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[Der Angeklagte Schacht im Zeugenstand.]

DR. DIX: Dr. Schacht! Ich glaube, Sie müßten eine Frage von mir von gestern in Ihrer Antwort noch ergänzen. Ich hatte Ihnen vorgehalten, daß verschiedene Ihrer Eingaben an Hitler, Briefe an Hitler und so weiter, von nationalsozialistischer Phraseologie triefen. Sie haben behandelt Briefe und Eingaben von der Machtergreifung an bis später, als Sie zur Opposition gegangen waren. Nun hat aber die Anklage und namentlich in der mündlichen Anklagerede nach meiner Erinnerung Bezug genommen zumindest auf ein Schreiben von Ihnen, welches vor der Machtergreifung an Hitler gerichtet ist vom November 1932. Und es existiert bei den Akten noch ein zweites Schreiben ähnlichen Inhalts vom August 1932. Ich glaube, es wäre richtig, wenn Sie noch zu diesen beiden Schreiben in Ergänzung Ihrer Antwort auf diese meine Frage Stellung nehmen würden.

SCHACHT: Ich habe Ihnen bereits gestern ausgeführt, daß ich bis zu den entscheidenden Wahlen vom Juli 1932 in keiner Weise in die Entwicklung der nationalsozialistischen Bewegung eingegriffen habe, sondern mich völlig abseits gehalten habe. Nachdem diese Bewegung im Juli 1932 ihren überwältigenden Erfolg erzielt hatte, von dem ich gestern gesprochen habe, sah ich die Entwicklung, die jetzt kommen würde, völlig klar voraus. Es gab nach den Grundsätzen der demokratischen politischen Auffassung nur eine Möglichkeit, nämlich die, daß der Führer dieser überwältigend großen Partei nun die Regierungsbildung in die Hand nehmen müsse. Die andere theoretische Möglichkeit einer Militärregierung und eines eventuell damit verbundenen Bürgerkrieges habe ich von vornherein als unmöglich und mit meinen Grundsätzen unvereinbar abgelehnt.

Nachdem ich also zu dieser Erkenntnis gekommen war, habe ich mich durchaus bemüht, meinen Einfluß auf Hitler und seine Bewegung zu erlangen, und in diesem Sinne sind die beiden Schreiben, von denen Sie eben gesprochen haben, verfaßt worden.

DR. DIX: Wir kommen nun zu den territorialen Eingliederungen Hitlers. Was wußten Sie von den Plänen Hitlers gegen Österreich?

SCHACHT: Von Plänen gegen Österreich ist mir nie etwas bekannt gewesen. Die Pläne Hitlers für Österreich habe ich im einzelnen auch nicht gekannt. Ich wußte lediglich, daß er, wie wohl das Gros aller Deutschen, für einen Zusammenschluß von Österreich und Deutschland war.

DR. DIX: Was wußten Sie von seinen Plänen gegen die Tschechoslowakei?

SCHACHT: Von Plänen gegen die Tschechoslowakei habe ich bis etwa zur Münchener Konferenz nichts gewußt.

DR. DIX: Nach der Münchener Konferenz, also der friedlichen, noch friedlichen Regelung der Sudetenfrage, haben Sie nun eine Äußerung Hitlers über München gehört, die für Ihre weitere innere Einstellung gegenüber Hitler von Bedeutung war? Bekunden Sie dem Tribunal diese Äußerung, die zu Ihren Ohren gekommen ist.

SCHACHT: Ich darf zunächst einmal sagen, daß nach meiner Kenntnis der damaligen Lage Hitler in München mehr geschenkt bekommen hat, als er je erwartete. Nach meiner Kenntnis damals war Hitler, und ich habe das ja in der Unterredung mit dem Botschafter Bullitt zum Ausdruck gebracht, darauf aus, eine Autonomie für die Deutschen in der Tschechoslowakei zu erreichen. In München wurde ihm von den Alliierten die Abtretung des sudetendeutschen Landes auf dem Präsentierteller überreicht. Ich habe selbstverständlich angenommen, daß nunmehr Hitlers Ehrgeiz mehr als befriedigt sein würde und war etwas erstaunt und bestürzt, kann ich nur sagen, als ich wenige Tage nach München Hitler sah. Ich habe keine weitere Unterhaltung damals mit ihm gehabt, aber ich traf ihn in einer Gruppe von seiner Umgebung, die in der Hauptsache aus SS-Leuten bestand und konnte nur aus der Unterhaltung zwischen ihm und den SS-Leuten die Bemerkung auffangen: »Der Kerl hat mir meinen Einzug nach Prag versiebt«, das heißt, unmöglich gemacht. Er war offenbar nicht mit dem großen Erfolg, den er außenpolitisch erzielt hatte, zufrieden, sondern es fehlte ihm das, worauf ich gestern auch angespielt habe, worüber ich mich gestern ausgelassen habe, die Glorie, die ruhmvolle Aufmachung, wie ich aus dieser Bemerkung entnahm.

