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[Das Gericht vertagt sich bis

3. Mai 1946, 10.00 Uhr.]

Einhundertzwanzigster Tag.

Freitag, 3. Mai 1946.

Vormittagssitzung.

[Der Angeklagte Schacht betritt den Zeugenstand.]

DER VORSITZENDE LORD JUSTICE SIR GEOFFREY LAWRENCE: Der Gerichtshof wird morgen um 10.00 Uhr in offener Sitzung tagen und wird dann um 12.00 Uhr mittags zu einer nichtöffentlichen Sitzung zusammentreten.

Herr Justice Jackson und Angeklagter Schacht, Sie werden im Namen der Dolmetscher gebeten, wenn möglich nach jeder Frage eine Pause zu machen; und wenn Sie es für nötig erachten, die Dokumente, die Sie behandeln, in englischer Sprache vorzulesen oder zu besprechen, so werden Sie gebeten, eine entsprechende Pause einzuschalten, damit die Dolmetscher, die aus dem Englischen in andere Sprachen übersetzen, Zeit haben, die Übersetzung zu geben. Ist das klar?

JUSTICE ROBERT H. JACKSON, HAUPTANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Ich muß die Dolmetscher ständig um Entschuldigung bitten. Es ist schwer, die Gewohnheiten eines ganzen Lebens abzulegen.

VORSITZENDER: Ja, es ist sehr schwer.

JUSTICE JACKSON: [zum Zeugen gewandt] Dr. Schacht! Nebenbei bemerkt, die Photographie Nummer 10, die Ihnen gestern gezeigt wurde, das war doch eine der Gelegenheiten, bei denen Sie das Parteiabzeichen getragen haben, nicht wahr?

HJALMAR SCHACHT: Das kann sein.

JUSTICE JACKSON: Sie sind dessen doch ganz sicher, nicht wahr?

SCHACHT: Ich kann es nicht genau unterscheiden, aber es kann sein und dann beweist es, daß das Bild nach 1937, nach dem Januar 1937 aufgenommen sein muß.

JUSTICE JACKSON: Das wollte ich beweisen. Und tatsächlich wurde es nach 1941 aufgenommen, nicht wahr? Bormann ist doch in keiner wichtigen amtlichen Stellung vor 1941 gewesen, nicht wahr?

SCHACHT: Bormann?

JUSTICE JACKSON: Bormann, ja.

SCHACHT: Weiß ich nicht.

JUSTICE JACKSON: Nun, wenn wir uns wieder dem Vierjahresplan zuwenden, der im Jahre 1936 begann, so habe ich Sie dahin verstanden, daß Sie gegen die Ernennung Görings als Leiter des Vierjahresplans opponiert haben, und zwar aus zwei Gründen: Erstens, weil Sie dachten, daß dieser neue Plan Ihre Funktionen beeinträchtigen könne, und zweitens waren Sie der Meinung, daß, auch wenn es einen Vierjahresplan geben sollte, Göring diesen zu leiten nicht geeignet wäre.

SCHACHT: Ich weiß nicht, was Sie unter »opponieren« verstehen. Ich war nicht zufrieden damit und hielt die Wahl Görings nicht für geeignet, um irgendwelche Wirtschaftspolitik leitend in die Hand zu nehmen.

JUSTICE JACKSON: In der Tat haben Sie Göring als einen sehr törichten Wirtschaftler bezeichnet, nicht wahr?

SCHACHT: Ja. Wie man in einer lebhaften Unterhaltung so etwas sagt.

JUSTICE JACKSON: Oder im Verhör?

SCHACHT: Auch »interrogations« sind manchmal lebhaft.

JUSTICE JACKSON: Nun, Göring begann sehr bald sich in Ihre Funktionen einzumischen, nicht wahr?

SCHACHT: Er hat es wiederholt versucht, glaube ich.

JUSTICE JACKSON: Aber es gelang ihm auch, nicht wahr?

SCHACHT: Ich verstehe nicht, was Sie damit meinen: »he got away with it«.

JUSTICE JACKSON: Nun, ich gebe zu, daß dieser amerikanische Dialekt schwer zu verstehen ist, ich meine, es ist ihm gelungen.

SCHACHT: Ja, im Juli 1937 hat er mich völlig an die Wand gedrückt.

JUSTICE JACKSON: Das begann damit, daß er im Zusammenhang mit dem Bergbau einen Vorschlag machte oder eine Maßnahme traf?

SCHACHT: Ja.

JUSTICE JACKSON: Er hat auch eine Rede an einige Industrielle gehalten, nicht wahr?

SCHACHT: Ich nehme an, daß er verschiedene Reden an Industrielle gehalten hat. Ich weiß nicht, auf welche Rede Sie anspielen; ich vermute, auf die Rede im Dezember 1936 oder so.

JUSTICE JACKSON: Ich beziehe mich auf die Ansprache, in der, wie Sie uns bei der Vernehmung sagten, Göring Industrielle bei sich versammelt hatte und eine Reihe von törichten Dingen über die Wirtschaft sagte, die Sie widerlegen mußten.

SCHACHT: Das ist eine Versammlung am 17. Dezember 1936 gewesen.

JUSTICE JACKSON: Und dann schrieben Sie an Göring und beschwerten sich über seine Bergbaumaßnahmen?

SCHACHT: Ich nehme an, daß Sie den Brief vom 5. August meinen.

JUSTICE JACKSON: Ganz richtig. Das ist Dokument EC-497, US-775. Und im Brief vom August 1937 haben Sie, wenn ich Sie richtig zitiere, folgendes geschrieben:

»Ich habe indessen immer und immer wieder auf die Notwendigkeit eines gesteigerten Exportes hingewiesen und hingewirkt. Gerade die Notwendigkeit, unsere Rüstung möglichst schnell auf eine gewisse Höhe zu bringen, mußte den Gedanken eines möglichst großen Devisenanfalls und damit einer möglichst großen Rohstoffsicherung durch Export in den Vordergrund rücken.«

Ist das richtig?

SCHACHT: Das nehme ich an.

JUSTICE JACKSON: Ich glaube, Sie haben auch folgendes gesagt:

»Die in dem Vorgesagten zum Ausdruck gebrachte Be urteilung der Wirtschaftslage ist bei mir vom ersten Augenblick meiner Mitwirkung an vorhanden gewesen.«

Das war doch auch richtig, nicht wahr?

SCHACHT: Sicherlich.

JUSTICE JACKSON: Nun, beides war richtig, nicht wahr?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Und dann haben Sie den Brief an Göring geschlossen:

»Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, mir zu glauben, daß es mir völlig fern liegt, Ihre Politik in irgendeiner Weise behindern zu wollen. Ich lasse auch dahingestellt, ob meine von Ihrer Wirtschaftspolitik abweichende Ansicht richtig ist oder nicht. Ich habe für Ihre Aktivität volles Verständnis. Ich glaube indessen, daß es in einem totalitären Staat völlig unmöglich ist, eine in sich aufgespaltene Wirtschaftspolitik zu führen.«

Und das war auch richtig, nicht wahr?

SCHACHT: Ja.

JUSTICE JACKSON: Und das war der Grund, weshalb Sie und Göring sich uneinig waren, soweit es die Politik betraf?

SCHACHT: Soweit es was betraf? Politik? Ich verstehe nicht, »policy«? Was meinen Sie damit? Ich meine die Art und Weise der Geschäftsführung.

JUSTICE JACKSON: Jawohl.

SCHACHT: Ganz abgesehen von anderen Differenzen, die wir miteinander hatten.

JUSTICE JACKSON: Die anderen Meinungsverschiedenheiten waren doch persönlicher Natur, da Sie und Göring nicht gut miteinander auskamen.

SCHACHT: Im Gegenteil, bis dahin waren wir immer sehr nett miteinander.

JUSTICE JACKSON: Wirklich?

