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[Das Gericht vertagt sich bis

1. Mai 1946, 10.00 Uhr.]

Einhundertachtzehnter Tag.

Mittwoch, 1. Mai 1946.

Vormittagssitzung.

VORSITZENDER: Bevor wir mit dem Fall des Angeklagten Schacht fortfahren, wird der Gerichtshof die Entscheidung auf die Anträge des Dr. Sauter im Namen des Angeklagten von Schirach bekanntgeben.

Der erste Antrag, gegen den ein Einspruch erhoben wurde, bezog sich auf die Gruppe von Dokumenten, Nummer 30, 31, 45, 68, 73, 101, 124 und 133. Der Antrag auf diese Gruppe von Dokumenten ist abgelehnt.

Das nächste war ein Antrag auf Nummer 118 a. Diesem Antrag wurde stattgegeben, und das Dokument ist zu übersetzen.

Der nächste Antrag betraf Nummer 121, und in diesem Falle wurde der Antrag abgelehnt.

Bezüglich der Zeugen hat Dr. Sauter seinen Antrag auf den Zeugen Marsalek zurückgezogen. Im Zusammenhang mit den anderen Anträgen hat der Gerichtshof der Vorladung des Zeugen Uiberreither stattgegeben.

Das ist alles.

DR. DIX: Ich habe gestern zu meinem Bedauern unterlassen, nach der Antwort Dr. Schachts auf meine Frage, ob er sich durch Hitler nur enttäuscht oder getäuscht gefühlt habe, eine Urkundenstelle zu verlesen, die sich zu dem gleichen Punkt verhält. Es ist dies das schon mehrfach zitierte und überreichte Dokumentenstück, Exhibit Nummer 34, Seite 114 des englischen Textes des Dokumentenbuches, und zwar findet sich diese Stelle auf Seite 124 des englischen Dokumentenbuches; sie lautet, ich zitiere:

»Herr Dr. Schacht war schon in den Jahren 1935/36, wie aus zahllosen Äußerungen hervorging, in die Rolle desjenigen Mannes geraten, der Hitler gutgläubig seine Kraft und sein Können zur Verfügung gestellt hatte, sich aber von Hitler betrogen fühlte. Von den vielen Äußerungen Schachts zitierte ich nur eine, die Schacht gelegentlich eines Abendessens bei meiner Frau und mir im Sommer 1938 getan hat. Als Herr Dr. Schacht erschien, war deutlich erkennbar, daß in ihm etwas brodelte, und beim Abendessen platzte es plötzlich aus ihm heraus, indem er aus einer tiefen Erregung meine Frau geradezu anschrie: ›Gnädige Frau, wir sind Verbrechern in die Hände gefallen, wie hätte ich das ahnen können.‹«

Es ist die eidesstattliche Versicherung Schniewinds.

Ich habe dann gestern drei Urkunden erwähnt, nämlich einen Vortrag Schachts über »Geographie und Statistik« in Frankfurt am Main, am 9. Dezember 1936; ferner einen Aufsatz Schachts über das Kolonialproblem und die Königsberger Rede Schachts. Ich überreiche jetzt diese Dokumente, und zwar den Vortrag über »Geographie und Statistik« in Frankfurt, Dokumentenbuch deutsche Ausgabe Exhibit 19, Seite 48, englische, Seite 54; der Aufsatz über das Kolonialproblem ist Exhibit 21, deutsche Ausgabe Seite 53, englische Ausgabe Seite 59; und die Königsberger Rede Exhibit Nummer 25 meines Dokumentenbuches, Seite 66 deutsche Ausgabe, englische Ausgabe Seite 73.

[Zum Zeugen gewandt:]

Nun, Herr Dr. Schacht, wir hielten in der Mitte des Jahres 1934, also kurz vorher, bevor Sie Wirtschaftsminister wurden; und als Sie nun Wirtschaftsminister wurden, waren Ihnen ja die Vorgänge des 30. Juni 1934 und deren Legalisierung durch das Kabinett bekannt. Hatten Sie nunmehr keine Bedenken, in dieses Kabinett einzutreten, oder welche Erwägungen veranlaßten Sie, diese Bedenken zurückzustellen?

