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[Zum Zeugen gewandt:]

Sie sind ja in jener Zeit vorher und auch später sicherlich viel beruflich und privat mit prominenten Ausländern zusammengekommen. Welche Stellung nahmen denn diese in dieser Periode der Machtbefestigung der Nationalsozialisten und zu dieser Entwicklung ein? Und wie wirkte diese Stellungnahme auf Ihre eigene Stellungnahme, Haltung und Tätigkeit?

JUSTICE JACKSON: Hoher Gerichtshof! Es tut mir sehr leid, ständig mit Einsprüchen zu unterbrechen. Aber ich kann nicht einsehen, wie es diesen Angeklagten entlasten oder ihm helfen sollte, daß ausländische Vertreter von einem Regime getäuscht worden sein mögen, das er mit seinem Namen und Prestige deckte. Ich bin willens zuzugeben, daß es Ausländer gab wie Dahlerus, die von dem System getäuscht wurden, von dem er ein prominenter und einigermaßen angesehener Teil war. Aber es scheint mir, daß, wenn wir uns mit der Haltung von Ausländern einlassen, die hier nicht angeklagt sind, wir endlosen Fragen entgegengehen. Ich kann keine Erheblichkeit in dieser Art von Aussagen sehen.

Die Frage ist hier, wie ich schon wiederholt Dr. Dix zu erklären versucht habe, folgende: Die einzige Anklage gegen diesen Angeklagten besteht darin, daß er an der Verschwörung teilgenommen hat, diese Nation in den Krieg zu führen und in Verbindung damit Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen.

Wie die Haltung von Ausländern ihn entlastet oder dem Gerichtshof helfen könnte, diese Frage zu entscheiden, kann ich nicht ersehen. Wenn dem so ist, so erhebe ich natürlich keinen Einwand, aber ich kann deren Bedeutung in diesem Verfahrensabschnitt nicht einsehen.

DR. DIX: Ich glaube doch, daß Justice Jackson...

VORSITZENDER: Einen Moment. Dr. Dix, was war genau die Frage, die Sie im Augenblick stellten? Worauf bezog sie sich?

DR. DIX: Ich habe ihn gefragt, welche Stellung prominente Ausländer, mit denen er in jener Zeit beruflich und außerberuflich zusammenkam, in dieser Periode der Machtbefestigung des Regimes diesem gegenüber einnahmen; ob sie ihm ablehnend gegenüberstanden, ob sie ihm sympathisch gegenüberstanden, kurz, wie diese Ausländer auf ihn und sein Denken einwirkten. Darf ich noch etwas...

VORSITZENDER: Ich glaube, Sie wissen, Dr. Dix, einen Zeugen zu fragen; was die Haltung anderer Leute sei, ist eine viel zu allgemein gehaltene Frage. »Haltung« – was bedeutet dieses Wort? Es ist viel zu allgemein, und ich verstehe nicht genau, was Sie zu beweisen versuchen.

DR. DIX: Ich will die Frage dahin präzisieren: Wie sind Sie, Dr. Schacht, durch die Ausländer, mit denen Sie in jener Zeit Gedankenaustausch hatten, hinsichtlich Ihrer Einstellung beeinflußt worden, in Ihrer Haltung und in Ihrem Verhalten beeinflußt worden?

Das ist eine innere Tatsache in dem Innern von Dr. Schacht, über die allein Dr. Schacht Bekundungen machen kann. Euer Lordschaft, ich will ganz offen das Beweisthema, was der Verteidigung sehr erheblich erscheint und dem diese Frage dienen soll, nennen. Ich will nicht zurückhalten.

Ich, die Verteidigung, behaupte, daß diese Oppositionsgruppe, von der schon Gisevius sprach und deren prominentes Mitglied der Angeklagte Schacht war, vom Ausland her nicht nur keine Unterstützung erfahren hat, sondern daß ihr ihr Oppositionskampf erschwert worden ist. Das ist keine Kritik an ausländischen Regierungen.

Es besteht kein Zweifel, daß diejenigen, die diese Regierungen der Länder vertraten, diese Haltung in bestem Wissen und absolut pflichtbewußt im Dienst ihrer Länder einnahmen. Aber für die Haltung dieser Leute, dieser Oppositionsgruppe, war es von entscheidender Bedeutung, wie sich das Ausland zu diesem Regime stellte, ob sie es ehrte oder es durch gesellschaftliche repräsentative Bevorzugung stützten, oder ob es durch eine starke Zurückhaltung im Rahmen der Möglichkeit seine Ablehnung zum Ausdruck brachte und dadurch diese Oppositionsgruppe stärkte. Das ist das Beweisthema, und das ist für mich, für die Verteidigung, ein tragendes Beweisthema. Ich habe es ganz offen genannt, und ich sage, ich werde im Rahmen des Zulässigen um die Durchsetzung dieses Beweisthemas kämpfen.

