[Pause von 10 Minuten.]
OBERST CHARLES W. MAYS, GERICHTSMARSCHALL: Hoher Gerichtshof! Der Angeklagte von Neurath wird der Sitzung nicht beiwohnen.
JUSTICE JACKSON: Dr. Schacht! In Ihrer Aussage beim direkten Verhör haben Sie auf einen Film Bezug genommen, der in Deutschland aus Propagandagründen aufgenommen und gezeigt wurde. Dieser Streiten zeigt Ihr Benehmen bei Hitlers Rückkehr, nachdem Frankreich gefallen war.
SCHACHT: Darf ich nur richtigstellen? Ich habe nicht von dem Film gesprochen, sondern mein Anwalt, und daß er für Propagandazwecke gebraucht wurde, ist hier auch nicht zum Ausdruck gekommen, sondern mein Anwalt hat gesagt, er sei in der Wochenschau gezeigt worden; ist also wahrscheinlich eine Woche gelaufen.
JUSTICE JACKSON: Ich bitte, daß dieser Film dem Gerichtshof gezeigt wird. Es ist ein sehr kurzer Film und die Bewegungen in ihm gehen sehr schnell vor sich. Es ist sehr wenig darin zu übersetzen, aber die Geschwindigkeit ist so groß, daß ich ihn selbst zweimal ansehen mußte, um festzustellen, worum es sich eigentlich handelte.
VORSITZENDER: Wollen Sie ihn jetzt zeigen?
JUSTICE JACKSON: Ja, ich würde ihn gern jetzt zeigen. Es wird nur einen Augenblick dauern, und Dr. Schacht sollte so gesetzt werden, daß er ihn sehen kann, denn ich will ihm einige Fragen stellen.
[Zum Zeugen gewandt:]
Besonders möchte ich Sie bitten, die Personen dieses Films zu identifizieren.
[Zum Gerichtshof gewandt:]
Wenn der Gerichtshof gestattet, werde ich den Film zweimal zeigen lassen, damit, wenn wir alles gesehen haben, Sie ihn noch einmal sehen könnten.
VORSITZENDER: Ja, natürlich.
[Der Film, auf den sich Justice Jackson bezogen hat, wird vorgeführt.]
JUSTICE JACKSON: Ich glaube, daß ich, als ich diesen Film, den ich als Beweismaterial vorlegen will, erwähnte, ihn als »Propagandafilm« bezeichnete. Herr Dr. Dix hat diesen Ausdruck nicht gebraucht. Er nannte ihn »Wochenschau« und »Wochenfilm«.
[Zum Zeugen gewandt:]
Solange unsere Erinnerung noch frisch ist, wollen Sie, bitte, dem Gerichtshof sagen, wen von den Angeklagten Sie in dem Film erkannt haben?
SCHACHT: Ich habe bei dem schnellen Überblick nicht gesehen, wer alles da war, aber ich möchte annehmen, daß beinahe alle dagewesen sind – aus meiner Erinnerung, nicht aus dem Film –, entweder im Gefolge von Hitler oder unter den Empfangenden.
JUSTICE JACKSON: Zu der Zeit, als Sie noch Reichsbankpräsident waren, da haben Sie nach der Übernahme der Tschechoslowakischen Bank eine Rede gehalten, und zwar am 29. November 1938?
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Es ist Dokument EC-611, US- 622. Mir wird soeben mitgeteilt, daß der Film die Beweisstücknummer US-835 erhalten hat. Bevor ich zu etwas anderem übergehe, möchte ich die Erklärung über die Persönlichkeit des Angeklagten Hermann Göring unter der Nummer 3936-PS, US-836 vorlegen.
[Zum Zeugen gewandt:]
In dieser Rede vom 29. November 1938, Dr. Schacht, wenn ich richtig unterrichtet bin – nebenbei bemerkt, war es nicht eine öffentliche Rede?...
SCHACHT: Insofern, als es vor der Deutschen Akademie war. Es war absolut öffentlich und sicherlich auch, falls es die Zensur passiert hat, in den Zeitungen erwähnt. Es war öffentlich, es konnte jeder hören.
JUSTICE JACKSON: Haben Sie nun nicht folgendes gesagt?:
»Es ist möglich, daß noch keine Notenbank in Friedenszeiten eine so wagemutige Kreditpolitik getrieben hat wie die Reichsbank seit der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus. Mit Hilfe dieser Kreditpolitik aber hat sich Deutschland eine Rüstung geschaffen, die der keines anderen Staates nachsteht, und diese Rüstung wiederum hat die Erfolge unserer Politik ermöglicht (EC-611).«
Ist das richtig?
SCHACHT: Das ist sehr korrekt und... Lassen Sie mich bitte in Zukunft sprechen. Das ist richtig, und ich habe mich sehr gewundert, daß es einer solchen bedurft hat, um Gerechtigkeit in der Welt zu schaffen.
JUSTICE JACKSON: Die Einverleibung der Tschechoslowakei, das war Ihre Idee der Gerechtigkeit?
SCHACHT: Ich habe Ihnen ja bereits gesagt, daß Deutschland ja nicht »Czechoslovakia taken over« hat, sondern daß es ihm ja von den Alliierten auf dem Präsentierteller geschenkt worden ist.
JUSTICE JACKSON: Behaupten Sie jetzt, daß es ein Akt der Gerechtigkeit war, oder verurteilen Sie es? Ich kann Sie nicht begreifen, Doktor. Sagen Sie uns einfach, ob Sie dafür waren! Ob Sie heute dafür sind, oder dagegen.
