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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

DR. DIX: Ich glaube, Dr. Schacht, wir müssen beide etwas langsamer sprechen und zwischen Frage und Antwort eine längere Pause einlegen.

Nun bitte ich Sie also, zum Vorwurf der Anklage, Sie seien ein Expansionist gewesen, Stellung zu nehmen.

SCHACHT: Ich habe niemals in meinem Leben irgendeinen Fußbreit Raum oder Boden verlangt, der nicht Deutschland gehörte und würde auch nie auf eine solche Idee kommen. Ich bin der Meinung, daß man weder national ist, wenn man fremde Völker zu beherrschen und zu regieren sucht, noch daß es eine politische Gerechtigkeit ist, wenn man sich fremde Landesgebiete aneignet.

Beides sind Fragen, die uns ja augenblicklich sehr beschäftigen.

Man kann dann vielleicht noch hinzufügen, um klarzumachen, was ich unter Nationalismus verstehe und wie sehr ich gegen jeden Expansionismus gewesen bin, einen einzigen Satz aus einer Rede, die ich im August 1935 gehalten habe. Da habe ich gesagt:

»Wir wollen zum Ausdruck bringen, daß Selbstachtung die Achtung anderer bedingt, daß Behauptung unserer Eigenart nicht die Herabsetzung der Eigenart anderer bedeutet, daß die Anerkennung fremder Leistung unsere eigene Leistung nur heraufsetzen kann und daß ein wirtschaftlicher Konkurrenzkampf auf die Dauer nur durch vorbildliche Leistung, nicht aber durch Methoden der Gewalt oder Verschlagenheit gewonnen werden kann.«

DR. DIX: Nach Ansicht der Anklagevertreter sind Sie im Jahre 1936 mit einer offiziellen Kriegsdrohung herausgekommen, indem Sie damals gesagt hätten, der Geist von Versailles habe die Kriegswut am Leben erhalten. Ich beziehe mich hier auf das Dokument EC-415, auf das sich die Anklage bezogen hat.

SCHACHT: Ich habe niemals begriffen im Laufe dieses Prozesses, wieso in diesem Zitat eine Kriegsdrohung liegen soll. Das Zitat schließt mit den Worten: – ich muß hier englisch zitieren, weil ich nur den englischen Wortlaut da habe; Zitat:

»The spirit of Versailles is perpetuated in the fury of war, and there will not be a true peace, progress, or reconstruction until the world desists from this spirit. The German people will not tire of pronouncing this warning.«

»Der Geist von Versailles hat die Wut des Krieges verewigt; ehe die Welt von diesem Geist nicht läßt, wird kein wahrer Friede, kein Fortschritt, kein Wiederaufbau sein. Diese Mahnung auszusprechen, wird das deutsche Volk nicht müde werden.«

Der Schlußsatz lautet also: »Diese Mahnung auszusprechen, wird das deutsche Volk nicht müde werden.«

Es ist doch ganz selbstverständlich, daß damit zum Ausdruck gebracht ist, daß ich die anderen warne, die Kriegswut fortzusetzen, und nicht uns selbst; also ich warne die Welt, den Geist von Versailles zu verewigen.

DR. DIX: Der Anklagevertreter wirft Ihnen weiter in diesem Zusammenhang vor, daß Sie öffentlich die Idee vom Lebensraum für das deutsche Volk befürwortet haben und bezieht sich insbesondere hierfür auf Ihre Frankfurter Rede vom 9. Dezember 1936, in der Sie gesagt haben:

»Deutschland hat einen zu geringen Lebensraum für seine Bevölkerung.«

SCHACHT: Dieser Vortrag vom 9. Dezember 1936 ist ein Vortrag, der sich allein und einzig mit einer kolonialen Wiederherstellung deutscher Rechte befaßt. Ich habe nie einen anderen Lebensraum für Deutschland verlangt als den kolonialen, und auch hier wundere ich mich wieder, daß gerade der amerikanische Anklagevertreter mir dieses Bestreben vorwirft; denn in den 14 Punkten Wilsons, die ja dann nachher leider verlassen worden sind, wird uns, den Deutschen, ja ausdrücklich eine Berücksichtigung der kolonialen Interessen zugebilligt.

Ich habe infolgedessen immer wieder gesagt: Gebt Deutschland, wenn Ihr Frieden in Europa haben wollt, einen wirtschaftlichen Auslauf, wohin es seine Leistung entwickeln kann und woher es seine Nöte befriedigen kann, sonst wird Deutschland stets ein Unruheherd und ein Problem für Europa bleiben.

In diesem Vortrag heißt eine Stelle – ich zitiere nur einen Satz:

»Der Friede in Europa und damit wohl auch der übrigen Welt hängt davon ab, ob die dichtgedrängten Massen Zentraleuropas eine Lebensmöglichkeit für sich bekommen oder nicht.«

Diesen Gesichtspunkt habe ich immer und immer wieder hervorgehoben. Ich habe aber niemals damit eine Vorstellung von einer kriegerischen Auseinandersetzung verbunden; denn in demselben Vortrag heißt es wieder an einer anderen Stelle – ich zitiere wiederum nur einen Satz – Zitat:

»Ich habe diese Betrachtung über die abgetrennten Gebiete« – ich spreche da von den Verlusten, die Deutschland erlitten hat – »selbstverständlich nicht angestellt, um irgendwelche kriegerischen Maßnahmen daraus zu folgern, wie überhaupt meine ganze Einstellung und Arbeit dem Ziele dient, die europäischen Verhältnisse durch verständige Friedensmaßnahmen zu bereinigen.«

VORSITZENDER: Könnten Sie mir die PS- und Beweisstücknummern dieser zwei Reden angeben?

