[Zum Gerichtshof gewandt:]
Es ist Beweisstück Nummer 39 unseres Dokumentenbuches, Seite 168 des deutschen Textes, Seite 176 des englischen Textes. Ich lasse den ersten Teil der eidesstattlichen Versicherung bei der Verlesung aus, bitte nur von ihm amtlich Kenntnis zu nehmen, weil er im wesentlichen nur bereits Bekundetes enthält, und verlese nur den Teil, der sich mit dem 20. Juli beschäftigt. Er beginnt auf der englischen Seite 178, deutscher Text Seite 170, bei Frage 5:
»Frage 5: Sie haben Schacht mit dem General Lindemann zusammengebracht; wann war das?
Antwort 5: Im Herbst 1943 sah ich nach Jahren den General Lindemann, meinen früheren Schul- und Regimentskameraden wieder. Im Zusammenhang politischer Gespräche erzählte ich, daß ich Schacht gut kenne, und General Lindemann bat, ihm vorgestellt zu werden, worauf ich die Verbindung herstellte.
Frage 6: Was erwartete Lindemann von Schacht, und wie verhielt sich Schacht gegen ihn?
Antwort 6: Die Aufnahme der politischen Beziehungen zum Auslande nach geglücktem Attentat. Er sagte seine spätere Mitarbeit zu. Anfangs 1944 machte Lindemann schwere Vorwürfe, daß die Generale« – das soll heißen: »machte er Lindemann schwere Vorwürfe« – das ist hier falsch abgeschrieben –, »daß die Generale so lange zögerten, das Attentat müsse vor der Landung der Alliierten geschehen.
Frage 7: War Lindemann in den Attentatsversuch vom 20. Juli 1944 verwickelt?
Antwort 7: Ja, als einer der Hauptmitspieler.
Frage 8: Teilte er Schacht Einzelheiten über den Plan mit?
Antwort 8: Nichts über die Technik des Attentats, wohl aber über das, was nachher geschehen sollte.
Frage 9: Billigte Schacht den Plan?
Antwort 9: Ja.
Frage 10: Stellte sich Schacht den Militärs für den Fall des Gelingens des Attentats zur Verfügung?
Antwort 10: Ja.
Frage 11: Sind Sie nach dem 20. Juli verhaftet gewesen?
Antwort 11: Ja.
Frage 12: Wie sind Sie durch die Haft hindurchgekommen?
Antwort 12: Durch standhaftes Ableugnen der Mittäterschaft.«
Wir sind nun vom Jahre 1941/42 in logischer Folge, wegen der Darstellung der Putsche, in das Jahr 1944 geraten. Es ließ sich nicht vermeiden. Wir müssen aber jetzt noch einmal zurückkehren in das Jahr 1941. Sie erwähnten schon am Rande die Bemühungen im Ausland. Im Jahre 1941 waren Sie in der Schweiz. Haben Sie da irgendwelche Bemühungen in dieser Richtung angestellt?
SCHACHT: Ich habe mich jedesmal, wenn ich im Ausland war, mit ausländischen Freunden ausgesprochen, immer wieder gesucht nach irgendeinem Weg, daß man den Krieg abkürze und irgendeine Vermittlung mobilmache.
DR. DIX: Da spielt nun der Fraser-Brief eine Rolle. Ich glaube, der Vorgang mit dem Fraser-Brief, seine Schmugglung nach der Schweiz, wurde vom Zeugen Gisevius genügsam bekundet. Ich habe zweimal Gelegenheit gehabt, einmal bei der Diskussion über die Übersetzung und einmal bei der Diskussion über die Zulassung als Beweismittel vor dem Gericht, kurz den Inhalt wiederzugeben. Ich glaube, daß ich es nicht hier zu tun brauche und ihn auch nicht zu verlesen brauche. Ich möchte ihn nur überreichen, es ist Exhibit Nummer 31, Seite 84 des deutschen Textes, Seite 91 des englischer Textes. Genau so – um das vorweg zu nehmen, wir werden das auch gleich besprechen – verhält es sich mit dem Artikel, der in diesem Jahre in den »Basler Nachrichten« erschienen ist, über eine Unterhaltung, die ein Amerikaner kürzlich mit Schacht gehabt hat Auch dies will ich nicht verlesen. Ich habe den wesentlichen Inhalt ja auch schon angegeben. Ich überreiche ihn als Exhibit Nummer 32 Seite 90 des deutschen Textes und Seite 99 des englischen Textes. Ich darf darauf hinweisen, daß dieser Artikel bereits zum Gegenstand von Vorhaltungen gemacht worden ist, und zwar in der Cross-Examination Gisevius, und zwar von dem Herrn Vertreter der Sowjetischen Anklagebehörde.
GENERAL RUDENKO: Ich möchte gegen das Dokument Nummer 32 Einspruch erheben. Dieser Artikel der »Basler Nachrichten« über Dr. Schacht und sein Denken stellt das Gespräch eines unbekannten Verfassers mit einem unbekannten Wirtschaftler dar. Dieses Gespräch wurde am 14. Januar 1946 veröffentlicht, das heißt, als der gegenwärtige Prozeß bereits im Gange war. Ich glaube, daß dieser Artikel nicht als Beweisstück im Falle Schacht vorgelegt werden darf.
