[Kurze Beratung zwischen Sir David und einem Mitarbeiter.]
Mylord! Verzeihen Sie, ich war zu schnell. Wir haben die Auszüge im Deutschen gesehen, aber wir ließen sie nicht übersetzen. Aber wir haben unser Bestes mit den deutschen Auszügen getan.
VORSITZENDER: 24 und 25 sind jedenfalls Reden in englischer Sprache.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Mylord, einige davon sind es. Verzeihung, Mylord, diese sind es. Euer Lordschaft hat ganz recht.
VORSITZENDER: Sir David! Soweit ich verstehe, sagt Dr. Siemers, daß dies nicht dieselben Stellen des Beweismaterials oder des vorgeschlagenen Beweismaterials sind, die im Falle Ribbentrop abgelehnt wurden.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mylord! Ich habe die Nachprüfung nicht selbst vorgenommen, aber Major Barrington, der die Ribbentrop-Dokumente prüfte, hat diese Auszüge durchgesehen und die beiden verglichen. Er hat mir das Material gegeben, auf dem unsere Aufzeichnung beruht. Das ist die Lage. Ich kann natürlich Euer Lordschaft nicht sagen, daß ich sie selbst nachgeprüft habe.
VORSITZENDER: Sagt uns Dr. Siemers, daß das unwahr ist?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Soweit ich Dr. Siemers verstand, sagte er, er wüßte nicht, ob es dieselben Auszüge seien...
DR. SIEMERS: Darf ich dazu bitte etwas sagen? Ich weiß es nur nicht genau, so daß ich jetzt bei jedem einzelnen Dokument sagen kann, welche Teile nun schon bei Ribbentrop enthalten sind. Daß sie nicht übereinstimmen, das weiß ich genau. Ich weiß genau, daß sie nicht übereinstimmen, und zwar deshalb, weil ich zur Erleichterung der Übersetzungsabteilung die Nummern verglichen habe, und in den wenigen Fällen, in denen eine Übereinstimmung vorliegt, der Übersetzungsabteilung gesagt habe, diese Dokumente sind gleich, damit sie nicht doppelt übersetzt werden. Aber leider war ein großer Teil der Urkunden nicht gleich, sondern bei Dr. Horn und Ribbentrop unvollständig aus diesem anderen Gesichtspunkt heraus.
Ich darf noch darauf hinweisen, daß die Nummern unter der Gruppe »D«, die hier angeführt sind, als Ribbentrop-Dokumente Nummer 29, 51, 56, 57, 60, 61, 62 trotz meines eifrigen Bemühens von mir im Dokumentenbuch Ribbentrop nicht gefunden werden konnten. Es ist auch nicht in der Liste angegeben, welche Nummern im Ribbentrop-Dokumentenbuch diese sein sollten.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mylord! Das wird nicht behauptet. Gesagt wird, sie gehörten zu der Serie, die denselben Gegenstand behandelt, nämlich die Frage Griechenlands und des Balkans. Diese Dokumente sind im Falle Ribbentrop vom Gerichtshof abgelehnt worden.
VORSITZENDER: Dr. Siemers! Ich glaube, es wäre das beste, wenn Sie nachmittags noch einmal diese Dokumente unter »C« durchgehen und nachsehen würden, ob diese schon im Falle Ribbentrop abgelehnt wurden. Wenn das nicht der Fall ist, dann geben Sie bitte genau an, in welcher Weise sie sich von den im Falle Ribbentrop zurückgewiesenen Dokumenten unterscheiden, um zu zeigen, daß sie in Ihrem Falle erheblich sind; wir erwarten, dies bis 5.00 Uhr zu haben.
Wollen Sie nun mit dem Rest fortfahren?
