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[Zum Zeugen gewandt:]

Kommen Sie nun zu Ihrem zweiten Besuch.

SCHACHT: Ich bin dann im Jahre 1941 im Februar noch einmal zu Hitler gegangen in einer privaten Angelegenheit. Ich hatte leider im Jahre vorher meine Frau durch den Tod verloren und beabsichtigte wieder zu heiraten und mußte als Minister ohne Portefeuille, der ich immer noch war, selbstverständlich dem Reichskanzler und Staatsoberhaupt davon Mitteilung machen und habe ihn deswegen aufgesucht. Eine politische Unterhaltung hat sich bei dieser Gelegenheit gar nicht ergeben. Als ich zur Türe hinausging, fragte er mich: »Sie hatten mal die Absicht oder Sie hatten mir mal geraten, daß jemand nach Amerika gehen sollte. Dafür ist es wohl jetzt zu spät.« Worauf ich ihm sofort erwidert habe: »Selbstverständlich, dafür ist es jetzt zu spät.« – Das war die einzige politische Bemerkung, das andere bezog sich lediglich auf meine Heirat. Seitdem habe ich Hitler nicht mehr gesehen.

DR. DIX: Und wie steht es mit Göring?

SCHACHT: Göring habe ich auch seit 1939 nicht mehr gesehen.

DR. DIX: Ich komme nun zu einem Punkt, der wiederholt von der Anklage vorgebracht worden ist, nämlich die propagandistische Wirkung Ihrer repräsentativen Teilnahme an Parteitagen. Ich darf Sie erinnern an das, was Justice Jackson schon in seinem Opening Statement ausgeführt hat. Ich übersetze aus dem Englischen, weil ich keinen deutschen Text habe:

»Glaubt jemand, daß Hjalmar Schacht, sitzend in der ersten Reihe des Nazi-Parteitages von 1935 mit dem Abzeichen der Partei, eingeschlossen war in diesen Nazi-Propagandafilm nur zum Zwecke künstlerischer Wirkung? Indem dieser große Denker nur seinen Namen diesem fadenscheinigen Unternehmen verlieh, gab er ihm eine Respektabilität in den Augen jedes zögernden Deutschen.«

Wollen Sie sich bitte dazu äußern?

SCHACHT: Zunächst ein paar kleine Richtigstellungen. Im Jahre 1935 besaß ich gar kein Parteiabzeichen. Zweitens: zögernde Deutsche waren im Jahre 1935 nicht mehr von Bedeutung, denn die Herrschaft Hitlers war im Jahre 1935 völlig etabliert. Es konnte nur noch abfallende Deutsche, das heißt von Hitler abfallende Deutsche, geben, aber keine mehr, die zu ihm kamen. Im übrigen muß ich es wohl als ein Kompliment auffassen, daß ich hier als repräsentative Größe und als Denker und so weiter hingestellt werde; ich glaube aber, daß ich die Gründe, warum ich im Hitler-Kabinett gearbeitet habe, hier genügend auseinandergesetzt habe, so daß ich darauf nicht mehr einzugehen brauche.

Daß ich insbesondere in den ersten Jahren von den Parteitagen nicht gut wegbleiben konnte, ist, glaube ich, erklärlich, denn sie waren der Mittelpunkt, der ostentative und repräsentative Mittelpunkt Hitlers nach außenhin, und es haben an ihm ja nicht nur seine Minister teilgenommen, sondern unzählige sonstige repräsentative Gäste.

Darf ich eben einen Satz sagen?

Von den späteren Parteitagen habe ich mich schon ferngehalten, beispielsweise von dem Parteitag, den der Hauptanklagevertreter erwähnt hat; 1935, den habe ich gar nicht mitgemacht. Das war nämlich der Parteitag – deshalb weiß ich es zufällig –, an dem die Nürnberger Judengesetze beschlossen wurden, und da war ich gar nicht in Nürnberg. Ich habe den Parteitag 1933 mitgemacht 1934 mitgemacht, und ich weiß nicht genau, ob ich 1936 oder 1937 mitgemacht habe; ich glaube, ich habe 1936 noch mitgemacht; bei der späteren Parteitagen habe ich schon absolut gefehlt; und bei dem letzten Parteitagsbesuch, den ich eben erwähnt habe, bin ich nur zu dem »Tag der Wehrmacht« gegangen.

DR. DIX: Waren an diesen Parteitagen die prominenten Ausländer... haben Sie schon erwähnt. War das Diplomatische Korps in der Person ihrer Missionschefs vertreten?

