[Zum Zeugen, gewandt:]
Über die Aufrüstung der anderen Staaten, insbesondere der Tschechoslowakei und Polen, haben Sie schon gesprochen. Können Sie noch etwas sagen, ob Sie etwas Genaues damals über den Rüstungsstand dieser beiden Staaten wußten oder hörten?
SCHACHT: Ich weiß nur, daß es von Rußland bekannt war, daß es im Jahre 1935 ankündigte, es wolle seine Friedens-Heeresstärke auf 960000 Mann bringen.
Dann wußte ich, daß in der Tschechoslowakei beispielsweise die Errichtung von Flugplätzen im Vordergrund der Rüstung stand. Von England wußten wir, daß es seine Kriegsmarine ausdehnte.
DR. DIX: Haben Sie nun später den Gedanken einer allgemeinen Abrüstung ganz aufgegeben?
SCHACHT: Im Gegenteil, ich habe jede Gelegenheit ergriffen, insbesondere auch in Unterhaltungen mit Ausländern zu sagen, daß das Ziel doch immer wieder die Abrüstung sein müßte. Daß wir in der Aufrüstung selbstverständlich immer eine wirtschaftliche Belastung sehen würden, die sehr unerfreulich sei.
Ich erinnere mich an eine Unterhaltung, die ich mit dem Amerikanischen Botschafter Davies gehabt hatte, der darüber in dem Beweisstück, welches auch hier vor Gericht eingeliefert ist, berichtete, und zwar handelt es sich hier zunächst um eine Journaleintragung, die in seinem Buch wiedergegeben ist »Mission to Moscow« vom 20. Juni 1937, noch aus Berlin. Da schreibt er nieder, daß er sich mit mir auch unter anderem über die Abrüstungstrage unterhalten hat, und ich brauche hier wieder nur einen einzigen Satz zu zitieren. Ich habe die Nummer des Dokuments nicht hier, Euer Lordschaft, aber es ist eingereicht bei Gericht.
DR. DIX: Es ist Schachts Exhibit Nummer 18, deutsch Seite 43, englisch Seite 49.
SCHACHT: Ich lese hier, weil ich nur den englischen Text habe, aus dem englischen Text. Davies schreibt:
»When I outlined the President's (Roosevelt) suggestion of limitation of armament to defensive weapons only, such as a man could carry on his shoulder, he (means Schacht) almost jumped out of his seat with enthusiasm.«
»(Als ich den Vorschlag des Präsidenten (Roosevelt) darlegte, Rüstungen auf solche Verteidigungswaffen zu begrenzen, die ein Mann auf seiner Schulter tragen könnte, sprang er (Schacht) vor Begeisterung beinahe von seinem Stuhl auf.)«
Es ergibt sich also aus dieser Bemerkung von Ambassador Davies, daß ich auf diesen neuen Versuch und auf die erhoffte bevorstehende Abrüstungsinitiative und diesen Abrüstungsvorschlag des Präsidenten Roosevelt mit dem größten Nachdruck eingegangen bin.
In demselben Buch berichtet nun Davies wenige Tage später, am 26. Juni 1937, in einem Brief an den Amerikanischen Präsidenten über die Unterhaltung mit mir, und ich zitiere da heraus nur einen ganz kleinen Absatz. Ich muß es wieder auf englisch machen.
»I then stated to him« (to him is Schacht) »that the President in conversation with me had analyzed the European Situation and had considered that a solution might be found in an agreement among the European nations to a reduction of armaments to a purely defensive military basis and this through the elimination of aircraft, tanks and heavy equipment, and the limitation of armaments to such weapons only as a man could carry on his back, with an agreement among the nations for adequate policing of the plan by a neutral state. Schacht literally jumped at the idea. He said: ›That's absolutely the solution.‹ He said that in its simplicity it had the earmarks of great genius. His enthusiasm was extraordinary.«
»(Ich erklärte ihm (das heißt Schacht) dann, daß der Präsident in einer Unterhaltung mit mir die europäische Lage dargelegt hat und erwogen hätte, daß eine Lösung durch eine Vereinbarung unter den europäischen Nationen gefunden werden könne, wonach die Rüstung auf eine ausschließlich defensive militärische Grundlage zurückgeführt werden solle, und zwar durch die Beseitigung der Luftwaffe, der Tanks und der schweren Ausrüstung und die Begrenzung der Rüstung nur auf solche Waffen, die ein Mann auf dem Rücken tragen könne, mit einer Vereinbarung der Nationen verknüpft für eine entsprechende Überwachung des Planes durch einen neutralen Staat. Schacht war buchstäblich begeistert von dieser Idee. Er sagte: ›Das ist absolut die Lösung‹ und fügte hinzu, daß sie in ihrer Einfachheit ein großes Genie verriete. Sein Enthusiasmus war außergewöhnlich.)«
DR. DIX: Bis zu welchem Grade wollten Sie denn aufrüsten?
SCHACHT: Nicht weiter, als daß man auf gleichem Fuß mit jedem einzelnen der Nachbarländer stand.
