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[Zum Zeugen gewandt:]

Wie stand es nun mit der Rüstung? Wessen Willen war denn nun für den Umfang der Rüstung speziell ausschlaggebend oder maßgebend?

SCHACHT: Dafür habe ich keinerlei Anhaltspunkte. Aber ich zweifle nicht, daß auch hier der alleinige Wille Hitlers ausschlaggebend und maßgebend war.

DR. DIX: Sie hatten also gar keinen anderen Einfluß als denjenigen des kreditgebenden Geldgebers?

SCHACHT: Innerhalb meines Ressorts, soweit ich diese Ressorts verwaltet habe, habe ich nichts getan, was ich nicht selbst auch verantwortet hätte.

DR. DIX: Haben Sie repräsentativen Ausländern gegenüber auf Ihre Einflußlosigkeit auf Hitler hingewiesen?

SCHACHT: Ich erinnere Sie in diesem Zusammenhang an eine Unterhaltung mit dem Botschafter Bullitt im November 1937. Diese Unterhaltung mit Ambassador Bullitt ist ja schon im anderen Zusammenhang früher berührt worden, und das Memorandum des Ambassadors Bullitt liegt ja in seinem Wortlaut als Beweisstück der Anklage dem Gericht vor. Ich verweise aus seinem Inhalt lediglich auf den Satz, der sich auf mich bezieht. Ich zitiere:

»Er« – das heißt Schacht – »leitete seine Äußerungen mit den Worten ein, daß er heute selbst ›gänzlich ohne Einflüsse auf den Mann‹ sei, nämlich Hitler. Er schien sich als politisch erledigt zu betrachten und wenig Respekt vor dem Mann zu haben.«

Das ist also gesagt im November 1937. Ich verweise aber, wenn ich noch bitten darf, das noch hinzufügen zu dürfen, darauf, daß über meine Stellung und meine ganze Tätigkeit innerhalb der Leitung der öffentlichen Geschicke Deutschlands meine ausländischen Freunde, wie ich vorhin schon einmal erwähnt habe, ständig unterrichtet worden sind. Es wird sich dieses bei späteren Gelegenheiten wohl noch an dem einen oder anderen Beispiel erweisen.

DR. DIX: Ich überreiche das heute früh als Exhibit Nummer 22, Seite 64 des englischen Textes.

[Zum Zeugen gewandt:]

Nur noch einige spezielle Fragen, was Ihr Ressort als Wirtschaftsminister angeht. Sie haben schon Bekundungen über die Beschaffung von ausländischen Rohstoffen gemacht, beziehungsweise entsprechende Stellen zitiert. Konnten diese nicht durch inländische Erzeugnisse nach Ihrer Auffassung ersetzt werden?

SCHACHT: Ein Teil solcher Rohstoffe konnte sicherlich durch inländische Erzeugnisse ersetzt werden. Wir haben ja in der Zwischenzeit gelernt, eine ganze Reihe neuer Werkstoffe, die wir früher nicht kannten,...

DR. DIX: Kurz machen.

SCHACHT:... auf synthetischem Wege zu produzieren. Aber ein großer Teil konnte auch nicht ersetzt werden, sondern konnte nur im Wege des Außenhandels beschafft werden.

DR. DIX: Wie standen Sie zur Frage der Autarkie?

SCHACHT: Zur Frage der Autarkie habe ich so gestanden, daß, wenn mit vernünftigen Kosten, also ohne übergroßen Aufwand, der ja nur eine Verschwendung deutschen Volksvermögens und deutscher Arbeitskraft bedeutet hätte, gewisse Ersatzstoffe in Deutschland produziert werden konnten, man dies ruhig tun solle, daß aber im übrigen die Aufrechterhaltung des Außenhandels aus wirtschaftlichen Gründen eine absolute Notwendigkeit sei: daß sie aber noch mehr eine Notwendigkeit sei aus Gründen des internationalen kulturellen Verkehrs und des Zusammenlebens der Völker. Eine Isolierung der Völker voneinander habe ich stets als ein großes Unglück angesehen und ich habe den Handel in erster Linie als eines der Mittel angesehen, um international zusammenzukommen.

