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[Zum Zeugen gewandt:]

Nun haben Sie schon bekundet, daß Sie den Vertrag von Versailles auf friedlichem Verhandlungswege zu beseitigen beziehungsweise zu ändern bestrebt waren. Gab es denn überhaupt noch solche Mittel zur friedlichen Änderung des Versailler Vertrages nach Ihrer damaligen Ansicht?

SCHACHT: Es gab nach meiner Ansicht überhaupt nur friedliche Mittel. Den Versailler Vertrag durch einen neuen Krieg ändern zu wollen, war ein Verbrechen.

DR. DIX: Gut, nun wird Ihnen ja vorgeworfen, daß die angebliche Kriegsvorbereitung gegen die Wiederaufrüstung, aber auch schon die Aufrüstung ohne Beziehung zur Vorbereitung eines Angriffskrieges, also allein die Aufrüstung als solche, eine Verletzung des Versailler Vertrags gewesen wäre. Ich nehme an, daß Sie damals, als Sie sich zur Aufrüstungsfinanzierungshilfe entschlossen, hierüber rechtliche und moralische Erwägungen angestellt haben. Worin bestanden diese Erwägungen?

SCHACHT: Ich glaube, ich habe diese Frage vorhin eingehend beantwortet. Ich brauche da nichts mehr hinzuzufügen.

DR. DIX: Gut. War nun diese Ihre Einstellung nach Ihrer Erkenntnis und nach Ihrer Einstellung als Pazifist, als jemand, der es durchaus ablehnte, irgendwelchen Lebensraum in Europa zu erhalten, war diese Ihre Einstellung nach Ihrer zuverlässigen Kenntnis im Ausland bekannt?

SCHACHT: Solange wie ich Reichsbankpräsident gewesen bin, also beginnend vom März 1933 ab – ich spreche jetzt natürlich nur von der Hitler-Zeit –, sind meine ausländischen Freunde und Bekannten über meine ganze Denkweise ausgiebig unterrichtet gewesen. Ich habe sehr viele ausländische Freunde und Bekannte gehabt, nicht nur durch meinen Beruf, sondern auch sonst. Wir hatten insbesondere in Basel jeden Monat unsere monatliche Zusammenkunft bei der Internationalen Bank, sämtliche Notenbankpräsidenten der großen Länder und einiger neutraler Länder, und ich habe alle diese Zusammenkünfte immer dazu benützt, um den Herren ganz klar die Situation in Deutschland zu schildern. Ich darf vielleicht schon an dieser Stelle auf die sogenannte Führung ausländischer Gespräche eingehen. Wenn man sich mit Ausländern nicht mehr unterhalten darf, dann kann man sich natürlich auch nicht mit ihnen verständigen. Ich halte diese albernen Vorwürfe, daß man Verkehr mit Ausländern meiden müsse, für völlig unangezeigt; und wenn hier der Zeuge Gisevius neulich geglaubt hat, seine toten Kameraden, die auch meine Kameraden waren, vor dem Vorwurf des Landesverrats zu schützen, so möchte ich sagen, ich halte das für absolut unnötig. Niemals hat einer aus unserer Gruppe irgendwelche deutsche Interessen preisgegeben, sondern im Gegenteil, er hat für deutsche Interessen gefochten.

Ich möchte lediglich, um dies zu bekräftigen, einen Beleg hierfür geben. Nachdem wir Paris erobert hatten, wurden die Akten des Quai d'Orsay beschlagnahmt und einer eingehenden Durchsicht durch Beauftragte des Deutschen Auswärtigen Amtes unterzogen. Ich brauche nicht zu versichern, daß man da ganz besonders auch nach Belegen gesucht hat, ob nicht irgendwelche sogenannten defaitistischen Kreise in Deutschland sich hier irgendwo im Ausland bloßgestellt hätten. Sämtliche Akten des Quai d'Orsay, die sich mit meiner Person beschäftigten – und da sind natürlich viele Gespräche wiedergegeben worden, die ich mit Franzosen gehabt habe –, sind damals vom Auswärtigen Amt durchstöbert worden, ohne daß ich es wußte.

Und eines Tages, ich nehme an, es wird im Laufe des Jahres 1941 gewesen sein, bekam ich einen Brief von einem deutschen Professor, der mit bei diesen Untersuchungen vom Auswärtigen Amt eingesetzt war. Ich nenne hier den Namen, damit er es eventuell bezeugen kann. Es ist ein Professor der Finanzwirtschaft und Nationalökonomie, Professor Stückenbeck in Erlangen. Er schrieb mir, daß er bei dieser Untersuchung...

