[Zum Zeugen gewandt:]
Wollen Sie sich den nächsten Brief vom 30. Mai 1933 ansehen, der besagt, daß die Genannten Gelegenheit hatten, die Angelegenheit Ihnen gegenüber zu erwähnen?
SCHACHT: Einen Moment, bitte. Der Brief ist, glaube ich, nicht hier drin. Nein, der ist nicht drin hier.
[Ein Schriftstück wird dem Zeugen überreicht.]
JUSTICE JACKSON: Ich ersuche Sie, zunächst den Brief vom 29. Mai zu lesen. Da ist einer vom 29. Mai und einer vom 30. Mai. Der vom 29. Mai ist nicht übersetzt worden.
SCHACHT: I see, just a minute. I read. (Ich sehe schon. Einen Augenblick, ich lese.)
Dieser Brief ist nicht in meine Hände gelangt; er ist ja hier auch durchgestrichen und offenbar nicht abgeschickt worden, weil ja eine mündliche Unterhaltung zwischen Krupp und mir stattgefunden hat, auf die sich Krupp im Brief des folgenden Tages – nämlich des 30. Mai – bezieht,... vom 30 Mai, wo der Brief anfängt:
»Wie ich Ihnen gestern gemeinschaftlich mit Herrn Dr. Köttgen kurz mitzuteilen Gelegenheit hatte...«
Das war offenbar eine mündliche Konversation.
JUSTICE JACKSON: Ja, und Sie sagten auch:
»Sie hatten die Freundlichkeit mir zuzusagen, sich durch die Herren Dr. Otto Christian Fischer und Dr. Mosler... über alle Einzelheiten und insbesondere darüber unterrichten zu lassen, inwieweit die öffentlichen Banken sich an diesem Werk beteiligen können.«
SCHACHT: Nein, Justice Jackson! Das steht in dem Brief nicht drin. Wollen Sie die Güte haben, den Brief vom 29. Mai zu lesen; wo steht darin etwas, daß ich mit Dr. Fischer sprach und Dr. Mosler sprechen würde? Wo steht das?
JUSTICE JACKSON: Bestreiten Sie, daß Sie den Brief vom 29. erhalten haben?
SCHACHT: Ja.
JUSTICE JACKSON: Haben Sie ihn niemals erhalten?
SCHACHT: Nein:
JUSTICE JACKSON: Bestreiten Sie, daß Sie eine Unterredung mit Krupp von Bohlen-Halbach hatten, die sich mit dem Gegenstand dieses Briefes befaßte?
SCHACHT: Nein... Einen Moment, lassen Sie mich ruhig antworten; ich wünsche nur keine Beschuldigung unwidersprochen zu lassen.
Ich habe am 29. Mai diesen Brief nicht erhalten und auch später nicht, sondern dieser Brief ist ersetzt worden durch eine mündliche Unterhaltung. Der Gegenstand dieser mündlichen Unterhaltung ist in dem Brief vom 30. Mai enthalten den wir vorhin gelesen haben und den ich bekommen habe. Sie haben eben behauptet, ich hätte Herrn Krupp von Bohlen versprochen, mit Dr. Fischer und Dr. Mosler zu sprechen; das steht nicht in dem Brief drin.
JUSTICE JACKSON: Aber steht das nicht in dem Memorandum, das – wie Sie sagten – durch eine mündliche Besprechung ersetzt wurde? Eben das frage ich Sie.
SCHACHT: Gut. Jedenfalls habe ich nicht versprochen, mit den Herren zu sprechen.
JUSTICE JACKSON: Wollen Sie noch etwas darüber sagen?
SCHACHT: Nein, ich habe genug!
JUSTICE JACKSON: Nun, ich glaube, Sie hatten gestern ausgesagt, daß Sie eine öffentliche Erklärung abgegeben hatten gegen die Terrorpolitik des Regimes, und als Beweis haben Sie aus Ihrer Königsberger Rede zitiert.
SCHACHT: Ja.
JUSTICE JACKSON: Unglücklicherweise haben Sie, Herr Dr. Schacht, in dem Moment aufgehört, als ich anfing, mich dafür zu interessieren.
SCHACHT: Ja, das ist in der Regel so.
JUSTICE JACKSON: Nachdem Sie ausgesagt hatten, daß es Menschen gab, die Deutschland regierten... Ich will Ihnen den Teil vorlesen, den Sie zitierten, denn er ist wichtig in Verbindung.
SCHACHT: Quote the whole thing. (Zitieren Sie das Ganze.)
JUSTICE JACKSON: Ja, das ist das, was Sie zitieren:
»Das sind Leute, die nächtlicherweile heldenhaft Fensterscheiben beschmieren, die jeden Deutschen, der in einem jüdischen Geschäft kauft, als Volksverräter plakatieren, die alle ehemaligen Freimaurer für Lumpen erklären und die im berechtigten Kampf gegen politisierende Pfarrer und Kapläne nun ihrerseits die Unterscheidung zwischen Religion und Kanzelmißbrauch nicht machen können. Das Ziel, das diese Leute im Auge haben, ist überall richtig und gut...«
Das haben Sie zitiert?
SCHACHT: Ja.
JUSTICE JACKSON: Wollen wir fortfahren:
»Das Ziel, das diese Leute im Auge haben, ist überall richtig und gut. Für Geheimbünde, auch wenn sie harmlos sind, ist kein Platz im Dritten Reich. Die Pfarrer und Kapläne sollen Seelsorge treiben und keine Politik machen. Die Juden müssen sich damit abfinden, daß ihr Einfluß bei uns ein für allemal vorbei ist.«
Das war auch ein Teil dieser Rede. Stimmt das?
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Und Sie haben in dieser Rede ausgeführt, daß für das »Judenproblem«, wie Sie es nannten, eine Gesetzgebung in Vorbereitung sei und daß man darauf warten müsse.
SCHACHT: Ja, das hatte ich gehofft.
JUSTICE JACKSON: Sie hatten es ihnen doch versichert?
SCHACHT: Wie bitte? Ja, das war die Absicht und die Aussicht, die ich aus der Unterhaltung mit Hitler hatte.
JUSTICE JACKSON: Und sie wußten, daß die Gesetze über die Juden in Vorbereitung waren?
SCHACHT: Nicht die Gesetze, die nachher kamen, sondern ich habe immer bei Hitler gedrängt, den Juden einen Rechtsschutz zu geben, und diesen wollte ich gerne durchgesetzt haben und nahm an, daß er kommen würde. Statt dessen kamen die Rassegesetze vom November oder September, ja November 1935.
JUSTICE JACKSON: Ich habe aus US-832 zitiert; es ist Dokument EC-433. Sie behaupten, daß die Gesetze, die Sie prophezeit und versprochen haben, Gesetze zum Schutz der Juden waren?