SCHACHT: O ja.

JUSTICE JACKSON: Also begannen Ihre Meinungsverschiedenheiten mit Göring bei dem Kampf, wer von Ihnen beiden die Kriegsvorbereitungen führend behandeln sollte?

SCHACHT: Nein.

JUSTICE JACKSON: Nun...

SCHACHT: Da muß ich absolut widersprechen. Die Differenzen...

JUSTICE JACKSON: Wollen Sie noch etwas mehr darüber sagen?

SCHACHT: Die Differenzen, die zu dem Rücktritt von mir führten, waren darüber, daß Göring das Kommando über die Wirtschaftspolitik führen wollte, und daß ich die Verantwortung übernehmen sollte. Und ich war der Meinung, daß, wer die Verantwortung übernimmt, auch das Kommando haben muß, und wenn einer das Kommando hat, dann muß er auch die Verantwortung übernehmen. Das ist der formelle Grund, warum ich um meine Entlassung nachgesucht habe.

JUSTICE JACKSON: Nun, ich wende mich wieder Ihrer Vernehmung vom 16. Oktober 1945 zu, es ist Beweisstück US-636, und frage Sie, ob Sie damals nicht folgende Aussage gemacht haben? Ich zitiere:

»Nachdem Göring den Vierjahresplan übernommen hatte, und ich muß sagen, daß er die Devisenkontrolle schon seit April 1936 übernommen hatte, aber noch mehr nach dem Vierjahresplan im September 1936 hat er immer versucht, die Kontrolle über die ganze Wirtschaftspolitik zu erhalten. Eines der Ziele war natürlich, Bevollmächtigter für die Kriegswirtschaft im Falle des Krieges zu werden, und er versuchte, mir dies wegzunehmen, da er nur zu gern jedermann unter seine Kontrolle gebracht hätte.

Solange ich Wirtschaftsminister war, habe ich natürlich dagegen Einspruch erhoben...«

Haben Sie diese Erklärung abgegeben?

SCHACHT: Ich glaube, daß es so ist.

JUSTICE JACKSON: Und dann beschreiben Sie Ihren letzten Besuch bei Göring, nachdem sich Luther zwei Monate lang bemüht hatte, Sie und Göring zusammenzubringen.

SCHACHT: Ein Irrtum, das ist Hitler, nicht Luther.

JUSTICE JACKSON: Sehr gut, Sie beschrieben es folgenderweise:

»Dann hatte ich noch eine letzte Unterredung mit Göring und zu Ende dieser Unterhaltung sagte Göring: ›Aber ich muß das Recht haben, Ihnen Befehle zu geben.‹ Da sagte ich: ›Nicht mir, aber meinem Nachfolger.‹ Ich habe niemals Befehle von Göring entgegengenommen und würde es niemals getan haben, weil er ein Narr in Wirtschaftsfragen war, und ich wenigstens etwas darüber Bescheid wußte.

Frage: Gut. Ich schließe daraus, daß das eine ansteigende, fortschreitende und persönliche Angelegenheit zwischen Ihnen und Göring war. Das ist doch ganz klar.

Antwort: Gewiß.«

Ist das richtig?

SCHACHT: Ja, gewiß.

JUSTICE JACKSON: Und dann setzte der Sie vernehmende Beamte fort:

»Frage: Lassen Sie uns für einen Augenblick auf die Pflichten dieses Postens eingehen und sehen, was er Ihnen wegnehmen wollte. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, so wie mir erklärt worden ist. Wenn ich unrecht habe, so verbessern Sie mich. Das eine wäre die Vorbe reitung für die Mobilmachung, und die andere die tatsächliche Übernahme dieser Mobilisierung im Kriegsfalle. Eine andere Bedeutung hatte diese Stellung nicht. So bestanden also die Dinge, von denen Sie nicht wollten, daß er sie Ihnen wegnahm, wie ich es sehe, in dem Recht, die Vorbereitungen für die Mobilmachung zu leiten, und zweitens in dem Recht der Kontrolle im Kriegsfalle.

Antwort: Richtig.«

Haben Sie diese Aussagen gemacht?

SCHACHT: Mr. Justice! Sie werfen hier zeitlich verschiedene Dinge durcheinander. Die Differenzen mit Göring über den sogenannten Generalbevollmächtigten für die Kriegswirtschaft fallen in den Winter 1936/37; und die Unterhaltung, die sogenannte letzte Unterhaltung mit Göring, die Sie eben erwähnt haben, hat im November 1937 stattgefunden. Ich erklärte mich, ich glaube im Januar 1937, sofort bereit, das Amt und die Tätigkeit als Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft an Göring abzutreten. Das geht ja aus der Notiz vom Tagebuch Jodls hervor, die hier schon wiederholt erwähnt worden ist.

Damals hat das Kriegsministerium, und insbesondere Blomberg, gebeten, mich in der Stellung als Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft zu erhalten, weil ich doch nun einmal Wirtschaftsminister sei und ich so lange Wirtschaftsminister sei. Darüber liegt ein Briefwechsel vor, der hier auch von Ihnen, glaube ich, dem Gericht eingereicht worden ist.

JUSTICE JACKSON: Gut, ganz richtig, ich glaube, die Daten sind in Ihrer Aussage angeführt. Ich bin im Augenblick an der Reihenfolge der Ereignisse nicht interessiert. Ich bin an den Funktionen, um die Sie gestritten und die Sie in Ihrem Verhör beschrieben haben, interessiert. Die Fragen und Antworten, die ich Ihnen vorgelesen habe, sind doch richtig? Es sind die Antworten, die Sie seinerzeit erteilten, nicht wahr?

SCHACHT: Ja, ich kann aber nur folgendes sagen: Wenn Sie mich nach diesen einzelnen Abschnitten hier fragen, dann gibt das ja ein ganz anderes Bild, wenn Sie nicht die Zeitfolge auseinanderhalten. Mr. Justice, Sie können doch nicht Dinge vom Januar und November hier in dieselbe Linie rücken und mich fragen, ob das korrekt ist. Das ist nicht korrekt.

JUSTICE JACKSON: Schön, sehen wir uns einmal an, was da nicht stimmt, sofern überhaupt etwas nicht stimmen sollte. Wann fand Ihre letzte Besprechung mit Göring statt, bei der Sie ihm sagten, daß er Ihrem Nachfolger und nicht Ihnen Befehle geben sollte?

SCHACHT: Im November 1937.

JUSTICE JACKSON: Nun, die Fragen über die Pflichten des Amtes haben doch nichts mit der Zeit zu tun, nicht wahr; das heißt, der Generalbevollmächtigte für die Kriegswirtschaft, die Meinungsverschiedenheit zwischen Ihnen und Göring. Um es ganz klar zu machen, lese ich Ihnen noch einmal diese Frage und Antwort vor. Die Zeitfrage interessiert mich gar nicht, ich befasse mich mit Ihrer Beschreibung der Tätigkeit.

»Frage: Lassen Sie uns für einen Augenblick auf die Pflichten dieses Postens eingehen und sehen, was er Ihnen wegnehmen wollte. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, so wie mir erklärt worden ist. Wenn ich unrecht habe, so verbessern Sie mich. Die eine wäre die Vorbereitung für die Mobilmachung und die andere die tatsächliche Übernahme dieser Mobilisierung im Kriegsfalle. Eine andere Bedeutung hatte diese Stellung nicht. So bestanden also die Dinge, von denen Sie nicht wollten, daß er sie Ihnen wegnahm, wie ich es sehe, in dem Recht, die Vorbereitungen für die Mobilmachung zu leiten, und zweitens in dem Recht der Kontrolle im Kriegsfalle.«

Und Sie antworteten: »Richtig«. Nicht wahr?

SCHACHT: Diese Differenz hat...