SCHACHT: Ich glaube, daß mit Ausnahme des Sowjet-Botschafters und des Amerikanischen Botschafters im Laufe der Jahre sämtliche anderen führenden Diplomaten den Parteitag besucht haben, und zwar in großer Zahl, in großer Aufmachung und in der ersten Reihe des Parteitages.

DR. DIX: Wie erklärte man sich das? An sich nimmt das Diplomatische Korps ja nur an Repräsentationen des Staates, an staatlichen Repräsentationen teil. Hier handelt es sich ja um eine reine Partei Veranstaltung. Wie erklärte man sich diese Teilnahme?

JUSTICE JACKSON: Hohes Gericht! Ich kann hier ruhig Einspruch erheben, weil mir das keine Verlegenheit bereitet, wenn überhaupt so etwas wie Verlegenheit aufkommen könnte. Doch hat es nicht den geringsten Beweiswert, wenn dieser Zeuge das Verhalten von Gesandten anderer Länder und seine Ansicht darüber wiedergibt. Mir scheint, es hat gar keinen Beweiswert, warum sie einem Parteitag beiwohnten, für den er seinen Namen hergab. Ich beanstande nicht die Tatsache, daß sie dort waren, aber ich glaube, wenn er nur darum herumredet, ohne irgendeine Tatsache vorzubringen... Ich möchte klar herausstellen, daß ich keinen Einwand gegen irgendeine Tatsache, von der der Zeuge weiß, erheben möchte; ich habe auch gegen die meisten seiner Ansichten, die er uns so langatmig vortrug, keinen Einspruch erhoben. Ich glaube aber, daß seine Stellungnahme zu den Handlungen auswärtiger Vertreter über die Grenze erheblicher und wesentlicher Beweise geht.

SCHACHT: Darf ich eine Bemerkung dazu machen?

VORSITZENDER: Ich glaube, es wäre besser, wenn Sie fortfahren. Dr. Dix.

DR. DIX: Ja, natürlich. Ich würde doch bitten, mir zu erlauben, kurz Justice Jackson zu antworten, und zwar nicht aus Eigensinn, sondern aus dem Grunde, weil ich glaube, daß, wenn ich jetzt schon antworte, spätere Diskussionen und damit Zeitversäumnis vermieden wird. Ich habe ja den Zeugen nicht nach seiner Meinung gefragt. Selbstverständlich hat Justice Jackson recht, daß er hier nicht berufen ist, Meinungen über die Gepflogenheiten des Diplomatischen Korps abzugeben, sondern ich habe ihn nach einer Tatsache gefragt, wie man sich damals diese Teilnahme, die ja auffällt, erklärte. Und ich halte diese aus dem Grunde erheblich, weil – und das wird im Laufe meiner Befragungen des öfteren wiederkehren, deshalb sage ich es schon jetzt – in dem ganzen Oppositionskampf, den er und seine Gesinnungsgenossen geführt haben, von großer Bedeutung ist, von wem sie Unterstützung geistiger, moralischer oder sonstiger Art empfangen haben und von wem nicht. Und da spielt natürlich die äußere Haltung der offiziellen Vertreter des Auslandes in der ganzen Zeit eine erhebliche Rolle für die Aktionsfähigkeit dieser Oppositionsgruppe. Man kann eine solche Oppositionsgruppe stützen, man kann ihr neutral gegenüberstehen, man kann sie auch bekämpfen vom Ausland her. Nur aus diesem Grunde habe ich die Frage gestellt und halte mich für verpflichtet, auf diesen Gesichtspunkt auch in Zukunft einzugehen.

VORSITZENDER: Dr. Dix! Ich glaube nicht, daß Herr Justice Jackson Einspruch gegen die Tatsache erhob, daß die diplomatischen Vertreter dort waren, sondern gegen eine Stellungnahme zu den Gründen ihrer Anwesenheit. Wenn Sie nur die Tatsache beweisen wollen, daß sie dort waren, dann glaube ich nicht, daß Herr Justice Jackson dagegen Einspruch erhoben hatte. Was der Angeklagte weiter sagte, war seine Meinung, warum die diplomatischen Vertreter dort waren.

DR. DIX: Ich glaube, ich brauche nicht mehr zu antworten. Er hat ja schon erklärt, daß er es nicht erklären wolle, aber wenn Euer Lordschaft es mir gestattet, fahre ich fort.