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Wir werden das noch später besprechen.
Sie haben Ihre Gründe vor dem Gerichtshof angegeben, die, wie Sie sagten, grundsätzlicher Natur waren, warum Sie nicht Parteimitglied geworden sind.
SCHACHT: Ja.
JUSTICE JACKSON: Gestern im Gerichtshof, erinnern Sie sich daran?
SCHACHT: Ja.
JUSTICE JACKSON: Ist es nicht richtig, daß Sie der Anklagevertretung der Vereinigten Staaten gegenüber erklärt haben, daß Sie Hitler fragten, ob Sie der Partei beitreten sollen und daß zu Ihrer großen Erleichterung Hitler nein sagte.
SCHACHT: Ja, ich wollte das feststellen, bevor ich in irgendeine Zusammenarbeit mit ihm hineinkäme, ob er etwa verlangte von mir, daß ich Mitglied der Partei würde. Das hat er abgelehnt; darüber war ich sehr beruhigt.
JUSTICE JACKSON: Sie sind außerhalb der Partei verblieben mit Hitlers Zustimmung und Billigung?
SCHACHT: Aber selbstverständlich. Ich glaube, das ist ein Grund mehr, um auszuweisen, daß ich nie Parteimitglied gewesen bin.
JUSTICE JACKSON: Aber das haben Sie dem Gerichtshof gegenüber nicht erwähnt, als Sie darüber sprachen, daß Hitler diese Erlaubnis gegeben hatte?
SCHACHT: Nein, ich habe geglaubt, das Gericht würde mir auch so glauben.
JUSTICE JACKSON: Als Sie das Goldene Parteiabzeichen erhalten haben, haben Sie erklärt, daß es die höchste Auszeichnung war, die man vom Dritten Reich erhalten konnte. Nicht wahr?
SCHACHT: Das habe ich, ja.
JUSTICE JACKSON: Und während Sie es im täglichen Leben nicht trugen, haben Sie es doch bei offiziellen Gelegenheiten getragen, wie Sie sagten, nicht wahr?
SCHACHT: Ja, es gab einem große Bequemlichkeit bei Eisenbahnfahrten, Automobilbestellungen und dergleichen.
JUSTICE JACKSON: Von 1933 bis 1942 haben Sie zur Nazi-Partei jährlich tausend Reichsmark beigesteuert.
SCHACHT: Nein, ja, pardon, von 1937 bis 1942.
JUSTICE JACKSON: Haben Sie nicht bei Vernehmungen von 1933 bis 1942 gesagt?
SCHACHT: Nein, das ist ein Irrtum. Von 1937, nachdem ich die Swastika bekommen hatte. Das ist ein Mißverständnis offenbar. Aber nachdem ich es bekommen hatte, habe ich mir gesagt: »Es ist anständig, gib den Leuten tausend Mark jährlich, fertig.«
JUSTICE JACKSON: Seit zehn Jahren, seit nicht ganz zehn Jahren haben Sie verschiedene Ämter unter diesem Regime angenommen und bekleidet. Nicht wahr?
SCHACHT: Von 17. März 1933 bis 21. Januar 1943.
JUSTICE JACKSON: Und, soweit ich Sie verstehe, wurden Sie während dieser Zeit, mindestens einem Teil dieser Zeit, von Hitler betrogen, und während der ganzen Zeit betrogen Sie Hitler.
SCHACHT: Nein, o nein.
JUSTICE JACKSON: Ich habe Sie falsch verstanden?
SCHACHT: Ja.
JUSTICE JACKSON: Gut. So...
SCHACHT: Ich glaube, daß in den ersten Jahren jedenfalls ich Hitler nicht betrogen habe; das glaube ich nicht nur, sondern das weiß ich; ich habe ihn erst betrogen von 1938 an. Bis dahin habe ich ihm ja meine Meinung stets ehrlich gesagt, habe ihn gar nicht betrogen, im Gegenteil.
JUSTICE JACKSON: Was wird dann aus Ihrer Erklärung, daß Sie in seine Regierung eintraten, um sein Programm zu bremsen? Haben Sie ihm das erzählt?
SCHACHT: O nein, ich werde mich hüten. Dann hätte er mich ja nie reingelassen, aber ich habe ihn ja darüber nicht betrogen.
JUSTICE JACKSON: Wußte er, daß der Zweck Ihres Eintritts in die Regierung war, sein Programm durch Sabotage zu vereiteln?
SCHACHT: Ich habe ja nicht gesagt, daß ich sein »program defeat« wollte, sondern ich habe gesagt, ich wollte es in geordnete Bahnen lenken.
JUSTICE JACKSON: Sie haben doch gesagt, daß Sie es bremsen wollten, Sie haben den Ausdruck gebraucht?
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Das heißt »verlangsamen«, nicht wahr?
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Und er wünschte es zu beschleunigen, nicht wahr?
SCHACHT: Jawohl, vielleicht.
JUSTICE JACKSON: Und Sie haben darauf geachtet, daß er nie erfuhr, daß Sie seiner Regierung zu dem Zweck beigetreten waren, sein Aufrüstungsprogramm zu verlangsamen, nicht wahr?
SCHACHT: Ich habe doch nicht nötig, ihm zu sagen, was ich denke. Ich habe ihn nicht betrogen. Ich habe ihm nichts Falsches gesagt. Ich werde ihm doch nicht sagen, was ich innerlich denke und will. Er hat es mir ja auch nicht gesagt. Sie sagen das Ihren politischen Gegnern ja auch nicht. Betrogen habe ich Hitler nie, außer von 1938 ab.
JUSTICE JACKSON: Ich möchte doch sagen, daß ich Sie nicht nach einem politischen Gegner frage. Ich frage Sie nach dem Mann, in dessen Regierung Sie eingetreten sind und deren Mitglied Sie wurden.
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Man sagt seinem Gegner nichts; aber ist es in Deutschland üblich, einer Regierung beizutreten mit der Absicht, das Programm des Chefs der Regierung zu vereiteln?
SCHACHT: Ich habe Ihnen ja eben bereits das Wort »defeat« zurückgewiesen, Mr. Justice. Ich habe nicht die Absicht gehabt »to defeat him«. Ich habe die Absicht gehabt, ihn zu bremsen; und das ist in der Tat üblich; denn daraus besteht jede Koalitionsregierung.
Wenn Sie in eine Koalition hineintreten, so heißt das, Sie müssen sich mit Ihren Nachbarparteien über gewisse Dinge verständigen und müssen gewisse Dinge, die der andere will, durch Ihren Einfluß zu hemmen suchen. Das ist kein Betrug, sondern das ist der Versuch einer Kompromißlösung.
JUSTICE JACKSON: Also, Sie behaupten, daß Sie wie in eine Koalition hineingegangen sind?