SCHACHT: Wenn es sich um meine persönliche Ruhe und Bequemlichkeit gehandelt hätte, so wäre es natürlich sehr einfach gewesen, das Amt nicht anzunehmen und zu resignieren. Ich fragte mich selbstverständlich, was damit für die weitere Entwicklung der deutschen Politik gewonnen wäre. Wir befanden uns bereits in einem Stadium, in dem jede öffentliche und offene Opposition und Kritik gegenüber der Hitler- Regierung unmöglich gemacht war. Es konnten sich keine Versammlungen bilden, keine Vereinigungen; jede Presseäußerung war unter Kritik und Zensur gestellt, und irgendeine Möglichkeit der politischen Opposition, ohne die keine Regierung leben kann, war von Hitler mit seiner Terrorpolitik unterbunden worden.

Es gab nur eine einzige Stellung, von der aus man versuchen konnte, Kritik zu üben und eventuell Opposition zu machen und schlimme Maßnahmen, fehlerhafte Maßnahmen der Regierung zu verhüten; und diese Opposition war einzig und allein in der Regierung selbst. Mit diesem Bewußtsein bin ich in die Regierung hineingegangen, und ich habe gehofft, daß ich im Laufe der Jahre doch innerhalb des deutschen Volkes eine gewisse Unterstützung, einen gewissen Rückhalt finden würde. Noch gab es ja eine große Masse von geistig Führenden, Professoren, Lehrern und Wissenschaftlern, von denen ich nicht erwarten konnte, daß sie sich einfach in diese Zwangswirtschaft fügen würden. Noch gab es eine große Masse von industriellen Unternehmern, Wirtschaftsführern, von denen ich nicht annehmen konnte, daß sie die Führung ihrer Geschäfte einem wirtschaftsfeindlichen Zwang unterordnen würden. Ich hatte gehofft, aus all diesen Kreisen heraus eine gewisse Unterstützung zu finden die es mir ermöglichen würde, innerhalb der Regierung eine bremsende und regulierende Wirkung zu erzielen. Ich bin also in da Kabinett Hitlers hineingegangen, nicht mit begeisterter Zustimmung sondern aus der Notwendigkeit heraus, daß für das deutsche Volk weitergearbeitet werden müsse und daß eine Bremse und ein Berichtigung falscher Maßnahmen nur angesetzt werden konnte innerhalb der Regierung.

DR. DIX: Gab es denn nun im Laufe der Zeit gar keine oppositionelle Entwicklung innerhalb der Partei?

SCHACHT: Ich darf dazu sagen, daß auch innerhalb der Partei selbstverständlich die anständigen Elemente zahlenmäßig bei weitem überwogen. Der große Teil der Bevölkerung hatte sich der Partei angeschlossen aus gutem Instinkt, aus gutem Willen heraus, getrieben von der Not, in die das deutsche Volk geraten war. Ich möchte auch gerade für die SS zum Beispiel sagen, daß im Anfang der SS sich eine Masse anständige Leute gerade in die SS hineinbegaben, weil der Himmler dieser SS den Anschein gab, für eine ideale Lebensführung zu kämpfen. Ich erinnere an ein Buch, das damals erschien mit dem bezeichnenden Titel, von einem SS-Mann geschrieben: »Schafft anständige Kerle«.

Im Laufe der Zeit aber hat es Hitler verstanden, innerhalb der Partei und ihrer Organisation alle schlechten Elemente um sich zu sammeln, er hat es verstanden, sie alle an sich zu ketten, und zwar, ich möchte sagen, bewußt dadurch, daß er irgendwelchen Fehler oder Fehltritt oder Vergehen, oder was sie sich hatten zuschulden kommen lassen, sich zunutze machte, um diese Leute unlösbar an sich zu fesseln.

Ich habe gestern von der Trunksucht als einem Bestandteil der Nazi-Ideologie gesprochen; ich habe das nicht getan, um irgend jemanden persönlich herabzusetzen, sondern aus einem anderen, ganz bestimmten Grunde.

Im Laufe der weiteren Entwicklung habe ich bemerkt, daß gerade einer großen Zahl von Parteigenossen, die in dieses Netz von Hitler hineingeraten waren und sich in mehr oder minder führenden Stellungen befanden, langsam angst und bange wurde vor den Folgen des Unrechts und der frevelhaften Taten, zu denen sie durch das System angestachelt wurden. Ich habe das bestimmte Gefühl gehabt, daß diese Leute sich durch Verfall in die verschiedensten Betäubungslaster zu retten suchten vor ihrem Gewissen und daß es nur die Flucht vor ihrem Gewissen gewesen ist, die sie so hat handeln lassen; sonst wäre ja auch gar nicht die große Zahl von Selbstmorden zu erklären, die am Ende des Systems stattgefunden hat.