SCHACHT: Wogegen? Wollen Sie mir bitte sagen, wogegen und wofür?
JUSTICE JACKSON: Gegen die Übernahme des Sudetenlandes und die Methode, wie sie durchgeführt worden ist.
SCHACHT: Ich kann Ihre Frage deshalb nicht beantworten, weil ich gesagt habe, es ist kein »taking over«, sondern es ist ein Geschenk gewesen. Wenn mir ein Geschenk gemacht wird wie dieses, so akzeptiere ich es dankend.
JUSTICE JACKSON: Selbst wenn es den Gebern nicht gehört?
SCHACHT: Ja. Das muß ich natürlich den Geschenkgebern zu beurteilen überlassen.
JUSTICE JACKSON: Und obwohl es mit gezücktem Revolver genommen wurde, würden Sie das Geschenk doch annehmen?
SCHACHT: Nein. Es ist nicht »at the point of the gun« genommen worden.
JUSTICE JACKSON: Nun gut. Wir werden uns jetzt Ihrer Rede zuwenden. Haben Sie auch folgendes gesagt:
»Statt einer schwachen und schwankenden Staatsleitung regiert heute eine einzige zielbewußte, tatkräftige Persönlichkeit. Das ist das Wunder, das sich in Deutschland tatsächlich ereignet hat und das auf allen Gebieten des Lebens, nicht zuletzt auch auf dem der Wirtschaft und Finanzen, seine Auswirkungen gehabt hat. Es gibt kein deutsches Finanzwunder; es gibt nur das Wunder der Wiedererweckung deutschen Nationalbewußtseins und deutscher Disziplin, und dieses Wunder danken wir unserem Führer Adolf Hitler (EC-611).«
Haben Sie das gesagt?
SCHACHT: Sicherlich. Das war ja mein großes Erstaunen.
JUSTICE JACKSON: Woraus bestand Ihr Ministerium als Sie Minister ohne Portefeuille waren?
SCHACHT: Nichts.
JUSTICE JACKSON: Was für Angestellte haben Sie gehabt?
SCHACHT: Eine Sekretärin.
JUSTICE JACKSON: Was für Büroräume hatten Sie?
SCHACHT: Zwei oder drei Räume in meiner eigenen Wohnung, die ich als Büroräume eingerichtet hatte.
JUSTICE JACKSON: Die Regierung hat Ihnen nicht einmal ein Büro eingerichtet?
SCHACHT: Ja. Sie haben mir dafür eine Miete bezahlt.
JUSTICE JACKSON: Wen haben Sie getroffen als Minister ohne Geschäftsbereich?
SCHACHT: Ich verstehe nicht, wen getroffen?
JUSTICE JACKSON: Haben Sie irgendwelche Zusammenkünfte gehabt? Haben Sie offiziellen Sitzungen beigewohnt?
SCHACHT: Ich habe hier wiederholt ausgesagt, daß ich nach meinem Austritt aus der Reichsbank nicht eine einzige Besprechung oder irgendeine Konferenz gehabt habe, dienstlicher oder amtlicher Natur.
JUSTICE JACKSON: Hat Ihnen jemand Bericht erstattet, oder erstatteten Sie jemandem Bericht?
SCHACHT: Nein, weder ist mir berichtet worden noch habe ich irgend jemandem berichtet.
JUSTICE JACKSON: Dann nehme ich an, daß Sie in dieser Stellung keine Aufgaben hatten?
SCHACHT: Völlig richtig.
JUSTICE JACKSON: Sie waren doch Minister ohne Geschäftsbereich zu der Zeit, als Hitler aus Frankreich zurückkam, und Sie haben dem Empfang am Bahnhof beigewohnt und sind zum Reichstag gegangen, um seine Rede anzuhören?
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Trotz Ihres Rücktritts als Reichsbankpräsident hat die Regierung Ihnen Ihr volles Gehalt bis 1942 ausbezahlt, nicht wahr?
SCHACHT: Ich habe bereits gestern hier ausgesagt, daß das unrichtig ist. Ich habe mein Gehalt von der Reichsbank bezogen, welches vertraglich mir zustand, und ein Ministergehalt habe ich nicht bezogen. Ich glaube, ich habe als Minister gewisse Aufwandsentschädigungen bekommen, das kann ich im Moment nicht sagen. Gehalt habe ich als Minister nicht bezogen.
JUSTICE JACKSON: Gut. Ich wende mich wieder Ihrem Verhör vom 9. Oktober 1945 zu und frage Sie, ob Sie folgende Antworten auf folgende Fragen gegeben haben:
»Frage: Welches Gehalt haben Sie als Minister ohne Geschäftsbereich gehabt?
Antwort: Ich könnte es Ihnen nicht genau sagen. Ich glaube, es waren 24.000 Mark, vielleicht 20.000 Mark, genau kann ich es nicht sagen. Aber es wurde auf das Gehalt angerechnet und später auf die Pension, die ich von der Reichsbank erhielt. So wurde ich nicht zweimal bezahlt.
Frage: Mit anderen Worten: Das Gehalt, das Sie als Minister ohne Portefeuille zu der Zeit, als Sie noch Reichsbankpräsident waren, bezogen, wurde von Ihrem Gehalt bei der Reichsbank abgezogen?
Antwort: Ja.
Frage: Dennoch haben Sie, nachdem Sie im Januar 1939 Ihre Verbindung mit der Reichsbank gelöst hatten, das volle Gehalt erhalten?
Antwort: Ich erhielt das volle Gehalt, weil mein Kontrakt bis Ende 1942 weiterlief.