DR. DIX: Hat Hitler Ihnen gegenüber oder zu Ihrer Kenntnis weitergehende Absichten geäußert?
SCHACHT: Mir gegenüber niemals, und ich habe auch nicht von anderen gehört, ob er anderen gegenüber weitergehende Bemerkungen gemacht hat.
DR. DIX: Sind Sie über das Ausmaß, Art, Tempo der Aufrüstung unterrichtet worden?
SCHACHT: Nein, darüber habe ich nie etwas erfahren.
DR. DIX: Hatten Sie sich selbst eine Grenze für diese Finanzhilfe gesetzt, oder waren Sie bereit, beliebig viel Geld zuzuschießen?
SCHACHT: Beliebig viel Geld zuzuschießen war ich keinesfalls bereit, zumal es sich ja nicht um einen Zuschuß handelte, sondern um einen Kredit, der zurückgezahlt werden mußte. Die Grenze für diese Kredithilfe lag in zweierlei: einmal darin, daß die Reichsbank von der Staatsfinanzverwaltung und von der Staatshoheit hinsichtlich ihrer Kreditgewährung unabhängig war. Das Reichsbankdirektorium konnte beschließen, Kredite zu geben oder nicht zu geben und die Kredite abzustoppen, wenn sie das für richtig hielt, und da ich der Politik des Reichsbankdirektoriums vollständig sicher war- die Herren waren mit mir alle durchaus in der Finanz- und Bankpolitik gleicher Anschauung –, so lag darin die erste Möglichkeit, abzubremsen, wenn es mir zuviel wurde. Die zweite Sicherung... Begrenzung lag in der Vereinbarung, die der Finanzminister, die Regierung und somit selbstverständlich auch Hitler eingegangen waren. Die Mefo-Wechsel, in denen ja die Kredithilfe bestand, bei Fälligkeit zurückzuzahlen, die Mefo-Wechsel waren aber nach fünf Jahren wieder rückzahlbar, und ich habe vorhin schon ausgeführt, daß, wenn diese Rückzahlung erfolgt wäre, die Mittel für die Aufrüstung selbstverständlich geringer werden mußten. Darin lag die zweite Möglichkeit der Begrenzung der Aufrüstung.
DR. DIX: Ich bitte Sie, jetzt dem Tribunal mal Ziffern zu geben. Mit welchen Ziffern operierten Sie damals?
SCHACHT: Wir haben bis zum, ich gehe nach...
JUSTICE JACKSON: Wir haben nicht den Wunsch, uns in einen Streit über Zahlen der Wiederaufrüstungs-Finanzierung einzulassen. Es scheint, daß die einzelnen Dollar- und Cent- oder Reichsmarkbeträge dafür ganz unwichtig und sehr kompliziert sind. Wir versuchen nicht festzustellen, ob es zuviel oder zu wenig kostete. Der Zweck dieser Aufrüstung ist die einzige Frage, die uns interessiert; ich sehe nicht ein, daß eine Aufstellung der Kosten etwas damit zu tun hat.
VORSITZENDER: Herr Dr. Dix! Wir würden gern wissen, über welche Zahlen der Angeklagte und Sie hier sprechen.
DR. DIX: Welche Summen Schacht als Reichsbankpräsident der Aufrüstung zur Verfügung stellen wollte. Das ist zweifellos erheblich; denn wenn diese Summen sich in einem Rahmen halten, der allenfalls für eine Defensivrüstung im Notfall in Frage kommt, so ist natürlich die Größe dieser finanziellen Hilfe ein schlagendes Beweismittel für die Absichten, welche Schacht dabei verfolgte, also für das, was Justice Jackson für erheblich hält: nämlich, ob er einen Angriffskrieg vorbereiten half, wenn er nur eine Defensivkriegsmöglichkeit finanzierte und nur Summen der Rüstung zur Verfügung stellte, die diese Rüstung niemals in den Stand setzen konnte, einen Offensivkrieg zu führen, so ist dies eine Widerlegung des Vorwurfs, den die Anklagebehörde dem Angeklagten macht, und ich glaube, daß man an der Erheblichkeit dieser Frage nicht zweifeln sollte.
VORSITZENDER: Wollen Sie sagen, daß, wenn der Angeklagte Schacht dem Reich, sagen wir mal 100 Millionen oder welche Zahl es immer sein mag, zur Verfügung stellte, so würde das für Verteidigung sein; wenn es aber 150 Millionen gewesen wären, wollen Sie sagen, daß es nicht für die Verteidigung gewesen wäre, oder was sonst? Handelt es sich einfach um den Betrag?
DR. DIX: Nein, ich will sagen, wenn er, wie nachgewiesen werden wird, nur 9 und dann schließlich zögernd und widerspenstig 12 Milliarden zur Verfügung stellte, so kann er mit dieser Zurverfügungstellung niemals einen Offensivkrieg gewollt haben.
VORSITZENDER: Handelt es sich nur um den Betrag?
DR. DIX: Jawohl, nur um die Höhe des Betrages.
VORSITZENDER: Das kann man doch mit wenigen Worten abtun, doch Einzelheiten der Finanzierung...