DR. DIX: Nein, im Moment kann ich das nicht, Euer Lordschaft. Aber ich werde es nachholen und schriftlich mitteilen. Das letzte ist die Rede in Frankfurt, die muß ich noch mitteilen, und das andere ist...

VORSITZENDER: Es ist schon in Ordnung, wenn Sie es schriftlich vorlegen.

SCHACHT: Ich darf mich vielleicht, wenn es dem Gericht nicht zuviel wird, noch auf die zwei Sätze aus meinem Artikel beziehen, den ich im »Foreign Affairs«, dem bekannten amerikanischen Magazin, im Jahre 1937 veröffentlicht habe. Ich habe hier die deutsche Übersetzung. Da heißt es an einer einleitenden Stelle:

»Ich schicke diese Bemerkung voraus, um klarzumachen, daß die koloniale Frage – heute so wenig wie früher – für Deutschland eine Frage des Imperialismus oder des Militarismus ist, sondern auch heute noch lediglich eine Frage der wirtschaftlichen Existenz.«

Ich darf auch vielleicht darauf verweisen, daß ja auch sehr einflußreiche Amerikaner ständig für diese Forderung eingetreten sind. Ich habe hier ein Zitat von dem bekannten Amerikaner Colonel House, dem Mitarbeiter von Präsident Wilson, der den bekannten Unterschied zwischen den »Haves« und den »Have- nots« gemacht hat und sich für eine Berücksichtigung deutscher kolonialer Interessen besonders eingesetzt hat. Ich glaube, ich kann auf das Zitat verzichten.

DR. DIX: In diesem Zusammenhang kann ich verweisen auf das von der Anklagebehörde vorgelegte Dokument L-111, US-630. Es handelt sich da um eine Unterhaltung, die Sie mit dem Amerikanischen Botschafter Davies geführt haben, wo Ihnen vorgeworfen wird, auf indirekte Weise mit einem Friedensbruch gedroht zu haben.

SCHACHT: Ich habe eben schon ausgeführt, daß ich ständig gesagt habe: Europa kommt nicht zu einer friedlichen Entwicklung, wenn nicht irgendeine Lebensmöglichkeit für das völlig übervölkerte Mitteleuropa geschaffen wird; und ich glaube, wie recht ich gehabt habe, beweist der augenblickliche Zustand ja noch viel mehr. Denn diese Mengen innerhalb von Europa zu ernähren, ist ja eine völlige Unmöglichkeit. Ich hatte außerdem ein lebhaftes Interesse daran, die völlig abwegigen Ideen Hitlers von Osteuropa abzulenken und habe mich deshalb ständig bemüht, sein Interesse für die koloniale Frage zu beleben, um ihn von diesen verrückten Ideen, der Ausweitung nach Osten, abzubringen. Ich erinnere mich, daß ich im Jahre 1932, kurz vor seinem Amtsantritt, einmal eine Unterhaltung mit ihm gehabt habe, wo ich ihm zum erstenmal diese Gedanken beigebracht habe und ihm vor allem gesagt habe, was für ein Unsinn es wäre, an diese Osterweiterung zu denken. Ich habe dann ständig in den nächsten Jahren immer wieder über die Kolonialfrage gesprochen, bis er mir endlich im Sommer 1936 die Möglichkeit eröffnete, meine Ideen weiterzuverfolgen, und mir den Auftrag gab, den ich ihm nahegelegt hatte, einmal nach Paris zu fahren und über die Möglichkeit einer kolonialen Befriedigung Deutschlands mit der Französischen Regierung Fühlung aufzunehmen. Das ist im Sommer 1936 geschehen; und ich darf hier zu meiner Genugtuung, und zwar zur Genugtuung aller Friedensfreunde sagen, daß die Regierung Léon Blum, die damals am Ruder war, erfreuliches Verständnis für diesen Ausweg aus den ernährungs- und wirtschaftlichen Unterhaltsschwierigkeiten Europas einsah und ihrerseits sich bereit erklärte, die koloniale Frage weiter zu behandeln, mit dem Ziel, die eine oder andere Kolonie an Deutschland zurückzugeben. Léon Blum unternahm es dann auch, im Einverständnis mit mir, die Englische Regierung über diese Besprechung zu unterrichten und die Zustimmung der Englischen Regierung herbeizuführen, beziehungsweise die Diskussion bei der Englischen Regierung in Gang zu bringen. Das ist auch geschehen, jedoch hat die Englische Regierung monatelang gezögert, bis sie sich zu einer Stellungnahme entschließen konnte, und so geriet diese ganze Unterhaltung in die beginnenden Monate des spanischen Bürgerkrieges hinein und wurde von dem Problem des spanischen Bürgerkrieges abgelöst, so daß eine Fortsetzung der Gespräche über diesen Gegenstand nicht stattgefunden hat. Ich war damals im Januar 1937, als mich der Amerikanische Botschafter für Moskau, Ambassador Joseph Davies, in Berlin besuchte, etwas sehr ärgerlich über die Langsamkeit, mit der die Britische Regierung dieser ganzen Anregung gefolgt war; ich habe mich infolgedessen gewissermaßen mit der Bitte um Verständnis und Unterstützung an Ambassador Davies gewandt, ihm die ganze Angelegenheit erzählt, wie ich überhaupt ständig gerade bei den Vertretern der Amerikanischen Regierung immer und immer wieder versucht habe, Hilfe und Verständnis zu erzielen, ebenso wie ich immer wieder versucht habe, diese Herren auch über die inneren Verhältnisse und die Entwicklung in Deutschland, soweit es irgend möglich und mit dem deutschen Interesse vereinbar war, auf dem laufenden zu halten. Das gilt für Ambassador Davies, das gilt für Ambassador Dodd, das gilt für Ambassador Bullitt, wenn er nach Berlin kam, und so weiter.