DR. DIX: Wer war denn der Exponent des Autarkiegedankens innerhalb der Reichsregierung?

SCHACHT: Soweit mir bekannt ist, ist der ganze Gedankengang der Autarkie, der sich ja im Vierjahresplan dann nach außen hin herausgestellt hat, immer nur von Hitler gewesen, und nach der Beauftragung der Leitung des Vierjahresplans an Göring hat dann auch Göring selbstverständlich diese Linie vertreten.

DR. DIX: Haben Sie Ihre gegenteiligen Ansichten Göring und Hitler gegenüber zum Ausdruck gebracht?

SCHACHT: Ich glaube, es ergibt sich aus dem Protokoll, daß ich das bei jeder Gelegenheit getan habe.

DR. DIX: Eine Frage nebenbei. Sie werden sich erinnern, daß Göring ausgerufen hat:

»So möchte ich fragen, wo die Neinsager sind.«

Nun möchte ich Sie fragen: Nehmen Sie diesen Ehrentitel des Neinsagers für sich in Anspruch? Ich erinnere insbesondere an Ihren Brief vom November 1942.

SCHACHT: Ich habe in jedem Augenblick, wo ich nicht mehr in die Lage kam, etwas zu tun, was meiner inneren Überzeugung entsprach, nein gesagt. Ich habe mich mit den vielfachen Mißbräuchen der Partei gegenüber oder die von der Partei ausgingen, nicht mit Stillschweigen begnügt, sondern in jedem Falle mich gegen diese Mißbräuche geäußert, persönlich, privat und dienstlich und öffentlich. Ich habe gegen alle diese Dinge nein gesagt. Ich habe die Kredite gesperrt, ich habe mich einer übermäßigen Aufrüstung widersetzt. Ich habe gegen den Krieg mich ausgesprochen und Schritte zur Verhinderung des Krieges unternommen. Ich wüßte nicht, wem dieser Ehrentitel des Neinsagers sonst noch zukäme, wenn nicht mir.

DR. DIX: Hatten Sie nicht Hitler auch den Treueid geleistet?

SCHACHT: Ich habe deinen Treueid auf einen gewissen Herrn Hitler geleistet. Ich habe einen Treueid geleistet auf Adolf Hitler als Staatsoberhaupt des deutschen Volkes, und genau so, wie ich einen Treueid nicht dem Kaiser geleistet habe und nicht Herrn Präsidenten Ebert oder Herrn Präsidenten Hindenburg geleistet habe, außer in ihrer Eigenschaft als Staatsoberhaupt, so habe ich auch Adolf Hitler keinen anderen Eid geleistet; der Eid den ich dem deutschen Staatsoberhaupt geleistet habe, gilt nicht der Person dieses Staatsoberhauptes, sondern gilt demjenigen, was er repräsentiert, dem deutschen Volk. Ich darf vielleicht in diesem Zusammenhang noch einiges hinzufügen, ich halte einem Meineidigen niemals einen Treueid, und Hitler hat sich als ein hundertfältiger Meineidiger erwiesen.

DR. DIX: Göring bekundete ja nun sehr eingehend über den Vierjahresplan, seinen Ursprung, seine Vorbereitung, seine sachliche Gegensätzlichkeit zu Ihnen, was Sie für Konsequenzen aus dieser Gegensätzlichkeit gezogen haben. Wir wollen es deshalb kurz machen, nur Neues sagen, wenn Sie etwas zu sagen haben. Haben Sie diesen Göringschen Ausführungen irgend etwas hinzuzufügen oder weichen Sie ab in Ihren Erinnerungen oder Ansichten?

SCHACHT: Ich habe aus der Göringschen Darstellung entnommen, daß er die Verhältnisse durchaus richtig geschildert hat und habe meinerseits nichts mehr hinzuzufügen, wenn Sie nicht noch etwas Besonderes haben wollen.