JUSTICE JACKSON: Könnten Sie mir zuerst antworten, ob Sie tatsächlich diese Antwort auf die Frage gegeben haben, daß es korrekt ist?

SCHACHT: Das Protokoll ist korrekt. Und jetzt wünsche ich zu sagen...

JUSTICE JACKSON: Gut.

SCHACHT: Aber nun bitte, lassen Sie mich aussprechen.

JUSTICE JACKSON: Gut, fahren Sie mit Ihren Ausführungen fort!

SCHACHT: Jawohl. Jetzt wünsche ich zu sagen, daß diese Differenz zwischen Göring und mir mit der Unterhaltung vom November gar nichts zu tun hat, und daß es auch gar keine Differenz zwischen Göring und mir war. Diese Differenz, von der Sie eben das Protokoll verlesen haben, fällt in den Januar 1937, und es war gar keine Differenz zwischen Göring und mir, denn ich habe ja sofort gesagt: »Nehmen Sie mir das Amt des Generalbevollmächtigten für die Kriegswirtschaft ab, übertragen Sie es Göring.« Und das Kriegsministerium, Herr von Blomberg, hat protestiert, nicht ich. Ich habe dieses Amt mit Wonne an Herrn Göring abgeben wollen.

JUSTICE. JACKSON: Gibt es etwas Schriftliches darüber, Dr. Schacht?

SCHACHT: Die Dokumente, die Sie hier eingereicht haben. Ich bitte meinen Anwalt, die Dokumente hervorzusuchen und der »reexamination« sie hier vorzubringen. Sie sind von der Anklagebehörde hier eingereicht.

JUSTICE JACKSON: Nun, ist es nicht Tatsache, daß Ihre Meinungsverschiedenheit mit Göring ein Streit persönlichen Charakters zwischen Ihnen und ihm über die Frage der Kontrolle war, und nicht ein Streit über die Rüstungstrage? Sie beide wollten so schnell wie möglich aufrüsten.

SCHACHT: Dieses Spiel mit Worten, ob es persönlich oder sonst etwas gewesen ist, möchte ich nicht mitmachen, Mr. Justice. Ich habe Differenzen mit Göring über die Sache gehabt, und wenn Sie sagen, ob es »armament«, »speed« oder Ausmaß war, so habe ich hierüber mit Göring die größten Differenzen in der Meinung gehabt.

Ich habe niemals bestritten, daß ich aufrüsten wollte für eine gleichberechtigte Stellung Deutschlands. Ich wollte niemals weiter aufrüsten. Göring wollte weiter aufrüsten, und hier liegt eine Differenz, die hier nicht aus der Welt geschafft werden kann.

JUSTICE JACKSON: Nun, ich will nicht mit Worten spielen. Und wenn Sie behaupten, daß meine Bezeichnung dieser Differenz als eine »persönliche« ein Wortspiel sei, dann zwingen Sie mich, in das hineinzusteigen, was Sie über Göring gesagt haben.

Ist es nicht Tatsache, daß Sie folgendes zu Major Tilley gesagt haben?

»Ich habe Hitler als einen amoralischen Typ bezeichnet, aber ich kann Göring nur als unmoralisch und verbrecherisch ansehen. Von Haus aus mit einer gewissen Bonhomie begabt, die er für seine Popularität wohl auszunutzen verstand, war er das egozentrischste Wesen, das man sich denken kann. Die Erringung politischer Macht war für ihn nur ein Mittel zu seiner persönlichen Bereicherung und für sein persönliches Wohlleben. Jeder Erfolg anderer erfüllte ihn mit Neid. Seine Habsucht kannte keine Grenzen. Seine Vorliebe für Edelsteine, Gold und Geschmeide war unvorstellbar. Kameradschaftlichkeit kannte er nicht. Nur solange ihm jemand nützlich war, zeigte er sich freundlich, aber nur äußerlich.

Görings Kenntnisse waren auf allen Gebieten, die ein Regierungsmitglied beherrschen muß, gleich Null, am meisten aber auf wirtschaftlichem Gebiet. Er hatte von all den wirtschaftlichen Dingen, die Hitler ihm im Herbst 1936 anvertraute, nicht den leisesten Schimmer, obwohl er einen ungeheueren Beamtenapparat aufbaute und seine Macht als Wirtschaftsherrscher nach allen Regeln der Kunst mißbrauchte.

In seinem persönlichen Auftreten war Göring so theatralisch, daß man ihn nur mit Nero vergleichen könnte. Eine Dame, die bei seiner zweiten Frau zum Tee war, berichtete, daß er zu diesem Tee in einer Art römischer Toga erschien mit Sandalen, die mit Edelsteinen besetzt waren, an seinen Fingern zahllose Edelsteinringe und auch sonst mit Schmuck behangen, sein Gesicht war geschminkt und seine Lippen waren mit Rouge behandelt.«

Haben Sie diese Erklärung Major Tilley gegenüber abgegeben?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Jawohl. Und Sie behaupten, keine persönlichen Differenzen mit Göring gehabt zu haben?

SCHACHT: Mr. Justice! Ich bitte, doch hier wiederum nicht den Zeitpunkt durcheinanderzuwerfen. Ich habe doch diese Dinge alle erst später erfahren und kennengelernt, und nicht zu der Zeit, von der Sie sprechen, aus dem Jahre 1936.

JUSTICE JACKSON: Wollen Sie die Aussage von Gisevius bestreiten, daß er Ihnen 1935 von Görings Mitschuld bei der Gründung der gesamten Gestapo Mitteilung machte?

SCHACHT: Ich habe hier ja bezeugt, daß ich von den Gestapolagern, die Göring eingerichtet hat, wußte. Ich habe ja gesagt, daß ich mich dagegen gewandt habe. Ich bestreite das ja nicht.

JUSTICE JACKSON: Aber, obgleich Sie das wußten, hat Ihre Freundschaft mit ihm weiterbestanden?

SCHACHT: Ich habe niemals eine Freundschaft mit Göring gehabt.

JUSTICE JACKSON: Gut....

SCHACHT: Ich kann doch nicht ablehnen, mit ihm zusammenzuarbeiten, insbesondere, solange ich nicht weiß, was für ein Mensch er ist.

JUSTICE JACKSON: Schön. Befassen wir uns nun mit den auswärtigen Beziehungen, über die Sie hier viele Beschwerden vorgebracht haben. Ich glaube, Sie haben ausgesagt, daß Sie im Jahre 1937, als Sie diese ganze Aufrüstung ausführten, überhaupt mit keinem Krieg rechneten? Ist das richtig?

SCHACHT: Nein, das ist nicht richtig, was Sie da sagen, Mr. Justice. Ich habe im Jahre 1937 nicht alles getan, um zu rüsten, sondern ich habe von 1935 an, Ende 1935 an, Herbst 1935 an, alles getan, um die Rüstung zu bremsen.

JUSTICE JACKSON: Gut. Ich beziehe mich auf Ihr Verhör vom 16. Oktober 1945 und frage Sie, ob Sie folgende Antworten auf die Ihnen gestellten Fragen gegeben haben:

»Frage: Lassen Sie mich nunmehr fragen: Welche Art von Krieg haben Sie im Jahr 1937 vorausgesehen?

Antwort: Ich habe niemals einen Krieg vorausgesehen. Wir konnten vielleicht von jemandem angegriffen werden, aber selbst das habe ich nicht erwartet.

Frage: Das erwarteten Sie nicht. Rechneten Sie mit der Möglichkeit einer Mobilisierung und Zusammenfassung der wirtschaftlichen Kräfte im Falle eines Krieges?

Antwort: Im Falle eines Angriffs auf Deutschland, sicherlich.

Frage: Nun denken Sie einen Augenblick an das Jahr 1937 zurück, können Sie sagen, mit welcher Art von Angriff Sie sich befaßten?

Antwort: Ich weiß es nicht.