SCHACHT: Jawohl, das habe ich ja deutlich und eingehend auseinandergesetzt.
JUSTICE JACKSON: Sie haben das Wort selbst heute gebraucht, als Sie Ihre Tätigkeit als Sabotage seines Aufrüstungsprogramms beschrieben haben, nicht wahr?
SCHACHT: Jawohl, das habe ich von – sagen wir mal – 1936 an getan. Aber das hat er ja auch gemerkt. Das war ja kein Betrug.
JUSTICE JACKSON: Sie übernehmen einen Teil der Verantwortung dafür, nehme ich an, daß Deutschland den Krieg verloren hat?
SCHACHT: Das ist eine sehr merkwürdige Frage. Verzeihen Sie, wenn ich sage, ich übernehme dafür keine Verantwortung. Weil ich ja keine Verantwortung dafür trage, daß der Krieg angefangen worden ist, kann ich ja auch für den Verlust keine Verantwortung tragen. Ich wollte ja keinen Krieg.
JUSTICE JACKSON: Wann fingen Ihre ersten Zweifel an über Hitler als Mensch – über seine Redlichkeit?
SCHACHT: Darüber habe ich mich in dem ganzen Verhör so ausführlich ausgelassen, daß ich nicht glaube, daß ich das hier nochmal wiederholen muß.
JUSTICE JACKSON: Geschah es... Ich werde die Frage so stellen, wie es in Ihrer Vernehmung heißt, denn Ihr Verhör ist ein bißchen deutlicher. Da heißt es in Ihrer Vernehmung:
»1934 hat er viele Leute umgebracht oder viele Leute umbringen lassen, ohne einen juristischen Grund dafür zu haben, und ein paar Tage später hat er im Reichstag gesagt, er wäre der Oberste Richter in Deutschland. Das war er ganz bestimmt nicht, und zum ersten Male fühlte ich mich durch seine Auffassung erschüttert. Es schien mir absolut unmoralisch und unmenschlich.«
Stimmt das?
SCHACHT: Das habe ich hier bereits gestern ausgeführt, oder vorgestern, genau das gleiche.
JUSTICE JACKSON: Ich möchte diese Daten festlegen, Herr Dr. Schacht. Sie begreifen, Ihr Ziel und mein Ziel in diesem Prozeß ist nicht gerade dasselbe.
SCHACHT: No, no, I know that. (Nein, nein, ich weiß das.)
JUSTICE JACKSON: Nun, Sie haben auch über die Tätigkeit der Gestapo im Jahre 1934 und 1935 volle Auskunft von Gisevius bekommen nach dem was er hier ausgesagt hat, nicht wahr?
SCHACHT: Nein, das hat er nicht gesagt. Er hat gesagt, daß er über diese Dinge Bescheid wußte. Er hat mir nicht alles erzählt; aber ich habe ja vorhin, heute früh zugegeben, daß mir manches von ihm mitgeteilt wurde und daß ich daraus ja meine Folgerungen gezogen habe. Ich habe ja Anfang Mai 1935 bereits mit Hitler über diese Sache gesprochen.
JUSTICE JACKSON: Sie wußten von dem Gestapoterror, dem Reichstagsbrand...
SCHACHT: The Reichstag Fire?
JUSTICE JACKSON:... von der Falschheit der Behauptung einer Säuberungsaktion...
SCHACHT: Bitte einen Moment, darf ich der Reihe nach gehen? Über den Reichstagsbrand bin ich erst Jahre später aufgeklärt worden, und zwar durch den verstorbenen Grafen Helldorf, der hier auch von Gisevius erwähnt ist.
JUSTICE JACKSON: Sie wollen sagen, daß Ihnen Gisevius niemals davon erzählt hat?
SCHACHT: Ich glaube, ich habe es von Helldorf, ich kann es auch von Gisevius haben. Aber ich glaube, es war Helldorf; jedenfalls bin ich erst nach 1935 darüber aufgeklärt worden. Ich habe das bis dahin nicht für möglich gehalten.
JUSTICE JACKSON: Sie haben doch niemals an Gisevius' Worten gezweifelt, als er Ihnen 1934 und 1935 das erzählte, was er hier ausgesagt hat, nicht wahr?
SCHACHT: Einen Moment. Er hat es mir entweder 1934 oder 1935 erzählt; aber bitte nicht 1934 und 1935 und, wenn er es mir erzählt hat – wenn Gisevius das gesagt hat –, nehme ich an, daß es stimmt.
JUSTICE JACKSON: Also dann wußten Sie von der Verfolgung der Kirchen und der Vernichtung der Gewerkschaften, nicht wahr?
SCHACHT: Die »destruction of the labor unions« war ja bereits im Mai 1933 geschehen.
JUSTICE JACKSON: Sie wußten über all dies Bescheid, nicht wahr?
SCHACHT: Ich weiß nicht alles – das, was bekannt wurde. Ich habe genau das gewußt, was jeder Deutsche darüber gewußt hat und was die »labor unions« selbst darüber wußten.
JUSTICE JACKSON: Das war doch nun einer der Gründe für Ihren Beitrag und den der anderen Industriellen zur Nazi-Partei?
SCHACHT: O nein, o nein! Davon ist nie die Rede gewesen.
JUSTICE JACKSON: Sie wollen behaupten, daß Versammlungen von Industriellen abgehalten wurden und daß eine für die Industrie so wichtige Sache wie die Abschaffung der Gewerkschaften in ihren Zusammenkünften niemals erwähnt wurde?
SCHACHT: Ich weiß davon nichts. Bitte wollen Sie mich an irgend etwas erinnern?
JUSTICE JACKSON: Beschlagnahme des Vermögens;... daß die Gewerkschaftsführer in Konzentrationslager gebracht wurden?
SCHACHT: Das habe ich erfahren – einen Moment. Wer in das Konzentrationslager gekommen ist, weiß ich nicht. Über die Konfiskation der Vermögen bin ich unterrichtet gewesen; denn das wurde öffentlich bekanntgemacht. Aber was die Industriellenversammlungen damit zu tun haben, wenn ich Sie recht verstanden habe, das weiß ich nicht.
JUSTICE JACKSON: Sie wußten doch auch schon sehr früh von der Verfolgung der Juden, nicht wahr?
SCHACHT: Ich habe ganz genau gestern hier ausgeführt, was ich von der Judenverfolgung wußte, wie ich mich in der Judenverfolgung verhalten habe und daß, solange ich Minister war, ich alles getan habe, um diese Dinge zu verhindern.