DR. SIEMERS: Ich darf nur eben noch ein Wort sagen zu dem, was Herr David zur Gruppe »D« sagte. Da ist kein Einspruch erhoben, weil sie bei Ribbentrop schon vorkamen, sondern nur, weil sie denselben Gegenstand betreffen; das ist richtig. Sie betreffen dasselbe Gebiet, nämlich Griechenland, und ich kann nicht mehr sagen, als daß die Anklage in C-152 dem Angeklagten Raeder vorgeworfen hat, er hätte darauf hingewirkt und erreicht, daß ganz Griechenland besetzt werden sollte. Die Zusammenhänge über diese drei Zeilen lange Notiz kann ich nur bringen, wenn ich irgendwelche Dokumente über Griechenland bringen darf, und die mir nicht deshalb abgelehnt werden, weil ganz generell bei Ribbentrop Griechenland-Dokumente abgelehnt sind.
Ich komme dann zu Gruppe »E«, die mit 26 beginnt. Hier gilt das gleiche, was ich zuvor schon zu den Dokumenten 101 bis 107 ausgeführt habe. Die von den Alliierten geplanten Angriffe auf die Ölgebiete im neutralen Rumänien und im neutralen Kaukasus sind überdies, was ich nur in Parenthese vermerken möchte, schon Gegenstand dieses Verfahrens gewesen. Das Hohe Gericht wird sich erinnern, daß ich über Eintragungen aus dem Tagebuch Jodls hierüber bereits Göring beim Verhör gefragt habe und er bereite über die Nachrichten, die Deutschland erhielt, im Sitzungsprotokoll vom 18. März (Band IX, Seite 448-450) Auskunft gegeben hat. Auch hier wieder betrifft diese Äußerung nur die subjektive Seite, das, was Deutschland wußte. Ich muß beweisen, daß die objektive Seite, daß das tatsächlich geplant war, dieser subjektiven Seite, also den Nachrichten, genau entspricht. Dafür sind diese Dokumente. Das betrifft die Dokumente 26, 30 bis 32, 36, 37, 39, 40 bis 44. Es ist dann die Nummer 99 genannt, die schon vorher behandelt war, die hier doppelt steht. 101 und 110 sind ebenfalls doppelt.
Ich komme dann zur sechsten Gruppe, die irrelevant sein soll bezüglich des Angriffes gegen Norwegen. Hierüber habe ich bereits grundsätzlich gesprochen. Ich bitte das Hohe Gericht, mir diese Dokumente unter gar keinen Umständen zu verweigern. Denn wenn mir diese Dokumente verweigert werden, bin ich einfach nicht in der Lage, in einer vernünftigen Form, ohne nur alles selbst zu erzählen, einen Beweis zu führen. Ich kann einen Beweis über eine so wichtige Frage nur führen, wenn mir ebenso wie der Anklage Dokumente gelassen werden. Wenn mir aber alle Dokumente, praktisch alle Dokumente, gestrichen werden, die diesen Komplex betreffen, dann weiß ich nicht, wie ich einen solchen Komplex behandeln soll; und ich glaube, daß das Hohe Gericht mir darin behilflich sein wird.
Ich erbitte dies ganz besonders auch aus folgendem Grund: Ich habe, als ich die Beweisanträge an dieser Stelle begründete, den Antrag gestellt, die Akten der Britischen Admiralität heranzuziehen, welche die Planungen und Vorbereitungen in Skandinavien, also in Norwegen, betrafen.
Sir David hat keinen Einspruch seinerzeit erhoben, sondern gesagt, er müsse sich an die Britische Admiralität wenden. Das Gericht hat meinem Antrage gemäß entschieden, meinen Antrag genehmigt. Inzwischen hat die Britische Admiralität geantwortet; ich nehme an, daß Sir David einverstanden ist, wenn ich die Antwort, die mir zur Verfügung gestellt wurde, vorlese. Sie lautet: Es betraf also, wenn ich das nur noch vorweg erwähnen darf...
VORSITZENDER: Wir haben die Antwort erhalten, denke ich, nicht wahr? Wir bekamen die Antwort und übermittelten sie Ihnen.