DR. DIX: Es ist Ihnen bekannt, daß Ihnen vorgeworfen wird, Teilnehmer einer Verschwörung mit dem Ziele rechtswidrigen Friedensbruches gewesen zu sein. Haben Sie jemals irgendwelche geheime Abreden oder geheime Befehle, oder geheime Richtlinien zur Kenntnis bekommen, welche auf einen solchen Zweck hinausliefen?

SCHACHT: Für meine Person darf ich sagen, daß ich niemals irgendeinen Befehl oder irgendeinen Wunsch zur Ausführung entgegengenommen habe, der etwas Unrechtes enthalten hätte. Hitler hat mir niemals irgendein Ansinnen gestellt, von dem er sicherlich von vorneherein wußte, daß ich es nicht erfüllen würde, weil es mit meinen moralischen Grundanschauungen nicht übereinstimmte. Aber ich habe auch niemals irgendeine Bemerkung gemacht oder eine Beobachtung, daß einer meiner Ministerkollegen oder einer der sonst führenden Männer, die nicht zum engeren Kreis von Hitler gehörten – diese habe ich natürlich nicht kontrollieren können –, daß aber meine Ministerkollegen und wen ich sonst im Verkehr getroffen habe, niemals irgend etwas haben erkennen lassen, das auf eine kriegsverbrecherische Absicht abgestellt war; im Gegenteil, wir waren alle immer hocherfreut, wenn Hitler wieder einmal eine seiner großen Reden losließ, in der er nicht nur der Welt, sondern vor allem dem deutschen Volke versicherte, daß er nichts anderes als einen Frieden und friedliche Arbeit im Sinne habe. Daß Hitler auch hierin die Welt und das deutsche Volk und viele seiner Mitarbeiter getäuscht hat, gehört zu den Dingen, die ich gestern bereits erwähnt habe.

DR. DIX: Haben Sie jemals – natürlich außer Ihrem normalen Beamteneid – irgendeinen Schwur oder irgendeine andere Verpflichtung auf die Partei oder eine sonstige nationalsozialistische Organisation geleistet?

SCHACHT: Nicht einen einzigen Eid und nicht eine einzige Verpflichtung, außer meinem Beamteneid auf das Staatsoberhaupt.

DR. DIX: Waren Sie mit führenden Nationalsozialisten privat intim, zum Beispiel mit Hitler oder Göring?

SCHACHT: Unter intim, nehme ich an, meinen Sie irgendeinen privaten freundschaftlichen oder gesellschaftlichen Verkehr?

DR. DIX: Jawohl.

SCHACHT: Ich habe mit Hitler einen solchen Verkehr niemals gehabt. Er hat mich wiederholt in den ersten Jahren auf das dringendste gebeten, ich möchte doch mittags an seinen Mittagstisch in der Reichskanzlei kommen, wo er mit seinen engeren Freunden zu Mittag aß. Ich habe dies zweimal versucht, bin zweimal dagewesen in gewissen Abständen, und ich muß sagen, daß mich nicht nur das Niveau der Unterhaltung an diesem Tisch und der geradezu hündische Byzantinismus gegen die Person Hitlers abgestoßen hat, sondern auch, daß mir die ganze Gesellschaft nicht benagte und bin nie wieder hingegangen. Privatim bei Hitler bin ich nie gewesen. Ich habe selbstverständlich die großen Einladungen, zu denen alle Minister, das Diplomatische Korps und so weiter, die höheren Beamten, erschienen, mitgemacht, aber irgendwelchen intimen, freundschaftlichen oder sonst privaten Verkehr habe ich mit ihm nicht gehabt. Dasselbe trifft auf die anderen Herren zu. Es ist selbstverständlich, daß man sich in den ersten Monaten der Bekanntschaft gelegentlich besucht hat, aber alle sogenannten gesellschaftlichen Zusammenkünfte, die damals in der ersten Zeit noch stattfanden, trugen alle einen mehr oder minder offiziellen Charakter. Von einem privaten und intimen Verkehr kann nie die Rede sein.

DR. DIX: Und diese Antwort kann auch auf sämtliche anderen führenden Nationalsozialisten angewendet werden?

SCHACHT: Auf sämtliche.

DR. DIX: Nun, wann sprachen Sie zum Beispiel zum letztenmal mit folgenden Personen, zunächst mal Bormann?