JUSTICE JACKSON: Ich habe Ihre allgemeinen Erklärungen darüber gehört und ich möchte ein paar Einzelheiten darüber hören. Herr Dr. Schacht, haben Sie nicht folgendes in Ihrem Verhör vom 17. Oktober 1945 ausgesagt:
»Antwort: Die Nationalsozialisten hatten die Absicht, wie es auch in ihrem Programm stand, nicht einen so hohen Prozentsatz von Juden in Regierungsämtern und kulturellen Behörden Deutschlands zu behalten, womit ich auch einverstanden war.«
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON:
»Frage: Nun also, Sie haben doch ›Mein Kampf‹ gelesen, nicht wahr?
Antwort: Ja.
Frage: Und Sie kannten die Ansichten Hitlers bezüglich der Judenfrage, nicht wahr?
Antwort: Ja.«
Haben Sie so ausgesagt?
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON:
»Frage: Also gut, während Ihrer Zeit als Reichsminister wurden Gesetze herausgegeben, nicht wahr, welche zum Beispiel allen jüdischen Rechtsanwälten verboten, vor den Gerichten aufzutreten.
Antwort: Ja, das ist, was ich gesagt habe.
Frage: Waren Sie damit einverstanden?
Antwort: Ja.«
Haben Sie das gesagt?
SCHACHT: Yes.
JUSTICE JACKSON: Und Sie waren damit einverstanden, mit der Ausschließung...?
SCHACHT: Ja, ich habe immer mit dem Prinzip übereingestimmt.
JUSTICE JACKSON: Und Sie waren auch einverstanden mit dem Grundsatz, alle Juden aus Beamtenstellungen auszuschließen, nicht wahr?
SCHACHT: Nein. Ich möchte hier ausdrücklich sagen, ich habe...
JUSTICE JACKSON: Jawohl...
SCHACHT: Darf ich aussprechen?
JUSTICE JACKSON: Jawohl.
SCHACHT: Ich habe mit dem Prinzip des überwiegenden jüdischen Einflusses in Regierungs-, Rechts- und Kulturfragen stets mich dahin geäußert, daß ich diesen überwiegenden Einfluß nicht für günstig halte, weder im Interesse Deutschlands und des deutschen Volkes, welches ein christlicher Staat und auf der christlichen Weltanschauung aufgebaut ist, noch im Interesse der Juden, weil es die Animosität gegen die Juden lenkt. Ich habe deshalb immer für eine gewisse Beschränkung, eine zahlenmäßige Beschränkung der Juden auf all diesen Gebieten meine Stimme erhoben, nicht absolut nach der Bevölkerungszahl, aber immerhin ein gewisser Prozentsatz.
JUSTICE JACKSON: Also setzen wir fort mit den Vernehmungen. Die Vernehmungen sind immer so viel kürzer als die Antworten, die vor diesem Gerichtshof gemacht werden, wo die Presse zugegen ist, wenn ich so sagen darf.
Haben Sie nicht diese Antworten gegeben?
»Frage: Nun, bezüglich der Staatsbeamten. Es wurde ein Arierparagraph hineingebracht. Waren Sie mit dieser Gesetzgebung einverstanden?
Antwort: Mit denselben Einschränkungen.
Frage: Haben Sie sich im Kabinett oder irgendwoanders dahin geäußert, daß Sie diese Einschränkungen, von denen Sie sprechen, wünschten?
Antwort: Ich glaube nicht, das war unnötig.
Frage: Sie sagen ›unnötig‹, das zu tun?
Antwort: Jawohl.
Frage: Ich dachte, daß Sie mal gesagt haben, daß der Grund Ihres Dableibens war, daß Sie hofften, die Politik beeinflussen zu können?
Antwort: Jawohl.
Frage: Sie dachten nicht, daß das wichtig genug war, Stellung dazu zu nehmen?
Antwort: Nicht wichtig genug, darüber abzubrechen.
Frage: Abzubrechen?
Antwort: To break. That's right. (Abzubrechen, das ist richtig.)«
Dann wurden Sie folgendes gefragt:
»Frage: Sie haben bestimmt ein Gesetz unterzeichnet, das verbot, Juden die Genehmigung zu erteilen, mit Devisen zu handeln.«
Erinnern Sie sich dessen?
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON:
»Antwort: Ja, das mag sein.
Frage: Sie billigten das?
Antwort: Ich erinnere mich nicht, was die Einzelheiten über diese Frage waren.
Frage: Es ist nicht die Frage von Einzelheiten, es ist die Frage der Diskriminierung.
Antwort: Jawohl.
Frage: Sie sagten das?
Antwort: Yes certainly. (Ja, ganz sicher.)«
Sie billigten diese Gesetzgebung oder nicht?
SCHACHT: Is that a question now or from the interrogation? (Ist das jetzt eine Frage, oder ist das aus der Vernehmung?)
JUSTICE JACKSON: Ich frage Sie jetzt.
SCHACHT: Ja, einverstanden, jawohl.
JUSTICE JACKSON: Also, Sie billigten es? Sie sagten das nicht als Sie verhört wurden?
SCHACHT: You can see how difficult it is. (Sie können sehen, wie schwer es ist.)
JUSTICE JACKSON: Die Frage war damals, ob Sie es billigten, und Sie sagten:
»Ich war nicht dafür, aber ich mußte es unterzeichnen.
Frage: Sie waren der einzige, der es unterzeichnet hat, Sie waren der Reichswirtschaftsminister?
Antwort: Jawohl.
Frage: Und offenbar war es ein Gesetz, das von Ihrem Ministerium ausging, nicht wahr?
Antwort: Jawohl.«
Ist das korrekt?
SCHACHT: Ja, ich nehme an. Nicht wahr, in diesen Dingen handelte es sich ja um unterschiedliche Grade. Im Prinzip habe ich meine Politik hier eben entwickelt, und bis zu welchem Grad die einzelnen Gesetze gegangen sind, ist eine Frage der Politik; heute kann man dazu so und so sagen.
JUSTICE JACKSON: Sie befürworteten ein Gesetz und haben es auch unterzeichnet, das verbot, Juden zum Beispiel zu den Wirtschaftsberaterprüfungen für Genossenschaften zuzulassen?
SCHACHT: Ja, möglich. Ich erinnere mich nicht, aber es wird schon richtig sein.
JUSTICE JACKSON: Und Sie billigten auch ein Gesetz, das die Todesstrafe für deutsche Staatsangehörige vorsah, die deutsches Eigentum ins Ausland schafften oder deutsches Eigentum im Ausland ließen?
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Und Sie wußten natürlich, daß das am meisten und am schlimmsten die Juden traf, die ins Ausland gingen?
SCHACHT: Ich hoffe doch nicht, daß die Juden mehr betrogen haben als die Christen.
JUSTICE JACKSON: Also, die Todesstrafe für deutsche Staatsangehörige, die deutsches Eigentum ins Ausland brachten –, das war Ihre Idee von einem gerechten Gesetz?
SCHACHT: Ich verstehe nicht, meine Idee?
JUSTICE JACKSON: Ja.