DR. SIEMERS: Danke vielmals. Aus dieser Antwort ergibt sich, daß die Akten nicht vorgelegt werden, ich also mit der Genehmigung nicht weiterkomme. Es ergibt sich weiter daraus, daß bestimmte Tatbestände, die für meine Beweisführung wichtig sein werden, von der Britischen Admiralität zugegeben werden, aber formal habe ich nicht die Möglichkeit, mit Urkunden etwas zu beweisen. Da ich diesen Beweis nicht führen kann, bitte ich doch daher, zum mindesten die anderen Beweismöglichkeiten zu lassen, nämlich die Urkunden aus den deutschen Weißbüchern. Es sind anerkannt korrekte Urkunden. Es sind in sämtlichen Fällen Faksimiles. Man kann sie genau überprüfen, und ich glaube, daß...
VORSITZENDER: Dr. Siemers! Wir behandeln Ihren Antrag auf bestimmte Dokumente. Wir beschäftigen uns nicht mit allgemeinen Erwägungen oder einer allgemeinen Kritik, die Sie zu üben haben. Wir wollen nur Ihre Antwort auf gewisse Einsprüche der Britischen Anklagevertretung anhören.
DR. SIEMERS: Euer Lordschaft! Wenn ich mich nicht sehr irre – ich bitte, mich zu berichtigen – hat Sir David zu diesen Dokumenten unter »P« – das ist eine ganze Anzahl, 59 bis 91 mit einigen Auslassungen – auch insgesamt Stellung genommen und nicht zu jeder einzelnen Urkunde. Ich muß aber praktisch zu jeder Urkunde das gleiche sagen und habe nur gebeten, mir diese Urkunden insgesamt zuzulassen, da ich ohne die Urkunden nicht weiterkomme. Meine Ausführungen betreffen...
VORSITZENDER: Sie haben nicht auf diese Dokumente verwiesen. Sie haben auf die Tatsache verwiesen, daß die Britische Admiralität nicht bereit war, Ihnen ihre Akten zu öffnen. Es hat überhaupt nichts mit diesen Dokumenten zu tun.
DR. SIEMERS: Ich glaube, Hohes Gericht, ich bin mißverstanden worden. Ich habe vorher ganz klar ausgeführt, warum ich die Dokumente für meine Beweisführung hinsichtlich der Norwegen-Aktion benötige.
Ich habe nur darüber hinaus gesagt, wenn ich diese Dokumente nicht bekomme, kann ich keinen Beweis führen; dann ist er mir abgeschnitten. Ich habe nur das Gericht gebeten, zu berücksichtigen, daß ich die Dokumente aus London, die ursprünglich vorgesehen waren, nicht habe. Und ich weiß nicht, warum mir diese Bitte, die ich dem Gericht nur zur Begründung meiner vorherigen Ausführungen unterbreite, verübelt wird.
VORSITZENDER: Ist das alles, was Sie zu sagen haben?
DR. SIEMERS: Ich bin damit zu Ende, meine Herren. Ich beabsichtige keineswegs, sämtliche Dokumente vorzulesen oder übertrieben lang aufzuhalten. Ich glaube gerade, daß, wenn mir die Dokumente genehmigt werden, die Beweisführung sehr viel einfacher ist, weil es Gruppen sind, die eine zeitliche Entwicklung von bestimmten Planungen ergeben, und wenn ich das fünfte, sechste oder siebente Dokument habe, dann brauche ich nicht jedes vorzulesen. Wenn mir aber nur eines genehmigt wird, komme ich in eine außerordentlich schwierige Lage und muß umständlicher sprechen, als wenn ich mich einfach auf diese Dokumente beziehen kann.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird darüber beraten.
Nun Herr Dr. Dix, bitte.
