig, daß die deutsche Politik sich einer sehr sparsamen und bescheidenen Methode bediente. Die demokratischen Regierungen und die sozialistischen Regierungen jener Zeit konnten sich dazu nicht verstehen, sondern haben eine sehr leichtfertige Finanzpolitik betrieben, die sich namentlich darin äußerte, daß sie eine Schuldenpolitik einschlugen, die insbesondere sich auch an das Ausland in außerordentlich großem Umfange richtete. Nun war es ganz klar, daß Deutschland, welches ohnehin schon mit Reparationszahlungen außerordentlich belastet war, unter keinen Umständen in der Lage war, diejenigen ausländischen Geldmittel aufzubringen, die ausländischen Valuten aufzubringen, die für die Bezahlung dieser Schulden notwendig waren. Wir konnten ja nicht einmal die Reparationen aus der eigenen Wirtschaft bezahlen.

Ich habe infolgedessen gegen diese Schulden, zu der die Regierungen jener Zeit alle griffen und zu der sie wohl auch die Industrien und Privatgesellschaften ermunterten, ich habe mich gegen diese Finanzpolitik gewandt und dauernd Ausland und Inland gewarnt, eine solche ausländische Schuldenpolitik zu betreiben. Die ausländischen Bankiers hörten nicht, und die Deutsche Regierung hörte nicht. Es war das jene Zeit, wo man, wenn man in Berlin am Hotel Adlon, Unter den Linden, vorbeiging, nicht sicher war, daß nicht ein Finanzagent herauskam und fragte, ob man nicht eine Anleihe kaufen wolle.

Diese Leute haben mich dann sehr bekämpft, als der Schuldendienst Deutschlands eingestellt werden mußte, – ich betone aber, daß ich auf das entschiedenste zu allen Zeiten gegen eine solche Schuldenpolitik gewesen bin.

Das war der eine Grund; der andere Grund lag auf außenpolitischem Gebiet. Ich hatte nicht nur am Zustandekommen des Young-Planes, sondern auch im Jahre 1929 am Zustandekommen des Young-Komitees mitgearbeitet; der sogenannte Young-Plan hatte eine Reihe von Verbesserungen für Deutschland gebracht, die nun von der Deutschen Regierung in den nachfolgenden Verhandlungen in Den Haag Schritt für Schritt preisgegeben wurden; dadurch wurde die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Landes wieder verschlechtert. Ich habe infolgedessen hiergegen revoltiert und aus diesen beiden Gründen im März 1930 mein Amt als Reichsbankpräsident aus Protest niedergelegt.

DR. DIX: Meine Herren Richter! Ich möchte in diesem Zusammenhang schon aufmerksam machen auf das Exhibit Nummer 6 meines Dokumentenbuches. Wenn das Gericht damit einverstanden ist, werde ich, um den Dokumentenbeweis zu verkürzen, schon während der Vernehmung des Zeugen auf diejenigen Dokumente hinweisen, die in sachlichem Zusammenhang mit den Fragen stehen, die jetzt von dem Zeugen behandelt werden. Ich glaube, daß dies dem Gericht angenehm sein wird; denn es wird ja auch den Urkundenbeweis abkürzen. Also es ist Exhibit Nummer 6; es ist auf Seite 12 der deutschen Ausgabe meines Dokumentenbuches und auf Seite 8 der englischen Ausgabe, Exhibit Nummer 6. Das ist eine Wiedergabe der Ausführungen von Dr. Schacht in einer Sitzung des Unterausschusses für Geld- und Kreditwesen am 21. Oktober 1926. Ich glaube, es ist nicht notwendig, daß ich diese Ausführungen vorlese; sie beziehen sich auf die Auslandsbesprechungen, die Dr. Schacht eben erwähnt hat, enthalten dieselben Gedankengänge, die Dr. Schacht eben hier vor dem Gericht entwickelt hat und sind ein Beweis dafür, daß diese Gedankengänge nicht eine Konstruktion ex post facto sind. Ich bitte also, ohne daß ich es verlese, von dieser Urkunde im ganzen amtlich Kenntnis zu nehmen.

Und nun zurück zur Vernehmung.