SCHACHT: Es war eine Idee vom Finanzminister, und ich habe sie mitunterzeichnet.
JUSTICE JACKSON: Die nächste Frage, die anschließend an Sie gestellt wurde:
»War Ihr Gewissen dabei beteiligt oder nicht?«,
und Sie haben geantwortet:
»In gewissem Maße, ja; aber nicht wichtig genug, um einen Bruch zu riskieren.«
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Und dann kommt die Frage:
»Jawohl. Mit anderen Worten, hatten Sie einen ganz anderen Zweck, einen viel wichtigeren?«
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON:
»Frage: So, was war dann dieser Zweck, Herr Dr. Schacht?«
Ich lese immer noch, das spart Zeit.
SCHACHT: Oh, pardon.
JUSTICE JACKSON:
»Antwort: Der Zweck war, an der Macht zu bleiben und zu helfen, dieses auf einem üblichen und vernünftigen Weg durchzuführen.
Frage: Das heißt, die Wiederherstellung der deutschen Wirtschaft?
Antwort: Das stimmt.
Frage: Und die vollständige Durchführung des Rüstungsprogramms?
Antwort: Die Vollendung der zwischenstaatlichen Gleichberechtigung der politischen Gleichstellung für Deutschland.
Frage: Durch Aufrüstung, wie Sie selbst gesagt haben?
Antwort: Auch durch Aufrüstung.«
SCHACHT: All correct and I stand by that today. (So war es, und ich stehe auch heute noch dazu).
JUSTICE JACKSON: Ja. Also die Rüstungsfrage war so wichtig, daß Sie wegen der Juden keinen Bruch riskieren wollten?
SCHACHT: Not the armament question but the equality of Germany. (Nicht die Rüstungsfrage, aber die Gleichstellung Deutschlands.)
JUSTICE JACKSON: Gut, aber ich fragte Sie eben »durch die Aufrüstung«, wie Sie selbst gesagt haben.
SCHACHT: And I say also by means of armament, it was one of the means. (Und ich sage, auch durch Rüstung. Das ist eines der Mittel.)
JUSTICE JACKSON: Ja, und es ist das einzige, von dem dann schließlich Gebrauch gemacht wurde, nicht wahr?
SCHACHT: No, it was not, there were other ones. (Nein, das war es nicht. Es gab auch andere.)
JUSTICE JACKSON: Wir werden noch rechtzeitig darauf zurückkommen. Nun, ist es nicht eine Tatsache, daß Sie auch dem Gesetz zustimmten, auf Grund dessen alle jüdischen Beamten und Notare entlassen wurden?
SCHACHT: Das ist möglich.
JUSTICE JACKSON: Und Sie haben auch am 24. Dezember 1935 an Blomberg geschrieben. Sie gaben Ihre Beweggründe an, nicht wahr? Sie sagten:
»Die wirtschaftliche und rechtspolitische Behandlung der Juden, die antikirchliche Bewegung gewisser Parteiorganisationen, und die Rechtswillkür, die sich um die Gestapo gruppiert, bilden eine Beeinträchtigung unserer Rüstungsaufgaben, die durch die Anwendung verständiger Methoden ohne Preisgabe des Zieles zum mindesten ganz erheblich herabgemindert werden könnten.« (Schacht Exhibit Nummer 13.)
Sie schrieben das, nicht wahr?
SCHACHT: Jawohl, ich habe es gestern selber zitiert.
JUSTICE JACKSON: Also, was das Aufrüstungsprogramm betrifft, so nahmen Sie in drei verschiedenen Funktionen daran teil, nicht wahr?
SCHACHT: Ich weiß nicht, welche Sie meinen, aber bitte, fahren Sie fort.
JUSTICE JACKSON: Ich will sie aufführen. Erstens waren Sie Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft?
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Das war zunächst ein geheimes Amt?
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Sie waren Reichsbankpräsident. Das war das finanzielle Amt?
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Und Sie waren Wirtschaftsminister, und damit hatten Sie die Kontrolle des Ministeriums über die allgemeinen Wirtschaftsfragen.
SCHACHT: Ja, dieses Wort »control« ist ja so ein allgemeines Wort, daß ich das nicht so ohne weiteres unterschreiben möchte; aber ich war Wirtschaftsminister.
JUSTICE JACKSON: Betrachten wir zuerst die Stellung als Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft. Sie haben ausgesagt, daß diese Stellung für zwei Zwecke geschaffen wurde a) Vorbereitung für den Krieg, b) Kontrolle der Wirtschaft im Falle eines Krieges.
Ist das richtig?
SCHACHT: Das heißt, eine Vorplanung für den Fall, daß ein Krieg eintreten sollte, und die Lenkung der Wirtschaft, wenn der Krieg eingetreten sein sollte. Das heißt so eine Vorbereitungs-Aera und eine künftige Aera im Falle eines Krieges.
JUSTICE JACKSON: Und Sie wurden über Ihre Tätigkeit befragt und gaben folgende Antworten, nicht wahr:
»So wie ein Stabschef für die Mobilisierung vom militärischen Standpunkt aus sorgt...«
so hatten Sie vom wirtschaftlichen Standpunkt aus damit zu tun.
SCHACHT: Ja.
JUSTICE JACKSON: Sie antworteten: »sicherlich«.
Und Ihre Stellung als Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft hatte den gleichen Rang wie das Kriegsministerium, nicht wahr?
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Und, wie Sie uns gesagt haben, diejenigen, die die Verantwortung im Falle eines Krieges hatten, waren erstens der Kriegsminister und der Chef des Generalstabes der Wehrmacht, und zweitens auf gleicher Stufe Dr. Schacht, als Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft. Ist das richtig?
SCHACHT: Ich nehme an, ja.
JUSTICE JACKSON: Im Januar 1937 haben Sie folgendes geschrieben, nicht wahr?
»Ich bin mit der Vorbereitung der Kriegswirtschaft betraut nach dem Grundsatz, daß unsere Kriegswirtschaftsorganisation so eingeführt sein muß in Friedenszeiten, daß im Notfall die Kriegswirtschaft direkt aus dieser Friedensorganisation umgewandelt werden kann, so daß dies nicht nach Ausbruch des Krieges zu geschehen braucht?«
SCHACHT: Ich nehme an, das ist korrekt.
JUSTICE JACKSON: Und wer war Ihr Stellvertreter in diesem Amt, Wohlthat?
SCHACHT: I think Wohlthat.
JUSTICE JACKSON: Nun, dies waren Ihre Aufgaben als Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft. Wenden wir uns jetzt Ihrer Tätigkeit als Reichsbankpräsident zu.
Sie haben gesagt, daß die Durchführung des Rüstungsprogramms die Hauptaufgabe der deutschen Politik im Jahre 1935 war, oder nicht?
SCHACHT: Zweifellos.