DR. DIX: Und was waren Ihre Empfindungen nach München hinsichtlich Ihrer gesamtpolitischen Einstellung gegenüber Hitler?

SCHACHT: Ich habe trotz des außenpolitischen Erfolges es auf das lebhafteste bedauert und meine engeren Freunde mit mir, daß durch dieses Eingreifen der alliierten Politik unser Versuch, das Regime Hitler zu beseitigen, auf eine lange Zeit hinaus – wir wußten ja damals nicht, was in der Zukunft eintreten würde – gescheitert war; aber wir mußten selbstverständlich in diesem Augenblick resignieren.

DR. DIX: Was wußten Sie von den Plänen Hitlers gegen das Memelland?

SCHACHT: Davon habe ich überhaupt nichts gewußt und nichts gehört. Ich habe den Anschluß des Memellandes an Deutschland, soviel ich weiß, auf meiner schon damals angetretenen Reise nach Indien erfahren.

DR. DIX: Also wenn Sie in jener Zeit in Indien waren, haben Sie natürlich auch nichts erfahren von den Verhandlungen und so weiter, die dem Angriff auf Polen vorangingen.

SCHACHT: Ich habe davon keinerlei Kenntnis gehabt, deshalb auch nicht von der mehrfach erörterten Maisitzung von 1939. Ich bin anfangs März aus Berlin abgereist. Ich habe mich dann noch einige Zeit in der Schweiz aufgehalten und bin Ende März nach Indien gereist, über Genua, und habe also weder von der Hacha-Affäre, also der Errichtung des Protektorats in der Tschechoslowakei, noch vom Memelland, noch von Polen irgend etwas erfahren; denn ich bin erst Anfang August von der Indienreise zurückgekehrt.

DR. DIX: Die Einbrüche in Belgien, Holland, Norwegen und Dänemark sind hier behandelt worden. Billigten Sie diese Maßnahmen und Handlungen?

SCHACHT: Unter keinen Umständen.

DR. DIX: Haben Sie dieser Mißbilligung irgendwo und -wie einmal Ausdruck geben können?

SCHACHT: Vor dem Einbruch nach Belgien besuchte mich im Auftrag des Chefs des Generalstabs Halder der Generalquartiermeister, der damalige Oberst und spätere General Wagner, der nach dem Zusammenbruch ebenfalls durch Selbstmord geendet hat, und machte mich mit der Absicht des Einmarsches nach Belgien bekannt.

Ich war entsetzt und habe ihm damals erwidert: »Wenn Ihr diesen Wahnsinn auch noch machen wollt, dann ist Euch nicht mehr zu helfen.«

VORSITZENDER: Zu welcher Zeit war das?

SCHACHT: Vor dem Einmarsch nach Belgien; wann es gewesen ist, kann ich nicht sagen, es kann schon im November 1939 gewesen sein. Es kann auch im April 1940 gewesen sein. Ich weiß nicht mehr genau, wann.

DR. DIX: Nun, wenn Sie auch dieses Vorgehen nicht billigten, so war ja immerhin Deutschland in einem Kampf auf Leben und Tod; veranlaßte Sie dies nicht, da Sie ja immerhin noch Minister ohne Portefeuille waren, wenn Sie auch kein Ressort mehr hatten, sich immerhin doch zur aktiven Mitarbeit zur Verfügung zu stellen?

SCHACHT: Das habe ich nicht getan.

DR. DIX: Hat man Sie aufgefordert, es zu tun?