Auf diese Unterhaltung mit Ambassador Davies bezieht sich das Dokument, welches die Anklage hier eingereicht hat, L-111; es ist aus dem Buch entnommen, welches Ambassador Davies über seine Mission in Moskau hat erscheinen lassen, auf das vielleicht später noch zurückzukommen sein wird.

Ich möchte als Quintessenz dieser Unterhaltung mit Davies nur einen Satz wiederum lesen, den ich wieder englisch zitieren muß, weil ich nur das englische Buch zur Verfügung habe. Ich zitiere:

»Schacht earnestly urged that some such feasible plan could be developed if discussions could be opened; and that, if successful, would relieve European war menace, relieve peoples of enormous expenditures for armaments, restore tree flow of international commerce, give outlet to thrift and natural abilities of his countrymen and change their present desperation into future hope.«

»Schacht hat besonders betont, daß ein praktisch durchführbarer Plan entwickelt werden könnte, falls man in der Lage sei, miteinander ins Gespräch zu kommen; wenn diese Verhandlungen erfolgreich wären, dann wäre die europäische Kriegsgefahr beseitigt und die Völker wären von gewaltigen Rüstungsausgaben befreit; ferner würde wieder ein freier Ausgleich des internationalen Handels hergestellt, der Sparsamkeit und den natürlichen Fähigkeiten seiner Landsleute ein Wirkungskreis geboten und die gegenwärtige Verzweiflung in Hoffnung auf die Zukunft umgewandelt.«

DR. DIX: In diesem Zusammenhang spielt auch das Affidavit Fullers eine Rolle. Die Exhibit-Nummer dieses Affidavits ist US-629 EC-450. Nach diesem Affidavit sollen Sie Herrn Fuller gegenüber erklärt haben, daß, wenn Deutschland keine Kolonien im Verständigungsweg bekommen könne, es sich diese nehmen würde. Wollen Sie sich bitte hierzu erklären?

SCHACHT: In einem deutschen Drama wird ein Intrigant vor einem Gewalthaber beauftragt, einen Ehrenmann zu Fall zu bringen und er sagt dabei zur Antwort: »Gebt mir nur ein einziges Wort von diesem Manne, und ich will ihn daran aufhängen.« Ich glaube meine Herren Richter, daß in diesem Saal nicht ein einziger ist, der nicht in seinem Leben mal ein ungeschicktes Wort gebraucht hätte und wieviel mehr verständlich ist es, wenn er in einer fremden Sprache spricht, die er nicht beherrscht oder nicht völlig beherrscht?

Herr Fuller ist mir als ein ehrenwerter Geschäftsmann bekannt und die ganze Unterhaltung, die er hier wiedergegeben hat, ist zweifellos nach bestem Wissen wiedergegeben. Er selbst bemerkte durchaus richtig, daß, wenn er sich auch bemüht hätte, genau die Worte festzulegen, er doch nicht garantieren könne, daß jedes Wort gesagt worden sei. Aber, wenn ich dieses Wort gesagt habe, so bedeutet es nichts anderes, als daß ich gesagt habe, wir Deutschen müssen Kolonien haben und wir werden sie haben. Ob ich gesagt habe »we will take them« oder »we will get them«, kann ich natürlich heute nach zehn Jahren nicht mehr mit Sicherheit behaupten. Auch dem Vertreter des mündlichen Anklagevortrages ist dieses Wort »we will take them« etwas mager erschienen, und er leistet sich infolgedessen eine kleine Hinzufügung. Er sagt nämlich zweimal in seiner Anklagerede, ich hätte gesagt: »Wir würden uns die Kolonien mit Gewalt nehmen«, und ein zweites Mal sagt er sogar: »Wir würden uns die Kolonien mit Waffengewalt nehmen.« Dabei steht von »Gewalt« oder »Waffengewalt« in dem ganzen Affidavit Fullers nicht ein einziges Wort drin. Und wenn ich dieses Wort gebraucht hätte oder auch nur dem Sinne nach gebraucht hätte, so müßte doch Herr Fuller vernünftigerweise gesagt haben: »Sagen Sie mal, Sie wollen die Kolonien mit Gewalt nehmen, wie denken Sie sich das?« Es wäre doch geradezu ein Unsinn gewesen, zu behaupten, daß Deutschland überseeische Kolonien jemals mit Gewalt nehmen könnte, dazu fehlte ihm – und wird ihm immer fehlen – die Beherrschung der See, die dazu notwendig ist. Herrn Fuller ist infolgedessen auch meine Ausdrucksweise gar nicht aufgefallen, sondern er fährt in seinem Gespräch sofort weiter. Ich zitiere:

»You mentioned a little while ago that necessary raw materials could not be obtained owing to German lack of foreign exchange. Would stabilization help you?«

»Sie haben gerade erwähnt, daß Sie die notwendigen Rohmaterialien infolge des deutschen Devisenmangels nicht bekommen könnten. Würde Ihnen eine Stabilisierung helfen?«

Also, anstatt sich zu erregen darüber, daß ich Kolonien mit Gewalt nehmen möchte, was ich nie gesagt habe und was auch meinen ganzen sonstigen Ausführungen, wie die Herren ja schon gesehen haben, widerspricht, kommt er sofort auf die Frage der fremden Valuta und der Stabilisierung zu sprechen.

DR. DIX: Der Anklagevertreter behauptet des weiteren, Sie seien für die Eroberung von Nachbargebieten in Europa gewesen.

SCHACHT: Diese Angelegenheit liegt nun nicht so harmlos wie die bisherigen Mißgriffe der Anklage. Es ist mir in einem mündlichen Vorverhör vorgehalten worden, und der Anklagevertreter der mündlichen Anklage hat sich darauf bezogen, was folgt; ich zitiere den Anklagevertreter:

»Am 16. April 1929, und zwar anläßlich der Pariser Reparationskonferenz, sagte Schacht: Deutschland kann im allgemeinen nur zahlen, wenn der Korridor und Oberschlesien an Deutschland zurückgegeben werden.«

Das ist ein Verhör vom 24. August 1945. Nach dem Protokoll des Verhörs habe ich geantwortet:

»It may be that I said such a thing.«

»Es kann sein, daß ich etwas Derartiges gesagt habe.«

Mir war selbstverständlich der Wortlaut einer Äußerung von mir, die mehr als zehn, fünfzehn Jahre zurücklag, nicht mehr gegenwärtig. Es war mir aber in der Erinnerung, daß ich im Zusammenhang mit dem Korridor und Oberschlesien eine Bemerkung gemacht hatte; und da ich annehmen mußte, daß, wenn die Anklagebehörde mir ein solches Protokoll im Wortlaut vorlegt, dieses ein stenographisches und richtiges Protokoll sei, so habe ich diese Äußerung nicht bestritten, sondern habe nur gesagt: »Es kann sein, daß ich etwas Derartiges gesagt habe.«

Der Anklagevertreter macht aus diesem »kann sein« in seiner Anklagerede folgenden Satz. Ich zitiere:

»Dieses Zitat wurde Schacht gegenüber verlesen und er erklärte, daß es richtig sei.«

Diese Feststellung des Anklagevertreters ist demnach falsch. Ich habe gesagt: »Es kann sein, daß ich etwas Derartiges gesagt habe«; ich habe aber nicht erklärt, daß diese nur gegenüber wiedergegebene Äußerung richtig ist. Es ist mir dann erfreulicherweise hier in der Gefangenschaft gelungen, mein Buch zu bekommen, welches ich über das Ende der Reparationen seinerzeit geschrieben habe – es ist im Jahre 1931 erschienen – und wo ich die Äußerungen über die Angelegenheit, die hier behandelt wird, erfreulicherweise im Wortlaut abgedruckt hatte. Aus diesem Wortlaut – ich bemerke, daß das Buch dem Gericht als Beweisstück eingeliefert ist – aus diesem Wortlaut geht folgendes hervor, was ich wörtlich gesagt habe:

»Bezüglich der deutschen Lebensmittelversorgung ist besonders wichtig, daß die Einfuhr von Lebensmitteln verringert und teilweise durch eigene Erzeugung ersetzt wird. Dabei kann man nicht vorbeigehen an der Tatsache, daß wichtige landwirtschaftliche Überschußgebiete im Osten Deutschlands durch Abtretung verlorengegangen sind, und daß ein großes, fast ausschließlich der landwirtschaftlichen Erzeugung dienendes Gebiet von dem übrigen Teil des Reiches abgeschnürt ist. Infolgedessen geht der wirtschaftliche Wohlstand dieses Gebietsteiles Ostpreußen fortgesetzt zurück, und die Reichsregierung muß ihm fortgesetzt Unterstützung gewähren. Es sollten daher geeignete Maßnahmen vereinbart werden, um diese abträglichen Bedingungen, welche Deutschlands Zahlungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen, zu beseitigen.«

DR. DIX: Euer Lordschaft! Dies ist in unserem Dokumentenbuch Exhibit Nummer 16, deutsche Seite 38, englische Seite 44.