Frage: Haben Sie sich zu der Zeit Gedanken darüber gemacht?

Antwort: Nein, niemals.

Frage: Waren Sie denn der Meinung, daß die Möglichkeit des Krieges im Jahre 1937 so weit ablag, daß diese vernachlässigt werden konnte?

Antwort: Ja.

Frage: Tatsächlich?

Antwort: Ja.« (Dokument Nummer 3728-PS.)

Haben Sie diese Antworten gegeben?

SCHACHT: Ich habe genau das gleiche, was in dieser Interrogation mitgeteilt ist, hier vor Gericht ausgesagt.

JUSTICE JACKSON: Nun, Sie haben ausgesagt, daß Sie versuchten, Hitlers Expansionspläne nach dem Osten hin abzulenken und statt dessen seine Aufmerksamkeit auf die Kolonien zu lenken.

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Welche Kolonien? Sie haben niemals spezifiziert, welche?

SCHACHT: Unsere Kolonien.

JUSTICE JACKSON: Und wo waren diese Kolonien?

SCHACHT: Ich nehme an, daß Sie das genau so wissen wie ich.

JUSTICE JACKSON: Sie sind der Zeuge, Dr. Schacht. Ich will wissen, was Sie Hitler gesagt haben, nicht was ich weiß.

SCHACHT: Oh, was ich Hitler gesagt habe? Ich habe Hitler gesagt, wir wollen versuchen, einen Teil der uns gehörenden Kolonien, deren Verwaltung man uns fortgenommen hat, wieder zu bekommen, damit wir dort arbeiten können.

JUSTICE JACKSON: Welche Kolonien?

SCHACHT: Ich habe speziell an die afrikanischen Kolonien gedacht.

JUSTICE JACKSON: Und diese afrikanischen Kolonien haben Sie für Ihre Zukunftspläne, für Deutschland, als unentbehrlich betrachtet?

SCHACHT: Nicht diese, sondern überhaupt irgendeine koloniale Betätigung; und ich habe natürlich zunächst meine Kolonialwünsche nur auf unser eigenes Eigentum richten können.

JUSTICE JACKSON: Und Ihr Eigentum, wie Sie es nennen, waren die afrikanischen Kolonien?

SCHACHT: Nicht ich nenne sie so, sondern der Vertrag von Versailles nennt sie so: unser »property«.

JUSTICE JACKSON: Sie können es nennen wie Sie wollen! Sie wünschten also die Kolonien, von denen Sie sprechen?

SCHACHT: Ja.

JUSTICE JACKSON: Sie waren der Ansicht, daß der Besitz und die Ausbeutung von Kolonien für das Deutschland, das Sie schaffen wollten, notwendig war?

SCHACHT: Wenn Sie das Wort »exploitation« vielleicht besser durch »development« ersetzen wollen, so glaube ich, ist jedes Mißverständnis ausgeschlossen, und insofern stimme ich mit Ihnen ganz überein.

JUSTICE JACKSON: Gut, mit »development« meinen Sie Handel, und ich nehme an, Sie wollten aus dem Handel Gewinne erzielen?

SCHACHT: Nicht nur »trade«, sondern »developing the natural resources«, beziehungsweise die Wirtschaftsmöglichkeiten der Kolonien zu entwickeln.

JUSTICE JACKSON: Und Ihr Vorschlag war, daß Deutschland sich auf diese Kolonien verlassen sollte, statt sich auf eine Expansion nach dem Osten einzulassen?

SCHACHT: Ich habe jede Ausdehnung innerhalb des europäischen Kontinents für einen kompletten Wahnsinn gehalten.

JUSTICE JACKSON: Aber Sie waren mit Hitler darin einig, daß eine Ausdehnung, ob nun eine koloniale oder eine nach dem Osten gerichtete, eine notwendige Voraussetzung für das von Ihnen zu schaffende Deutschland war?

SCHACHT: Nein, das habe ich niemals gesagt. Ich habe ihm gesagt, es ist ein Wahnsinn, nach dem Osten irgend etwas zu unternehmen. Es kommt nur eine koloniale Entwicklung in Frage.

JUSTICE JACKSON: Und Sie schlugen als politische Richtlinie vor, daß die Entwicklung Deutschlands von Kolonien abhängig gemacht werden müsse, die durch keine Überland-Handelsstraße mit Deutschland in Verbindung standen, und zu deren Schutz, wie Sie wissen, eine Seemacht erforderlich gewesen wäre?

SCHACHT: Ich denke gar nicht daran! Wie kommen Sie auf diese Idee?

JUSTICE JACKSON: Sie können doch Afrika nicht auf dem Landwege erreichen, Sie müssen doch an irgendeiner Stelle auf dem Wasserwege dorthin gelangen, nicht wahr?

SCHACHT: Sie können durch die Luft gehen.

JUSTICE JACKSON: Welche war Ihre Handelsstraße? Haben Sie nur an die Entwicklung der Luftfahrt gedacht?

SCHACHT: Nein, nein. Ich dachte auch an Schiffe.

JUSTICE JACKSON: Ja, und Deutschland war damals keine Seemacht?

SCHACHT: Ich glaube, wir hatten eine Handelsflotte, die sehr beträchtlich war.

JUSTICE JACKSON: Und sah Ihr Kolonialplan eine Aufrüstung vor, um Deutschland zu einer großen Seemacht zu machen, damit der Weg nach den Kolonien, die Sie vorschlugen, geschützt werden konnte?

SCHACHT: Nicht im geringsten.

JUSTICE JACKSON: Dann war es Ihr Plan, die Handelsstraßen ungeschützt zu lassen?

SCHACHT: O nein, ich habe geglaubt, daß das internationale Recht einen ausreichenden Schutz bieten würde.

JUSTICE JACKSON: Gut, darüber sind Sie also mit Hitler verschiedener Meinung gewesen?

SCHACHT: Darüber haben wir nie gesprochen.

JUSTICE JACKSON: Auf jeden Fall hat er Ihren Plan über die Entwicklung der Kolonien abgelehnt?

SCHACHT: O nein, ich habe ja hier ausgeführt, daß er mir im Sommer 1936 auf mein Drängen hin Auftrag gab, diese kolonialen Fragen aufzunehmen.

JUSTICE JACKSON: Haben Sie nicht folgende Antworten in Ihrem Verhör gegeben, Dr. Schacht?:

»Frage: Mit anderen Worten, zu der Zeit Ihrer Besprechung über die Kolonialpolitik mit Hitler im Jahre 1931 und 1932 ist er, sagen wir, über die Möglichkeit nicht sehr begeistert gewesen?

Antwort: Nein, nicht begeistert und nicht sehr interessiert.

Frage: Aber er hat Ihnen gegenüber seine Ansichten über die Möglichkeit, Kolonien zu erlangen, zum Ausdruck gebracht?

Antwort: Nein, wir haben keine anderen Möglichkeiten erwogen.«

Haben Sie diese Antworten gegeben?

SCHACHT: Sicher.

JUSTICE JACKSON: Nun, nach der Fritsch-Affäre wußten Sie doch zumindest, daß Hitler nicht die Absicht hatte, den Frieden Europas auf jegliche Weise zu erhalten?

SCHACHT: Ja, ich bekam Zweifel.

JUSTICE JACKSON: Und nach dem österreichischen Anschluß wußten Sie, daß die Wehrmacht ein wichtiger Faktor für seine Ost-Politik war?

SCHACHT: Ja, das können Sie so ausdrücken. Ich weiß nicht genau, was Sie damit meinen.

JUSTICE JACKSON: Sie sollten nicht etwas beantworten, wenn Sie nicht wissen, was ich meine, da wir die Dinge im Laufe der Vernehmung klarstellen wollen. Sie haben außer dem Kolonialvorschlag keine andere Alternative vorgeschlagen, um Hitler von seinem Expansionsplan nach dem Osten abzubringen?