DR. DIX: Wann erkannte denn nun Hitler nach Ihrer Erfahrung und nach Ihrem Eindruck, daß Sie ein Hindernis für eine schnelle und umfangreiche Aufrüstung waren? Und erkannte er Ihre wirtschaftlichen Gründe an, gab er sich also mit Ihrer Politik zufrieden oder nicht?

SCHACHT: Ich habe damals im Jahre 1936, als der Vierjahresplan im September eingeführt wurde, nicht erkennen können, welche innere Einstellung Hitler zu mir hatte in diesen wirtschaftspolitischen Fragen.

Ich bemerke, daß sein allgemeines Mißtrauen gegen mich seit der Königsberger Rede im August 1935 feststand. Aber wie er zu meiner wirtschaftspolitischen Tätigkeit stand, habe ich im Jahre 1936 noch nicht genau übersehen können Daraus, daß ich an den Vorarbeiten des Vierjahresplans überhaupt nicht beteiligt gewesen bin, sondern ihn als eine Überraschung in der Parteitagung erfuhr, ferner daraus, daß, mir völlig unerwartet, zum Leiter des Vierjahresplans plötzlich Hermann Göring ernannt wurde und nicht der Wirtschaftsminister, was ich erst auf dem Parteitag im September 1936 erfuhr: aus diesen Tatsachen entnahm ich natürlich, daß Hitler mir in wirtschaftspolitischer Beziehung hinsichtlich der ganzen Rüstung nicht das Vertrauen entgegenbrachte, was er fordern zu müssen glaubte. Es ist mir aber nachträglich hier im Gefängnis durch den Mitangeklagten Speer eine Denkschrift gezeigt worden, die der Angeklagte Speer bei Übernahme seines Ministerpostens von Hitler erhalten hat und die sich merkwürdigerweise mit dem Vierjahresplan und mit meiner Tätigkeit sehr ausführlich befaßt und aus dem August 1936 stammt. Im August 1936 hat also Hitler eigenhändig diese Denkschrift diktiert, die ich jetzt in der Gefangenschaft von dem Mitangeklagten Minister Speer gezeigt bekommen habe, und ich nehme an, daß, wenn ich hieraus eine Reihe von kurzen Zitaten, die ich vorlesen werde, wenn Sie gestatten...

DR. DIX: Darf ich das Gericht noch aufklären. Diese Denkschrift haben wir in der Originalkopie vor etwa drei Wochen liebenswürdigerweise durch die Vermittlung der Prosecution von dem Lagerkommandanten in »Dustbin« bekommen. Wir haben sie dann zur Übersetzung gegeben, um sie jetzt vorlegen zu können. Die Übersetzung ist nicht fertig geworden. Ich werde diese gesamte Schrift dann in einer neuen Exhibitnummer nachholen.

VORSITZENDER: Ist diesbezüglich schon ein Antrag gestellt worden?

DR. DIX: Es ist kein Antrag gestellt worden bisher, ich wollte..

VORSITZENDER: Was ist das für ein Memorandum? Wer hat es entworfen?

DR. DIX: Um Hitlers Memorandum vom Jahre 1936, von dem drei Kopien existieren, von denen eine sich in dem Lager »Dustbin« befand. Diese Kopie ist vor 14 Tagen oder vor 3 Wochen hier eingelangt, nachdem wir uns über unsere Dokumentenbücher mit der Prosecution auseinandergesetzt und hier diskutiert hatten: ich wollte dann diese Hitler-Denkschrift heute vorlegen in der Übersetzung. Gleichzeitig darf ich bitten, dies als Beweismittel zuzulassen, bin hierzu aber nicht in der Lage, weil die Übersetzung nicht fertig ist. Es wurde sogar meinem Herrn Kollegen, Professor Kraus gesagt, sie wäre verlegt worden.

VORSITZENDER: Dr. Dix! Lassen Sie den Angeklagten fortfahren, und Sie können das Dokument als Beweismittel und eine Übersetzung später vorlegen.

DR. DIX: Sehr gut. Der Angeklagte hat eine Abschrift davon und wird die wichtigen, sehr kurzen Stellen dem Gericht verlesen.