DR. DIX: [zum Zeugen Hjalmar Schacht gewandt] Wir kommen jetzt ganz generell zu der Frage Ihrer angeblichen Mitwisserschaft an den unmittelbaren Kriegsabsichten Hitlers Sie berührten schon am Rande, daß Hitler Ihnen gegenüber niemals von Krieg gesprochen hat. Haben Sie dem noch etwas hinzuzufügen?
SCHACHT: Nein.
DR. DIX: Sie haben auch am Rande schon die Frage der Aufrichtigkeit seiner Friedensversicherung und Abrüstungsvorschläge berührt. Ist dem etwas Neues hinzuzufügen?
SCHACHT: Nein, ich habe anfangs an diese geglaubt.
DR. DIX: Wie steht es mit den einzelnen Mitgliedern des Kabinetts, haben die einzelnen Herren des Kabinetts jemals zu Ihnen über Kriegsabsichten gesprochen?
SCHACHT: Ich habe niemals von irgendeinem meiner Ministerkollegen im Reichskabinett etwas gehört, das darauf hindeutete, daß irgend jemand die Absicht habe oder es begrüßen würde, wenn Deutschland einen Krieg anfinge.
DR. DIX: Wir kommen nun zu Ihrer eigenen Einstellung zum Kriege. Auch zu der haben Sie schon generell Stellung genommen, als Sie über Ihre weltanschauliche Einstellung als Pazifist sprachen. Ich glaube, es ist deshalb sachdienlicher, wenn ich hier aus meinem Dokumentenbuch kurz verlese die Stimme eines Dritten, der Sie sehr gut kennt: das ist das frühere Mitglied des Reichsbankdirektoriums, Hülse. Es ist im Dokumentenbuch Schacht-37-C, Seitenzahl des deutschen Exemplars 160, des englischen Exemplars 168, ein Affidavit. Er sagt dort ab Absatz 2:
»Ich erinnere mich an mehrere gelegentliche, Krieg und Aufrüstung betreffende Unterhaltungen mit Dr. Schacht in den Jahren 1935 bis 1939. In diesen hat er stets seinem Abscheu gegen jeden Krieg und jedes kriegerische Gehabe Ausdruck gegeben. Er vertrat den entschiedenen Standpunkt, daß ein Krieg selbst dem Sieger nur Nachteile bringe und ein neuer europäischer Krieg ein Verbrechen an der Kultur und der Menschheit überhaupt sei. Er hoffe für Deutschland auf eine lange Friedenszeit, die es mehr als andere Länder brauche, um seine labile wirtschaftliche Lage zu bessern und zu festigen.
In den Sitzungen des Reichsbankdirektoriums und bei privaten Unterhaltungen hat Dr. Schacht meines Wissens bis Anfang 1938 nur immer bei dem Thema Rüstung von Verteidigungsmaßnahmen gesprochen. Ich glaube, mich erinnern zu können, daß er etwa Mitte des Jahres 1938 zu mir gesagt hat, daß die herausfordernden Schritte Hitlers gegen Österreich und das Sudetenland vom militärischen Standpunkt mehr als leichtsinnig gewesen wären.
Deutschland habe doch nur eine Defensivrüstung vorgenommen, die zu einer Verteidigung gegen den Angriff einer Großmacht, mit dem Hitler hätte rechnen müssen, völlig unzulänglich wäre. Er hätte noch niemals gehört, daß die Wehrmacht etwa für einen Angriffskrieg in irgendeiner Weise geeignet und gerüstet sei.
Als der Krieg ausbrach und immer weiter ausgedehnt wurde, hat er öfters ausgesprochen, daß er sich in seiner Beurteilung der Persönlichkeit Hitlers gründlich getäuscht habe. Er hatte lange gehofft, daß sich Hitler zu einem wirklichen Staatsmann entwickeln würde, der nach den Erfahrungen des Weltkrieges jeden Krieg vermeiden würde.«
Sie haben sich am Rande schon mit der Frage eines Anschlusses von Österreich grundsätzlich geäußert. Ich bitte Sie nun, sich jetzt konkret zu äußern zu dem wirklich stattgehabten Anschluß und insbesondere zu den Formen, in denen sich dieser Anschluß vollzog.