SCHACHT: Dieser Besuch, von dem ich eben gesprochen habe, von diesem Generalquartiermeister Wagner im Auftrag des Generalstabschefs Halder hatte zur Absicht, mich zu bestimmen, bei der zu erwartenden Besetzung Belgiens mich im deutschen Interesse zu betätigen, indem ich die Währungs-, Finanz- und Bankverhältnisse Belgiens überwachen und leiten sollte. Ich habe das rundweg abgelehnt. Ich bin auch später noch einmal vom damaligen Militärgouverneur von Belgien, dem General von Falkenhausen, befragt worden um Ratschläge hinsichtlich der belgischen Finanzverwaltung. Ich habe es ebenfalls abgelehnt, Ratschläge zu erteilen, und habe mich in keiner Weise geäußert oder beteiligt.

DR. DIX: Wann haben Sie das erstemal...

SCHACHT: Ich kann vielleicht noch einen Fall erzählen, wo man mich aufgefordert hat. Ich habe eines Tages, kurz nachdem Amerika in den Krieg hineingezogen wurde, von der Zeitschrift, die von Goebbels herausgegeben wurde, eine Aufforderung bekommen, ich möge doch bei meiner Kenntnis der amerikanischen Verhältnisse im »Reich« einen Aufsatz schreiben, um das deutsche Volk darüber zu beruhigen, daß das Kriegspotential der Vereinigten Staaten nicht überschätzt werden dürfe. Ich habe diesen Artikel abgelehnt mit der Begründung, daß gerade, weil ich die amerikanischen Verhältnisse sehr gut kannte, meine Darstellung nur dahin gehen könnte, daß ich genau das Gegenteil sagen müßte. Also auch hier habe ich abgelehnt.

DR. DIX: Wann haben Sie das erstemal von der Sitzung erfahren, welche wir hier kurzweg die Hoßbach- Sitzung, oder die Sitzung, von der das Hoßbach-Protokoll handelt, nennen?

SCHACHT: Ich habe zu meiner großen Überraschung von dieser Sitzung erfahren am 20. Oktober 1945, hier in meiner Zelle. Ich war auf das äußerste erstaunt, daß ich in der ganzen Voruntersuchung nicht nach diesem Protokoll gefragt worden bin, weil aus diesem Protokoll ja ganz klar hervorgeht, daß die Reichsregierung über die Kriegsabsichten Hitlers nicht informiert werden dürfte infolgedessen auch nichts davon wissen konnte.

DR. DIX: Haben Sie an ähnlichen Besprechungen, welche Angriffe vorbereiteten, teilgenommen, zum Beispiel auch an der Sitzung vom November 1940, in welcher der Angriff auf Rußland besprochen wurde? Wohlverstanden, ich bitte mich jetzt nicht mißzuverstehen, in dem Speer-Dokument, über das Sie gestern Mitteilung gemacht haben, ist von einem drohenden Angriff seitens Rußlands im Sinne Hitlers gesprochen worden. Ich meine jetzt Besprechungen, die einen Angriff auf Rußland zum Gegenstand hatten.

SCHACHT: Die Befürchtung eines russischen Angriffs fällt ja in den Herbst 1936, hat also mit dem Krieg noch gar nichts zu tun. An irgendeiner Besprechung, welche Kriegsabsichten erkennen ließ, also auch an der Besprechung über den beabsichtigten Angriff auf Rußland, habe ich niemals teilgenommen, auch nie etwas darüber erfahren.

DR. DIX: Gilt das auch für die Sitzung vom Mai 1941?

SCHACHT: Ich weiß im Moment nicht, welche Sitzung das ist; ich habe aber auch im Mai 1941 an keiner Sitzung irgendwie teilgenommen, wie ich überhaupt während meiner ganzen Zeit, in der ich als Minister ohne Portefeuille gelebt habe, niemals an irgendeiner dienstlichen Besprechung teilgenommen habe.

DR. DIX: Dann ist Ihnen auch nichts bekanntgeworden über die Besprechungen, die der japanische Außenminister Matsuoka in Berlin geführt hat?

SCHACHT: Über die Besprechung von Matsuoka ist mir nicht das leiseste bekannt geworden, außer, was im Radio oder in der Presse vielleicht gestanden haben mag.

DR. DIX: Es ist irgendwie die Rede gewesen, daß Sie einmal 200.000 Mark für Nazi-Propagandazwecke in Österreich zur Verfügung gestellt hätten. Ist hieran etwas Wahres?