VORSITZENDER: Dr. Dix! Der Gerichtshof hat das Argument geprüft, das Sie ihm vorgetragen haben und ist der Ansicht, daß die Untersuchung dieser Tatsachen eine Zeitvergeudung darstellt und unerheblich ist. Er bittet Sie daher, das weitere Verhör mit dem Angeklagten fortzusetzen.

DR. DIX: Dr. Schacht! Sie haben die Aufrüstung durch Reichsbankfinanzen unterstützt. Warum taten Sie das?

SCHACHT: Ich habe die Erlangung der internationalen politischen Gleichberechtigung Deutschlands für eine absolute Notwendigkeit gehalten und bin auch heute noch der Meinung. Dazu war es nötig, daß entweder die von den alliierten Mächten versprochene allgemeine Abrüstung eintrat oder aber, wenn die Gleichberechtigung erreicht werden sollte, mußte Deutschland in entsprechendem Umfange aufrüsten.

DR. DIX: Wurde diese Finanzhilfe der Reichsbank durch Sie allein oder durch das Reichsbankdirektorium bestimmt?

SCHACHT: In der Reichsbank hat niemals das Führerprinzip geherrscht. Ich habe die Einführung des Führerprinzips in das Reichsbankdirektorium abgelehnt. Die Reichsbank wurde geleitet von einem Kollegium, in dem alle Mitglieder gleiches Stimmrecht hatten. Im Falle einer Stimmengleichheit gab die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Mehr Rechte hat der Vorsitzende in diesem Gremium nicht gehabt.

DR. DIX: Nun ist ja das Affidavit von dem früheren Reichsbankdirektor Puhl bekannt. Hatte – und ich frage mit Rücksicht auf den Inhalt dieses dem Tribunal bekannten Affidavits – Puhl im gleichen Sinne bei dieser Finanzhilfe der Reichsbank bei der Aufrüstung mitgewirkt?

SCHACHT: Herr Puhl hat an allen Beschlüssen, die das Reichsbankdirektorium in dieser Frage gefaßt hat, teilgenommen und nicht ein einziges Mal widersprochen.

DR. DIX: Es ist Ihnen bekannt, daß die Methode dieser Finanzhilfe der Reichsbank in der Diskontierung der sogenannten Mefo-Wechsel bestand. Es ist ja von der Anklage hierüber eingehend gesprochen worden, und in dem obengenannten Puhlschen Affidavit steht, daß diese Methode es ermöglicht hätte, den Umfang der Rüstung geheimzuhalten. Ist das richtig?

SCHACHT: Von einer Geheimhaltung der Rüstung kann überhaupt gar keine Rede sein. Ich verweise auf einige Auszüge aus Dokumenten, die die Anklage hier selber vorgebracht und als Beweisstück eingeliefert hat.

Ich zitiere zunächst aus dem Affidavit von George Messersmith vom 30. August 1945, 2385-PS. Dort heißt es auf Seite 3, Zeile 19:

»Sofort nach ihrer Machtübernahme begannen die Nazis ein ungeheures Rüstungsprogramm« – und auf Seite 8 heißt es – »Das ungeheure deutsche Aufrüstungsprogramm, welches niemals ein Geheimnis war,...«

Also Herr George Messersmith, der ja damals in Berlin war, wußte jedenfalls um diese Dinge und wird wohl dementsprechend auch seine Kollegen informiert haben.

Ich zitiere ferner aus dem Beweisstück EC-461. Es ist das Diary des Ambassadors Dodd, wo es heißt unter dem 19. September 1934 – ich zitiere in englisch, weil ich nur den englischen Text da habe:

»When Schacht declared, that the Germans are not arming so intensively, I said: Last January and February, Germany bought from American aircraft people one mil lion dollars worth of high-class war flying machinery and paid in gold.«

(»Als Schacht erklärte, daß die Deutschen gar nicht so intensiv aufrüsteten, sagte ich: ›Im letzten Januar und Februar kaufte Deutschland für eine Million Dollar hochwertige Kriegsflugzeuge von amerikanischen Flugzeugfabrikanten und zahlte in Gold.‹«)

Das ist eine Unterhaltung, die Dodd wiedergibt zwischen mir und ihm aus dem September 1934, wo er darauf hinweist, daß wir bereits im Januar und Februar 1934 Kriegsflugzeuge...