SCHACHT: Daß einmal dieser Anschluß kommen würde, darüber waren wir Deutschen uns alle klar und über die verschiedenen politischen Verhandlungen, die zwischen Hitler, Schuschnigg und so weiter hin und her gegangen sind, bin ich natürlich ebensowenig informiert worden, wie die anderen Minister des Kabinetts, mit Ausnahme wahrscheinlich von Göring und Ribbentrop und diesem und jenem noch. Der effektive Anschluß im März war eine völlige Überraschung für uns, nicht die Tatsache, sondern das Datum; eine große Überraschung, und wir waren über diese Dinge – jedenfalls meine Bekannten und ich selbst – völlig überrascht.
DR. DIX: Und wie beurteilten Sie die Form, die Art und die Gestaltung dieses Anschlusses?
SCHACHT: Ich glaube, daß über die Form manches zu sagen ist. Das was wir hier nachträglich gehört haben und was ich zum Teil hier in den Verhandlungen erfahren habe, ist durchaus nicht sehr erfreulich, aber ich glaube, daß es auf die Tatsache des Anschlusses und auf den Gang der Ereignisse selbst wenig praktischen Einfluß gehabt hat. Das Ganze war mehr eine Demonstration nach außen hin, so ähnlich etwa wie der Einmarsch in das Rheinland, aber er hat auf den Gang der Verhandlungen selbst meines Erachtens keine große Wirkung gehabt. Ich spreche jetzt von dem Einmarsch der Truppen. Dieser Einmarsch war ja mehr ein festlicher Empfang.
DR. DIX: Die Anklagevertretung hat darauf hingewiesen, daß Sie im März 1938 das Verhältnis von Schilling zu Mark für den Fall eines eventuellen Anschlusses festgesetzt hätten, und will offenbar mit diesem Hinweis beweisen, daß Sie von dieser Aktion vorher unterrichtet gewesen sind. Wollen Sie hierzu Stellung nehmen?
SCHACHT: Diese Tatsache, auf die sich die Anklage beruft, ist eine Mitteilung eines Oberstleutnants Wiedemann. Am 11. nachmittags 3.00 Uhr, ich glaube mich zu erinnern-ich weiß nicht, ob es telephonisch oder persönlich gewesen ist –, daß irgendeiner, es kann Herr Oberstleutnant Wiedemann gewesen sein, sich bei mir erkundigt hat, für den Fall, daß nun deutsche Truppen in Österreich einmarschieren würden, möchte er wissen, wie die Einkaufsmöglichkeiten der Truppen in Österreich geregelt werden sollten, rein währungspolitisch, ob irgendeine Vorschrift nötig sei. Ich habe daraufhin geantwortet, selbstverständlich müsse alles bezahlt werden, was etwa diese Truppen dort einkaufen, und das Verhältnis, wenn sie nicht in Schilling, sondern in Mark zahlen, ist, daß sie eine Mark mit zwei Schilling bewerten. Das war der ursprüngliche Kurs der damaligen Zeit, der ziemlich unverändert war, und zwar das effektive Verhältnis zwischen Schilling und Mark.
Daß ich am 11. mittags hierauf hin angesprochen wurde, beweist ja am allerbesten, daß ich vorher von diesen Dingen eben nichts gewußt habe.
DR. DIX: Die Anklage wertet es weiter für Sie belastend, daß Sie in Ihrer Ansprache nach dem Einmarsch vor der österreichischen Nationalbank eine ausgesprochen nationalsozialistische Phraseologie gebraucht hätten, mit der Sie diesen Anschluß begrüßt hätten.