VORSITZENDER: Der Gerichtshof kann in dieser Aussage nichts erblicken, was sich auf diesen Prozeß bezieht. In jedem Falle ist es sicherlich genügend, wenn der Angeklagte sagt, er hätte in keiner Weise deutsche Interessen verraten. Wir brauchen nicht alle Einzelheiten darüber. Was es mit diesem Prozeß zu tun hat, weiß ich nicht.

DR. DIX: Ich denke, Euer Lordschaft, daß das nicht der Punkt ist, sondern ihm kommt es darauf an, daß auch urteilsfähigen Männern des Auslandes, die ihn gekannt haben, bekannt war, daß er durchaus ein Mann des Friedens und nicht ein Mann der Vorbereitung von Angriffskriegen war, auch in der Periode, wo schon aufgerüstet war.

VORSITZENDER: Das hat er doch schon vor fünf Minuten gesagt.

DR. DIX: Ich denke nicht, daß der Fall des Professors Stückenbeck so wichtig ist; aber recht interessant scheint mir doch zu sein, was der Botschafter Davies über sein Gespräch mit dem damaligen Außenkommissar der Union der Sowjet-Republiken, Litwinow, berichtet. Es findet sich dies im Beweisstück Nummer 18 meines Dokumentenbuches, deutsche Seite 43, englische Ausgabe 49. Darf ich den einen Absatz verlesen und dann Dr. Schacht nur kurz fragen, ob diese Darstellung des Botschafters Davies seiner Erinnerung entspricht. Es handelt sich also um den Bericht von Davies aus seinem Buch, nicht aus seinem Bericht, sondern um einen Auszug aus seinem Buch »Mission to Moscow«. Und da ist ein Bericht an den Staatssekretär in den Vereinigten Staaten; da heißt es auf Seite 108 und Seite 109:

»Gemäß Verabredung suchte ich Außenkommissar Litwinow auf, um ihm vor meiner Abreise nach den Vereinigten Staaten einen Abschiedsbesuch abzustatten.

Ich erwähnte dann, daß die Lage in Europa in ihren Grundzügen doch einfach sei, und daß es schwer zu begreifen sei, warum die Staatsmänner Europas sich nicht darauf einigen könnten, daß England, Frankreich, Deutschland, Italien und Rußland sich verpflichten, die territoriale Integrität Europas zu erhalten und durch Handelsverträge Deutschland mit Rohmaterialien zu versorgen und ihm dadurch die Garantie zu geben, daß es leben könne. Dies würde die Völker Europas beruhigen und die Welt von den ungeheuren Rüstungslasten und der Furcht vor einem katastrophalen Krieg befreien. Die prompte Entgegnung« – also des Außenkommissars Litwinow – »war: ›Glauben Sie, daß Hitler jemals sich mit etwas Derartigem einverstanden erklären würde?‹ Ich sagte, daß ich das nicht wüßte, aber daß meiner Meinung nach in Deutschland ein ziemlicher Kreis einflußreicher und verantwortlicher Männer vorhanden sei, denen ein solcher Gedankengang einleuchten würde. Litwinow« – also der Außenkommissar selbst – »versetzte, daß er glaube, daß dies der richtige Weg sei; daß Schacht solch ein Mann sei; er glaube jedoch nicht, daß sie sich gegen Hitler und die in Deutschland herrschenden politischen und militärischen Kräfte durchsetzen können.«

Nun frage ich Sie, erinnern Sie sich an dieses Gespräch mit Davies?

SCHACHT: Ich glaube, hier liegt eine Verwechslung vor. Ich habe mit Davies darüber kein Gespräch gehabt. Ich sprach mit Litwinow. Dies ist ein Bericht von Davies an den Staatssekretär, über welchen ich nichts weiß.

DR. DIX: Ja, Sie haben vollkommen recht.

Nun hat die Anklage wiederholt hervorgehoben, daß Ihre Kenntnis von den Kriegsabsichten Hitlers schon aus Ihren Stellungen als Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft und als Mitglied des Reichsverteidigungsrates hervorgehe. Hierüber hat sich schon Göring eingehend geäußert.

Haben Sie der Aussage Görings irgend etwas Neues hinzuzufügen?