SCHACHT: Mir ist nicht das leiseste davon bekannt.

DR. DIX: Nun kommen wir zu Ihrer Entlassung als Reichsbankpräsident. Wie Sie gehört haben, behauptet die Anklage, Sie hätten schließlich Ihre Entlassung selber herbeigeführt, um sich aus der finanziellen Verantwortung herauszuziehen. Ich bitte Sie, sich zu diesem Vorwurf zu äußern und dem Tribunal kurz, jedoch erschöpfend, die Gründe und taktischen Erwägungen darzulegen, welche der hier mehrfach beachteten Denkschrift des Reichsbankdirektoriums zugrunde liegen, die zu Ihrer und auch Ihrer Mitarbeiter Entlassung geführt hat.

SCHACHT: Ich möchte die Frage in zwei Teile zerlegen: Die eine Frage ist, ob ich mich bemüht hätte, mein Amt als Reichsbankpräsident loszuwerden. Ich muß diese Frage nachdrücklichst bejahen. Wir haben uns seit Mitte 1938 in der Reichsbank dauernd überlegt, daß, wenn eine Änderung des Kurses nicht eintrete, wir keinesfalls wünschten, weiter im Amt mitzumachen; denn, und nun komme ich zu dem zweiten Teil der Frage, die Verantwortung, die dann von uns erwartet wurde, wollten wir nicht übernehmen. Die Verantwortung für alles Vorausgegangene, was wir für eine defensive Aufrüstung zwecks Herbeiführung der Gleichberechtigung Deutschlands in der internationalen Politik getan hatten, haben wir alle gern auf uns genommen und tragen sie auch vor der Geschichte und vor diesem Gericht. Eine Verantwortung für irgendeine weitergehende Rüstung, die eventuell in sich schon das Schwergewicht einer Kriegsgefahr trug, oder die gar absichtlich in einen Krieg hineinführen sollte, diese Verantwortung wünschte keiner von uns zu übernehmen. Wir haben infolgedessen, als klar wurde, daß Hitler auf eine weitere verstärkte Rüstung hinauswollte – ich habe dies gestern im Zusammenhang mit der Unterhaltung vom 2. Januar 1939 berichtet –, als wir das merkten, haben wir die Denkschrift verfaßt, die oft zitiert worden ist und als Beweisstück dem Gericht vorliegt. Aus ihr geht klar hervor, daß wir uns allen weiteren Ausbreitungen der Staatsausgaben widersetzten und eine Verantwortung dafür nicht übernehmen würden.

Daraus ersah Hitler, daß er die Reichsbank für irgendwelche Finanzierungszwecke in der Zukunft mit diesem Direktorium und mit diesem Präsidenten keinesfalls würde gebrauchen können, und infolgedessen blieb ihm nur eine Möglichkeit, das Direktorium zu ändern, weil er ohne die Reichsbank nicht auskommen konnte. Und er mußte ein Zweites tun; er mußte das Reichsbankgesetz ändern, das heißt, er mußte die Unabhängigkeit der Reichsbank von den Regierungsbeschlüssen beseitigen. Er hat dies zunächst in einem Geheimgesetz – solches gab es nämlich bei uns – vom 19. oder 20. Januar 1939 getan. Das Gesetz ist erst ungefähr nach einem halben Jahr veröffentlicht worden. In diesem Gesetz wurde die Selbständigkeit der Reichsbank aufgehoben, und der Reichsbankpräsident wurde nur noch ein Kassenhalter für die Kreditwünsche des Reiches, also Hitlers.

Diese Entwicklung wollte das Reichsbankdirektorium nicht mitmachen. Es wurden infolgedessen am 20. Januar entlassen: der Reichsbankpräsident, der Vizepräsident und der hauptsächliche Finanzpräsident, Reichsbankdirektor Hülse; weitere drei Mitglieder des Reichsbankdirektoriums, Geheimrat Vocke, Direktor Erhardt und Direktor Blessing haben so lange gedrängt, bis ihnen ihr Ausscheiden aus der Reichsbank auch bewilligt wurde; und zwei Mitglieder des Reichsbankdirektoriums, der bereits hier erwähnte Direktor Puhl und ein achter Direktor, Direktor Pötschmann, sind im Direktorium auch unter den neuen Verhältnissen geblieben. Sie waren Parteimitglieder, beide als die einzigen im Direktorium, und konnten sich deshalb wohl nicht entziehen.