SCHACHT: Ich zitiere ganz kurze Stellen. In dieser Denkschrift sagt Hitler unter anderem. Ich zitiere wörtlich:

»Es ist vor allem nicht die Aufgabe staatlich-wirtschaftlicher Einrichtungen, sich den Kopf über Produktionsmethoden zu zerbrechen. Dies geht das Wirtschaftsministerium gar nichts an.«

Das Wirtschaftsministerium stand unter meiner Leitung, es ist also ein Vorwurf gegen mich.

Ein weiteres Zitat:

»Es ist weiter notwendig, die deutsche Eisenproduktion auf das außerordentlichste zu steigern. Der Einwand, daß wir nicht in der Lage seien, aus dem deutschen Eisenerz mit 26 Prozent Gehalt ein ähnliches billiges Roheisen zu erzeugen wie aus den 45prozentigen Schweden-Erzen und so weiter, ist belanglos... Der Einwand aber, daß in dem Fall die ganzen deutschen Hochöfen umgebaut werden müßten, ist ebenfalls unbeachtlich, und vor allem geht das das Wirtschaftsministerium nichts an.«

Ich hatte ausgeführt, wie aus dieser Sache hervorgeht, daß man aus 26prozentigem Erz nur mit doppelten oder dreifachen Kosten den Stahl erzeugen könnte, den man aus 45prozentigen Erzen erzeugen kann und habe ferner gesagt, daß man zur Verarbeitung 26prozentigen Erzes ganz andere Anlagen braucht als zur Verarbeitung 45prozentigen Erzes. Herr Hitler erklärte, das geht das Wirtschaftsministerium, das heißt Herrn Schacht, gar nichts an.

Und ein letztes, ganz kurzes Zitat. Ich zitiere:

»Ich möchte dabei betonen, daß ich in diesen Aufgaben die einzige wirtschaftliche Mobilmachung sehe, die es gibt und nicht in einer Drosselung von Rüstungsbetrieben...«

Auch diese Äußerung wendet sich gegen meine Politik.

DR. DIX: Nun also, wir befinden uns jetzt in dieser Spannung sachlicher Gegensätze zu Hermann Göring, Spannungen mit Adolf Hitler hinsichtlich Ihrer Amtsführung als Wirtschaftsminister. Wie stand es zu jener Zeit nun mit Ihren Überlegungen, Ihr Amt als Wirtschaftsminister niederzulegen? Wie stand es mit Ihrer Entlassungsmöglichkeit? Ich bitte Sie, nicht das zu wiederholen, was uns Herr Lammers und auch andere über die Unmöglichkeit »niederzulegen« gesagt haben, sondern uns Ihren speziellen Fall und was Sie nun getan haben, darzustellen.

SCHACHT: Ich habe zunächst versucht, meine Wirtschaftspolitik weiterzuführen, trotzdem Göring mit der Leitung des Vierjahresplans im Laufe der Monate ganz selbstverständlich versuchte, möglichst viele wirtschaftspolitische Aufgaben an sich zu reißen.

Ich habe aber den ersten Augenblick, wo Göring in meine Rechte als Wirtschaftsminister eingriff, benutzt, um meine Entlassung als Wirtschaftsminister zu erzwingen. Das war Anfang August 1937. Ich habe das damals ganz kurz Hitler gegenüber begründet, indem ich sagte, wenn ich die Verantwortung für die Wirtschaftspolitik tragen soll, dann will ich auch das Kommando haben. Wenn ich aber das Kommando nicht habe, so wünsche ich auch keine Verantwortung zu übernehmen. Der Kampf um meine Entlassung, der von mir zum Teil mit sehr drastischen Maßnahmen geführt worden ist, hat ungefähr zweieinhalb Monate gedauert, bis sich dann schließlich Hitler entschließen mußte, wenn der Konflikt nicht noch stärker als schon geschehen in die Öffentlichkeit treten sollte, mir die nachgesuchte Entlassung zu bewilligen.

DR. DIX: Meinen Sie unter drastischen Formen den sogenannten Sitzstreik Ihrer Person?