[Zum Zeugen gewandt:]
Also bitte machen Sie keine grundsätzlichen Ausführungen zur Judenfrage, das nicht, sondern geben Sie dem Gericht nur an einigen wenigen Beispielen an, wie Sie sich in der Judenfrage verhalten haben.
SCHACHT: Die Judenfrage kam gleich zu Anfang auf, als mir im Jahre 1933 der inzwischen verstorbene Neuyorker Bankier James Meier seinen Besuch ankündigte. Ich bin damals zu Hitler gegangen und habe ihm gesagt: Herr James Meier, einer der angesehensten Neuyorker Bankiers und ein großer Wohltäter für seine alte deutsche Heimat, kommt mich besuchen, und ich habe die Absicht, ihm zu seinen Ehren ein Essen zu geben. Ich nehme an, daß Sie nichts dagegen haben. Darauf hatte er mir sofort erwidert in einer sehr entschiedenen und bemerkenswerten Weise: Herr Schacht, Sie können alles machen. Ich entnahm daraus, daß er mir völlige Freiheit gab, mit meinen jüdischen Bekannten nach wie vor zu verkehren, was ich auch getan habe. Das Essen ist dann auch erfolgt.
Ich erwähne das nur, weil es das erstemal war, wo die Judenfrage zwischen uns berührt wurde. Wie sehr ich in jedem Augenblick in der Judenfrage Stellung genommen habe, und zwar, wenn es anging, irgendwie öffentlich – ich habe immer die Möglichkeit gesucht –, dafür vielleicht nur zwei Beispiele:
In Arnswalde, in der Provinz Brandenburg, besaß die Reichsbank eine Filiale. Der Vorstand dieser Filiale wurde eines Tages mit Namen in einem »Stürmer«-Kasten im Orte öffentlich ausgehängt mit der Bezeichnung, er sei ein Volksverräter, weil seine Frau, ich glaube für 50 Pfennig Band oder dergleichen in einem jüdischen Laden gekauft hatte. Ich habe mich sofort an die zuständige Stelle in Arnswalde gewandt und habe die sofortige Rücknahme dieses Anschlages verlangt und eine sofortige Berichtigung, daß dieser Mann kein Volksverräter sei. Das wurde mir abgelehnt. Ich habe daraufhin, ohne irgend jemanden zu fragen, kurzerhand die Reichsbankstelle in Arnswalde geschlossen.
Das hat eine Reihe von Wochen gedauert, bis endlich der Oberpräsident, der natürlich auch ein Nazi- Bonze war, zu mir kam und mich bat, ich möchte doch die Stelle wieder aufmachen. Ich habe ihm gesagt: Soweit Sie öffentlich diese Sache widerrufen, werde ich die Reichsbank in Arnswalde wieder aufmachen. Es dauerte nur wenige Tage, dann hat der Oberpräsident und Gauleiter von Brandenburg, Kube, diese Veröffentlichung in der Arnswalder Zeitung im Fettdruck vorgenommen, und ich habe die Stelle in Arnswalde wieder eröffnet. Das ist ein Beispiel.
Das zweite Beispiel ist hier schon kurz erwähnt worden. Ich will es hier nur noch einmal resümieren, weil es sehr eindringlich gewirkt hat.
Nach dem Pogrom vom 9. November 1938 habe ich bei der Weihnachtsfeier der Büroburschen der Reichsbank auf diese Dinge Bezug genommen. Ich habe den Jungens gesagt in Gegenwart von vielen Anwesenden, Eltern und Parteiführern, Parteimitgliedern, ich hoffte, sie seien bei diesen Dingen, die jedem anständigen Deutschen die Schamröte in das Gesicht treiben müßten, nicht dabeigewesen. Wenn aber doch, dann möchten sie sich schleunigst aus der Reichsbank entfernen; denn in einem Institut wie der Reichsbank, das auf Treu und Glauben aufgebaut sei, könne man keine Leute brauchen, die das Eigentum und das Leben anderer mißachten.
DR. DIX: Darf ich Sie mal einen Moment unterbrechen, Dr. Schacht, und das Gericht darauf aufmerksam machen, daß in dem bereits überreichten Exhibit Schacht 34, nämlich in einer eidesstattlichen Erklärung des Herrn Dr. Schniewind, auf Seite 118 des deutschen Textes und auf Seite 126 des englischen Textes, – dieses gleiche Vorkommnis, das Dr. Schacht eben erzählt hat, zum Gegenstand dieser Versicherung gemacht ist. Ganz kurz. Es heißt dort:
»Es ist bekannt, daß er« – nämlich Schacht – »auf der Weihnachtsfeier der Reichsbank im Dezember 1938 in seiner Ansprache den jungen Büroburschen folgendes gesagt hatte: Vor wenigen Wochen... haben sich in unserem Vaterlande Dinge ereignet, die eine Kulturschande sind und jedem anständigen Deutschen die Schamröte ins Gesicht treiben müssen. Ich hoffe nur, daß keiner von Euch Büroburschen dabeigewesen ist, denn für einen solchen wäre kein Platz in der Reichsbank.«