JUSTICE JACKSON: Es gibt keinen Zweifel darüber, daß Sie freiwillig die Verantwortung für die Ausfindigmachung finanzieller und wirtschaftlicher Mittel übernommen haben.
SCHACHT: Ohne Zweifel.
JUSTICE JACKSON: Und Sie waren der führende finanzielle und wirtschaftliche Verwalter für die Entwicklung der Rüstungsindustrie in Deutschland?
SCHACHT: Nein.
JUSTICE JACKSON: Waren Sie nicht?
SCHACHT: Nein. In keiner Weise.
JUSTICE JACKSON: Nun, ich mag Sie mißverstanden haben.
»Frage: Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung...«
Ich beziehe mich auf Ihr Verhör vom 16. Oktober 1945, US-636, Seite 44.
»Nun, im Zusammenhang mit dieser Entwicklung der Rüstungsindustrie wurden Sie deren finanzieller und wirtschaftlicher Verwalter.«
Sie nickten mit dem Kopf?
SCHACHT: Wie bitte?
JUSTICE JACKSON: Sie nicken mit dem Kopf.
SCHACHT: Ja.
JUSTICE JACKSON: »Sie wurden...« Ich werde Ihnen die ganze Frage nochmals vorlegen, so daß Sie sie verstehen.
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON:
»Nun, im Zusammenhang mit dieser Entwicklung der Rüstungsindustrie wurden Sie deren finanzieller und wirtschaftlicher Verwalter.«
Das Protokoll sagt, daß Sie mit dem Kopf nickten.
Die nächste Frage war:
»Und in diesem Zusammenhang haben Sie verschiedene Schritte unternommen. Wollen Sie uns bitte die wichtigsten Schritte näher beschreiben, die Sie in Richtung auf die erstrebte Wiederaufrüstung unternahmen; erstens intern, und zweitens in Bezug auf andere Nationen?
Antwort: Intern habe ich versucht, alles Geld, das zur Verfügung stand, zusammenzufassen, um die Mefo- Wechsel zu finanzieren. Nach außen hin habe ich versucht, den Außenhandel soweit wie möglich aufrechtzuerhalten.«
Haben Sie diese Antworten gegeben, und sind sie richtig?
SCHACHT: I am sure you are correct. (Ich bin sicher, es stimmt.)
JUSTICE JACKSON: Und mit der Aufrechterhaltung des Außenhandels beabsichtigten Sie, genügend Devisen für die Einfuhr von Rohstoffen zu bekommen, die für das Wiederaufrüstungsprogramm notwendig waren. Ist das nicht richtig?
SCHACHT: Das war die Frage, die mir gestellt wurde. Jetzt kommt die Antwort. Ja, wollen Sie bitte auch die Antwort sagen.
JUSTICE JACKSON: Und was ist jetzt Ihre Antwort?
SCHACHT: Meine Antwort heute ist, daß es nicht das einzige Ziel war.
JUSTICE JACKSON: Nicht das einzige Ziel?
SCHACHT: Richtig.
JUSTICE JACKSON: Aber das war das wichtigste Ziel, nicht wahr?
SCHACHT: Nein, durchaus nicht.
JUSTICE JACKSON: Gut, was war das andere Ziel?
SCHACHT: Deutschland am Leben zu erhalten, die Beschäftigung Deutschlands zu sichern, genügend Nahrungsmittel für Deutschland hereinzuholen.
JUSTICE JACKSON: Was war Ihr Hauptziel?
SCHACHT: Die Ernährung Deutschlands und die Beschäftigung für die Exportindustrie.
JUSTICE JACKSON: Ich möchte in Bezug auf Ihr Ziel eins oder zwei dieser Dokumente mit Ihnen durchgehen, und zwar Dokument 1168-PS vom 3. Mai 1935.
SCHACHT: Ja.
JUSTICE JACKSON: Überschrift »Finanzierung der Rüstung«; US-37.
»Die nachfolgenden Ausführungen gehen davon aus, daß die Durchführung des Rüstungsprogrammes nach Tempo und Ausmaß die Aufgabe der deutschen Politik ist, daß demnach alles andere diesem Ziel untergeordnet werden muß, soweit nicht durch Vernachlässigung anderer Fragen das eine Hauptziel etwa gefährdet wird.«
Haben Sie das geschrieben?
SCHACHT: Ich habe das nicht nur geschrieben, sondern ich habe das ja Hitler persönlich überreicht. Es ist eines von den beiden Zwillingsdokumenten, von denen das eine hier bereits als Beweisstück eingerührt ist und in der Anklage ja durchaus eingehend behandelt worden ist, während ich das zweite Dokument nicht bekommen habe.
Ich habe im Verhör durch meinen Anwalt hier bereits ausgesagt, daß es mir darauf ankam, die Parteisammlungen und die Parteigelder, die überall aus dem deutschen Volke herausgezogen wurden, abzustoppen, weil es für mich außerordentlich schwierig war, die Gelder für die Rüstung zu bekommen, für die Kassierung der Mefo-Wechsel und dergleichen.
Ich konnte das natürlich nur bei Hitler durchsetzen, wenn ich ihm sagte: »Es ist selbstverständlich, daß das im Interesse der Rüstung geschieht.« Wenn ich hier gesagt hätte, daß es geschieht zum Beispiel...
JUSTICE JACKSON: Ja, aber...
SCHACHT: Nein, ich bitte, mich ausreden zu lassen. Wenn ich ihm gesagt hätte, das geschieht im Interesse des Baues von Theatern oder sonst etwas, dann hätte das keinen Eindruck auf ihn gemacht. Aber wenn ich ihm sagte, es muß geschehen, weil wir sonst nicht rüsten können, so war das der Punkt, an dem ich Hitler anfassen konnte, und deshalb habe ich das gesagt. Das habe ich in dem Verhör meinem Anwalt hier zugegeben und auseinandergesetzt.
JUSTICE JACKSON: Und das nannten Sie nicht, ihn irreführen?
SCHACHT: Ich würde das nicht »misleading«, sondern »leading« nennen.
JUSTICE JACKSON: Aber ein »Führen«, ohne ihm die wahren Motive zu sagen, die Sie antrieben – zu mindestens.
SCHACHT: Ich glaube, Sie können viel mehr Erfolge erzielen, wenn Sie jemand leiten wollen, wenn Sie ihm nicht die wahren Gründe sagen, als wenn Sie sie ihm sagen.
JUSTICE JACKSON: Ich danke Ihnen für diese offene Darlegung Ihrer Ideologie, Herr Dr. Schacht. Ich danke Ihnen verbindlichst.
Nun haben Sie verschiedene Pläne entworfen, einen zur Kontrolle von Devisen, von gesperrten ausländischen Guthaben und – die Mefo-Wechsel waren eines Ihrer Hauptfinanzierungsmittel, nicht wahr?