DR. DIX: Ich kann darauf... Darf ich vor Beschlußfassung des Gerichts etwas kurz sagen?
VORSITZENDER: Ja, gewiß.
DR. DIX: Der Artikel ist mir bereits als Beweisdokument bewilligt. Wir haben darüber diskutiert, und das Gericht hat den Artikel als Beweisstück genehmigt. Das Gericht kann natürlich den Beschluß wieder aufheben. Ich meine, es würde für mich...
VORSITZENDER: Ich glaube, daß der Gerichtshof es immer klargemacht hat, daß die Zulassung dieses Dokuments nur bedingt ist, und daß der Gerichtshof, erst wenn das Dokument tatsächlich als Beweisstück vorgelegt wird, über seine Erheblichkeit oder Zulässigkeit entscheidet.
DR. DIX: Ganz zweifelsfrei. Ich wollte nur darauf hinweisen, daß wir uns über die Frage schon einmal unterhalten haben. Selbstverständlich kann das Gericht es heute zurückweisen. Ich werde über...
VORSITZENDER: Die Genehmigung ist nur bedingt. Hier handelt es sich nicht um ein Rückgängigmachen früherer Entscheidungen des Gerichtshofs, sondern, da die vorangegangene Entscheidung nur provisorisch war, handelt es sich jetzt darum, zu entscheiden, ob das Dokument zugelassen wird oder nicht.
DR. DIX: Ich bin mir ganz klar darüber, Euer Lordschaft. Ich bin nur über die Einwendung der Sowjetischen Anklagevertretung insofern erstaunt, als ja der Herr Vertreter der Sowjet-Delegation selbst in der Cross-Examination durch Vorhalt an den Zeugen Gisevius auf diesen Artikel Bezug genommen hat. Er hat ihn zwar nicht dem Gericht überreicht, aber er hat in seinem Vorhalten an den Zeugen Gisevius darauf Bezug genommen. Wenn das Gericht die geringsten Bedenken hat, diesen Artikel als Dokument zuzulassen, als Beweismittel, so bitte ich davon abzusehen. Ich werde dann – ich glaube, das darf ich – den Zeugen Schacht nur fragen, ob es richtig ist, daß er im Jahre 1941 mit einem Amerikaner, welcher nationalökonomischer Professor war, eine Unterhaltung über Friedensmöglichkeiten gehabt hat. Also ich stelle anheim. Es ist für mich keine... Ich dachte, es wäre einfacher, ich überreiche den Artikel.
VORSITZENDER: General Rudenko! Da Sie den Einwand gegen dieses Dokument erhoben haben: was haben Sie zu dem, was Herr Dr. Dix soeben angeführt hat, nämlich, daß Sie das Dokument in Ihrem Kreuzverhör verwendet haben, zu sagen?
GENERAL RUDENKO: Herr Vorsitzender! Wir haben dieses Dokument im Kreuzverhör des Zeugen Gisevius nicht verwendet. Wir haben nur eine Aufklärungstrage über diesen Artikel gestellt, um Klarheit über diese Frage zu erlangen. Ich betone ausdrücklich...
VORSITZENDER: Wiederholen Sie das bitte, ich habe Sie nicht verstanden.
GENERAL RUDENKO: Ich sage, daß wir dieses Dokument während des Kreuzverhörs des Zeugen Gisevius nicht verwendet haben. Wir haben nur eine Aufklärungsfrage darüber gestellt, um, falls Dr. Dix das Dokument vorlegen sollte, gegen dieses wegen Mangel an Beweiskraft Einspruch erheben zu können. Ich besonders...
VORSITZENDER: Haben Sie aber nicht den Inhalt des Dokuments Gisevius vorgelegt? Ich erinnere mich nicht daran. Was ich wissen möchte, ist, ob Sie nicht den Inhalt des Dokuments vorgelegt haben.
GENERAL RUDENKO: Nein, wir haben den Inhalt nicht vorgelegt und haben auch nicht über den wesentlichen Teil des Dokuments gesprochen. Wir haben lediglich eine Frage gestellt: ob der Zeuge Gisevius von dem Artikel in den »Basler Nachrichten« vom 14. Januar 1946 wußte. Das war die Frage, und der Zeuge antwortete mit Ja, daß er ihm bekannt wäre.
DR. DIX: Darf ich noch eins sagen. Ich habe die Empfindung, daß die Sowjetische Anklagevertretung nicht gern sieht, daß dieser Artikel als Beweisdokument überreicht wird. Ich ziehe deshalb diesen Artikel als Beweisdokument zurück, und ich sehe allen Anlaß, der Sowjet-Delegation, wenn ich keine pflichtgemäßen Gegengründe, sachlichen Gegengründe habe, den Wunsch zu erfüllen und bitte, die Frage als erledigt zu betrachten. Darf ich meine Frage stellen?