SCHACHT: Ich entnehme aus dem Wort »zunächst«, daß Sie auch andere noch erwähnen wollen.

DR. DIX: Ja, Himmler, Heß, Ley und Ribbentrop.

SCHACHT: Ich möchte infolgedessen eines hier vorausschicken: Als Hitler von Paris nach beendigtem französischen Feldzug siegreich als Triumphator zurückgekehrt ist, erhielten wir alle, die Minister und die Reichsleiter und die sonstigen Parteigenossen, wie ich annehme, und Staatssekretäre etcetera von der Reichskanzlei die Aufforderung, uns bei dem Empfang Hitlers auf dem Anhalter Bahnhof einzufinden, um ihn dort zu begrüßen. Da ich zu dieser Zeit in Berlin war, konnte ich mich unmöglich dieser Aufforderung entziehen, es war im Jahre 1940, und der Konflikt zwischen Hitler und mir bestand ja schon lange; es wäre geradezu ein Affront gewesen, wenn ich zu Hause geblieben wäre. Infolgedessen bin ich dorthin gegangen und habe eine Unmenge von Parteiführern und Ministern und sonstigen Leuten da gesehen, die ich natürlich nicht alle mehr im Gedächtnis habe.

DR. DIX: Entschuldigen Sie mal, wenn ich Sie unterbreche. Ich habe an sich ein schlechtes Gedächtnis für Filme, insbesondere Wochenschauen, aber ich glaube mich zu erinnern, daß dieser Empfang im Film gezeigt worden ist in der Wochenschau und daß Sie dort ungefähr der einzige Zivilist waren, der damals unter der Menge war.

SCHACHT: Ich habe diesen Film nicht gesehen, aber meine Freunde haben mir davon erzählt, gerade mit Rücksicht auf den Umstand, daß ich unter all den lamettastrotzenden Uniformen als einziger Zivilist im Straßenjackett dort auch bereitstand. Es könnte aber aus diesem Film ja festgestellt werden, wer anwesend gewesen ist. Ich habe meinerseits diesen Empfang deswegen erwähnt, weil es möglich gewesen ist, daß ich dort vielen Leuten »Guten Morgen« gesagt habe, und »wie geht's?« und so weiter. Ich erinnere mich auch, daß ich mit dem Mitangeklagten Rosenberg im Auto gemeinsam hingefahren bin, weil immer zwei zu zwei im Auto saßen. Ich habe an dem anschließenden Empfang in der Reichskanzlei nicht teilgenommen. Rosenberg ging hinein, ich habe gesagt: »Mir paßt das nicht, ich fahre nach Hause.«

DR. DIX: Also darf ich annehmen, daß Sie die führenden Herren wie Heß, Ley, Ribbentrop, Rosenberg, Frick, Frank, Schirach, Speer, Sauckel und so fort, Seyß-Inquart, Kaltenbrunner damals wahrscheinlich das letztemal gesehen haben?

SCHACHT: Es ist möglich, daß sie alle dagewesen sind; ich habe mit keinem von ihnen, außer mit Hitler selbst, eine nähere Unterhaltung gehabt.

DR. DIX: Haben Sie mit Hitler damals gesprochen?

SCHACHT: Hitler hat mich angesprochen – eine der merkwürdigsten Szenen meines Lebens –. Wir standen alle aufgereiht, und Hitler ging ziemlich rasch an den verschiedenen Leuten vorbei, und als er mich sah, kam er mit triumphierendem Lächeln auf mich zu, streckte mir die Hand entgegen in einer freundlichen Weise, wie ich sie lange nicht erfahren hatte und sagte zu mir: »Nun, Herr Schacht, was sagen Sie nun?« und erwartete natürlich, daß ich ihm, sei es Glückwunsch oder sei es Bewunderung oder irgend etwas mitteilen würde und gewissermaßen zugeben würde, daß ich selbst mit meiner »Prognose« über den Krieg und über das Kriegsunglück, was er ja ganz genau wußte – er kannte meine Einstellung zum Krieg ganz genau –, daß ich zugeben würde, daß ich unrecht gehabt hätte. Es war für mich außerordentlich schwer, einer solchen Antwort zu entgehen, und ich suchte nach einem Ausdruck, um das nicht auszudrücken und erwiderte nur: »Ich kann Ihnen nur sagen, Gott schütze Sie.« Das ist die einzige bemerkenswerte Unterhaltung, die ich an diesem Tage gehabt habe. Ich glaube, ich konnte mich nicht besser von ihm distanzieren als durch eine solche völlig belanglose und neutrale Bemerkung.