SCHACHT: Ich glaube, auch der Zeuge Lammers hat sich darüber ausgelassen. Ich möchte nur auch meinerseits bestätigen, daß der erste Reichsverteidigungsrat aus dem Jahre 1935 nichts anderes war, als eine Legalisierung eines bereits vor 1933 bestehenden Ausschusses unter den Ministerialbeamten, die auch die wirtschaftlichen und die verwaltungsmäßigen Dinge bearbeiten sollten, die im Falle einer Kriegsbedrohung gegen Deutschland zu erfassen seien.

DR. DIX: Wie oft sind Sie insbesondere mit dem Kriegsminister und dem Generalbevollmächtigten für die Verwaltung zusammengekommen?

SCHACHT: Niemals ist dieses so berühmte Triumvirat, dieses Dreier-Kollegium, welches einer der Herren Anklagevertreter als den Eckstein der Kriegspolitik bezeichnet hat, überhaupt zusammengetreten. Und daß wir den Krieg verloren haben, ist natürlich kein Wunder, wenn das der Eckstein gewesen ist.

DR. DIX: Die Anklage hat sich ferner berufen auf den Bericht des Kriegsministers über die Aufgabe des Reichsverteidigungsrates von 1934. Das ist Dokument EC-128, US-623. Haben Sie da irgend etwas Besonderes hinzuzufügen?

SCHACHT: Ja, doch. Ich möchte um die Erlaubnis bitten, einen ganz kurzen Absatz – es sind nur, wie ich sehe, zwei Sätze – zu zitieren. In diesem Bericht steht folgendes:

Es wird Bezug genommen auf den ersten Weltkrieg und auf dessen Erfahrungen, also von 1914 bis 1918. Und da heißt es:

Ich zitiere, ich muß es englisch zitieren, da ich nur das Englische vor mir habe. Ich zitiere:

»At that time we were able to extend our bases for raw- materials and production toward the west. Longwy, Briey, Tourcoing, Roubaix, Antwerp (Textiles) and toward the East (Lodz) and South-East (mines in Serbia and Turkey, mineral oils in Romania). Today we have to reckon with the possibility of being thrown back in our own country and even of being deprived thereby of most valuable industrial and raw material in the west and in the east.«

»(Damals konnten wir unsere Rohstoff- und Erzeugungsbasis nach Westen erweitern (Longwy, Brie, Tourcoing, Roubaix, Antwerpen (Textilien), Osten (Lodz) und Südosten (Erzgruben in Serbien und Türkei, Mineralöle in Rumänien), heute müssen wir damit rechnen, im eigenen Land zurückgeworfen zu werden, ja dabei unter Umständen wertvollste Industrie- und Rohstoffgebiete im Westen und Osten zu verlieren.)«

Ich glaube, daß, wenn jemand, der den Angriffskrieg vorbereiten wollte, im September 1934 damit rechnete, daß man sich vor der Möglichkeit einer solchen Situation schützen müsse, daß das der beste Beweis dafür ist, daß von Angriffskrieg hier überhaupt keine Rede gewesen sein kann.

DR. DIX: In diesem Zusammenhang mit der Überschrift »friedliche Bemühungen« können Sie vielleicht dem Tribunal auch sagen, worin Ihre friedlichen Bemühungen bestanden, die im Versailler Vertrag stipulierten Reparationen zu mildem beziehungsweise zu beenden?

SCHACHT: Ich habe vom ersten Augenblick der Reparationsfestsetzung, die ungefähr 1921 erfolgte, gegen diesen Unsinn gekämpft mit der Beweisführung, daß die Durchführung der Reparationen die ganze Welt in ein wirtschaftliches Chaos stürzen würde. Man kann nicht im Laufe von einer Generation 120 Milliarden Reichsmark oder rund 2 Milliarden Reichsmark wie es damals jährlich...

DR. DIX: Wir wollen es ziemlich kurz sagen. Wollen Sie nur Ihre friedlichen Bemühungen und keine volkswirtschaftlichen Erörterungen anführen.

SCHACHT: Jawohl, also keine volkswirtschaftlichen Erörterungen.

Ich habe dagegen gekämpft, und es ist mir im Laufe der Zeit gelungen, die Öffentlichkeit fast aller Länder von diesem Unfug zu überzeugen. Das hat dazu geführt, daß im Juli 1932, wenn ich nicht irre, der damalige Reichskanzler Papen in der Lage war, seine Unterschrift unter einen Vertrag in Lausanne zu setzen, in dem die Reparationen de jure bis auf eine in der Luft schwebende Summe von 3 Milliarden Reichsmark und de facto total gestrichen wurden.