Frage: Sie haben also das volle Gehalt bis Ende 1942 erhalten?
Antwort: Das volle Gehalt, aber kein Extragehalt. Aber vom 1. Januar 1942 an erhielt ich meine Pension von der Reichsbank, und das Ministergehalt wurde wieder davon abgezogen, oder umgekehrt. Welches Gehalt höher war, weiß ich nicht. Ich erhielt ungefähr 30.000 Mark Pension von der Reichsbank.«
Und am 11. Juli 1945 wurden Sie in Ruskin verhört und gaben folgende Antworten:
»Frage: Welches war das Datum Ihres Kontrakts?
Antwort: 1937. Vom 8. März 1939, 1940, 1941 und 1942. Vier Jahre, ein Kontrakt auf vier Jahre.
Frage: Also wurden Sie tatsächlich für vier Jahre verpflichtet?
Antwort: Das ist, was ich Ihnen sagte. Nach 1942 erhielt ich eine Pension von der Reichsbank.
Frage: Wie hoch war Ihr Gehalt und alle anderen Einkommen von der Reichsbank?
Antwort: Das gesamte Einkommen von der Reichsbank, einschließlich meiner Repräsentationsgelder, hat 60.000 Mark betragen, und die Pension betrug 24.000 Mark Sie verstehen, ich hatte einen kurzen Kontrakt, aber eine hohe Pension. Als Reichsminister ohne Geschäftsbereich hatte ich noch ein weiteres Gehalt, ich glaube 20.000 oder 24.000 Mark.«
Nun, ist das richtig?
SCHACHT: Die Gehälter standen auf dem Papier und sind korrekt wiedergegeben, und ich habe ja gesagt, daß ich nur aus einer Quelle bezahlt wurde. Ich bin gefragt worden: Was für ein Gehalt hatten Sie als Reichsminister? Das habe ich angegeben, aber ich habe es ja nicht ausbezahlt bekommen, sondern es ist von meinem Reichsbankgehalt abgesetzt worden. Und die Pension ist, wie ich hier sehe, hier in einem Falle falsch angegeben. Ich glaube, ich habe nur 24.000 Mark Pension bekommen, während einmal hier gesagt ist 30.000 Mark. Ich bin in meinen eigenen Geldsachen etwas weniger genau als wie in meinen dienstlichen Geldsachen. Ich bin jedenfalls nur einmal bezahlt worden, und zwar in der Hauptsache aus der Reichsbank, bis zum... und auch das ist nicht genau hier gesagt. Das ist nicht Ende 1942, sondern Ende Juni 1942, daß mein Kontrakt geendet hat. Von da an setzt die Pension ein, und die ist auch wieder nur einmal bezahlt worden. Wie sich die beiden, Ministerium und Reichsbank, untereinander verrechnet haben, ist mir nicht bekannt.
JUSTICE JACKSON: Sie hatten das Recht, ein Gehalt und eine Pension zu beziehen, und eines wurde gegen das andere verrechnet; das meinen Sie doch?
Diese Abmachung bestand, solange Sie noch dem Regime angehörten?
SCHACHT: Das ist heute noch in Geltung, das hat mit dem Regime gar nichts zu tun. Ich hoffe, daß ich meine Pension noch bekommen werde, wovon soll ich sonst leben?
JUSTICE JACKSON: Nun, vielleicht werden Ihre Unterhaltskosten nicht sehr hoch sein, Doktor.
Als General Beck zurückgetreten ist, bat er Sie, dasselbe zu tun, nicht wahr?
VORSITZENDER: Einen Augenblick! Es ist völlig unnötig, daß einer der im Gerichtssaal Anwesenden seinem Vergnügen durch Gelächter Ausdruck verleiht.
JUSTICE JACKSON: Wurden Sie aufgefordert zurückzutreten, als General Beck zurücktrat?
SCHACHT: Nein, er hat es nicht gesagt.
JUSTICE JACKSON: Erinnern Sie sich der Aussage, die Gisevius hier abgegeben hat?
SCHACHT: Jawohl, das war ein Irrtum von Gisevius.
JUSTICE JACKSON: Nun gut. Auf jeden Fall wurden Sie aber, als General Beck zurücktrat, recht eindeutig darauf aufmerksam gemacht, nicht wahr?
SCHACHT: Er besuchte mich und teilte es mir wenige Tage vor seinem Rücktritt mit. Ich nehme an, daß das Ende August oder Anfang September 1938 gewesen ist.
JUSTICE JACKSON: Und Sie behaupten, daß Ihnen damals nicht vorgeschlagen wurde, gleichzeitig mit, Beck zurückzutreten?
SCHACHT: Nein, da ist nicht davon gesprochen worden. Beck war bei mir in meinem Zimmer, er hat etwas Derartiges nicht ausgesprochen und ist auch zwischen uns nicht debattiert worden.
JUSTICE JACKSON: Ist es Ihnen niemals eingefallen, daß ein Rücktritt der beste Weg sein könnte, um Ihren Protest gegen die Dinge, die Sie, wie Sie heute sagen, mißbilligten, zum Ausdruck zu bringen?