Vielleicht benutzen wir diese Gelegenheit, um abzukürzen, um zu dem sehr wiederholt hier vorgetragenen Vorwurf der Anklage Stellung zu nehmen, daß Sie überhaupt in Ihren Reden, Eingaben und so fort zum Teil einen Ton gewählt haben, von dem man vielleicht sagen könnte, daß er von nationalsozialistischer Phraseologie trieft. Das wurde indiziell gegen Sie gewürdigt. Wollen Sie zu dieser Argumentation Stellung nehmen und Ihre diesbezügliche Haltung begründen?
SCHACHT: Wenn ich das in den ersten Jahren getan habe, so habe ich es getan, um immer wieder die Parteikreise und die Bevölkerung auf das ursprüngliche Programm der Nationalsozialistischen Partei hinzuweisen, zu dem das effektive und praktische Verhalten der Parteigrößen und Parteifunktionäre in einem krassen Gegensatz stand. Ich habe mich immer bemüht nachzuweisen, daß die Grundgedanken, die ich in vielen politischen Dingen vertrat, sich durchaus deckten mit den Grundgedanken des nationalsozialistischen Programms, so wie es in dem Wortlaut des Programms ausgedrückt war, das heißt also, gleiches Recht für alle, Bewertung der Persönlichkeit, Wertschätzung der Kirche und alle diese Dinge.
In den späteren Jahren habe ich auch wiederholt eine nationalsozialistische Phraseologie gebraucht, weil von meiner Königsberger Rede an der Gegensatz zwischen meiner Auffassung und der Auffassung Hitlers auf der Parteiseite völlig klar wurde, und ich allmählich bei der Partei in den Ruf eines Parteifeindes kam, das heißt eines Mannes, der gegensätzlicher Ansicht war als die Partei. Von diesem Augenblick an war nicht nur die Möglichkeit meiner Mitarbeit, sondern überhaupt die Möglichkeit meiner Existenz gefährdet; ich habe in solchen Augenblicken, wo ich die Bedrohung durch die Partei auf mein Wirken und auf mein Leben, das heißt auf meine Freiheit und auf mein Leben besonders imminent sah, – so habe ich diese Momente benutzt, um durch eine betont nationalsozialistische Phraseologie darzutun, daß ich mich durchaus im Rahmen der hergebrachten Politik bewegte und daß mein Vorgehen mit der Politik in Einklang zu bringen sei, um mich vor diesen Angriffen zu schützen.
DR. DIX: Sie haben also, um an die Aussagen des Zeugen Gisevius über ein Wort von Goerdeler zu erinnern, in diesem Falle Talleyrandsche Methoden angewendet?
SCHACHT: Ich bin nicht ganz vertraut mit den Talleyrandschen Methoden, aber ich habe mich jedenfalls getarnt.
DR. DIX: Darf ich in diesem Zusammenhang wieder eine Stelle aus dem Affidavit Schniewinds, das schon öfter zitiert wurde, Exhibit Nummer 34 kurz verlesen. Ich habe schon oft die Seitenzahl angegeben. Es ist hier die deutsche Seitenzahl 118, 126 des englischen Textes. Schniewind sagt dort:
»Wenn Schacht auf der anderen Seite gelegentlich mündliche und schriftliche Äußerungen getan hat, die auf eine weitergehende Identifizierung mit dem Hitler- Regime schließen lassen könnten, so waren uns diese Äußerungen selbstverständlich bekannt, aber wie Schacht in Wirklichkeit dachte, wußte fast jeder Beamte in der Reichsbank und im Reichswirtschaftsministerium, vor allem natürlich seine engsten Mitarbeiter. Mehrfach haben wir Herrn Dr. Schacht gefragt, ob er in diesen Äußerungen nicht zu weit gegangen sei; er hat immer geantwortet, daß er von der Partei und der SS so stark beschossen werde, daß er sich nur mit faustdicken Erklärungen tarnen könne.«
Ich darf noch erläutern und bemerken, Schniewind war hoher Beamter des Reichswirtschaftsministeriums, hatte also unmittelbar unter Schacht mit ihm zusammengearbeitet.