DR. DIX: Nun aber...

SCHACHT: Jetzt können wir aber vielleicht zu den einzelnen Herren kommen, dann will ich Ihnen immer mit dieser Ausnahme sagen, wann ich die Herren zuletzt gesprochen habe.

DR. DIX: Himmler?

SCHACHT: Himmler, taxiere ich, daß ich vielleicht mit ihm zuletzt gesprochen habe im Jahre 1936.

DR. DIX: Heß?

SCHACHT: Heß, wobei ich immer jetzt das Gefängnis natürlich ausnehme, ja, also Jahre vor Kriegsbeginn habe ich Heß nicht mehr gesprochen.

DR. DIX: Ley?

SCHACHT: Ley seit Kriegsbeginn auch nicht mehr gesehen.

DR. DIX: Ribbentrop?

SCHACHT: Ribbentrop habe ich zuletzt gesehen nach meinem Herauswurf aus der Reichsbank, weil ich mit ihm über die bevorstehende Indienreise sprechen mußte. Das ist also gewesen im, ich taxiere, Februar 1939, seitdem habe ich ihn nicht wieder gesprochen.

DR. DIX: Rosenberg?

SCHACHT: Rosenberg vielleicht, also abgesehen immer von diesem Empfang Hitlers, nicht seit 1936.

DR. DIX: Frick?

SCHACHT: Frick habe ich vielleicht zuletzt gesehen im Jahre 1938.

DR. DIX: Schirach?

SCHACHT: Schirach habe ich überhaupt gar nicht gekannt.

DR. DIX: Speer?

SCHACHT: Speer habe ich zuletzt gesprochen – das kann ich sogar ganz genau sagen – als ich zur Weltausstellung nach Paris fuhr, also im Jahre 1937.

DR. DIX: Sie meinen natürlich immer vor dieser Gefangennahme hier?

SCHACHT: Ja, selbstverständlich. Hier habe ich die Herren natürlich alle...

DR. DIX: Sauckel?

SCHACHT: Ja, also auch seit Kriegsbeginn nicht mehr.

DR. DIX: Seyß-Inquart?

SCHACHT: Seyß-Inquart, taxiere ich, daß ich ihn im Jahre 1936 zuletzt gesprochen habe, wo ich in Österreich Besuch machte bei meinem Kollegen von der Nationalbank.

DR. DIX: Kaltenbrunner?

SCHACHT: Kaltenbrunner habe ich hier im Gefängnis zum erstenmal in meinem Leben gesehen.

DR. DIX: Nun, auf Hitler werden wir noch zu sprechen kommen. Frank fehlt noch?

SCHACHT: Frank habe ich vielleicht auch im Jahre 1937/1938 zuletzt gesehen.

DR. DIX: Wahrscheinlich bei der Rede, die Sie gestern erwähnt haben?

SCHACHT: Ja, ich habe ihn möglicherweise nachher noch bei einem offiziellen Empfang mal gesprochen, aber ich glaube, nach 1938 nicht mehr.

DR. DIX: Nun, wie stand es denn nun mit den führenden Herren der Wehrmacht, also Keitel?

SCHACHT: Mit Keitel habe ich keinerlei Kontakt gehabt. Ich habe ihn vielleicht mal auf irgendeiner Gesellschaft getroffen, jedenfalls nach 1938 auch nicht mehr.

DR. DIX: Jodl?

SCHACHT: Herrn Jodl habe ich hier im Gefängnis kennengelernt.

DR. DIX: Dönitz?

SCHACHT: Herrn Dönitz habe ich hier im Gefängnis kennengelernt.

DR. DIX: Raeder?

SCHACHT: Mit Herrn Raeder – den kannte ich, glaube ich, schon vorher, nicht wahr – haben wir im Anfang noch gelegentliche Besuche in der Familie ausgetauscht, die auch halb offiziellen Charakter trugen, aber durchaus freundschaftlich waren; aber ich glaube auch, daß ich ihn seit 1938 nicht mehr gesehen und gesprochen habe.

DR. DIX: Brauchitsch?

SCHACHT: Brauchitsch habe ich seit 1939 nicht mehr gesprochen oder seit 1938, seit der Fritsch-Affäre.

DR. DIX: Und Halder?