SCHACHT: Nein, ich glaube, daß eine Resignation gar kein Mittel war, um das, was geschehen mußte, durchzusetzen, und ich habe es auch sehr bedauert, daß Beck zurücktrat. Das, was geschah, Mr. Justice, war eine ganz falsche Politik, sie wurde teils uns aufgezwungen und teils haben wir sie selbst leider nicht richtig gehandhabt, leider. Im Februar wurde Neurath entlassen, im Herbst trat Beck zurück, im Januar 1939 wurde ich entlassen. Es ist immer einer nach dem anderen abgesagt worden. Wenn es möglich gewesen wäre, daß unsere Gruppe – wenn ich jetzt auch von einer Gruppe sprechen darf –, wie wir es erhofft und erwartet hatten, einmal eine gemeinschaftliche Aktion hätte machen können, dann wäre das ausgezeichnet gewesen. Aber diese einzelnen Rücktritte hatten gar keinen Zweck, jedenfalls keinen Erfolg.
JUSTICE JACKSON: Sie hätten es für besser gehalten, wenn Beck auf seinem Posten verblieben wäre und sich dem Staatsoberhaupt gegenüber unloyal verhalten hätte?
SCHACHT: Absolut.
JUSTICE JACKSON: Jedenfalls haben Sie während der ganzen Zeit bis zum Fall Frankreichs nie aufgehört, sich ganz öffentlich als Teil der Regierung und als Teil des Regimes zu betrachten, nicht wahr?
SCHACHT: Ja. Ich habe mich niemals als ein Teil des Regimes in dem Sinne betrachtet, denn ich war ja dagegen, aber ich habe selbstverständlich auch vom Herbst 1938 an auf meinen eigenen Rücktritt hingearbeitet, sobald ich sah, daß Hitler die Aufrüstung nicht abstoppte, sondern weitertrieb, und meine eigene Ohnmacht sah, dagegen anzugehen.
JUSTICE JACKSON: Wann fingen Sie an, auf Ihren eigenen Rücktritt hinzuarbeiten?
SCHACHT: Verzeihen Sie, ich habe nicht gehört, – zu arbeiten wofür?
JUSTICE JACKSON: Wann haben Sie begonnen, auf Ihren eigenen Rücktritt von allen Ämtern hinzuarbeiten?
SCHACHT: Also nach München, und nachdem wir sahen, daß eine Abrüstung oder ein Aufhören der Rüstung durch Hitler nicht von uns mehr erwartet werden könnte, daß wir nicht die weitere Aufrüstung verhindern konnten; da haben wir angefangen, innerhalb der Kreise des Reichsbankdirektoriums, uns darüber zu unterhalten und uns darüber klar zu werden, daß wir einen Kurs der weiteren Aufrüstung nicht mitmachen könnten. Das ist also das letzte Quartal 1938.
JUSTICE JACKSON: Und keines der Ereignisse, die Sie selbst nicht billigten, war Ihnen schwerwiegend genug, um Sie zum Rücktritt zu bewegen und einen weiteren Gebrauch Ihres Namens in diesem Regime zu verhindern?
SCHACHT: Ich habe bis dahin immer noch gehofft, daß ich die Dinge zum Guten wenden könnte und habe infolgedessen alle die Nachteile auf mich genommen, die mit meinem Verbleiben verbunden waren, auf die Gefahr, daß ich einst so beurteilt werden würde, wie es heute geschieht.
JUSTICE JACKSON: Obgleich Sie, wie Sie sagen, den Einfall in Polen mißbilligten, haben Sie dennoch zugelassen, daß man sich im In- und Ausland Ihres Namens bediente?
SCHACHT: Ich bin nie um meine Erlaubnis gefragt worden und habe diese Erlaubnis auch nie gegeben.
JUSTICE JACKSON: Sie wußten doch ganz genau, daß Ihr Name damals sehr viel für diese Gruppe bedeutete und daß Sie einer der wenigen waren, der Ansehen im Auslande hatte?
SCHACHT: Das erste habe ich bereits gestern von Ihnen als Kompliment entgegengenommen, das zweite, glaube ich, ist unrichtig. Ich glaube, daß verschiedene andere Mitglieder des Regimes auch ein »standing« hatten im Auslande, darunter auch einige, die heute mit mir hier auf der Anklagebank sitzen.
JUSTICE JACKSON: Jeder auswärtige Beobachter, der die Angelegenheiten in Deutschland durchschaute, mußte doch zur Überzeugung kommen, daß Sie bis zum Verlust Ihres Amtes als Minister ohne Geschäftsbereich das Regime ständig unterstützten, nicht wahr?
SCHACHT: Das ist völlig unrichtig. Ich bin, wie ich bereits gestern wiederholt und auch im Verlauf des Verhörs gesagt habe, ständig durch die ausländischen Radiosender mit meinem Namen herangezogen worden als ein Gegner dieses Systems, und meine sämtlichen Freunde und Bekannten im Auslande, und es waren ihrer sehr viele, haben gewußt, daß ich gegen dieses System war und arbeitete, und wenn ein Presseberichterstatter mir heute genannt werden kann, der das nicht wußte, dann hat er sein Geschäft nicht verstanden.
JUSTICE JACKSON: Berufen Sie sich auf den Brief, den Sie an den Neuyorker Bankier Leon...?
SCHACHT: Leon Fraser.
JUSTICE JACKSON: Damals, als Sie diesen Brief in die Schweiz schickten, gab es doch einen diplomatischen Vertreter der Vereinigten Staaten in Berlin, nicht wahr?
SCHACHT: Jawohl.
JUSTICE JACKSON: Und Sie wußten, daß er mindestens einmal pro Woche, gewöhnlich aber täglich, Kurierverbindungen mit Washington hatte?
SCHACHT: Ja, ich habe das nicht gewußt, aber angenommen.
JUSTICE JACKSON: Und daß, wenn Sie sich mit der Amerikanischen Regierung oder mit einem Beamten der Vereinigten Staaten in Verbindung setzen wollten, Sie diese Verbindung auf regulärem Wege herstellen konnten?