SCHACHT: Dieses Zitat stimmt mit dem Zitat, welches mir vorgehalten worden ist im Vorverhör, absolut nicht überein, und es läßt in keiner Weise den Schluß zu, als ob ich eine Rückerstattung dieser Gebiete verlangt hätte. Ich habe lediglich verlangt, daß die Tatsache der Abtrennung dieser Gebiete bei der Bemessung der Zahlungen und der Zahlungsfähigkeit Deutschlands berücksichtigt würden. Wenn nun hier der Anklagevertreter in der mündlichen Anklage anknüpft und sagt; ich zitiere:

»Ich möchte darauf hinweisen, daß dieses Gebiet das gleiche ist, dessentwegen im September 1939 der Krieg begann«,

so glaube ich, ist das eine Insinuation, die den Ankläger mehr charakterisiert, als den, den sie treffen soll.

DR. DIX: Unter den Indizien, also den indirekten Beweisen für den Ihnen zur Last gelegten Angriffswillen, wird von der Anklage auch bewertet der Ihnen unterstellte Wunsch nach dem Anschluß Österreichs. Wollen Sie sich bitte zu diesem Vorwurf äußern?

SCHACHT: Den Anschluß Österreichs habe ich seit 1919 ständig als unvermeidlich und als im nationalen Sinne, also geistig, kulturell, begrüßenswert angesehen. Daß der Anschluß Österreichs wirtschaftlich für Deutschland keine Bereicherung, sondern eher eine Belastung bedeutete, habe ich mir nie verheimlicht. Ich habe mir aber den Wunsch der österreichischen Bevölkerung, an Deutschland angeschlossen zu werden, voll zu eigen gemacht und mir gesagt: Wenn hier sechseinhalb Millionen Menschen, wie das im Jahre 1919 spontan und nachher immer wieder in zahllosen Kundgebungen geschehen ist, den Wunsch ausdrücken, mit dem großdeutschen Brudervolk vereinigt zu werden, so ist das etwas, dem sich kein Deutscher widersetzen kann, sondern das er im Interesse Österreichs begrüßen muß. In diesem Sinne bin ich stets dafür gewesen, den Anschlußwillen Österreichs zu respektieren und, sobald es die außenpolitischen Verhältnisse gestatten, auch durchzuführen.

DR. DIX: Ich werde eben darauf aufmerksam gemacht, daß Sie immer noch zu schnell sprechen und die Übersetzung nicht mitkommt. Ich bitte Sie also, langsamer zu sprechen.

Wie standen Sie denn zur Frage der Einverleibung des Sudetenlandes?

SCHACHT: An eine Einverleibung des Sudetenlandes habe ich niemals gedacht. Selbstverständlich war die Tschechoslowakei ein europäisches Problem, und es war bedauerlich, daß schon in dem Namen dieses Staates, der etwa fünfeinhalb Millionen Tschechen, zweieinhalb Millionen Slowaken und dreieinhalb Millionen Deutsche umfaßte, das deutsche Element überhaupt nicht zum Ausdruck kam; gerade aber weil das tschechisch-slowakische Problem nicht ein deutsch-tschechisches sondern auch ein slowakisch- tschechisches war, habe ich nur die Lösung dieses Problems immer in der Weise vorgestellt und habe es derart gewünscht, daß die Tschechoslowakei in der Form eines Bundesstaates, wie etwa die Schweiz, in drei verschiedene, sich selbst kulturell verwaltende, aber im übrigen staatlich einheitlich zusammengefaßte Gebiete aufgeteilt würde, die die Einheit eines deutsch-tschechisch-slowakischen Staates garantiert hätte.

DR. DIX: Wie standen Sie überhaupt zu dem Problem des Krieges? Ich meine jetzt philosophisch, weltanschaulich und praktisch.

SCHACHT: Ich habe den Krieg stets für eines der verderblichsten Dinge gehalten, denen die Menschheit ausgesetzt ist, und bin grundsätzlich durch mein ganzes Leben hindurch Pazifist gewesen.

DR. DIX: Dr. Schacht! Sie haben sich doch sicherlich in Ihrem sehr nachdenklichen und gedankenreichen Leben auch viele Gedanken gemacht über den grundsätzlichen und tiefen Unterschied zwischen echtem und ethisch fundiertem Soldatentum und Militarismus mit seinen Abarten. Was verstanden Sie unter dem letzteren und wie stellten Sie sich zu dem letzteren, nämlich dem Militarismus?

SCHACHT: Ich habe selbstverständlich die Notwendigkeit einer Landesverteidigung im Ernstfalle, im Falle der Bedrohung, immer bejaht. Ich bin in diesem Sinne immer für eine Wehrmacht gewesen. Aber ich habe den Beruf des Soldaten für einen der entsagungsvollsten und opferwilligsten, opferfreudigsten gehalten, nicht deswegen, weil er etwa in einem Kriege sein Leben hinzugeben hätte – das hatte ja jeder wehrpflichtige Bürger –, sondern deswegen, weil sein ganzes Streben und Trachten darauf gerichtet sein mußte, das Handwerk, das er gelernt hatte und das er betrieb, niemals zur Aktion kommen zu lassen. Ein Soldat, ein Berufsoffizier, der nicht Pazifist ist von Haus aus, hat meines Erachtens seinen Beruf verfehlt. Infolgedessen bin ich stets ein Gegner jeder militaristischen Überspanntheit gewesen und habe den Militarismus stets abgelehnt, während ich ein verantwortungsbewußtes Soldatentum für den höchsten Beruf halte, den ein Bürger ausüben kann.