DR. DIX: Der Meinung bin ich durchaus, daß wir darüber zu lange gesprochen haben. Ich wollte nur fragen: »Welche Summe haben Sie gegeben?« und darauf wurde der Einwand erhoben; daraus ergab sich diese Diskussion. Darf ich die Frage stellen?
VORSITZENDER: Ja.
DR. DIX: Darf ich also die Frage stellen: Welche Summe wollten Sie zur Verfügung stellen?
SCHACHT: Ich wollte zur Verfügung stellen natürlich so wenig wie möglich. Aber was ich zur Verfügung gestellt habe, ist ja entscheidend. Ich habe zur Verfügung gestellt, um nur eine einzige Summe zu nennen und um es hier kurz zu machen, bis zum 31. März 1938 Kredite in Höhe von zusammen 12 Milliarden Reichsmark. Ich habe das mit einem der englischen Herren Anklagevertreter beziehungsweise interrogators, die mich gefragt haben, einmal abgestimmt, daß das ungefähr ein Drittel des Betrages gewesen ist, der für die Aufrüstung ausgegeben worden ist. Nach diesem Termin sind ohne die Reichsbank in dem Etatsjahr vom 1. April 1938 ab ausgegeben worden für die Rüstung 11 Milliarden Reichsmark und im nächsten Jahr 201/2 Milliarden. Davon kommt nicht ein Pfennig aus der Reichsbank.
DR. DIX: Das war nach Ihrem Abgang?
SCHACHT: Das war nach meiner Kreditabstoppung.
Nun zum Protokoll: Ich habe, glaube ich, mich vorhin versprochen, ich habe Millionen anstatt Milliarden gesagt, aber das Versprechen ist ja offenkundig. Ich wollte das nur richtigstellen.
DR. DIX: Nun, Herr Dr. Schacht, die Anklage hat Ihnen vorgehalten, daß am 19. Februar 1935 das Finanzministerium die Vollmacht bekommen habe, Gelder in jeder Summe zu borgen, die von Hitler angeordnet wurden.
SCHACHT: Der Herr Anklagevertreter hat auch hier wieder die Dinge nicht richtig gesehen. Der Reichsbankpräsident ist für die Gebarung des Reichsfinanzministers nicht verantwortlich. Ich glaube, daß der Präsident der Federal Reserve Bank in Neuyork nicht verantwortlich gemacht werden kann für das, was der »Secretary of the Treasury« in Washington macht.
DR. DIX: Er hält Ihnen des ferneren vor, daß die Reichsverschuldung, während Sie Reichsbankpräsident waren, um das Dreifache gestiegen sei.
SCHACHT: Er hätte mir ebensogut vorwerfen können, daß während meiner Amtsführung die Geburtenzahl in Deutschland sehr hinaufgegangen ist. Ich betone, daß ich an beiden völlig unbeteiligt bin.
DR. DIX: Derselbe Grund, Sie waren nicht dafür verantwortlich.
SCHACHT: Ich habe doch dafür keine Verantwortung.
DR. DIX: Und das gleiche gilt wohl für den weiteren Vorhalt der Anklage, daß angeblich Sie im März 1938 ein neues Finanzprogramm ausgearbeitet hätten.
SCHACHT: Im Gegenteil, ich habe es abgelehnt, irgendwie noch etwas für die Rüstungsfinanzierung zu tun. Und das Finanzprogramm hat ein Staatssekretär im Reichsfinanzministerium ausgearbeitet, und es war auch darnach.
DR. DIX: Nun war ein Teil Ihrer Wirtschaftspolitik als Wirtschaftsminister, wie Ihnen ja vorgeworfen wird, als Kriegsvorbereitung der sogenannte »Neue Plan«. Was war das?
SCHACHT: Ich darf vorausschicken, daß der »Neue Plan« mit der Aufrüstung gar nichts zu tun hatte. Deutschland war nach dem Versailler Vertrag in eine wirtschaftliche Notlage gekommen, die insbesondere seinen Export...
DR. DIX: Darf ich Sie mal unterbrechen? Euer Lordschaft, wenn das Gericht der Auffassung ist, daß der »Neue Plan« mit der ganzen Aufrüstung, den Kriegsvorbereitungen nichts zu tun hat – die Anklage ist, glaube ich, gegenteiliger Ansicht –, dann ist die Frage unerheblich, dann stelle ich sie zurück. Ich stelle sie nur, weil der »Neue Plan« auch in den Argumentationen der Anklage verwandt wird.
VORSITZENDER: Wenn Sie sagen, und der Angeklagte hat es ja gerade gesagt, daß der »Neue Plan« nichts mit der Aufrüstung zu tun hat, dann könnten Sie es ja dem Kreuzverhör überlassen und Sie können im Wiederverhör darauf zurückkommen, wenn im Kreuzverhör danach gefragt wird.
DR. DIX: Dann werde ich Sie auch nach den Tauschverträgen nicht fragen. Ich werde das eventuell der Prosecution überlassen im Kreuzverhör. Ich kann nicht sehen, was das mit der Kriegsvorbereitung zu tun hat.