DR. DIX: Setzten Sie nun diese Ihre ausgesprochen friedlichen Bemühungen auf anderem Gebiete fort? Sie haben die Frage der Verhandlungen in Paris über die Kolonialfrage schon bei einer früheren Frage gestreift. Ich weiß nicht, ob Sie dem noch in diesem Zusammenhang etwas hinzuzusetzen haben?

SCHACHT: Ich erinnere mich nicht, ich weiß nicht, wie weit ich damals gegangen bin, aber ich glaube, ich habe die Verhandlungen ziemlich im einzelnen erzählt, so daß ich sie nicht zu wiederholen brauche.

DR. DIX: Nun ist George Messersmith, der schon so oft genannte damalige Generalkonsul der Vereinigten Staaten, in seinem Affidavit EC-451, US-Exhibit Nummer 626 – und die Anklage beruft sich auf dieses Affidavit – der Ansicht, daß das nationalsozialistische Regime nicht imstande gewesen wäre, sich an der Macht zu halten und seine Kriegsmaschine zu schmieden, wenn nicht Ihre Tätigkeit gewesen wäre. Und die Anklage macht am Schluß der Anklagebegründung diese These Messersmiths sich zu eigen. Ich bitte Sie deshalb, hierzu noch Stellung zu nehmen.

SCHACHT: Ich weiß nicht, ob diese völlig unsubstanzierte private Ansicht des Herrn Messersmith irgendeine Beweiskraft hat. Ich möchte trotzdem ein paar Ziffern dagegensetzen. Ich habe vorhin erwähnt, daß bis zum 31. März 1938 die Reichsbank 12 Milliarden gegeben hat; das sind also im ersten Etatsjahr ungefähr 21/4 Milliarden und in den nächsten drei Jahren rund 31/4 Milliarden im Jahr. In diesen Jahren – und Sie haben den Mitangeklagten Keitel bei seiner Vernehmung hier darnach gefragt, Herr Justizrat – hat Keitel angegeben, daß die Rüstungsausgaben betrugen:

Im Etatsjahr 1935/36 5 Milliarden,

im Etatsjahr 1936/37 7 Milliarden,

im folgenden Etatsjahr 9 Milliarden,

und hier hört nun die Reichsbankhilfe auf. Trotzdem ist im nächsten Jahr ohne jede Reichsbankhilfe der Ausgabestand der Rüstung auf 11 Milliarden gestiegen und im darauffolgenden Jahr auf 201/2 Milliarden.

Es scheint also, daß es auch ohne das Finanzgenie des Herrn Schacht gegangen ist, das Geld zu beschaffen. Auf welche Weise, das ist ja eine zweite Frage.

DR. DIX: Ich habe seinerzeit dem Zeugen Keitel diese Ziffern vorgehalten. Damals lag diese Urkunde, glaube ich, dem Gericht noch nicht vor. Sie liegt jetzt vor unter Exhibit Nummer 7. Es ist Seite 15 des deutschen Textes und Seite 21 des englischen Textes. Herr Keitel konnte selbstverständlich nur über die erste Spalte, nämlich über die Gesamtausgaben, Bekundungen machen. Die Aufstellung enthält aber auch noch eine zweite und dritte Spalte. Diese zweite und dritte Spalte sind Errechnungen von Schacht, nämlich Errechnungen dessen, was durch die Reichsbank und was ohne die Reichsbank aufgebracht worden ist.

Ich habe nicht die Absicht, das jetzt im einzelnen durchzugehen. Ich bitte, mir nur zu erlauben, Dr. Schacht zu fragen, ob die Ziffern der Spalten zwei und drei, die in der Urkunde sich befinden und vor ihm errechnet wurden, richtig errechnet wurden.

SCHACHT: Ich habe diese Ziffern in der Urkunde vor mir. Diese Ziffern sind absolut richtig. Sie ergeben, um es nochmals festzustellen, daß im ersten Jahr, nachdem die Reichsbank ihre Hilfe eingestellt hatte, nicht weniger als 51/4 Milliarden mehr ausgegeben wurden, ohne Reichsbankhilfe, das heißt 11 Milliarden im ganzen.

