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[Kurze Pause.]

Gut, Herr Dr. Dix, fahren Sie fort.

SCHACHT: Hitler ist nach Beendigung dieser Unterredung auf die Terrasse herausgekommen und hat zu seiner Umgebung, darunter auch Speer, gesagt, er habe eine sehr schwere Auseinandersetzung mit Schacht gehabt, er könne mit Schacht nicht zusammenarbeiten. Schacht störe seine Finanzpläne.

DR. DIX: Nachdem Sie nun als Wirtschaftsminister ausgeschieden waren, blieben Sie als Ressortchef mit einem Ressort zunächst Reichsbankpräsident. Ist nun Hitler oder der Reichsfinanzminister dann an Sie in Ihrer Eigenschaft als Reichsbankpräsident mit Kreditersuchen herangetreten?

SCHACHT: Nachdem die Reichsbank ihre Kredithilfe aufgegeben beziehungsweise beendet hatte am 31. März 1938, ist von dieser Zeit an natürlich das Verlangen nach Geld beim Reichsfinanzminister ein dringlicheres geworden; er ist gegen Ende des Jahres in die Verlegenheit gekommen, daß er, ich glaube damals nicht einmal die Beamtengehälter mehr aus der Kasse zahlen konnte. Er ist dann zu mir gekommen und hat mich gebeten, ihm einen Extrakredit zu geben. Die Reichsbank war nach ihren Gesetzen und Statuten berechtigt und in gewissem Sinn verpflichtet gewesen, aber eigentlich nur berechtigt, dem Reiche bis zu 400 Millionen Mark jährlich Kredit zu geben. Diese 400 Millionen Mark hatte der Reichsfinanzminister bekommen, und er verlangte darüber hinaus jetzt weitere Kredite. Diese Kredite hat ihm die Reichsbank abgelehnt, und der Reichsfinanzminister mußte sich an die Privatbanken wenden und hat damals von denen – alle Großbanken vereint – einen Kredit bekommen von einigen Hundert Millionen Mark. Die Reichsbank hat aber an diesem Kredit nicht mitgewirkt.

DR. DIX: Wenn Sie nun als Reichsbankpräsident diese Kredite ablehnten, lag es ja nahe, an eine Inanspruchnahme der Notenpresse zu denken. Ist Ihnen von Hitler oder von sonst einer Stelle zugemutet worden, die Notenpresse in Bewegung zu setzen?

SCHACHT: Ich bin nach den Ereignissen vom November 1938 noch einmal in London gewesen im Dezember zu einer Rücksprache über eine Finanzierung der jüdischen Auswanderung aus Deutschland in ordnungsgemäßer Weise, wozu ich meinerseits die Anregung gegeben hatte. Ich habe bei dieser Gelegenheit auch mit dem Premierminister Chamberlain gesprochen und kam am 2. Januar 1939 auf den Berghof nach Berchtesgaden, um Hitler über diese Dinge zu berichten. Bei dieser Gelegenheit kamen wir selbstverständlich auch auf die Finanznöte des Reiches zu sprechen. Ich lehnte nach wie vor Kredite an das Reich ab und verwies auf die ganze schwierige Finanzlage, die eine Einschränkung der Staatsausgaben, also auch der Rüstungsausgaben, notwendig machte oder notwendig machen sollte.

Ich verwies insbesondere darauf, daß anfangs Dezember die erste Rate der sogenannten Judenbuße, die nach der Ermordung des Herrn vom Rath in Paris den Juden auferlegt war und die mit 230 Millionen Mark anfangs Dezember einkassiert worden war, daß diese 250 Millionen Mark, diese erste Rate nicht vollständig in barem Gelde eingegangen sei, sondern daß der Reichsfinanzminister sich habe bequemen müssen, einen erheblichen Teil dieser Buße in Sachwerten, das heißt in Gegenständen, »in kind« wie der Engländer sagt, entgegenzunehmen, weil die Unmöglichkeit vorlag, dieses Geld flüssig zu machen für die Zahlung. Darauf antwortete mir Hitler:

»Aber auf diese Sachwerte kann man doch Notengeld ausgeben. Ich habe mir die ganze künftige Finanzgebarung sehr genau überlegt, und wenn ich nach Berlin zurückkehre in einigen Tagen, so werde ich mit Ihnen und mit dem Finanzminister gemeinsam meine Pläne besprechen.«