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Nun, die Einzelheiten über die Mefo-Wechsel interessieren mich nicht; doch möchte ich Sie folgendes tragen. Ist es nicht richtig, daß Sie im Verhör vom 16. Oktober 1945 folgendes ausgesagt haben – US-636:
»Frage: Lassen Sie mich jetzt tatsächlich folgendes fragen: Als Sie zum Beispiel mit den Mefo-Wechseln anfingen, hatten Sie keine verfügbaren Mittel für die Finanzierung der Rüstung?
Antwort: Ganz richtig.
Frage: Das heißt, aus den regulären Budgetfinanzie rungsquellen.
Antwort: Nicht genügend.
Frage: Außerdem waren Sie seinerzeit durch eine Verfügung der Reichsbank beschränkt, die Ihnen nicht erlaubte, auch nur annähernd genügenden Kredit für das Rüstungsprogramm zu geben.
Antwort: Ganz richtig.
Frage: Und trotzdem haben Sie einen Weg gefunden.
Antwort: Jawohl.
Frage: Und den Weg fanden Sie, indem Sie ein Mittel fanden, das es in der Tat der Reichsbank ermöglichte, der Regierung auf krummem Wege das zu leihen, was sie, die Reichsbank, gesetzlicher- und normalerweise nicht tun durfte.
Antwort: Richtig.«
Ist das richtig?
SCHACHT: Das habe ich geantwortet.
JUSTICE JACKSON: Die folgenden Fragen wurden dann gestellt:
»Frage: Ich entnehme, daß grundsätzlich das, was in Deutschland in der Rüstungsindustrie, in einer an sich gesunden heimischen Wirtschaft, sowie in der Wehrmacht aufgebaut wurde, daß die Anstrengungen, die Sie von 1934 bis zum Frühjahr 1938 machten, als die Mefo-Finanzierung aufhörte, hauptsächlich für den Erfolg des ganzen Programmes verantwortlich waren.
Antwort: Ich weiß nicht, ob sie dafür verantwortlich waren, aber ich habe einen großen Teil zum Erfolg beigetragen.«
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Und am 17. Oktober 1945 wurden Sie wie folgt befragt:
»Frage: Mit anderen Worten: Sie behaupten nicht, daß Sie für die Aufrüstung der Deutschen Wehrmacht nicht in hohem Maße verantwortlich sind?
Antwort: O nein, ich habe das nie getan.
Frage: Ich nehme an, daß Sie immer stolz auf diese Tatsache gewesen waren?
Antwort: Ich würde nicht sagen stolz, aber zufrieden.«
Sind Sie noch der gleichen Ansicht?
SCHACHT: Ich möchte dazu folgendes eben sagen: Die Mefo-Wechselfrage ist sicherlich eine Finanzierungsart gewesen, die normalerweise niemals eingetreten wäre. Ich habe mich hier beim Verhör durch meinen Anwalt ausführlich darüber geäußert. Ich kann aber auf der anderen Seite sagen, daß diese Frage bei der Reichsbank von allen Juristen genau geprüft worden ist und daß vermittels dieser »subterfuge« wie Sie sagen, ein Weg gefunden wurde, der »legally« möglich war.
JUSTICE JACKSON: Nein, ich habe das nicht so gesagt; Sie sagten es.
SCHACHT: Nein, nein, ich meine, was Sie eben nun zitiert haben, als meine Antwort – ich bitte um Entschuldigung –, als diese Sache juristisch geprüft worden ist und wir uns gesagt haben, so geht es. Im übrigen bin ich auch heute noch zufrieden, daß ich zur Aufrüstung beigetragen habe. Dabei hätte ich nur gewünscht, daß Hitler davon einen anderen Gebrauch gemacht hätte.
JUSTICE JACKSON: Nun, anläßlich Ihres 60. Geburtstages wurde Ihnen vom Kriegsminister Blomberg gesagt: »Ohne Ihre Hilfe, mein lieber Herr Schacht, könnte diese Aufrüstung nicht stattgefunden haben.« Hat er das nicht gesagt?
SCHACHT: Ja, das sind wohl diese Höflichkeiten, die man bei solchen Gelegenheiten austauscht. Aber es ist ein gutes Stück Wahrheit darin. Ich habe das nie abgestritten.
JUSTICE JACKSON: So scheint es mir auch.
Nun, als Sie schließlich einige Vorschläge machten, die Aufrüstung abzustoppen, oder sie zu verlangsamen, wie ich Sie verstehe, haben Sie diese Vorschläge gemacht, ohne den Stand der Rüstung zu kennen?
SCHACHT: Ja.
JUSTICE JACKSON: Sie konnten dies nur durch die finanziellen Umstände feststellen oder nicht?
SCHACHT: O nein.
JUSTICE JACKSON: Nun, woran denn?
SCHACHT: Ich habe natürlich eine allgemeine Übersicht über diese Dinge gehabt, weil ja der General Thomas mit mir über diese Dinge immer gesprochen hat. Aber das, was General von Blomberg glaubt, dessen entsinne ich mich nicht, daß er mir genaue Unterlagen gegeben hat. Dagegen bin ich im allgemeinen natürlich darüber unterrichtet gewesen, welchen ungefähren Fortschritt die Rüstung gemacht hat, und das hat mich ja dazu veranlaßt zu sagen: »langsamer«. Bestärkt worden bin ich darin durch die allgemeinen Verhältnisse.
JUSTICE JACKSON: Nun wollen wir einmal sehen, welche Gründe Sie im Beweisstück EC-286 geben; ich lege es als US-833 vor:
»Ich bin infolgedessen der Meinung, daß wir unseren Export unter zeitweiliger ›Minderung der Rüstung mit allen Mitteln fördern sollten...‹ Ich betone das Wort ›zeitweilig‹.«
SCHACHT: ›Decrease‹ (Minderung).
JUSTICE JACKSON: ›Minderung‹, ja, ›zeitweilig‹.
SCHACHT: Ja.
JUSTICE JACKSON: Ich betone »zeitweilig«, und Sie betonen »Minderung«.
SCHACHT: Oh no, no, I agree with you. (Ich stimme mit Ihnen überein.)