SCHACHT: Ich habe gar nicht gewünscht, mit der Amerikanischen Regierung oder mit einem amerikanischen Beamten in Verbindung zu treten, sondern ich habe gewünscht, die Verbindung wiederaufzunehmen mit einem Freund, der mich im Januar eingeladen hatte, nach Amerika zu kommen, und auf diese frühere Korrespondenz zwischen ihm und mir im Januar bin ich zurückgekommen.
JUSTICE JACKSON: Somit ist ja die Fraser-Angelegenheit erledigt.
Nun, Dr. Schacht, während Sie Minister ohne Geschäftsbereich waren, wurden, wie Sie selbst aussagen, gegen Polen, Dänemark und Norwegen im April 1940, gegen Holland und Belgien im Mai 1940 Angriffskriege geführt; im Juni waren der Waffenstillstand und die Übergabe von Frankreich; im September 1940 wurde der Dreimächte-Pakt zwischen Deutschland, Japan und Italien geschlossen; im April 1941 fand der Angriff auf Jugoslawien und Griechenland statt, der, wie Sie selbst sagten, aggressiv war; im Juni 1941 wurde die Sowjetunion überfallen. Wie Sie sagten, war dieser Einmarsch ebenfalls eine Aggression; am 7. Dezember 1941 griff Japan Pearl Harbor an; nach diesem Angriff hat Japan den Vereinigten Staaten den Krieg erklärt; am 8. Dezember 1941 erklärten die Vereinigten Staaten Japan den Krieg – aber nicht Deutschland; und am 11. Dezember 1941 haben Deutschland und Italien den Vereinigten Staaten den Krieg erklärt.
Alles das geschah auf außenpolitischem Gebiet, und Sie blieben weiter Minister ohne Geschäftsbereich in der Hitler-Regierung, nicht wahr?
SCHACHT: Mr. Justice...
JUSTICE JACKSON: Blieben Sie nicht, und ist das nicht Tatsache?
SCHACHT: Ja, und ich wünsche jetzt etwas hinzuzufügen. Von Dutzenden von Zeugen, die hier aufgetreten sind, und von mir selbst haben Sie immer wieder gehört, daß es eine Unmöglichkeit war, einseitig aus diesem Amt zurückzutreten; denn wenn ich von einem Staatsoberhaupt eingesetzt bin als Minister, muß ich ja auch mit seiner Unterschrift wieder abgesetzt werden. Es ist Ihnen ferner erzählt worden, daß ich zu den verschiedensten Zeiten versucht habe, dieses Ministeramt loszuwerden. Ich kann Ihnen außer den Zeugenaussagen zahllose, auch amerikanische Zeugnisse beibringen, daß es bekannt war, daß Hitler niemandem erlaubte, ohne seine Genehmigung irgendwie aus dem Amt auszuscheiden. Und jetzt werfen Sie mir hier vor, daß ich geblieben bin. Ich bin nicht aus Vergnügen geblieben, sondern ich bin geblieben, weil nur keine andere Möglichkeit war, außer mit einem Krach aus dem Ministerium auszuscheiden. Und diesen Krach habe ich alle Augenblicke beinahe versucht herbeizuführen, bis es mir schließlich im Januar 1943 gelungen ist, diesen Krach herbeizuführen, und dann mit einiger Lebensgefahr aus dem Amt zu verschwinden.
JUSTICE JACKSON: Ich werde mich mit Ihrer Erklärung später befassen, augenblicklich spreche ich nur von Tatsachen. Sie haben es zu einem offenen Bruch mit Hitler nicht kommen lassen, so daß Sie noch nicht völlig aus Ihrem Amt ausgeschieden waren, bis dann die deutsche Offensive in Rußland zusammenbrach und die deutschen Truppen auf dem Rückzug waren und die Alliierten in Nordafrika gelandet waren, nicht wahr?
SCHACHT: Der Brief, durch den ich den letzten erfolgreichen Krach herbeiführte, datiert vom 30. November 1942; der Krach und seine Erfüllung datieren vom 21. Januar 1943, weil Hitler und Göring, und wer sonst dazu mitgesprochen hat, sieben Wochen gebraucht haben, um sich über die Konsequenz meines Briefes klar zu werden.
JUSTICE JACKSON: Nun, Ihr Brief bringt eindeutig einen Ausdruck, daß Sie fanden, daß das Schiff im Sinken begriffen, oder anders ausgedrückt, daß der Krieg verloren war?
SCHACHT: Das haben bereits meine mündlichen und schriftlichen Darstellungen aus viel früherer Zeit gezeigt. Ich habe davon hier ebenfalls berichtet. Ich habe von dem Brief an Ribbentrop und Funk berichtet, ich habe eine ganze Reihe von Darstellungen hier gegeben, die beweisen, daß ich niemals an die Möglichkeit eines deutschen Sieges geglaubt habe; und mein Verschwinden aus dem Amt hat mit all diesen Dingen gar nichts zu tun.
JUSTICE JACKSON: Zu der Zeit nun, als Sie noch Minister ohne Geschäftsbereich waren und glaubten, Ihr Rücktritt könnte Ihnen gefährlich werden, da stifteten Sie die Generale der Wehrmacht zum Hochverrat gegen das Staatsoberhaupt an. Nicht wahr?