DR. DIX: Bisher haben Sie dem Tribunal bekundet, daß Sie gegen eine gefährliche übermäßige Aufrüstung gearbeitet haben indem Sie die Hand auf das Portemonnaie legten und kein Geld gaben. Haben Sie auch auf andere Weise gegen eine übermäßige Aufrüstung gearbeitet, zum Beispiel durch aufklärende Vorträge und Ähnliches?

SCHACHT: Ich habe wiederholt nicht nur vor Volkswirtschaftlern, Professoren insbesondere, gesprochen, sondern ich habe mehrfach auch gesprochen auf Einladung des Kriegsministers und der Vorsitzenden der Wehrakademie im Kreise höherer Offiziere. In all diesen Vorträgen habe ich ständig auf die finanziellen und wirtschaftlichen Grenzen hingewiesen, die einer deutschen Aufrüstung entgegenstanden und habe vor einer übermäßigen Aufrüstung gewarnt.

DR. DIX: Wann bekamen Sie nun den Eindruck, daß der Umfang der deutschen Aufrüstung ein übertriebener wurde?

SCHACHT: Das ist mit Datum sehr schwer festzustellen. Ich habe vom Jahre 1935 an dauernd versucht, das Rüstungstempo zu verlangsamen. Hitler hatte einmal gesagt, daß bis zum – ich hab es hier, einen Moment –, daß bis zum Frühjahr 1936 das Tempo der Aufrüstung eingehalten werden müßte. Ich habe mich daran möglichst gehalten, obwohl ich schon von der zweiten Hälfte 1935 anständig gebremst habe. Aber nach 1935 habe ich mir dann gesagt da der Führer selber erstens gesagt hat, bis zum Frühjahr 1931 dann ist das Tempo nicht mehr nötig. Es ergibt sich dies aus der Dokument 1301-PS, wo diese meine Ausführungen zitiert sind. Ich habe sie im sogenannten »Kleinen Ministerrat« mitgeteilt und, Herr Göring hat mir in dieser Sitzung noch widersprochen, aber ich halte natürlich das aufrecht, was ich damals gesagt habe.

Ich habe dann dauernd dem Kriegsminister in den Ohren gelegen, gleichfalls im Sinne einer Verlangsamung der Rüstung, allein schon im wirtschaftlichen Interesse, weil ich die Wirtschaft für das Exportgeschäft beschäftigt wissen wollte. Und ein Beleg dafür, wie sehr ich diesen Kriegsminister bedrängt habe, ist ja mein Schreiben vom 24. Dezember 1935; also am Ende – wie ich sah, daß diese vom Hitler gewünschte Periode zu Ende ging und ich schon immer am Bremsen war –, da habe ich ihm einen Brief geschrieben, der hier ebenfalls von der Anklagebehörde eingereicht worden ist als Dokument EC-293, in der englischen Zusammenstellung dieses Dokuments Seite 25. Ich bitte um die Erlaubnis, ganz kurz – meine Zitate sind alle sehr kurz – etwas hieraus verlesen zu dürfen. Ich schrieb einen Brief an den Reichskriegsminister, ich zitiere:

»Dem Schreiben«, nun kommen die Aktenzeichen, »vom 29. November entnehme ich, daß ein gesteigerter Wehrmachtsbedarf an Kupfer und Blei in Aussicht genommen ist, und zwar etwa auf das Doppelte des bisherigen Verbrauchs. Hierbei handelt es sich nur um den laufenden Bedarf, während die gleichfalls dringende Bevorratung in den Zahlen nicht enthalten ist. Sie erwarten von mir, daß ich für diesen Bedarf die nötigen Devisen beschaffe. Ich erwidere darauf ergebenst, daß ich hierzu unter den obwaltenden Verhältnissen keine Möglichkeit sehe.«

Also Blomberg verlangt, daß ich ihm Rohstoffe mit fremder Valuta anschaffe, und ich erkläre ihm ganz glatt, dazu sehe ich keine Möglichkeit. Es heißt dann weiter, und hier kommt der Satz von der Begrenzung bis 1. April wieder. Ich zitiere:

»In allen bisherigen Besprechungen mit dem Führer und Reichskanzler, sowie mit den leitenden militärischen Stellen, habe ich meiner Überzeugung Ausdruck gegeben, daß es möglich sein werde, für das bisherige Rüstungsausmaß bis zum 1. April 1936 devisenmäßig und rohstoffmäßig Sorge tragen zu können. Trotzdem mir dieses Programm durch unsere in der ganzen Welt auf Ablehnung stoßende Kulturpolitik, sowie durch unsere Agrarpolitik ganz außerordentlich erschwert worden ist und weiter erschwert bleibt, hoffe ich immer noch, meine ursprüngliche Inaussichtnahme verwirklichen zu können«,...

das heißt, daß ich dieses vorgesehene Programm bis zum 1. April glaubte einhalten zu können, aber darüber hinaus nicht mehr.