DR. DIX: Nun sagt George Messersmith, wie Sie wissen, seinerzeit Generalkonsul der Vereinigten Staaten in Berlin, in einem seiner verschiedenen, hier von der Anklage in Bezug genommenen Affidavits, Sie hätten ihm gegenüber wiederholt von Angriffsabsichten der Nazis gesprochen. Wollen Sie sich bitte dazu äußern.

SCHACHT: Ich möchte zunächst bemerken, daß ich selbstverständlich eine solche Äußerung niemals gemacht habe, weder zu Herrn George Messersmith noch zu irgend jemand anderem. Ich möchte aber zu den drei Affidavits des Herrn Messersmith, die die Anklage hier eingereicht hat, noch etwas sagen. Herr Messersmith behauptet, er habe mit mir einen häufigen Kontakt gehabt und habe mit mir zahlreiche Privatgespräche geführt. Ich stelle hier fest, daß ich nach meiner besten Erinnerung Herrn George Messersmith in meinem Leben vielleicht zwei- oder dreimal gesprochen habe. Herr George Messersmith macht daraus einen häufigen Kontakt und zahlreiche Privatgespräche. Er behauptet auch, seine Amtspflichten hätten ihn mit mir als Reichsbankpräsident und als Wirtschaftsminister in Berührung gebracht. Ich erinnere mich nicht, Herrn George Messersmith auch nur ein einziges Mal in meinem Amtszimmer gesehen zu haben.

Herrn George Messersmith genügt diese kleine Zahl von Gesprächen, um eine Charakteristik von mir abzugeben. Er nennt mich zynisch, ehrgeizig, egoistisch, eitel, doppelzüngig. Ich bin leider nicht in der Lage, ein gleich umfassendes Bild über den Charakter des Herrn Messersmith abzugeben. Ich muß nur seine Zuverlässigkeit hier ausdrücklich bestreiten. Ich führe zunächst eine allgemeine Bemerkung des Herrn Messersmith als Begründung hierfür an.

In seinem Affidavit vom 30. August 1945, 2385-PS, sagte Herr George Messersmith – ich zitiere:

»Als die Nazi-Partei Deutschland übernahm, repräsentierte sie nur einen kleinen Teil der deutschen Bevölkerung.«

Ich konstatiere demgegenüber, daß, bevor die Nazi- Partei Deutschland übernahm, sie etwa 40 Prozent sämtlicher Reichstagssitze auf ihre Partei vereinigt hatte. Das nennt Herr Messersmith einen kleinen Teil der deutschen Bevölkerung. Wenn die diplomatische Berichterstattung überall so zuverlässig ist, dann ist es kein Wunder, daß die Völker sich nicht verstehen.

Ich möchte aber noch eine spezielle Bemerkung des Herrn Messersmith hier richtigstellen. Herr Messersmith behauptet, wie ich vorhin zitiert habe, daß seine Amtspflichten ihn mit mir als Wirtschaftsminister in Berührung gebracht hätten. In seinem Affidavit vom 28. August, 1760-PS, sagte Herr Messersmith – ich zitiere:

»Während der Welle terroristischer Ereignisse im Mai und Juni 1934 hatte ich bereits meine Amtsgeschäfte als Amerikanischer Geschäftsträger in Wien übernommen.«

Nun bin ich erst im August 1934 Reichswirtschaftsminister geworden, während Herr Messersmith schon im Mai 1934 seine Amtsgeschäfte in Wien übernommen hatte. Das hindert Herrn Messersmith nicht, zu behaupten, daß ihn seine Amtspflichten mit mir als Wirtschaftsminister in häufigen Kontakt gebracht hätten. Ich glaube, das genügt, um das Erinnerungsvermögen des Herrn Messersmith auf das richtige Maß zurückzuführen.

DR. DIX: In ähnlichem Zusammenhang hat die Anklage wiederholt Bezug genommen auf das Tagebuch des früheren Botschafters in Berlin, Dodd, das von dessen Kindern auf Grund seiner privaten Notizen nach seinem Tode herausgegeben worden ist.

Es trägt die Nummer EC-461, und die Anklage zitiert dieses Tagebuch des öfteren zum Nachweis dafür, daß auch Mr. Dodd Sie für einen Kriegstreiber gehalten hat. Nun weiß ich, daß Sie mit Dodd freundschaftlich standen. Es ergibt sich dies ja auch aus seinem Tagebuch. Können Sie erklären, wie sich das miteinander verträgt?