DR. DIX: Das ist der eine Vorwurf, der Ihnen von der Anklage hinsichtlich Ihrer Beweggründe bei dieser Denkschrift gemacht wird, nämlich, sich aus der finanziellen Verantwortung zu ziehen. Der zweite Vorwurf geht dahin, daß ja in dieser Denkschrift mit keinem Wort von Rüstungsbeschränkung ausdrücklich die Rede ist, sondern daß diese Denkschrift im wesentlichen nur währungspolitische, finanztechnische, rein wirtschaftliche Ausführungen enthält und daß deshalb nicht der der Rüstung opponierende Dr. Schacht, sondern nur der besorgte, um die Währung besorgte Notenbankpräsident aus dieser Denkschrift gesprochen habe.

Es ist notwendig, daß Sie als Mitverfasser der Denkschrift, der führende Verfasser der Denkschrift, auch zu dieser Sie belastenden Auslegung der Denkschrift Stellung nehmen.

SCHACHT: Ich habe bereits in einem früheren Augenblick hier ausgesagt, daß jeder Einwand, den ich Hitler gegenüber machte und machen mußte – und das gilt nicht nur für mich, sondern für alle Minister –, immer nur gemacht werden konnte mit Argumenten, die aus den Ressorts entstanden, welche man verwaltete.

Wenn ich Hitler gesagt hätte, ich gebe Ihnen kein Geld mehr, weil Sie einen Krieg beabsichtigen, so würde ich nicht das Vergnügen haben, Herr Justizrat, diese angeregte Unterhaltung hier mit Ihnen führen zu können. Ich hätte dann mit dem Pfarrer Rücksprache nehmen können, und die wäre sehr einseitig gewesen; denn ich hätte stumm im Grabe gelegen, und der Pfarrer hätte einen Monolog gehalten.

DR. DIX: So daß ich also – diese Denkschrift ist ja sehr wichtig, und wir müssen deshalb bei ihr einen Moment verharren – zusammenfassend – ich bitte, mich zu kontrollieren –, so daß ich Sie dahin verstehen kann: diese Denkschrift enthält am Schluß Forderungen, wie weitere Geldschöpfungsmöglichkeiten durch Erhöhung der Steuern oder auch Inanspruchnahme des Kapitalmarktes. Beides unmöglich; die Steuern waren nicht mehr zu erhöhen; der Kapitalmarkt hatte eben eine verunglückte Anleihe erlebt. Gelang diese an sich unmögliche Forderung, so hatte die Reichsbank, beziehungsweise so war eine Garantie dafür geschaffen, daß nicht weiteres Geld für die eine oder andere Rüstungsausgabe verwendet würde.

Dieser Erfolg war aber nicht zu erwarten; vielmehr mußten Sie Ihre Entlassung erwarten. Habe ich Sie in dieser Sache richtig, erschöpfend und kurz zusammengefaßt, richtig verstanden?

SCHACHT: Das ganze Schreiben war so angelegt, daß darauf nur zwei Möglichkeiten der Antwort waren: entweder eine Änderung der Finanzpolitik und damit ein Abstoppen der Rüstung, das heißt eine völlige Änderung der Hitlerschen Politik, oder aber der Reichsbankpräsident wird hinausgeworfen. Und das letztere geschah: Und das war auch wie erwartet, weil ich damals nicht mehr glaubte, daß Hitler seine Politik definitiv um 180 Grad herumwerfen will.

DR. DIX: So hat also die Anklage recht, wenn sie sagt, daß Ihre Mission mit Ihrem Ausscheiden zu Ende gewesen ist?

SCHACHT: Das hat ja Hitler selber bestätigt und er hat es ja in dem Entlassungsschreiben an mich ausdrücklich gesagt. Aus dem Zeugnis des Herrn Lammers hier haben wir gehört, daß dieser Zusatz von Hitler eigenhändig in den Brief hineingebracht worden sei, daß mein Name mit der ersten Epoche der Aufrüstung verbunden bleiben würde. Die zweite Epoche der Aufrüstung habe ich abgelehnt und Hitler hat das sehr wohl verstanden; denn er hat, als er dieses Schreiben der Reichsbank bekam, zu seiner Umgebung gesagt: »Das ist Meuterei.«

DR. DIX: Woher wissen Sie das?