DR. DIX: Es ist bekannt, daß der Verkehrsminister Dorpmüller eine Eisenbahnanleihe aufnehmen wollte. Wie haben Sie sich als Reichsbankpräsident gegenüber diesen Anleihewünschen von Dorpmüller verhalten?

SCHACHT: In einer Besprechung, die zwischen dem Führer, Dorpmüller und mir stattgefunden hat und in der der Führer lebhaft das Ersuchen Dorpmüllers befürwortete, habe ich diese Anleihe glatt abgelehnt, und er hat sie auch nicht bekommen.

DR. DIX: Es ist hier erörtert worden die Sitzung des sogenannten »Kleinen Ministerrates« unter Görings Vorsitz vom 27. Mai 1936. Anklagevertreter haben die Meinung vertreten, daß sich aus dieser Sitzung die Absicht eines Angriffskrieges ergäbe. Haben Sie von dieser Sitzung irgendwelche Kenntnis gehabt?

SCHACHT: Welches Datum war das?

DR. DIX: 27. Mai 1936.

SCHACHT: Nein, ich bin da bei der Sitzung dabeigewesen, und ich finde in dem ganzen Dokument nichts, was auf einen Angriffskrieg hindeutet. Ich habe das Dokument sehr genau nachgeprüft.

DR. DIX: Es ist des weiteren hier eingeführt worden zu Ihrer Belastung ein Bericht des Botschafters Bullitt, L-151, Exhibit US-70 vom 23. November 1937. Sie haben gehört, daß die Anklage auch aus diesem Bericht Schlußfolgerungen auf Angriffsabsichten Hitlers zieht. Wollen Sie sich bitte hierzu äußern?

SCHACHT: Ich finde in dem ganzen Bericht keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß Hitler einen Angriffskrieg eröffnen will. Ich habe lediglich hier gesprochen von der Absicht Hitlers, möglichst einen Anschluß Österreichs herbeizuführen und möglichst den Sudetendeutschen die Autonomie zu verschaffen. Das sind beides keinerlei Angriffskriege. Im übrigen sagt Herr Bullitt von mir in seinem Bericht über diese Unterhaltung:

»Schacht then went on to speak of the absolute necessity for doing something to produce peace in Europe...«

(Schacht sprach »weiterhin von der unbedingten Notwendigkeit, etwas zu tun, um in Europa Frieden zu schaffen...«)

DR. DIX: Dieses Memorandum über diese Unterhaltung ist auch in meinem Dokumentenbuch, nämlich Exhibit Nummer 22, Seite 64 des englischen Textes und 57 des deutschen Textes.

Wir müssen uns jetzt über Ihre angebliche Mitwisserschaft von Hitlers Kriegsabsichten des näheren unterhalten. Zunächst ganz allgemein: Hat Hitler jemals zu Ihrer Kenntnis...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich fragte Herrn Dr. Dix, ob er etwas dagegen hätte, wenn mir der Gerichtshof gestatten würde – er geht jetzt ja auf einen neuen Punkt über –, die Frage der Dokumente Raeders zu behandeln. Ich hatte eine Besprechung mit Herrn Dr. Siemers. Es gibt noch einige offene Fragen, und wir wären dankbar, wenn uns der Gerichtshof nach Möglichkeit heute nachmittag anhören würde, weil die Übersetzungsabteilung auf die Dokumente Raeders wartet, um mit der Übersetzung weiterzukommen.

VORSITZENDER: Wie lange, glauben Sie, wird das dauern, Sir David?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nicht mehr als eine halbe Stunde, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Wenn die Übersetzungsabteilung darauf wartet, tun wir das vielleicht gleich um 2.00 Uhr.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wie Euer Lordschaft wünscht.

VORSITZENDER: Wenn es nur eine halbe Stunde in Anspruch nimmt. Es ist nicht wahrscheinlich, daß es länger dauert, wie ich glaube.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube nicht, daß es länger dauern wird.

VORSITZENDER: Wir wollen dies um 2.00 Uhr tun und vertagen uns nunmehr.