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[Zum Zeugen gewandt:]

Entschuldigen Sie bitte, fahren Sie fort.

SCHACHT: Ja, dann bin auch ich mit meinen Ausführungen zu Ende. Hitler hat noch ferner Angebote gemacht; das Ausland ist auf kein einziges dieser Angebote eingegangen, und infolgedessen blieb leider nur die andere Alternative, die Aufrüstung. Ich habe diese Aufrüstung, die Hitler vornahm, mitfinanziert und verantworte alles, was ich in dieser Beziehung getan habe.

DR. DIX: Verstehe ich Sie richtig, kann man aus diesen Worten schließen, daß Sie neben anderen Gründen bei Ihrer Hilfe für die Aufrüstung auch die taktische Erwägung hatten, daß eine zur Diskussionsstellung der deutschen Aufrüstung die Abrüstungsdebatte unter den Regierungen wieder in Fluß bringen würde, die damals ja, sagen wir mal, eingeschlafen war.

SCHACHT: Wenn ich es kurz an einem Beispiel zeigen darf:

Zwei Parteien haben einen Kontrakt miteinander; die eine Partei hält diesen Kontrakt nicht, und die andere Partei hat keine Möglichkeit, die kontraktbrüchige Partei zur Einhaltung des Vertrages zu zwingen. So bleibt der anderen Partei gar nichts anderes übrig, als auch ihrerseits den Vertrag nicht innezuhalten. Das hat Deutschland getan, das habe ich unterstützt, und ich muß nun allerdings sagen, daß ich hierauf eine Reaktion erwartet hatte, die in einem solchen Fall immer von den anderen Vertragspartnern erwartet werden muß, daß er nämlich sagt: Ja, wenn du auch den Vertrag nicht einhältst, dann müssen wir uns jetzt mal wieder über diesen Vertrag unterhalten.

Und ich muß sagen, es war für mich – ja, ich kann das Wort ganz ruhig gebrauchen – geradezu eine Enttäuschung, daß auf die Aufrüstung Deutschlands von der anderen Seite her, von alliierter Seite her, überhaupt nichts erfolgte. Man nahm diesen sogenannten Vertragsbruch Deutschlands gegen den Versailler Vertrag ruhig hin, begnügte sich mit einer Protestnote, hat aber sonst nicht das leiseste getan, um die Abrüstungsfrage, auf die es mir ankam, wieder in Gang zu bringen; sondern man ließ Deutschland nicht nur ruhig aufrüsten, man gab ihm sogar durch das Flottenabkommen mit Großbritannien das Recht, im Gegensatz zum Versailler Vertrag aufzurüsten. Man schickte Militärmissionen nach Deutschland, um sich diese Aufrüstung anzusehen, man besuchte die deutschen militärischen Veranstaltungen, und alles geschah, aber nur nichts, um die Aufrüstung Deutschlands zu hindern.

JUSTICE JACKSON: Hoher Gerichtshof! Ich kann den Zweck aller dieser Einzelheiten nicht recht verstehen. Wir machten das Zugeständnis, daß die Wiederaufrüstung, soweit sie nicht mit Angriffsabsichten verbunden war, unwichtig ist. Wie ich am Anfang sagte, haben die Vereinigten Staaten nicht die Absicht, hier als Richter über Fragen der europäischen Politik zu sitzen, noch sind diese dem Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Zur Frage steht hier bloß die Anklage, die eine Rüstung zu Angriffszwecken vorwirft. Ich will den Angeklagten nicht daran hindern, Tatsachen, die mit seinen Angriffsabsichten zu tun haben, vorzubringen. Aber die Einzelheiten der Verhandlungen europäischer Politiker und der Anklagen und Gegenanklagen zwischen Regierungen liegen meiner Ansicht nach gänzlich außerhalb jeder Untersuchung, die wir vornehmen können. Die Einzelheiten dieser Angelegenheit sind meiner Ansicht nach der Lösung des Problems nicht förderlich, und ich glaube, daß der Gerichtshof das schon im Falle Göring abgelehnt hat, wenn ich nicht irre.

VORSITZENDER: Herr Dr. Dix! Das alles scheint eine Streitfrage zu sein, und Streitfragen sind wirklich kein Beweisgegenstand.

DR. DIX: Ich glaube nicht, Euer Lordschaft. Es ist ganz richtig, was Herr Justice Jackson sagt. Schacht ist angeklagt, bei der Herbeiführung eines Angriffskrieges geholfen zu haben, aber diese Hilfe soll bestanden haben in der von ihm geleisteten Finanzierung.

VORSITZENDER: Fahren Sie fort, Dr. Dix, und versuchen Sie es so kurz wie möglich zu machen.

DR. DIX: [zum Zeugen gewandt] Sie waren ja wohl auch am Ende dieser Frage.

Ich darf zu diesem Punkt erwähnen, daß einer der Beweggründe Dr. Schachts bei der Aufrüstung die Hoffnung war, die Abrüstungsdebatte wieder in Gang zu bringen. Zu diesem Beweisthema darf ich zusätzlich auf Exhibit Nummer 36, Seite 141 des deutscher Textes und Seite 149 des englischen Textes hinweisen. Es ist eine eidesstattliche Versicherung des Schwiegersohnes von Dr. Schacht des Herrn Dr. von Scherpenberg. Auf Seite 2 dieser eidesstattlicher Erklärung darf ich nur diesen einen kleinen Absatz verlesen. Ich kann mich sogar auf einen Satz beschränken.

»Er« – nämlich Schacht – »halte eine Aufrüstung in gewissen Grenzen für das einzige Mittel, das gestörte Gleichgewicht wieder herzustellen und die anderen europäischen Mächte zu einer Teilnahme an einer Rüstungsbeschränkung, der sie sich im Versailler Vertrag entzogen hätten, zu veranlassen.«

Also eine Begründung von Scherpenberg über Unterhaltungen, die Schacht damals geführt hat, also nicht etwa eine Meinung ex post, sondern eine Begründung über eine Unterhaltung, die er, Scherpenberg, mit seinem Schwiegervater geführt hat. Dies nur zusätzlich.