SCHACHT: Jawohl, und ich möchte jetzt wieder eine Bemerkung machen. Ich habe nicht wegen drohender Lebensgefahr eher resignieren können, ich habe mich auch vor einer drohenden Lebensgefahr ja nicht gefürchtet, denn ich bin ja von 1937 an in ständiger Lebensgefahr gewesen und war der Willkür der Partei und des Parteiobersten ausgeliefert. Ihre Frage, daß ich eine Masse Generale versucht habe, zum Hochverrat zu veranlassen, bejahe ich.
JUSTICE JACKSON: Sie versuchten auch, Mörder ausfindig zu machen, die Hitler ermorden sollten?
SCHACHT: Ich habe im Jahre 1938, als der erste Versuch bei mir gemacht wurde, noch nicht an eine Ermordung Hitlers gedacht. Ich muß allerdings gestehen, daß ich später gesagt habe, wenn es nicht anders geht, müssen wir den Mann umbringen, wenn es möglich ist.
JUSTICE JACKSON: Sagten Sie, »wir müssen ihn töten«, oder sagten Sie »irgendein anderer muß ihn töten«, Dr. Schacht?
SCHACHT: Wenn ich die Gelegenheit gehabt hätte, hätte ich ihn umgebracht, ich. Ich bitte, mich aber deswegen nicht wegen Mordversuches vor ein deutsches Gericht zu bringen, denn ich bin selbstverständlich in diesem Sinne schuldig.
JUSTICE JACKSON: Gut. Wie auch immer Ihre Tätigkeit gewesen sein mag, sie muß so geheim gewesen sein, daß in den Auslandsakten in Frankreich, die, wie Sie sagten, von der Gestapo durchsucht wurden, auch nicht das geringste enthalten war.
SCHACHT: Ja, ich konnte diese Sache nicht vorher in der Zeitung annoncieren.
JUSTICE JACKSON: Und die Gestapo war, trotz all ihrer Nachforschungen über Ihre Tätigkeit, nie in der Lage, Sie vor dem Attentat vom 20. Juli zu verhaften?
SCHACHT: Sie hätte mich längst unter Arrest bringen können, wenn sie etwas klüger gewesen wäre; aber das scheint eine Sondereigenschaft jeder Polizei zu sein.
JUSTICE JACKSON: Und erst 1943 wurden Sie von der Hitler-Regierung entlassen? Bis dahin war sie anscheinend der Meinung, daß Sie ihr mehr genützt als geschadet hätten?
SCHACHT: Was sie für Gedanken dabei hatte, weiß ich nicht, da bitte ich mich nicht darüber zu befragen, da müssen Sie jemanden aus dem Regime tragen, und Sie haben ja noch Leute hier.
JUSTICE JACKSON: Sie haben hier behauptet, über das Attentat auf Hitler vom 20. Juli Bescheid gewußt zu haben?
SCHACHT: Ich wußte davon.
JUSTICE JACKSON: Sie haben gehört, daß Gisevius aussagte, Sie hätten nichts davon gewußt.
SCHACHT: Ich habe bereits gestern gesagt, daß ich nicht nur über die Bemühungen Goerdelers unterrichtet war, sondern daß ich durch General Lindemann ganz genau informiert war, und es ist das Zeugnis des Obersten Gronau hier ja verlesen worden, und ich habe ferner gesagt, daß ich meinen Freunden davon keine Nachricht gegeben hatte, weil ich niemandem, und das war eine gegenseitige Abrede, daß wir niemandem etwas mitteilten, was ihn bei einer eventuellen Folterung durch die Gestapo in Verlegenheit bringen konnte.
JUSTICE JACKSON: Erinnern Sie sich, daß nach Aussage von Gisevius nur drei Zivilpersonen von der Verschwörung, die von den Militärkreisen streng geheimgehalten wurde, etwas wußten?
SCHACHT: Sie sehen, daß auch Gisevius nicht über jede Einzelheit unterrichtet war. Er kann natürlich nicht mehr aussagen, als was er wußte.
JUSTICE JACKSON: Daher, Dr. Schacht, müssen wir Ihre Aussage angesichts der Tatsachen beurteilen, daß Sie es vorzogen, lange Zeit hindurch die Politik Ihrer eigenen Regierung zu sabotieren und Hochverrat am Staatsoberhaupt zu verüben, anstatt öffentlich aus seiner Regierung zurückzutreten?
SCHACHT: Sie kommen immer wieder mit der Resignation. Ich habe Ihnen gesagt und bewiesen, daß es keine »resignation« gab. Infolgedessen ist Ihre Schlußfolgerung irrig.
JUSTICE JACKSON: Gut, gehen wir weiter. In Ihrer Vernehmung vom 16. Oktober 1945, Beweisstück US-636, wurden Ihnen ein paar Fragen über die Generale des Heeres gestellt, und nun frage ich Sie, ob Sie folgendes gefragt wurden und ob Sie wie folgt darauf geantwortet haben:
»Frage: Nehmen Sie an; Sie wären Chef des Generalstabs, und Hitler hätte den Entschluß gefaßt, Österreich anzugreifen. Würden Sie behaupten, daß Sie das Recht hätten zurückzutreten?
Antwort: Ich würde gesagt haben, ›schicken Sie mich weg‹.
Frage: Sie würden das gesagt haben?
Antwort: Jawohl.
Frage: Also, Sie sind der Ansicht, daß ein Beamter zu jeder Zeit zurücktreten könne, wenn er glaubt, aus Gewissensgründen nicht mehr mitmachen zu können?
Antwort: Jawohl, vollkommen.