Ich erkannte hieraus sofort, daß Hitler die Absicht hatte, nunmehr die Notenpresse für seine Finanzausgaben, ob mit oder ohne Sachdeckung, jedenfalls gegen gewisse Werte, in Anspruch zu nehmen. Damit war die Gefahr der Inflation nunmehr endgültig heraufbeschworen, und da ich sofort erkannte, daß dieses der Punkt sei, wo für mich und für die Reichsbank Einhalt geboten war, so habe ich ihm darauf erwidert:

»Nun gut, dann werde ich veranlassen, daß die Reichsbank für diese gemeinsame Besprechung mit dem Finanzminister Ihnen eine Denkschrift vorlegt, in der wir die Stellungnahme der Reichsbank zu diesem Problem behandeln werden.«

Ich bin dann nach Berlin zurückgekehrt und habe meine Kollegen im Reichsbankdirektorium informiert. Und wir sahen nun zu unserer persönlichen Genugtuung, daß hier der Schritt gegeben war, wo wir uns endgültig von dieser Art von Politik trennen konnten. Die Denkschrift, die das Reichsbankdirektorium dann Hitler eingereicht hat, datiert vom 7. Januar und ist, glaube ich, von der Anklagebehörde ebenfalls als Beweisstück eingereicht. Zur Charakterisierung dessen, was das Reichsbankdirektorium in diesem entscheidenden Augenblick hinsichtlich der weiteren Staatsausgaben und insbesondere der Rüstungsausgaben Hitler zu sagen hatte, bitte ich um Erlaubnis, nur zwei wiederum ganz kurze Sätze aus dieser Denkschrift zu verlesen. Es heißt da, ich zitiere:

»In entscheidendem Maße aber wird die Währung von der hemmungslosen Ausgabenwirtschaft der öffentlichen Hand bedroht. Das unbegrenzte Anschwellen der Staatsausgaben sprengt jeden Versuch eines geordneten Etats, bringt trotz ungeheurer Anspannung der Steuerschraube die Staatsfinanzen an den Rand des Zusam menbruchs und zerrüttet von hier aus die Notenbank und die Währung.«

Und an einer späteren Stelle heißt es, ich zitiere:

»...War während der beiden großen außenpolitischen Aktionen in der Ostmark und im Sudetenland eine Steigerung der öffentlichen Ausgaben zwangsläufig, so macht die Tatsache, daß nach Beendigung der außenpolitischen Aktionen eine Beschränkung der Ausgabenpolitik nicht zu erkennen ist, vielmehr alles darauf hindeutet, daß eine weitere Ausgabensteigerung geplant ist, es nunmehr zur gebieterischen Pflicht, auf die Folgen für die Währung hinzuweisen.

Das unterzeichnete Reichsbankdirektorium ist sich bewußt genug, daß es in seiner Mitarbeit für die großen gesteckten Ziele freudig alles einsetzt, daß aber nunmehr Einhalt geboten ist.«

DR. DIX: Auf diese Denkschrift, die von der Anklagebehörde unter Nummer EC-369 schon vorgelegt ist, aber nochmals vorgelegt wird in unserem Dokumentenbuch, Exhibit 24, Seite 70 des englischen und Seite 63 des deutschen Textes, zu dieser Denkschrift muß ich später an Schacht noch verschiedene Fragen stellen; aber ich glaube, daß hierzu die Zeit nicht mehr besteht, vielleicht morgen.

VORSITZENDER: Wenn Sie das unbedingt müssen, Herr Dr. Dix, aber halten Sie es für sehr wichtig? Auf jeden Fall tun Sie es, wenn überhaupt, lieber morgen.

DR. DIX: Jawohl.

VORSITZENDER: Herr Dr. Siemers?

DR. SIEMERS: Jawohl.

VORSITZENDER: Herr Dr. Siemers! Können Sie uns sagen, ob diese Auszüge dieselben sind wie die Auszüge, die im Falle des Angeklagten Ribbentrop zurückgewiesen wurden?

DR. SIEMERS: Ich habe eine Zusammenstellung gemacht und kann diese dem Gericht schriftlich überreichen. Es sind einige Dokumente gleich, einige stimmen nicht überein und einige fehlen. Ich habe es schriftlich aufgesetzt.

VORSITZENDER: Danke. Der Gerichtshof wird sich nunmehr vertagen.