[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]
DR. DIX: Ich rufe jetzt den Zeugen Vocke, wenn Euer Lordschaft gestatten.
[Der Zeuge Vocke betritt den Zeugenstand.]
VORSITZENDER: Geben Sie Ihren vollen Namen an.
ZEUGE WILHELM VOCKE: Wilhelm Vocke.
VORSITZENDER: Sprechen Sie mir folgenden Eid nach:
Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.
[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]
Sie können sich setzen.
DR. DIX: Herr Vocke! Sie waren Mitglied des Reichsbankdirektoriums. Wann sind Sie in das Reichsbankdirektorium eingetreten und wann sind Sie ausgeschieden?
VOCKE: Ich bin von dem damaligen Reichspräsidenten Ebert im Jahre 1919 zum Mitglied des Reichsbankdirektoriums ernannt und von Hitler am 1. Februar 1939 aus dem Amt entlassen worden. Ich war sonach rund 20 Jahre Mitglied des Reichsbankdirektoriums und davon rund 10 Jahre unter Schacht.
DR. DIX: Entschuldigen Sie, aber ich muß Sie fragen: Waren Sie Parteimitglied?
VOCKE: Nein.
DR. DIX: Waren Sie Mitglied der SA?
VOCKE: Nein.
DR. DIX: Waren Sie Mitglied der SS?
VOCKE: Nein.
DR. DIX: Waren Sie auch nicht förderndes Mitglied der SA oder SS?
VOCKE: Nein.
DR. DIX: Sie haben keinerlei Parteiverbindung gehabt?
VOCKE: Nein.
DR. DIX: Wann lernten Sie Schacht kennen?
VOCKE: Im Jahre 1915. Ich habe ihn damals flüchtig kennengelernt und habe erst später, als er Reichsbankkommissar und Reichsbankpräsident wurde, ihn näher kennengelernt.
DR. DIX: Kommen wir jetzt zu dem Zeitpunkt der ersten Reichsbankpräsidentschaft Schachts, nämlich zum Jahre 1923. Welche Stellung nahm denn damals das Beichsbankdirektorium gegenüber der Kandidatur Schachts als Reichsbankpräsident ein?
VOCKE: Eine ablehnende Haltung.
DR. DIX: Und aus welchem Grunde?
VOCKE: Wir hatten Helfferich als Kandidaten, als künftigen Präsidenten der Reichsbank gewünscht, weil Helfferich, und zwar in enger Zusammenarbeit mit der Reichsbank, die Rentenmark und die Stabilisierung geschaffen hatte. Wir haben aber zur Begründung der Ablehnung Schachts einen Vorfall angeführt aus den Personalakten Schachts, der auf Schachts Tätigkeit unter Herrn von Jung im Jahre 1915 zurückführte. Es handelte sich damals darum, daß Schacht, der von der Dresdner Bank gekommen war, der Dresdner Bank eine Hilfe geleistet hatte, die Herr von Jung als nicht ganz korrekt angesehen hatte und deswegen Schacht damals entlassen worden ist. Die Reichsregierung hat sich aber an dieser Kritik, die wir an Schacht geübt haben, nicht gestoßen, sondern der Minister Severing, wie er mir noch kürzlich sagte, hat sich an das Sprichwort gehalten »Die schlechtesten Früchte sind es nicht, woran die Wespen nagen«, und Schacht wurde zum Präsidenten ernannt.
DR. DIX: Nun kam also Schacht zu Ihnen als Präsident und wußte doch wahrscheinlich, daß an sich das Direktorium ihn nicht gewünscht hatte, oder jedenfalls einen anderen gewünscht hatte. Es ist deshalb die Frage berechtigt, wie sich denn nun das Verhältnis zwischen diesem Kollegium, also dem Reichsbankdirektorium, und seinem neuen Präsidenten gestaltete?
VOCKE: Schacht hat sein Amt im Januar 1924 angetreten und uns zu einer Sitzung gerufen, in der er über die Situation ganz offen mit uns gesprochen hat, etwa in dem Sinne: »Nun, Sie haben mich ja alle als Präsidenten abgelehnt, denn ich habe ja silberne Löffel gestohlen, aber ich bin jetzt Ihr Präsident und ich hoffe, daß wir gut zusammenarbeiten werden, und wir werden schon längsschiffs kommen.« Diesen Ausdruck gebrauchte Schacht. »Sollte es dem einen oder dem anderen nicht möglich sein, mit mir zusammenzuarbeiten, nun dann muß er eben die Konsequenzen ziehen, und ich werde ihm gern behilflich sein, eine andere Stellung zu finden.«
Unser Verhältnis zu Schacht und unsere Zusammenarbeit mit Schacht hat sich sehr rasch als sehr günstig gezeigt. Es war sehr gut mit Schacht zu arbeiten. Wir haben erkannt, daß er ein unerreichter Meister in seinem Fach und unserem Fach war, und auch sonst war Schachts ganze Führung untadelig. Er war in jeder Beziehung sauber und hat keinerlei Günstlingswirtschaft getrieben oder Günstlinge mitgebracht, die er fördern wollte. Er war auch ein Mann, der jederzeit Widerspruch und selbständige abweichende Meinungen erlaubte und sogar forderte. Er legte keinen Wert auf Mitarbeiter, die ihm nach dem Munde redeten.
VORSITZENDER: Dies steht weder zur Anklage noch zur Diskussion.
DR. DIX: Das ist richtig, Euer Lordschaft, aber ich dachte, es wäre doch ganz dienlich, die frühere Zeit kurz zu streifen. Wir sind aber jetzt schon am Ende und kommen nun zu der Reichsbankpräsidentschaft von 1933 an.