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[Zum Zeugen gewandt:]

Dr. Schacht! Sie sprachen vorhin von einer Warnung des Botschafters Dodd bezüglich einer Gefahr, die Ihnen drohe Handelte es sich da um einen Anschlag auf Ihr Leben?

SCHACHT: Es wurde mir damals, und zwar habe ich es erst nach Herrn Dodd erfahren, im Januar mitgeteilt, daß aus der SS heraus ein Anschlag gegen mich geplant war. Die Absicht war, wie damals der technische Ausdruck lautete, mich umzulegen. Es muß also wohl irgend etwas dieser Art in der Luft geschwebt haben, sonst hätte es nicht einen auswärtigen Botschafter und die mir nahestehenden Kreise erreicht.

DR. DIX: Sie haben vorhin ausgeführt, in welchem Ausmaß Sie jeder kriegerischen Auseinandersetzung zur Erlangung der deutschen Gleichberechtigung und Lebensmöglichkeit ablehnend gegenüberstanden. Haben Sie denn diese Ihre Verständigungspolitik mit dem Ausland auch praktisch getätigt, zum Beispiel als Reichsbankpräsident?

SCHACHT: Ich habe meine ganze Arbeit als Reichsbankpräsident darauf abgestellt, erstens, mit all meinen ausländischen Schwesterinstituten, den Notenbanken der anderen Länder, möglichst harmonisch zusammenzuarbeiten und eine Politik der gegenseitigen: Unterstützung und Forderung zu betreiben.

Und ich habe zweitens mit all diesen Leitern der Notenbanken persönlich freundschaftliche Beziehungen anzuknüpfen versucht in der Hoffnung, bei ihnen auch für die deutschen Verhältnisse Verständnis zu finden und dadurch dazu beizutragen, daß die schwierigen Probleme, die sich nun mal in Mitteleuropa ergeben haben, auf dem Wege der gegenseitigen Verständigung und Zusammenarbeit, gelöst werden könnten. Das Wort »Cooperation«, Zusammenarbeit, war in unseren Kreisen das ständige Leitmotiv.

DR. DIX: Das waren die Notenbankpräsidenten. Wie stand es nun mit den ausländischen Anleihegläubigern?

SCHACHT: Ich habe mir, wie ich vorhin schon ausgeführt habe, zunächst die Abneigung aller »money- maker« zugezogen, die an der Placierung deutscher Anleihen in ihren Ländern Geld gemacht haben, weil ich gegen diese Auslandsverschuldung Deutschlands mit allen Mitteln aufgetreten bin. Nachher, nachdem das Unglück, das immer von mir vorausgesagt worden ist, eingetreten war, nach dem Finanzkrach im Jahre 1931, haben diese selben Finanziers und Bankagenten mir vorgeworfen, daß ich nun daran schuld sei, daß sie ihre Zinsen nicht mehr transferiert bekämen. In diesen Kreisen habe ich also mir keine Freunde erworben, aber in den Kreisen der ernsthaften Bankiers und großen Bankinstitute, die ein fortlaufendes geregeltes Geschäft mit Deutschland wünschten, habe ich, glaube ich, mir keine Feinde gemacht; denn ich habe alle Maßnahmen, die ich nachher zum Schutze der deutschen Währung und um den deutschen Außenhandel aufrechtzuerhalten, ergreifen mußte, stets mit den Vertretern dieser ausländischen Gläubiger-Institute gemeinsam beraten. Wir sind ungefähr alle sechs Monate zusammengekommen, und ich habe ihnen ständig eine ganz genaue Darlegung der deutschen Verhältnisse gegeben. Sie konnten in die Bücher der Reichsbank Einsicht nehmen, konnten die Beamten der Reichsbank zu Berichten verhören und vernehmen, und sie haben mir stets bestätigt, daß ich in der offensten Weise ihnen alles mitteilte, so daß ich sagen kann, ich habe in fairer und freundschaftlicher Weise auch mit ihnen zusammengearbeitet.

DR. DIX: Und wie stand es mit Ihrer Verständigungspolitik, was den Außenhandel anlangt, Export, Warenkredite und so fort?

SCHACHT: Ich glaube, es ist heute nach den jetzt eingetretenen Ereignissen noch klarer geworden, als es früher war, daß Deutschland ohne Außenhandel nicht leben konnte und daß die Aufrechterhaltung seines Exportes die Grundlage jeder weiteren Existenz für die deutsche Bevölkerung war. Infolgedessen habe ich alles getan, um den deutschen Außenhandel aufrechtzuerhalten. Ich kann einige wenige Beispiele im speziellen anführen neben den allgemeinen Grundsätzen.

Ich habe beispielsweise mit China versucht, große Geschäfte zu machen, um Absatz nach China zu haben, und bin auch bereit gewesen und habe das auch perfektuiert, Kredite an China zu geben. Ich habe es außerordentlich begrüßt, daß die Sowjetunion mit uns einen recht ausgedehnten Handel betrieb und habe mich immer dafür eingesetzt, diesen Außenhandel zu erweitern und zu befestigen, zumal bei Rußland, ebenso wie bei China, über die Zahlungsfähigkeit, die Zahlungswilligkeit und die Zahlungspromptheit der Gegenpartei niemals ein Zweifel aufkam.

VORSITZENDER: Er geht in unnötige Einzelheiten, um die Behauptung zu stützen, daß er versucht hat, den Außenhandel aufrechtzuerhalten. Diese Einzelheiten sind doch sicher nicht nötig.