SCHACHT: Das wird der Zeuge Vocke, der hier hoffentlich noch auftreten wird, bezeugen.

DR. DIX: Die Anklage hat ferner behauptet, daß Ihr Abgang von der politischen Bühne nicht aus Ihrer kriegsfeindlichen Politik erfolgt sei, sondern aus Rangstreitigkeiten mit Hermann Göring. An sich erscheint mir dieser Vorwurf schon durch die bisherigen Bekundungen von Göring und Lammers widerlegt. Wir wollen auch nicht wiederholen. Ich möchte Sie nur fragen, ob Sie den Bekundungen von Göring und Lammers diesbezüglich etwas hinzuzufügen haben oder von ihnen abweichen.

SCHACHT: In seiner mündlichen Anklagerede hat der Anklagevertreter geäußert, er hätte in dem ganzen Material, das er durchgearbeitet hat, nicht einen einzigen Anhaltspunkt für meine kriegspolitische Gegnerschaft finden können. Ich kann dazu nur sagen, wenn einer, weil er kurzsichtig ist, einen Baum in der Ebene nicht sieht, so ist das doch kein Beweis, daß der Baum nicht da ist.

DR. DIX: Sie haben von der Anklage gehört, daß man Ihnen den Vorwurf macht, als Reichsminister ohne Portefeuille Kabinettsmitglied geblieben zu sein. Das war ja auch der Anlaß zu meinem gestrigen Mißverständnis. Ich wollte gestern nur zum Ausdruck bringen, daß Sie als aktiver Ressortminister ausgeschieden seien, also als Wirtschaftsminister ausschieden, und Seine Lordschaft hat auch mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß Sie natürlich Minister ohne Ressort, also ohne eigenen Tätigkeitsbereich, ja bis Januar 1943 geblieben sind. Und diese Tatsache macht Ihnen die Anklage zum Vorwurf. Was war maßgebend für Sie, Reichsminister ohne Portefeuille zu bleiben? Warum taten Sie das? Waren insbesondere Geldrücksichten maßgebend? Ich bitte zu entschuldigen, daß ich das erwähne, aber der Trialbrief unterstellt Ihnen auf Seite 5 dieses Motiv.

SCHACHT: Ich habe hier schon wiederholt ausgeführt, daß meine Entlassung aus dem Amte des Wirtschaftsministers sehr großen Schwierigkeiten begegnete, und Sie haben dafür auch einige Belege aus den Affidavits beigebracht.

Hitler wollte unter keinen Umständen nach außen hin erkennen lassen, daß hier ein Bruch oder auch nur eine Meinungsverschiedenheit zwischen einem seiner Mitarbeiter und ihm eingetreten sei, und als er mir schließlich die Entlassung genehmigte, knüpfte er sie an die Bedingung, daß ich als Minister ohne Portefeuille nominell bleiben müsse.

Was den zweiten Vorwurf anlangt, so ist er ebenso unwürdig wie falsch. Es gab in Deutschland eine gesetzliche Bestimmung, daß, wenn jemand zwei Ämter bekleidete, er nur aus einem Amt bezahlt wurde. Da ich noch Reichsbankpräsident war und meine vertraglichen Bezüge, zunächst das Gehalt und späterhin die Pension, von der Reichsbank dauernd erhalten habe, so habe ich aus dem Ministerposten keinerlei Gehalt bezogen.

DR. DIX: Hatten Sie denn nun in der ganzen Zeit Ihrer Stellung als Reichsminister ohne Portefeuille, als solcher wohlverstanden, irgend noch etwas zu tun? Sind Sie an Beschlüssen des Kabinetts wesentlicher Art beteiligt worden, haben Aussprachen stattgefunden, also kurz und gut, war dieser Minister ohne Portefeuille ein reiner Charakter-Major oder hatte er einen substantiellen Inhalt?