Frage: Mit anderen Worten, Sie sind der Meinung, daß die Mitglieder des Generalstabs der Wehrmacht, die für die Durchführung der Hitler-Pläne verantwortlich waren, ebenso schuldig sind, wie er selbst?
Antwort: Die Frage, die Sie mir stellen, mein Herr, ist sehr schwierig, aber ich beantworte sie mit Ja.«
JUSTICE JACKSON: Haben Sie diese Antworten gegeben?
SCHACHT: Ja, ich wünsche jetzt noch eine Bemerkung dazu zu machen, wenn es mir das Gericht erlaubt. Wenn mir jemals Hitler einen unmoralischen Auftrag gegeben hätte, würde ich seine Ausführung abgelehnt haben. Das ist das, was ich auch von den Generalen gesagt habe, und ich stehe zu der Aussage, die Sie eben vorgelesen haben.
JUSTICE JACKSON: Ich bin fertig, Herr Vorsitzender. Ich möchte nur noch die Nummer der Beweisstücke angeben: Das Gesuch an Hindenburg, auf das ich mich gestern bezogen habe, ist 3901-PS und wird Beweisstück US-837.
Das Verhör von Blomberg vom Oktober 1945 wird Beweisstück US-838.
DR. HANS LATERNSER, VERTEIDIGER FÜR GENERALSTAB UND OBERKOMMANDO: Herr Präsident! Ich beantrage diese Aussage des Angeklagten Dr. Schacht insoweit zu streichen, als sie ihm vorgehalten wurde, und damit auch Gegenstand des Protokolls geworden ist. Die Frage, soweit ich sie verstanden habe, lautete, ob er den Generalstab für genau so schuldig halte, wie Hitler. Diese Frage wurde in diesem Verhör von dem Angeklagten Dr. Schacht bejaht. Die Frage und die Antwort sind keine... die Frage zunächst ist unzulässig, ebenso die Antwort, weil ein Zeuge dieses Urteil nicht abzugeben vermag. Das ist in diesem Falle Sache des Gerichts. Und aus diesem Grunde beantrage ich, die Aussage insoweit vom Protokoll zu streichen.
JUSTICE JACKSON: Hoher Gerichtshof! Ich lege diese Meinung von Dr. Schacht selbstverständlich nicht als Beweismittel gegen den Generalstab oder gegen irgendeinen einzelnen angeklagten Soldaten vor. Das Beweismaterial wurde doch nur vorgelegt, um Schacht auf seine Glaubwürdigkeit und seine Stellungnahme zu prüfen. Ich finde nicht, daß seine Meinung über die Schuld eines anderen als Beweismittel gegen diese andere Person dienen kann. Meines Erachtens ist seine Meinung in dieser Sache ein Beweismittel gegen ihn selbst, und zwar im Hinblick auf seine Glaubwürdigkeit.
VORSITZENDER: Ja, Dr. Dix?
DR. RUDOLF DIX, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SCHACHT: Die Frage von Justice Jackson lautete nicht, ob Schacht die Generale für schuldig erachte, sondern die Frage lautete, ob es richtig wäre, daß Schacht in einem Protokoll, in einem Verhör in der Voruntersuchung auf die und die Frage die und die Antwort gegeben habe. Es war also eine Frage über einen tatsächlichen Vorgang, der in der Vergangenheit war, und keine Frage über eine Meinung und ein Urteil die er hier abgeben soll. Ich habe an der Nichtstreichung dieses Passus nur insofern als Verteidiger von Schacht ein Interesse, daß die Worte: »Ich, Schacht, hätte einen unmoralischen Befehl und eine unmoralische Zumutung Hitlers jederzeit abgelehnt« stehenbleiben. Hinsichtlich des übrigen Teiles der diesbezüglichen Antwort Schachts erkläre ich als Verteidiger für Dr. Schacht mein Desinteressement.
DR. LATERNSER: Herr Präsident! Nach der Erklärung des Herrn Justice Jackson ziehe ich meinen Einspruch hiermit zurück.
GENERALMAJOR G. A. ALEXANDROW, HILFSANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Herr Präsident! Gestatten Sie, das Kreuzverhör zu beginnen?
VORSITZENDER: Ja, bitte sehr.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Angeklagter Schacht! In Beantwortung der Frage Ihres Verteidigers haben Sie uns mitgeteilt, unter welchen Umständen Ihre erste Bekanntschaft mit Hitler und Göring stattgefunden hat. Sie haben sich dabei sogar an eine solche Einzelheit, wie die Erbsensuppe, erinnert, die zum Abendessen in Görings Hause serviert wurde. Mich interessieren jetzt einige für die Sache wichtigere Einzelheiten über Ihre Beziehungen zu Hitler und Göring. Sagen Sie, auf wessen Initiative ist Ihre erste Zusammenkunft mit Hitler und Göring zurückzuführen?
SCHACHT: Ich habe hier erzählt bereits, daß der mir befreundete Bankdirektor von Stauß mich zu einem Abend bei sich einlud, um bei ihm im Hause Göring zu treffen. Die Zusammenkunft mit Hitler hat dann stattgefunden, indem Göring mich bat, einmal in seinem Hause, Görings Haus, mit Hitler zusammenzukommen.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Aus welchen Gründen hatten Sie damals die Einladung angenommen, um Hitler und Göring zu treffen?
SCHACHT: Die Nationalsozialistische Partei war damals nun eine der stärksten Parteien im Reichstag mit 108 Sitzen, und die nationalsozialistische Bewegung im Lande war außerordentlich lebhaft. Ich hatte infolgedessen ein allgemeines Interesse, einmal die führenden Männer dieser Bewegung kennenzulernen, die ich bis dahin überhaupt nicht kannte.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Aber Sie haben hier erklärt, daß Sie von Göring selbst eingeladen wurden. Warum hat Göring gerade Sie zu dieser Zusammenkunft eingeladen?