SCHACHT: Ich darf zunächst sagen, daß der Botschafter Dodd eine der lautersten Persönlichkeiten gewesen ist, die mir begegnet sind, ein aufrechter Charakter von unbeugsamer Überzeugungstreue und zweifellos auch ein – er war Geschichtsprofessor – guter Historiker. Er hatte an deutschen Universitäten studiert. Ich glaube, er würde sich im Grabe umdrehen, wenn er erfahren würde, daß die flüchtig hingeworfenen Tagebuchnotizen von seinen beiden Kindern ohne Kommentar und ohne jede Nachprüfung im Druck herausgegeben wurden. Herr Dodd hatte leider eine Eigenschaft, die den Verkehr mit ihm ein wenig schwierig machte, und ich führe das auf die Überzeugungstreue seines Charakters zurück, die ihn gegen fremde Einflüsse von vornherein vielfach ablehnend auftreten ließ. Er konnte sich selber nicht sehr flüssig und leicht verständlich machen, und noch viel weniger war er berufen und imstande, fremde Ansichten im richtigen Lichte aufzunehmen. Er hat sehr vieles, was ihm gesagt wurde, falsch verstanden und in einem falschen Lichts gesehen. Ich darf aus seinem Tagebuch, auf Seite 176 unten, nur einen einzigen Satz hier zitieren, der meine Darstellung illustriert. Er schreibt – ich zitiere:

»I talked 15 minutes with Phipps.« »Ich sprach 15 Minuten mit Phipps«, dem damaligen Britischen Botschafter – »about the accumulated evidence of Germany's intense war activities« – »über das angehäufte Beweismaterial – in Bezug auf Deutschlands intensive Kriegstätigkeit.«

Diese Äußerung stammt aus dem Herbst 1934, und ich glaube, es wird niemand sagen können, daß im Herbst 1934 von einer »war-activity« Deutschlands die Rede gewesen sein kann. Herr Dodd gebrauchte hier den Ausdruck: »war« zweifellos für »armament«, also »Krieg« statt »Aufrüstung«. In diesem Sinne glaube ich gern, daß er die Worte mißverstanden hat.

Ich darf als einen weiteren Beleg für die Schwierigkeit, sich dem Ambassador gegenüber verständlich zu machen, darauf hinweisen, daß das Auswärtige Amt ihn einmal gebeten hat, er möge doch zu seinen Besprechungen mit Herren des Auswärtigen Amtes einen Sekretär mitbringen, der sich Notizen mache, damit Mißverständnisse vermieden würden. Ich glaube deshalb, daß diese ganzen Äußerungen von Herrn Dodd mißverständlich sind.

Jedenfalls bleibt für mich nur übrig, hinzuzufügen dasselbe, was ich bei Herrn Messersmith gesagt habe, daß ich selbstverständlich niemals von Kriegsabsichten gesprochen habe.

DR. DIX: Nun steht in diesem Tagebuch ja drin, daß er Ihnen gegenüber eine freundschaftliche Gesinnung gehabt habe. Haben Sie irgendeinen Beweis für diese seine freundschaftliche Einstellung Ihnen gegenüber?

SCHACHT: Herr Verteidiger! Wenn ich vielleicht noch darauf hinweisen darf, auf die Korrespondenz mit Henderson...

DR. DIX: Ja, das können Sie nachher machen.

SCHACHT: Dann antworte ich auf Ihre Frage. Dodd war mir durchaus freundschaftlich gegenüber eingestellt, und ich habe für ihn durchaus eine große Verehrung gehabt. Einen Beweis seiner freundschaftlichen Gesinnung habe ich darin erblickt, daß er kurz vor seinem Weggang aus Berlin im Dezember 1937 mich in meiner Wohnung aufgesucht hat, und zwar berichtet er auch hierüber in seinem Tagebuch. Ich darf diesen Satz zitieren:

»I went to Dr. Schacht's house in Dahlem. I wished especially to see Schacht, whose life is said to be in danger.«

»Ich besuchte Schacht in seinem Haus in Dahlem. Es lag mir besonders daran, Schacht zu sehen, der sich in Lebensgefahr befinden sollte.«

Mit anderen Worten, Herr Dodd hatte von einem bevorstehenden Anschlag von nationalsozialistischer Seite auf mein Leben gehört und hatte es für wichtig genug gefunden und zum Anlaß genommen, um eigens in meine Wohnung hinauszufahren, um mich zu warnen.

Einen zweiten Beweis seiner Freundschaft für mich habe ich dann noch bei seinem Abschiedsbesuch erfahren; bevor er – es war wenige Tage vor seiner Abreise –, bevor er nach Amerika zurückfuhr, kam er noch einmal zu mir und legte mir dringend nahe, ich möge doch mit ihm oder sobald als möglich nachkommen und meinen Wohnsitz nach Amerika verlegen. Ich würde dort eine gute Aufnahme finden. Ich glaube, auch das hätte er mir nicht gesagt, wenn er nicht auch für mich eine gewisse freundschaftliche Empfindung gehabt hätte.

DR. DIX: Nun, das sind ja ausgesprochene Freundschaftsdienste, und es ist wohl kaum anzunehmen, daß der verstorbene Botschafter Ihnen diese Dienste erwiesen hätte, wenn er Sie für einen Kriegstreiber und Freund der Nazis gehalten hätte. Namentlich, und das darf ich vielleicht für das Gericht sagen, und würde Sie dann bitten, dazu Stellung zu nehmen, ob ich recht habe, wenn man bedenkt, daß Herr Dodd zu den wenigen in Berlin akkreditierten Diplomaten gehörte, welche ganz offensichtlich dem Regime keinerlei Sympathien entgegenbrachten, sondern ihm hundertprozentig ablehnend gegenüberstand.