SCHACHT: Nein.

JUSTICE JACKSON: Niemals, weder bei einer Kabinettssitzung noch bei anderer Gelegenheit haben Sie einen anderen Ausweg vorgeschlagen?

SCHACHT: Nein.

JUSTICE JACKSON: Nun, bezüglich des Einmarsches nach Österreich haben Sie, glaube ich, folgende Antworten gegeben:

»Frage: Tatsächlich hat Hitler nicht die genauen Methoden angewandt, die Sie, wie Sie sagten, bevorzugten?

Antwort: Nein, überhaupt nicht.

Frage: Waren Sie für die Methoden, die er anwandte?

Antwort: Nein, keineswegs, mein Herr.

Frage: Was gefiel Ihnen an seiner Methode nicht?

Antwort: Es war einfach überrannt. Die Österreicher wurden einfach überrumpelt – oder wie nennen Sie es? Es war Gewalt, und ich war nie mit derartigen Gewalttaten einverstanden.«

Haben Sie diese Antworten gegeben?

SCHACHT: Ja.

JUSTICE JACKSON: Sie haben sich hier vielfach darüber beschwert, daß Sie in Ihren wiederholten Bemühungen, Hitler aufzuhalten, nicht die geringste Unterstützung vom Ausland bekamen. Stimmt das?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Sie kannten zur Zeit des österreichischen Anschlusses aus den Äußerungen des Präsidenten Roosevelt die Haltung der Vereinigten Staaten den Nationalsozialisten gegenüber, nicht wahr?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Und Sie wußten, daß er in seiner Rede erklärte, die Nazi-Bedrohung müsse isoliert werden, um ihre weitere Ausdehnung zu verhindern?

SCHACHT: Ich erinnere mich nicht, aber ich habe sie damals gelesen, wenn sie in Deutschland veröffentlicht wurde, was ich annehme.

JUSTICE JACKSON: Die Folge dieser Rede war, daß Goebbels einen Angriffsfeldzug gegen den Präsidenten unternahm, nicht wahr?

SCHACHT: Ich nehme an, daß ich dieses gelesen habe.

JUSTICE JACKSON: Tatsächlich haben Sie sich den Angriffen gegen die Ausländer, die diese Methoden kritisierten, angeschlossen, nicht wahr?

SCHACHT: Wann und wo? Welche Attacken?

JUSTICE JACKSON: Gut. Nach dem gewaltsamen Anschluß Österreichs, dem Sie nicht zustimmten, sind Sie sofort hingefahren, um die Österreichische Nationalbank zu übernehmen, stimmt das?

SCHACHT: Das war ja meine Pflicht.

JUSTICE JACKSON: Schön. Jedenfalls haben Sie es getan.

SCHACHT: Selbstverständlich.

JUSTICE JACKSON: Und Sie haben diese zugunsten des Reiches sofort liquidiert?

SCHACHT: Nie liquidiert, sondern fusioniert, amalgamiert.

JUSTICE JACKSON: Wie bitte?

SCHACHT: Amalgamiert.

JUSTICE JACKSON: Amalgamiert und das Personal übernommen?

SCHACHT: Alles.

JUSTICE JACKSON: So. Und der entsprechende Erlaß war von Ihnen unterzeichnet?

SCHACHT: Gewiß.

JUSTICE JACKSON: Und Sie riefen die Angestellten am 21. März 1938 zusammen?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Und Sie hielten ihnen eine Ansprache?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Und sagten unter anderem folgendes:...

SCHACHT: Gewiß.

JUSTICE JACKSON: Sie haben ja noch nicht gehört, was ich sagen will.

SCHACHT: Das habe ich schon gehört bei der Anklage.

JUSTICE JACKSON: Gut. Ich möchte Ihnen etwas daraus verlesen, um Sie wieder daran zu erinnern. Ich zitiere:

»Ich glaube, es ist ganz nützlich, daß man sich diese Dinge einmal in das Gedächtnis zurückruft, um all die heuchlerische Scheinheiligkeit herauszustellen, die heute aus der ausländischen Presse zu uns dringt. Gott sei Dank, diese Dinge haben letzten Endes den Weg des großen deutschen Volkes nicht hindern können, denn Adolf Hitler schuf eine Gemeinschaft des deutschen Wollens und Denkens, er stützte sie durch eine wiedererstarkte Wehrmacht und damit brachte er schließlich die innere Vereinigung zwischen Österreich und Deutschland auch in ihre äußere Form.

Ich bin bekannt dafür, daß ich manchmal Dinge ausspreche, die hie und da Anstoß erregen. Ich möchte auch heute von dieser Gewohnheit nicht abgehen.«

»Heiterkeit« ist bei diesem Punkt in Ihrer Rede vermerkt.

»Ich weiß, daß es auch hier in diesem Lande noch Leute gibt – ich glaube, sie sind nicht sehr zahlreich –, die an den Geschehnissen der letzten Tage etwas auszusetzen haben. Aber das Ziel, glaube ich, bezweifelt niemand, und die Meckerer an den Methoden müssen sich gesagt sein lassen, daß man es nicht allen Menschen recht machen kann. Der eine sagt, das hätte er so gemacht oder vielleicht so, aber das Merkwürdige ist, sie haben es nicht gemacht...«

und wieder erscheint in Klammern das Wort »Heiterkeit«. Ich fahre fort mit Ihrer Rede:

»...sondern gemacht hat es eben unser Adolf Hitler! (Starker, anhaltender Beifall.) Und wenn es noch etwas zu verbessern gibt, dann sollen es diese Nörgler des Deutschen Reiches und innerhalb der deutschen Gemeinschaft zu verbessern versuchen, aber nicht von außen her stören.« (Dokument EC-297.)

Haben Sie auf diese Weise gesprochen?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Mit anderen Worten, Sie machten öffentlich alle diejenigen lächerlich, die sich über die angewandten Methoden beschwerten, nicht wahr?

SCHACHT: Wenn Sie es so auffassen.

JUSTICE JACKSON: Dann sagten Sie in Ihrer Ansprache an das Personal der Österreichischen Nationalbank bei Ihrer Übernahme folgendes:

»Ich halte es für ausgeschlossen, daß auch nur ein einziger bei uns seine Zukunft finden wird, der nicht mit vollem Herzen zu Adolf Hitler steht. (Starker, anhaltender Beifall; Siegheilrufe.)«

– Ich fahre fort mit der Rede –

»Wer das nicht tut, der soll sich von selbst aus unserem Kreise entfernen. (Stürmischer Beifall.)«

Ist es so gewesen?

SCHACHT: Ja, die waren alle damit einverstanden, merkwürdigerweise.

JUSTICE JACKSON: Nun, war die Reichsbank vor 1933 und 1934 eine politische Einrichtung?

SCHACHT: Nein.

JUSTICE JACKSON: Waren politische Umtriebe in der Reichsbank?

SCHACHT: Niemals.

JUSTICE JACKSON: Nun, an diesem Tage, als Sie zum Personal der Österreichischen Nationalbank sprachen, erklärten Sie:

»Die Reichsbank wird immer nur nationalsozialistisch sein oder ich will nicht mehr ihr Leiter sein. (Starker, anhaltender Beifall.)«

Ist das so gewesen?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Nun, mein Herr, Sie haben erklärt, daß Sie Hitler niemals einen Eid geleistet hätten?

SCHACHT: Ja.