SCHACHT: Ich habe bereits immer wieder hier betont und kann das nur immer wiederholen, daß ich nach meinem Ausscheiden aus der Reichsbank nicht eine einzige dienstliche Besprechung mehr gehabt oder geführt habe, an keiner einzigen amtlichen oder dienstlichen Zusammenkunft teilgenommen habe und auch meinerseits leider keine Möglichkeit gehabt habe, Dinge zur Sprache zu bringen, weil mir dafür jeder sachliche Untergrund, jede sachliche Handhabe fehlte, weil ich eben kein Ressort hatte. Ich bin, glaube ich, der einzige Minister ohne Portefeuille gewesen – es gab dann noch einige andere –, der überhaupt keinerlei Tätigkeit mehr ausübte. Soviel ich weiß, war Seyß-Inquart ohne Zweifel Minister ohne Portefeuille, er hatte seine Verwaltung gehabt in Holland. Frank war Minister ohne Portefeuille und hatte seine polnische Verwaltung. Schirach – ich weiß nicht, ob er Minister ohne Portefeuille war; ich glaube, es ist mal erwähnt worden – ob es richtig ist, weiß ich nicht – hatte in Wien seine österreichische Verwaltung. Ich habe überhaupt nichts mehr mit der Staatsverwaltung oder sonst irgendwie mit Staat oder Partei zu tun gehabt.

DR. DIX: Wie ist es mit den laufenden Geschäften? Sind da vielleicht irgendwelche Zirkularschreiben von Lammers hinausgegangen, an denen Sie sich beteiligt haben?

SCHACHT: Ich habe im ganzen – und nach dem, was ich hier gesagt habe, glaube ich, ist es verständlich – sehr genau auf jede Möglichkeit geachtet, wo ich noch irgendwie eingreifen konnte; und ich erinnere mich hier auf das bestimmteste, und sage das auf das bestimmteste aus, daß ich in der ganzen Zeit bis zum Zusammenbruch alles in allem drei amtliche Schreiben erhalten habe; denn die zahlreichen Einladungen zu Staatsbegräbnissen und ähnlichen gesellschaftlichen Staatsfeiern brauche ich hier wohl nicht als amtliche Dinge zu erwähnen. Ich habe auch an diesen nicht teilgenommen. Aber diese drei Male sind immerhin interessant. Das erstemal war es ein Schreiben von Hitler, von Himmler, pardon, ein Rundschreiben oder ein Antrag, ein Gesetzvorschlag von Himmler, der beabsichtigte, die Gerichtsbarkeit über die sogenannten asozialen Elemente der Bevölkerung auf die Polizei, also auf die Gestapo, zu übertragen, das heißt einen Grundsatz der Verwaltung, daß man Anklage und Gericht trennt...

DR. DIX: Gut, das setzen wir als bekannt voraus, Dr. Schacht. Sie können annehmen, daß das bekannt ist.

SCHACHT: Ich habe mich sofort in dieser Frage einem Schreiben angeschlossen, welches der Reichsminister Frank mir in Abschrift geschickt hatte, worin er gegen diesen Grundverstoß gegen die Rechtsgrundlage Stellung nahm; und das Gesetz ist nicht zustande gekommen. Es wäre ja auch außerordentlich bedauerlich gewesen; denn ich bin fest davon überzeugt, daß ich selber auch ein durchaus asoziales Element war im Sinne von Himmler.

Das zweite war ein Schreiben über irgendwelche Auseinandersetzungen über das Staatseigentum in Jugoslawien, nachdem wir Jugoslawien besetzt hatten. Ich habe darauf geantwortet, da ich an den Vorbesprechungen über diesen Gesetzentwurf nicht beteiligt gewesen sei, so bäte ich, von meiner Mitwirkung dabei abzusehen.

Das drittemal endlich – und das ist der wichtigste Fall – war im November 1942. Da kam offenbar durch ein Versehen ein Gesetzentwurf des Reichsluftfahrtministers in Umlauf, der den Vorschlag enthielt, die 15- und 16jährigen Schüler der oberen Schulen für den Dienst bei der Flugabwehr, den sogenannten Flakdienst, militärisch heranzuziehen. Auf diesen Brief habe ich, weil es mir eine willkommene Gelegenheit war, mich nun einmal zu der militärischen Lage zu äußern, in einem ausführlichen Schreiben geantwortet, welches ich an Göring geschickt habe.

DR. DIX: Vom 3. November?

SCHACHT: Es ist ein Schreiben vom 30. November, welches am 2. Dezember, glaube ich, durch meine Sekretärin persönlich an den Adjutanten von Göring im verschlossenen Kuvert überreicht wurde, mit der Bitte, es auch selber zu öffnen.

DR. DIX: Einen Moment, Dr. Schacht!