DR. DIX: Soweit es die Union der Sowjet-Republiken anlangt, ist diese Ausführung meines Erachtens von großer Bedeutung und Erheblichkeit. Sie zeigt Schacht im Gegensatz zu der Politik Hitlers. Die sowjet-feindliche Politik Hitlers findet jederzeit eine ausgesprochen sowjet-freundliche Politik in der Person des Wirtschaftsministers. Und wenn ich nachweisen will, daß Schacht ein Vorkämpfer einer Verständigungspolitik gewesen ist, auch in Phasen, wo Hitler, sagen wir, einen friedlichen Kampf in die Beziehungen zweier Völker trug, wie den publizistischen Kampf gegen die Sowjetunion, so ist das meines Erachtens für die grundsätzliche Einstellung Schachts, für Krieg auf der einen Seite und Verständigung auf der anderen Seite, von allergrößter Erheblichkeit.

VORSITZENDER: Der Angeklagte hat die Behauptung aufgestellt; es ist Sache der Anklagevertretung, sie im Kreuzverhör zu bestreiten, und wenn sie das tut, dann erst können Einzelheiten in Ihrem Rückverhör notwendig sein.

DR. DIX: Ich glaube, die Frage ist ja beantwortet.

Ich gehe jetzt zu einem ganz anderen Gebiet über. Ich lege nur, weil sie typisch ist für Schachts Verständigungswillen und seine grundlegende gegensätzliche Einstellung zur Politik Hitlers Wert darauf, was meinem Exhibit Schacht 34, – das ist eine eidesstattliche Versicherung des Bankiers und schwedischen Generalkonsuls in München, Schniewind, – es ist Exhibit 34, englische Textseite 114, deutscher Text Seite 112, folgenden kurzen Absatz vorzulesen, der das bestätigt, was Dr. Schacht ausführte; Schniewind, der hoher Beamter des Reichswirtschaftsministeriums war, sagt hier:

»In meiner Abteilung wurden auch die Reichsgarantien für die Lieferungen nach Rußland bearbeitet, und daher weiß ich, daß Herr Dr. Schacht die Bekämpfung Rußlands durch Hitler für falsch hielt. In langwierigen Bemühungen setzte er bei Hitler durch, daß es zu ausgedehnten Lieferungen, insbesondere aus der Maschinen- Industrie, nach Rußland kam. Oft stand ich unter dem Eindruck, daß Herr Schacht diese Lieferungen auch deshalb begünstigte, weil sie zwar der Arbeitsbeschaffung dienten, aber einer Aufrüstung nicht förderlich waren. Herr Schacht hat in der Öffentlichkeit mehrfach befriedigt darauf hingewiesen, daß nichts so prompt und anstandslos laufe, wie der Warenverkehr nach Rußland.«

Wir sind jetzt einige Minuten vor unserer üblichen Pausenzeit, und bevor das Gericht in eine Pause eintritt, bitte ich, mir zu erlauben, nur ganz kurz etwas zu dem zu erwidern, was Euer Lordschaft mir vorhin sagten. Der Angeklagte muß bis zu einem gewissen Grade einen recht schwierigen Entlastungsbeweis führen. Die Anklage hat sehr einfach dahin argumentiert: Du hast bei der Aufrüstung finanzierend mitgeholfen; diese Aufrüstung hat jetzt endlich in einem Krieg geendet, und zwar in einem Offensivkrieg; deshalb bist du entweder ein Mitglied der conspiracy oder ein Mitschuldiger, und das ist ein Kriegsverbrechen.

Einer derartigen Argumentation gegenüber muß es meines Erachtens dem Angeklagten freistehen, erstens darauf hinzuweisen – das kommt später –, daß eine Aufrüstung als solche durchaus noch keinen Angriffskriegswillen bedeutet, zweitens aber darauf, des weiteren zu beweisen, daß er Handlungen getan hat, die gerade auf das Gegenteil, nämlich auf seinen Verständigungs- und Friedenswillen, hinweisen. Ich bitte deshalb aus diesen grundsätzlichen Erwägungen das Gericht doch sehr, mir diesen Entlastungsbeweis nicht abzuschneiden, sondern ihn in allen Einzelheiten zitieren zu lassen. Deshalb auch mein Wunsch, diese Politik der Union der Sowjet-Republiken gegenüber, wo er sich in direkten Gegensatz zu Hitler stellte, im einzelnen darzutun. Deshalb mein Wunsch, zu zeigen, wie er auf allen Gebieten, bei Notenbankpräsidenten, Anleiheleuten, immer auf Verständigung hingearbeitet hat, das heißt, auf gegenseitiges Nachgeben und nicht auf einseitiges Terrorisieren und Brouillieren.

Meine Herren Richter! Es ist doch vornehmlich ein psychologischer Beweis, den ich führen muß, und das ist ein sehr zartes und schwieriges Gebilde, und ich wiederhole meine Bitte, mir dies nicht zu erschweren. Ich werde mich dann bei der Zeugenvernehmung wahrscheinlich revanchieren, indem ich wahrscheinlich auf alle Zeugen bis auf einen verzichten werde. Aber hier bitte ich, das von mir erbetene Verständnis zu zeigen.

Wenn es Euer Lordschaft für richtig finden, wäre es jetzt an der Zeit, eine Pause zu machen; ich komme jetzt zu einem neuen Thema.

VORSITZENDER: Ja, sicherlich, Dr. Dix. Ich bin der Ansicht, daß der Gerichtshof Ihnen jegliches Entgegenkommen gezeigt hat. Er wird jetzt eine Pause einschalten.