JUSTICE JACKSON: Ich frage Sie nun, ob Sie als Leiter der Reichsbank folgendes von Ihren Angestellten, die Sie in Österreich übernahmen, verlangten. Ich zitiere:

»Nun bitte ich Sie, sich zu erheben. (Die Versammelten erheben sich.) Wir wollen heute das Bekenntnis ablegen zur großen Familie der Reichsbank, wir wollen das Be kenntnis ablegen zur großen deutschen Volksgemeinschaft, wir wollen das Bekenntnis ablegen zu unserem neuerstandenen machtvollen Großdeutschen Reich, und wir wollen alle diese Empfindungen zusammenfassen in dem Bekenntnis zu dem Mann, der diese Wandlung herbeigeführt hat. Ich bitte Sie, die Hand zu erheben und mir folgendes nachzusprechen: ›Ich gelobe; Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein und meine Dienstobliegenheiten gewissenhaft und uneigennützig erfüllen.‹ (Die Versammelten leisten mit erhobener Hand das Gelöbnis.)

Sie haben dieses Gelöbnis ausgesprochen. Ein schlechter Kerl, der's bricht. Unserem Führer ein dreifaches Siegheil!«

Ist das eine richtige Wiedergabe der Ereignisse?

SCHACHT: Der Eid ist der vorgeschriebene Beamteneid, und es entspricht völlig dem, was ich gestern an dieser Stelle gesagt habe, daß der Eid dem Oberhaupt des Staates gilt. Wie es ja auch vorher genau von mir ausgeführt ist:

»Wir stehen zum deutschen Volke...« oder ich weiß nicht, wie der deutsche Ausdruck da lautet, ich höre Ihre englische Aussprache hier. Genau dasselbe sagt dieser Eid.

JUSTICE JACKSON: Ich habe mich soeben auf das Dokument EC-297, US-632, bezogen. Dies ist das Beweisstück, dessen ich mich bedient habe.

Sie behaupten also, daß dieser Eid auf ein unpersönliches Staatsoberhaupt geleistet wurde und nicht auf Adolf Hitler?

SCHACHT: Ja, man kann ja nicht einer Idee einen sichtbaren Eidausdruck geben und infolgedessen kann man ja nur auf eine Person zuschneiden. Aber ich habe ja gestern bereits gesagt, daß ich ja auch keinen Eid auf Herrn Ebert oder auf Herrn Hindenburg oder auf den Kaiser geleistet habe, sondern auf das Staatsoberhaupt als Repräsentant des Volkes.

JUSTICE JACKSON: Sie sagten doch Ihren Angestellten, daß alle Empfindungen dieses Eides in der Ergebenheit zu dem einen Mann zusammengefaßt seien. Stimmt das nicht?

SCHACHT: Nein.

JUSTICE JACKSON: Haben Sie das nicht gesagt?

SCHACHT: Nein, stimmt nicht. Wenn Sie es nochmals lesen wollen, es steht nicht da zu dem Mann, sondern zum Führer, als dem Staatsoberhaupt.

JUSTICE JACKSON: Nun gut. Es spielt ja auch keine Rolle, wem Sie den Eid geleistet haben...

SCHACHT: Nein, entschuldigen Sie mal, das ist ein sehr großer Unterschied.

JUSTICE JACKSON: Gut, wir werden später darüber sprechen. Wem Sie auch immer Eid leisteten, haben Sie ihn zur gleichen Zeit gebrochen, nicht wahr?

SCHACHT: Nein, ich habe niemals diesem Manne als Vertreter des deutschen Volkes den Eid gebrochen, sondern ich habe meinen Eid gebrochen, als ich fand, daß dieser Mann ein Verbrecher war.

JUSTICE JACKSON: Als Sie sich vornahmen, seinen Tod herbeizuführen?

SCHACHT: Ja.

JUSTICE JACKSON: Wollen Sie dem Gerichtshof erklären, wie Sie den Tod von Adolf Hitler herbeiführen wollten, ohne gleichzeitig der Tod des Reichsoberhauptes zu verursachen?

SCHACHT: Das ist kein Unterschied, weil der Mann leider das Oberhaupt des deutschen Volkes war.

JUSTICE JACKSON: Behaupten Sie, daß Sie den Eid niemals gebrochen haben?

SCHACHT: Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen. Ich habe selbstverständlich den Eid, den ich Hitler geschworen habe, Hitler nicht gehalten, weil Hitler leider Gottes selber ein Verbrecher, ein Meineidiger, war und kein anderes Oberhaupt des Volkes da war. Ich weiß nicht, was Sie mit »Eidbruch« sagen wollen, aber ich habe ihm meinen Eid nicht gehalten und bin stolz darauf.

JUSTICE JACKSON: Sie veranlaßten also Ihre Angestellten, einen Eid zu leisten, den Sie selbst im gleichen Augenblick brachen oder zu brechen beabsichtigten?

SCHACHT: Sie werfen wieder die Zeiten durcheinander, Mr. Justice. Es war dies in einer Zeit, im März 1938, als ich, wie Sie von mir vorhin gehört haben, noch zweifelhaft war und mir infolgedessen noch nicht klar war, was für ein Mann Hitler war. Erst, als ich im Laufe des Jahres 1938 merkte, daß Hitler eventuell in einen Krieg hineingehen würde, habe ich den Eid gebrochen.

JUSTICE JACKSON: Wann fanden Sie heraus, daß er auf den Krieg zusteuerte?

SCHACHT: Als ich im Laufe des Jahres 1938 nach und nach aus den Ereignissen entnahm, daß Hitler eventuell in einen Krieg hineinsteuern würde, und zwar absichtlich, erst da habe ich meinen Eid gebrochen.

JUSTICE JACKSON: Nun haben Sie aber gestern erklärt, daß Sie mit der Sabotage der Regierung in den Jahren 1936/37 begonnen haben.

SCHACHT: Jawohl, weil ich keine übermäßigen Rüstungen wollte.

JUSTICE JACKSON: Trotzdem sehen wir, daß Sie Ihrem Personal den Eid abnahmen, treu und gehorsam zu sein.

Nun frage ich Sie, ob Sie bei Ihrer Vernehmung nicht folgende Erklärung abgegeben haben:

»Frage: Aber Sie gaben doch am Schluß des Eides folgende Erklärung ab, nachdem jeder seine Hand zum Eid erhoben und diesen abgelegt hatte: ›Sie haben dieses Gelöbnis ausgesprochen. Ein schlechter Kerl, der's bricht‹?

Antwort: Ja, ich stimme mit dem überein, ich muß sagen, daß ich ihn selbst gebrochen habe.

Frage: Behaupten Sie auch, daß zur Zeit, wo Sie diesen Eid von Ihren Zuhörern verlangten, Sie den Ihren selber bereits gebrochen hatten?

Antwort: Ich muß leider sagen, daß ich in meiner Treue innerlich zu der Zeit bereits erschüttert war, aber ich hoffte, daß am Ende alles gut ausgehen würde.«

SCHACHT: Ich freue mich, daß Sie das zitiert haben, denn ich bestätigte ja genau, was ich eben gesagt habe, daß ich mich in Zweifel befand und daß ich noch Hoffnung hatte, daß die Dinge gut ausgehen würden, das heißt, daß Hitler sich nach der guten Seite entwickeln würde. Es bestätigt also genau das, was ich eben gesagt habe.

JUSTICE JACKSON: Nun, ich bin sicher, daß wir uns gegenseitig behilflich sein wollen, Dr. Schacht.

SCHACHT: Ich bin überzeugt, daß wir beide die Wahrheit finden wollen, Mr. Justice.

JUSTICE JACKSON: Nun, Sie sind natürlich auch nach dem Anschluß in der Reichsbank geblieben?

SCHACHT: Ja.

JUSTICE JACKSON: Und Sie verblieben dort bis zum Januar 1939? Ist das das richtige Datum?

SCHACHT: Ja.

JUSTICE JACKSON: Nun, nach diesem Anschluß wurden MEFO-Wechsel, die herausgegeben waren, nach und nach fällig, nämlich im Jahre 1938 und 1939, nicht wahr?