JUSTICE JACKSON:
»... und daß wir ferner in Bezug auf den Vierjahresplan nur diejenigen Aufgaben sofort lösen sollten, die am dringlichsten erscheinen. Dazu rechne ich das Treibstoffprogramm, das Bunaprogramm und das Programm der inneren Aufschließung von Erzen, soweit diese Aufschließung ihrerseits nicht zu große Rohstoffmengen benötigt, die dem Export entzogen werden. Dagegen wären alle sonstigen Maßnahmen des Vierjahresplans zunächst zurückzustellen. Ich bin überzeugt, daß durch eine derartige Politik unser Export so stark gesteigert werden könnte, daß unsere erschöpften Lagervorräte eine gewisse Aufbesserung erfahren würden und daß die Wiederaufnahme einer verstärkten Rüstung in nicht allzu ferner Zukunft von der Rohstoffseite her wieder möglich werden würde. Inwieweit eine zeitliche Hinausschiebung der Rüstung auch militärische Vorteile haben würde, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich könnte mir jedoch denken, daß eine solche Rüstungspause nicht nur für die nachzuholende Ausbildung von Offizier und Mann vorteilhaft wäre, sondern, daß diese Pause auch Gelegenheit geben würde, die technischen Ergebnisse der seitherigen Rüstung zu überprüfen und die technische Seite der Rüstung zu vervollkommnen.«
Haben Sie das nicht an Göring geschrieben?
SCHACHT: Durchaus möglich. Ich kenne den Brief nicht mehr, aber es sieht ganz nach mir aus.
JUSTICE JACKSON: Und Sie haben Göring Ihre wahren Ansichten ganz richtig mitgeteilt – oder nicht?
SCHACHT: Nein, ich glaube, daß es ein bloßer taktischer Brief war; denn ich glaube, daß es mir darauf ankam, zunächst mal die Rüstung etwas zu beschränken. Hätte ich ihm gesagt, wir wollen mit den Rüstungen stoppen, dann hätte mich Göring wahrscheinlich beim Führer entsprechend denunziert, und infolgedessen habe ich ihm gesagt: »Wir wollen das mal vorläufig stoppen«, »temporary«. Ich betone also auch das »temporary«. Das war eine taktische Maßnahme, um Göring zu überzeugen, daß es zunächst nur vorläufig sei.
JUSTICE JACKSON: Dann haben Sie Ihren Kollegen in der Regierung gegenüber auch nur taktische Feststellungen gemacht, die Ihren wahren Ansichten nicht entsprachen.
SCHACHT: Oh, das war im höchsten Maße notwendig.
JUSTICE JACKSON: Wann hörte dies auf, notwendig zu sein, Dr. Schacht?
SCHACHT: Cease? (Aufhören?)
JUSTICE JACKSON: Ja, wann hörte dies auf, notwendig zu sein?
SCHACHT: Ich glaube, es ist wichtiger zu fragen, wann es »commenced«, wann es anfing.
JUSTICE JACKSON: Nun?
SCHACHT: Ich habe in den ersten Jahren das natürlich nicht getan, aber später sehr erheblich. Ich kann eigentlich sagen: permanent. Aufgehört hat es nie.
JUSTICE JACKSON: Hat es jetzt aufgehört?
SCHACHT: Ich habe keine Kollegen mehr, sondern habe hier vor dem Gericht nichts als die Wahrheit zu sagen.
JUSTICE JACKSON: Am 24. Dezember 1935 schrieben Sie – es ist Dokument EC-293, US-834 – folgendes:
»Wenn jetzt darüber hinaus verstärkte Rüstung verlangt wird, so liegt es mir selbstverständlich völlig fern, meine seit Jahren, vor und nach der Machtergreifung, ausgesprochene Befürwortung einer möglichst starken Aufrüstung verleugnen oder ändern zu wollen; ich muß aber pflichtmäßig auf die wirtschaftlichen Grenzen hinweisen, die dieser Politik gesteckt sind.«
SCHACHT: Das ist sehr gut.
JUSTICE JACKSON: Und auch wahr?
SCHACHT: Sicher.
JUSTICE JACKSON: Dann kam nun der Vierjahresplan im Jahre 1936?
SCHACHT: Ja.
JUSTICE JACKSON: Sie haben die Ernennung Görings zu dieser Stellung nicht gern gesehen?
SCHACHT: Ich habe ihn für ungeeignet gehalten. Außerdem begann natürlich damit eine Politik, die gegen die meine gerichtet war; denn ich wußte jetzt ganz genau, jetzt beginnt die übermäßige Rüstung, während ich für maßvolle Rüstung war.
JUSTICE JACKSON: Warum sagen Sie, daß Görings Ernennung übermäßige Rüstung bedeutete? Können Sie mich auf irgend etwas hinweisen, was Göring zugunsten einer Wiederaufrüstung gesagt hat, das extremer ist als das, was Sie gesagt haben?
SCHACHT: O ja.
JUSTICE JACKSON: Wollen Sie es sagen?
SCHACHT: Ja. Ich glaube, wenn Sie die Protokolle des sogenannten »Kleinen Ministerrats« aus dem Jahre 1936 lesen, die Sie selber eingereicht haben, und dann namentlich die aus dem Jahre 1938, so werden Sie sofort sehen, daß hier die Notwendigkeit stärkerer Rüstung betont wurde, zum Beispiel vom November oder Oktober 1936, glaube ich.
JUSTICE JACKSON: Nun, wurde dies denn nicht auch in allen von Ihnen verfaßten Schriftstücken betont?
SCHACHT: Nein.
JUSTICE JACKSON: Sie sagen, daß Ihre diesbezüglichen Erklärungen nur taktischer Art waren.
SCHACHT: Nein, verzeihen Sie, ich habe gesagt, Rüstung im Rahmen des wirtschaftlich Vernünftigen und Möglichen; und Göring, wenn ich doch nun mal im Extremen sagen darf, wollte diese Grenzen überschreiten.
JUSTICE JACKSON: Das ist genau das, was ich sagen will. Der Unterschied zwischen Ihnen und Göring in Bezug auf die Aufrüstung war nur eine Frage, wieviel die deutsche Wirtschaft aushalten konnte, nicht wahr?
SCHACHT: Nein, sondern ich habe gesagt: Die Hauptsache ist, daß Deutschland lebt und einen Außenhandel hat, und im Rahmen dieser Dinge können wir rüsten. Daß aber Deutschland mehr rüstet, bloß um zu rüsten und seine Wirtschaft ruiniert, das ist ausgeschlossen.
JUSTICE JACKSON: Nun, das war eben der Unterschied zwischen Ihnen und Göring: Was konnte die Wirtschaft aushalten, nicht wahr?
SCHACHT: Nein, sondern was die Rüstung, den Umfang der Rüstung anlangt. Denn es ist ja so, Mr. Justice, daß das, was Göring gemacht hat, ja auch von der deutschen Wirtschaft ertragen worden ist. Es fragt sich nur, vernünftigerweise oder unvernünftigerweise. Wenn ich es ganz kraß sagen darf, so habe ich Görings Wirtschaftspolitik für unvernünftig gehalten, das heißt für eine Beschwerung des deutschen Volkes, während bei mir voranstand, daß die Rüstung nicht weitergehen dürfe, sondern, daß das deutsche Volk einen normalen Friedensstandard einzunehmen hätte.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof vertagt sich nunmehr.