SCHACHT: Ich bitte Sie, Herrn Göring danach zu fragen.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Und Sie selbst, haben Sie ihn nicht danach gefragt?
SCHACHT: Herr Göring hatte den Wunsch, daß ich Hitler kennenlernte, oder daß Hitler mich kennenlernte.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Und zu welchem Zweck, mit welchem Ziel?
SCHACHT: Das müssen Sie Herrn Göring fragen.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Glauben Sie nicht, daß Hitler und Göring die Absicht hatten, und zwar nicht ohne Erfolg, Sie zur Mitarbeit in die faschistische Bewegung heranzuziehen, da sie wußten, daß Sie ein angesehener Wirtschaftler und Finanzmann in Deutschland waren und ein Mensch, der ihre Ansichten teilte?
SCHACHT: Ich bin über die Absichten der beiden Herren damals nicht unterrichtet gewesen, kann mir aber denken, daß es ebenso interessant für die Herren war, Herrn Schacht kennenzulernen, wie es für mich interessant war, Herrn Hitler und Herrn Göring kennenzulernen.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: War es nur einfaches persönliches Interesse oder handelte es sich dabei um andere Gründe politischer Natur? Sie begriffen natürlich, daß Ihre Teilnahme an der faschistischen Bewegung für Hitler ein Vorteil gewesen wäre da Sie ein bekannter Mann in Ihrem Lande waren?
SCHACHT: Bei mir lag lediglich das Interesse vor, mal zu sehen, was für Leute das waren; welches Interesse bei den beiden Herren vorlag, habe ich bereits gesagt, kann ich nicht wissen. Eine Mitarbeit in der faschistischen Bewegung kam überhaupt gar nicht in Frage und ist ja auch nicht geleistet worden...
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Sagen Sie...
SCHACHT: Lassen Sie mich, bitte, aussprechen, ist ja auch nicht geleistet worden vor den Juliwahlen 1932, wie ich hier ausgeführt habe, während die Bekanntwerdung ja im Januar 1931 war, also vor eineinhalb Jahren. In diesen ganzen eineinhalb Jahren ist ja eine Mitwirkung gar nicht erfolgt.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Sagen Sie, waren es die einzigen Zusammenkünfte, auf die sich Ihre Bekanntschaft mit Hitler und Göring beschränkte oder sind Sie mit ihnen noch öfter zusammengekommen, bevor Hitler zur Macht kam?
SCHACHT: Bis zum Juli 1932 habe ich Hitler und Göring, jeden von ihnen vielleicht ein-, zwei- oder dreimal gesehen – das kann ich nicht sagen – in diesen eineinhalb Jahren. Aber jedenfalls von irgendeinem häufigeren Sehen war nicht die Rede.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Wie können Sie Ihren Brief an Hitler vom 29. August 1932, in dem Sie ihm Ihre Dienste anboten, erklären? Erinnern Sie sich an diesen Brief?
SCHACHT: Ja.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Wie erklären Sie diesen Brief?
SCHACHT: Ich habe hierüber wiederholt ausgesagt. Bitte freundlichst, das nachzulesen.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Wollen Sie, bitte, das nochmals wiederholen, und zwar ganz kurz?
VORSITZENDER: Wenn er es schon einmal besprochen hat, so genügt das.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Wann und von wem wurde Ihnen zum erstenmal der Vorschlag gemacht, an der zukünftigen Hitler-Regierung teilzunehmen, und wann und von wem wurde Ihnen der Posten des Reichsbankpräsidenten versprochen?
SCHACHT: Der Reichsbankpräsident war niemals ein Platz in der Regierung, sondern war ein hoher Beamter außerhalb der Regierung. Das erstemal, daß hiervon mir gegenüber die Rede gewesen ist, war am 30. Januar 1933, als ich zufällig Göring traf in der Halle des Kaiserhofes und er mir sagte: »Aha, da kommt unser künftiger Reichsbankpräsident.«
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Als Sie Ihrem Verteidiger antworteten, haben Sie erklärt, daß die faschistische Rassentheorie nichts als Geschwätz wäre, daß die faschistische Weltanschauung überhaupt keine Weltanschauung sei, daß Sie gegen die sogenannte Lösung des Lebensraumproblems durch Eroberung neuer Gebiete wären, daß Sie gegen das Führerprinzip in der faschistischen Partei wären und diesbezüglich eine Rede in der Akademie für Deutsches Recht gehalten haben, und daß Sie gegen die faschistische Methode der Judenvernichtung waren. Ist das richtig, haben Sie das als Antwort auf die Fragen Ihres Anwalts erklärt?
SCHACHT: Ja, das haben wir ja beide hier erlebt.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Sagen Sie, was hat Sie denn dann zum Faschismus und zur Zusammenarbeit mit Hitler gebracht?
SCHACHT: Mich hat gar nichts zum Faschismus gebracht, ich bin nie Faschist gewesen.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Und was hat Sie zur Zusammenarbeit mit Hitler gebracht, wo Sie doch eine ablehnende Haltung gegen seine Theorien und die Theorien des deutschen Faschismus hatten?
VORSITZENDER: General Alexandrow! Er hat uns schon gesagt, warum er mit Hitler zusammenarbeitete, das müssen Sie doch gehört haben.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Aber in Wirklichkeit hat es doch stattgefunden.