SCHACHT: Nein, die Fälligkeit der ersten MEFO- Wechsel mußte frühestens gefallen sein in das Frühjahr 1939. Die waren alle auf fünf Jahre ausgestellt, und ich nehme an, daß die ersten MEFO-Wechsel im Frühjahr 1934 ausgestellt worden sind, so daß die ersten MEFO-Wechsel im Frühjahr 1939 fällig wurden.

JUSTICE JACKSON: Nun, hier ist eine Frage und eine Antwort. Verbessern Sie mich, wenn ich mich irren sollte:

»Frage: Haben Sie in der Reichsbank irgendwelche Fonds, die zur Verfügung standen, verwendet, oder besser gesagt, als alle diese MEFO-Wechsel fällig wurden, was haben sie damit gemacht?

Antwort: Ich fragte den Finanzminister, ob er sie zurückbezahlen könnte; denn nach fünf Jahren mußten sie von ihm zurückgezahlt werden, und zwar, ich glaube, im Jahre 1938 oder 1939. Die ersten MEFO-Wechsel würden zu dieser Zeit fällig geworden sein, und er sagte selbstverständlich: ›Ich kann nicht‹.«

Sie haben doch diese Unterredung mit dem Finanzminister gehabt zu der Zeit, als Sie noch Reichsbankpräsident waren?

SCHACHT: Mr. Justice! Ich sagte, daß wir in der gesamten Finanzgebarung etwas besorgt wurden, ob wir unsere Wechsel zurückbezahlt bekämen oder nicht, und ich habe hier bereits dem Gericht erzählt, daß in der zweiten Hälfte des Jahres 1938 der Finanzminister in Schwierigkeiten kam, und er kam ja auch zu mir, um neues Geld zu leihen. Daraufhin habe ich ihm gesagt: »Hören Sie mal, in welcher Situation sind Sie denn, Sie müssen uns doch demnächst die ersten MEFO-Wechsel wieder zurückzahlen, sind Sie nicht darauf vorbereitet?« Und nun stellte sich heraus, das ist also im Herbst 1938 gewesen, daß der Herr Reichsfinanzminister keinerlei Vorbereitungen getroffen hatte, um sein Versprechen einzulösen, nämlich die MEFO-Wechsel zurückzuzahlen, und das machte natürlich im Herbst 1938 die ganze Beziehung zum Reichsfinanzminister, also zwischen Reichsbank und dem Reichsfinanzminister, außerordentlich schwierig.

JUSTICE JACKSON: Und die Einkünfte aus den Steuern reichten nicht aus, um diese Wechsel zu bezahlen?

SCHACHT: Jawohl, ich habe ja bereits gestern gesagt, daß das Risiko, das in den MEFO-Wechseln lag, und was ich von vornherein zugegeben habe, kein Risiko war, wenn man eine vernünftige Finanzpolitik trieb, das heißt, wenn man vom Jahre 1938 an nicht weiter zugerüstet hätte und weiter unsinnige Ausgaben gemacht hätte, sondern wenn man das aus Steuern und Anleihen aufkommende Geld zur Rückzahlung der MEFO-Wechsel benützt hätte.

JUSTICE JACKSON: Alles, was ich Sie jetzt frage, Dr. Schacht, ist, ob diese Wechsel nicht durch die Steuereinnahmen hätten bezahlt werden können.

SCHACHT: Selbstverständlich, ja.

JUSTICE JACKSON: Sie konnten bezahlt werden?

SCHACHT: Selbstverständlich, aber das ist ja das Merkwürdige, sie sind nicht zurückbezahlt worden, sondern das Geld ist dazu verwandt worden, um weiterzurüsten.

Darf ich noch einiges zu Ihrer eigenen Erläuterung, Unterrichtung, sagen?

JUSTICE JACKSON: Nein, die Finanzierung interessiert mich nicht. Mich interessiert nur, wie verzwickt Ihre Lage zur Zeit des Rücktrittes war.

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Diese MEFO-Wechsel waren fällig und konnten nicht bezahlt werden?

SCHACHT: In kurzer Zeit.

JUSTICE JACKSON: Die waren in kurzer Zeit fällig?

SCHACHT: Jawohl, aber die konnten bezahlt werden. Das ist ein Irrtum, wenn Sie meinen, sie konnten nicht bezahlt werden.

JUSTICE JACKSON: Gut, aber Sie konnten aus den Steuereinnahmen des laufenden Jahres nicht bezahlt werden, nicht wahr?

SCHACHT: Jawohl, ganz bestimmt. Sie sind nicht daran interessiert und Sie wollen das nicht von mir hören, aber ich bin gern bereit, es aufzuklären.

JUSTICE JACKSON: Nun, Sie haben es uns sehr gut erklärt.

SCHACHT: Sie haben ja eben gesagt, Sie wären nicht interessiert.

JUSTICE JACKSON: Die Zeichnungen für die vierte Reichsanleihe 1938 hatten kein befriedigendes Ergebnis, nicht wahr?

SCHACHT: Wenig erfreulich, der Kapitalmarkt war nicht gut.

JUSTICE JACKSON: Und Sie haben über diese Anleihe berichtet, daß die öffentlichen Zeichnungen nur gering gewesen waren und daß das Ergebnis nicht befriedigend war?

SCHACHT: Ja.

JUSTICE JACKSON: Nun, haben Sie nicht dem Sie vernehmenden Beamten folgendes geantwortet:

»Frage: Aber ich frage Sie, ob Sie nicht während dieser Periode vom 1. April 1938 bis Januar 1939 die Rüstungen weiterhin finanziert haben?

Antwort: Mein Herr, andernfalls mußten diese MEFO- Wechsel vom Reich bezahlt werden, und das Reich konnte es nicht tun, da es kein Geld hatte, und ich konnte kein Geld für die Rückzahlung besorgen, weil dieses aus den Steuern oder Anleihen hätte genommen werden müssen. So mußte ich diese MEFO-Wechsel weiter prolongieren, und das habe ich natürlich getan.«

Haben Sie diese Antwort gegeben?

SCHACHT: Ja, das war völlig in Ordnung – lassen Sie, mich bitte aussprechen, nicht wahr –, weil der Finanzminister seine Mittel für die Rückzahlung der MEFO-Wechsel nicht zur Verfügung stellt, sondern sie für die Aufrüstung zur Verfügung stellte. Hätte er die Mittel benutzt, um die MEFO-Wechsel zu bezahlen, so wäre alles in Ordnung gewesen.

JUSTICE JACKSON: Und Sie haben die MEFO- Wechsel prolongiert, was ihm ermöglichte, die laufenden Einnahmen für die Rüstung auch nach 1938 zu verwenden?

SCHACHT: Mr. Justice! Die Dinge liegen so: Ein großer Teil der MEFO-Wechsel war im Geld- und Kapitalmarkt untergebracht. Wenn nun der Geld- und Kapitalmarkt von der Reichsseite her zu stark in Anspruch genommen wurde, so brachten die Leute die MEFO-Wechsel zur Reichsbank, und die Reichsbank hatte ja versprochen sie aufzunehmen. Das war ja die große Kontrahierung meiner Politik durch die Politik des Reichsfinanzministers, die davon herkam, daß der Reichsfinanzminister die Rüstung finanzierte, anstatt, wie er versprochen hatte, die MEFO-Wechsel einzulösen.

JUSTICE JACKSON: Unter diesen Umständen nahmen Sie eine Haltung an, die zu Ihrem Rücktritt von der Reichsbank führen mußte?

SCHACHT: Ja.

JUSTICE JACKSON: Nun, wir kommen jetzt zur Tschechoslowakei.

Haben Sie die Methode, sich das Sudetenland mit Hilfe von Drohungen oder Waffengewalt anzueignen, gebilligt?

SCHACHT: Gar nicht.

JUSTICE JACKSON: Ich glaube, daß Sie die Art, wie das Sudetenland genommen wurde, als unrecht und tadelnswert charakterisierten.