SCHACHT: Halder habe ich, wie Sie wissen, auch anläßlich des Herbstputsches 1938 gesehen und nachher nicht mehr.

DR. DIX: Wie oft haben Sie Hitler seit Ihrer Entlassung als Reichsbankpräsident gesehen?

SCHACHT: Also nach der Entlassung als Reichsbankpräsident?

DR. DIX: Seit Januar 1939.

SCHACHT: Januar 1939 habe ich ihn noch einmal gesehen, weil ich über meine weitere Tätigkeit und so weiter mit ihm sprechen mußte. Bei dieser Gelegenheit hat er mich gebeten – ich hätte ja früher schon immer den Wunsch gehabt, mal eine größere Reise zu machen –, ich möge doch jetzt diese größere Reise antreten, damit nicht soviel geredet würde über meinen Austritt aus der Reichsbank. Wir verabredeten dann die Indienreise. Bei der Gelegenheit habe ich dann auch Göring zum letztenmal gesehen und dann kam – nach der Rückkehr im August hatte ich ihn nicht mehr gesehen – dann kam der Krieg, und jetzt habe ich ihn während des Krieges zweimal gesehen. Soll ich es erzählen?

Das eine Mal im Februar 1940, ich habe damals von verschiedenen amerikanischen Magazinen und Zeitschriften den Auftrag bekommen, noch einmal mich über die deutsche Auffassung der Lage und über die Wünsche und über die ganze deutsche Situation schriftlich zu äußern. Ich habe an sich die Bereitschaft dazu in mir gefühlt, konnte das aber, weil wir im Kriege waren, natürlich nicht tun, ohne dem Außenminister davon Mitteilung zu machen. Der Außenminister ließ mir sagen, er hätte nichts dagegen, wenn ich einen Aufsatz für eine amerikanische Zeitschrift schriebe, ich möge ihm aber vor Absendung diesen Aufsatz zur Zensur einschicken. Daran habe ich natürlich gar kein Interesse gehabt und gar nicht daran gedacht, und ich habe infolgedessen den Aufsatz nicht geschrieben.

Es kamen dann aber weitere Anfragen von Amerika, und da habe ich mir gesagt, es genügt mir nicht, daß ich mit dem Außenminister spreche; ich muß das mal dem Hitler sagen und habe zu diesem Zweck Hitler aufgesucht, der mich auch auf meine Anfrage sehr bald empfing. Ich habe ihm erstens erzählt, was ich mit Herrn von Ribbentrop erlebt habe und dann gesagt, daß ich zwar solche Artikel für ganz nützlich fände, daß es mir aber wesentlich erschiene, daß man dauernd jemanden drüben in Amerika hätte, der in dem aufklärenden Sinne über die deutschen Interessen in der Öffentlichkeit, also in der Presse und so weiter wirken könne.

Hitler war von diesem Gedanken durchaus beeindruckt und sagte mir: »Ich werde mit dem Außenminister darüber sprechen.« Infolgedessen ist aus dieser Sache nichts geworden.

Ich habe mich später noch einmal durch Vermittlung des Mitangeklagten Funk, der wohl mit Ribbentrop damals eine Unterhaltung irgendwie in diesem Sinne hatte, auch in Verbindung gesetzt und durch Funk versucht, eine Antwort wenigstens vor Ribbentrop zu bekommen. Diese Antwort lautete dahin, an Funk gegeben: Für eine solche Maßnahme sei es noch zu früh. Das war der Besuch 1940. Ich habe dann Hitler im Februar 1941 noch einmal aufgesucht und...

DR. DIX: Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, damit hier kein Mißverständnis entsteht: Wenn nun Hitler Ihnen die Erlaubnis gegeben hätte und Sie wären nach Amerika gekommen in welchem Sinne hätten Sie das getan? Sagen Sie es nur ganz kurz. Ich möchte kein Mißverständnis.

SCHACHT: Zunächst hatte ich nicht etwa mich in Vorschlag gebracht, sondern ich hatte den Vorschlag ganz im allgemeinen gemacht; aber selbstverständlich wäre ich sehr gerne hinüber gegangen, weil ich damit gleichzeitig eine Möglichkeit...

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hält es nicht für wesentlich zu wissen, was er getan hätte, wenn sich etwas ereignet hätte, was sich nicht ereignet hat.

DR. DIX: Ich wollte ja nur ein Mißverständnis ausschließen. Ich sagte, daß Mißverständnisse... Also lassen wir das.