Ich sage mit vollem Bewußtsein »den wenigen Diplomaten«; denn, Dr. Schacht, ich bitte Sie dann, dazu Stellung zu nehmen, zu dem, was ich sage. Sie werden sich erinnern, daß diejenigen Diplomaten, welche sich vom Regime Hitlers politisch und gesellschaftlich ausgesprochen distanzierten, wie zum Beispiel der Niederländische Gesandte, der prachtvolle Graf Limburg-Stirum, oder der Finnische Gesandte, der gesinnungstüchtige und große Sozialdemokrat Wuolijoki, meist von ihren Regierungen abberufen wurden. Wie kann also ein Nazi-Gegner wie Dodd solche ausgesprochenen Freundschaftsdienste jemandem erweisen, den er für einen Nazi-Freund hielt? Schließen Sie sich dieser meiner Ansicht an?

SCHACHT: Ja, ich bin durchaus der gleichen Meinung.

JUSTICE JACKSON: Ich erhebe entschieden Einspruch gegen ein solches Hin- und Herpredigen zwischen Zeugen und Verteidiger. Meines Erachtens hat nun der Zeuge über all das sprechen können, was Herr Dodd je geschrieben hat, und das hineininterpretieren können, was Dodd in seinen Augen damit gemeint hat; er hat in großer Breite alle amerikanischen Vertreter charakterisieren dürfen; aber meiner Ansicht schweift er hier völlig von der Sache ab und es gehört sich nicht, daß dieser Zeuge hier Charakterisierungen über Herrn Dodd in Gegenüberstellung mit anderen diplomatischen Vertretern gibt.

Hier werden keine Fragen gestellt, um Aufklärung über Tatsachen zu bekommen. Wir klagen Schacht nicht an wegen seiner Meinungen. Wir klagen ihn wegen ganz bestimmter Tatsachen an, und es scheint eine beträchtliche Abneigung zu bestehen, auf diese Tatsachen einzugehen und sie zu behandeln.

VORSITZENDER: Ich glaube, Sie sollten fortfahren, Dr. Dix, und jetzt von diesem Teil, von diesen Dokumenten zu etwas anderem übergehen.

DR. DIX: Ich darf nur ganz kurz bemerken, daß es Dr. Schacht sowohl wie mir vollkommen fern liegt, uns hier berufen zu fühlen, hier solche Würdigungen irgendwelcher Diplomaten oder sonstiger politischer Persönlichkeiten abzugeben. Wenn aber die Anklage Affidavits dieser Diplomaten oder Tagebücher, die unter diesen Namen erscheinen, als Beweismittel gegen den Angeklagten in diesem Prozeß einführen, so muß es dem Angeklagten...

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß es viel besser wäre, wenn Sie Fragen stellen würden, und zwar kurze; wir kämen damit viel schneller voran.

DR. DIX: Ja, ich stelle ja auch meist kurze Fragen. Ich habe das nur jetzt gesagt, weil ich selbst jetzt der vom Gericht, wie ich glaube, gebilligten Praxis folgen möchte, aus dem Urkundenbeweis etwas vorwegzunehmen, nämlich zu dem Thema Zuverlässigkeit des Beweismittels »Dodds Tagebuch«. Das ist Exhibit Schacht 43 meines Dokumentenbuches, deutsche Seite 194, im englischen Text Seite 202. Das ist eine Korrespondenz zwischen dem Herausgeber des Doddschen Tagebuchs und Sir Nevile Henderson, welcher sich unterhält über verschiedene Unrichtigkeiten des Doddschen Tagebuches. Ich unterlasse es, den ziemlich umfangreichen Brief, es sind fünf Folioseiten von Sir Nevile Henderson, vorzulesen und zitiere nur einige ganz wenige Sätze; so auf Seite 196 des deutschen Textes schreibt Sir Nevile Henderson:

»Nehmen Sie zum Beispiel die erste Erklärung, die mir über Neurath zugeschrieben ist. Es ist ganz unmöglich, daß ich zu Hitler...« und so weiter.

Oder auf derselben Seite in der Mitte, nächster Absatz:

»Und dasselbe gilt für die allgemeine Aussprache. Es ist ganz unfaßbar, daß ich auf solche Weise, wie es dort berichtet ist, über Bismarck und die Annektion ›der Tschechoslowakei und anderer Länder‹ gesprochen haben sollte.«

Und auf derselben Seite weiter unten, vorletzter Absatz:

»Ich konnte auch unmöglich gesagt haben, daß Deutschland die Donau- und Balkanzone beherrschen muß.«

Und auf der nächsten Seite, 2. Absatz:

»Der Ausspruch, der mir zugeschrieben wird, daß England und Deutschland ›die Welt beherrschen müßten‹, ist bloßes Geschwätz und stimmt kaum mit dem vorhergehenden Satz über die Vereinigten Staaten überein.«

Es kommen nun noch mehrere solche Stellen auf der gleichen und der folgenden Seite. Ich glaube, es ist nicht notwendig, daß ich sie verlese. Ich bitte das Tribunal, von diesem Dokument im ganzen amtlich Kenntnis zu nehmen. Ich habe es damit wohl eingeführt.