SCHACHT: Ich wüßte nicht, wann ich das getan hätte. Ich habe gesagt, die alliierte Politik schenkte Hitler das Sudetenland, während ich immer nur erwartet hatte, daß man den Sudetendeutschen eine Autonomie geben würde.

JUSTICE JACKSON: Dann haben Sie Hitlers Politik in Bezug auf das Sudetenland gebilligt. Wollen Sie das damit sagen?

SCHACHT: Ich habe nie gewußt, was Hitler über die Autonomie, oder daß Hitler über die Autonomie hinaus irgend etwas verlangt hätte.

JUSTICE JACKSON: Soweit ich Sie verstehe, ist Ihre einzige Kritik an der tschechoslowakischen Frage gegen die Alliierten gerichtet?

SCHACHT: Das heißt, das geht auch auf die Tschechen, vielleicht auch auf die Deutschen selber, ich meine, ich will um Gotteswillen hier keinen Richter spielen.

JUSTICE JACKSON: Nun möchte ich Sie tragen, ob Sie folgende Antworten auf folgende Fragen erteilt haben? Es ist Beweisstück US-636, 3728-PS:

»Frage: Nun komme ich auf den Einmarsch in die Tschechoslowakei zurück, der zur Verständigungspolitik in München und zur Abtretung des Sudetenlandes an das Reich führte.

Antwort: Ja.

Frage: Haben Sie sich damals für die Politik der Einverleibung des Sudetenlandes eingesetzt?

Antwort: Nein.

Frage: Haben Sie damals die Politik, die Tschechen mit Waffengewalt zu bedrohen, um dadurch das Sudetenland zu bekommen, unterstützt?

Antwort: Nein, sicherlich nicht.

Frage: Dann frage ich Sie, ist Ihnen damals nicht aufgefallen oder zum Bewußtsein gekommen, daß die Mittel, die Hitler zur Bedrohung der Tschechoslowakei anwandte, die Wehrmacht und die Rüstungsindustrie waren?

Antwort: Er hätte dies nicht ohne die Wehrmacht machen können.«

Haben Sie diese Antworten gegeben?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Ich setze fort:

»Frage: Haben Sie die Art und Weise, in der die Sudetenfrage behandelt wurde, als unrecht und tadelnswert betrachtet?

Antwort: Ja.

Frage: Taten Sie es wirklich?

Antwort: Ja, mein Herr.

Frage: Und ist Ihnen damals, als Sie auf die voraufgegangenen Geschehnisse und auf Ihre persönliche Beteiligung an diesen zurückblickten, nicht aufgefallen, daß diese Armee, die er als Drohung gegen die Tschechoslowakei verwandte, wenigstens zum Teil Ihre Schöpfung war? Hat Sie das jemals berührt?

Antwort: Ich kann es nicht leugnen, mein Herr.«

SCHACHT: Sicherlich nicht.

JUSTICE JACKSON: Aber auch hier haben Sie Hitler, nachdem er einmal erfolgreich gewesen ist, wieder geholfen, nicht wahr?

SCHACHT: Wie können Sie so etwas sagen! Ich habe doch nicht gewußt, daß Herr Hitler die Armee brauchen wird, um irgendwelche Bedrohungen von fremden Nationen auszuführen.

JUSTICE JACKSON: Nachdem er es getan hat, sind Sie hingefahren und haben die Tschechoslowakische Bank übernommen, nicht wahr?

SCHACHT: Selbstverständlich.

JUSTICE JACKSON: Sie sind ihm gefolgt, um das Land, soweit es von Hitler besetzt, war, wirtschaftlich zu bereinigen, nicht wahr?

SCHACHT: Aber verzeihen Sie, bitte, er hat es ja gar nicht mit Gewalt, genommen. Die Alliierten haben ihm ja das Land geschenkt. Es war ja alles friedlich erledigt.

JUSTICE JACKSON: Gut. Wir haben Ihre Aussage über die Rolle, die die Wehrmacht gespielt hat, und über die Rolle, die Sie in der Wehrmacht gespielt haben.

SCHACHT: Ja, ich habe das nie geleugnet.

JUSTICE JACKSON: Nein, was ich meine, ist folgendes: Ich beziehe mich auf Ihre Vernehmung vom 17. Oktober 1945 (US-616):

»Frage: Haben Sie, als das Sudetenland nach dem Münchener Abkommen übernommen wurde, als Reichsbankpräsident etwas wegen des Sudetengebietes unternommen?

Antwort: Ich glaube, wir haben die Filialen der Tschechischen Notenbank übernommen.«

Und Sie haben auch das Umtauschverhältnis der Währungen reguliert, nicht wahr?

SCHACHT: Ja, das habe ich auch getan.

JUSTICE JACKSON: Das haben Sie getan, nachdem Hitler die unrechte und tadelnswerte Handlung begangen hatte, nicht wahr?

SCHACHT: Es ist kein »wrong« und »reprehensible act« von Hitler »committed« worden, sondern Hitler hat im Vertragswege das Gebiet der Sudetendeutschen erhalten, und selbstverständlich mußte die Währung und das Institut, welches die Finanzierung leitete, in diesem Teile mit Deutschland amalgamiert werden. Da ist von Unrecht gar keine Rede. Ich kann mir nicht denken, daß die Alliierten ihre Unterschrift unter ein Unrecht gesetzt haben.

JUSTICE JACKSON: Also Sie glauben, daß alles, was bis zum Münchener Abkommen geschah, rechtmäßig war?

SCHACHT: Nein, da bin ich durchaus anderer Ansicht. Es ist sehr vieles unrecht gewesen.

JUSTICE JACKSON: Waren Sie in diesem Gerichtssaal, als Göring aussagte über seine Drohung, Prag, »die schöne Stadt Prag« zu bombardieren?

SCHACHT: Dank Ihrer Einladung habe ich mich hier befunden.

JUSTICE JACKSON: Ich nehme an, daß Sie auch die Anwendung der Macht, die Sie in der Wehrmacht geschaffen hatten, billigten?

SCHACHT: Mißbilligte, unter allen Umständen.

JUSTICE JACKSON: Haben Sie also nicht gedacht, daß diese Handlungsweise richtig war?

SCHACHT: Nein, nein, das war eine scheußliche Sache.

JUSTICE JACKSON: Nun, da haben wir etwas gefunden, worüber wir uns einig sind, Doktor. Sie wußten von dem Einfall in Polen?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Und Sie haben dies als eine unberechtigte Angriffsaktion von seiten Hitlers angesehen, nicht wahr?

SCHACHT: Absolut.

JUSTICE JACKSON: Dasselbe galt für den Einfall in Luxemburg?

SCHACHT: Absolut.

JUSTICE JACKSON: Und in Holland?

SCHACHT: Absolut.

JUSTICE JACKSON: Und in Dänemark?

SCHACHT: Absolut.

JUSTICE JACKSON: Und in Norwegen?

SCHACHT: Absolut.

JUSTICE JACKSON: Und in Jugoslawien?

SCHACHT: Absolut.

JUSTICE JACKSON: Und in Rußland?

SCHACHT: Absolut, mein Herr, und Norwegen und Belgien haben Sie vergessen.

JUSTICE JACKSON: Jawohl, ich komme jetzt zum Ende. Der ganze Verlauf war eine Folge von Angriffen?

SCHACHT: Absolut zu verurteilen.

JUSTICE JACKSON: Und jeden Schritt dieser Angriffserfolge verdankte man der Wehrmacht, mit deren Schaffung Sie so viel zu tun hatten?

SCHACHT: Leider.

JUSTICE JACKSON: Ich möchte mich jetzt einem anderen Gegenstand zuwenden. Und vielleicht wäre es... es ist beinahe Zeit für die Pause.

VORSITZENDER: Wir werden jetzt vertagen.