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[Zum Zeugen gewandt:]

Der verstorbene Generalfeldmarschall Blomberg hat eine Bekundung gemacht, daß die Reichsbank alljährlich vom Wehrministerium schriftliche Mitteilungen über den jeweiligen Stand der Rüstung erhalten habe. Ist Ihnen, der Sie doch Mitglied dieses Direktoriums waren, von solchen Mitteilungen etwas bekannt?

VOCKE: Nein, ich habe nie etwas davon erfahren.

DR. DIX: Halten Sie es nach Ihrer ganzen Erfahrung über den Geschäftsbetrieb der Reichsbank, nach Ihrer ganzen Erfahrung über die Einstellung Schachts zu seinen Mitarbeitern für möglich, daß Schacht persönlich diese Aufstellung erhalten, sie aber seinen Mitarbeitern im Reichsbankdirektorium nicht mitgeteilt hat?

VOCKE: Möglich, aber sehr unwahrscheinlich.

DR. DIX: Nun, wann hatte Schacht angefangen zu versuchen, die Rüstungsfinanzierung und damit die Rüstung zu stoppen, und wenn er es versucht hat, wenn Sie es im bejahenden Sinn beantworten können, was waren seine Gründe hierfür?

VOCKE: Schacht hat die ersten Versuche einer Begrenzung der Rüstung, ich denke um 1936, unternommen, als die Wirtschaft voll im Gang war und als die Weiterrüstung wie eine Schraube ohne Ende aussah. Die Reichsbank war blockiert und ich glaube, im Jahre 1936 hat Schacht mit ernstlichen Bemühungen begonnen, der Rüstung von sich aus ein Ende zu setzen.

DR. DIX: Und wissen Sie aus eigener Erfahrung, worin diese Bemühungen im wesentlichen bestanden haben?

VOCKE: Diese Bemühungen erfüllten die folgenden Jahre. Zunächst hat Schacht versucht, auf Hitler einzuwirken. Das stellte sich als vergeblich heraus. Sein Einfluß sank, sowie er derartige Bemühungen anstellte. Er hat versucht, Bundesgenossen bei den bürgerlichen Ministerien und auch bei den Generalen zu finden. Er hat auch versucht, Göring zu gewinnen und glaubte, Göring gewonnen zu haben. Es hat aber nichts genützt.

Schacht hat dann dafür gekämpft, und zwar schließlich mit Erfolg, daß zunächst die Reichsbankkredite für die Rüstung endlich aufgehört haben, und dieser Erfolg trat März 1938 ein. Er hat aber damit seine Bemühungen, die Rüstung selbst zum Stoppen zu bringen, keineswegs aufgegeben, sondern mit allen Mitteln daran weitergearbeitet, auch mit den Mitteln der Sabotage.

Er hat im Jahre 1938 eine Anleihe herausgebracht zu einem Zeitpunkt, wo er wußte, daß die vorherige Anleihe noch nicht verdaut war, daß die Banken noch voll davon waren, und er hat den Betrag der neuen Anleihe so groß genommen, daß der Mißerfolg eintreten mußte. Wir haben gespannt darauf gewartet, ob unsere Rechnung richtig war und wir waren glücklich, als der Mißerfolg auf der Hand lag, und Schacht hat ihn Hitler mitgeteilt. Ebenso lief auf eine Sabotage der Rüstung hinaus, wenn Schacht den Industrien, die zu der Erweiterung ihrer Anlagen Anleihen aufnehmen wollten, die Aufnahme dieser Anleihen verboten und sie so daran gehindert hat, sich zu erweitern. Aber auch die Beendigung des Reichsbankkredites war nicht nur ein Herausnehmen der Reichsbank, sondern ein Schlag, der die Rüstung selbst getroffen hat, wie sich herausstellte um 1938, als es überall mit der Finanzierung am Ende von 1938 haperte und als nach Schachts Austritt sofort zurückgekehrt werden mußte zu den direkten Krediten der Notenbank, die das einzige Mittel waren, den elastischen Kredit, den sozusagen unendlichen Kredit bereitzustellen, den Hitler brauchte, den er von Schacht niemals hätte bekommen können. Ich weiß das aus persönlicher Erinnerung, denn dieses Gesetz, das mir vorgehalten wurde, das Hitler nach Schachts Abgang erlassen hat, dem habe ich widersprochen und dem Vizepräsidenten erklärt: Ich mache nicht mit. Worauf sofort meine Entlassung erfolgte, zehn Tage nach der Entlassung von Schacht.

DR. DIX: Nun Herr Vocke, für den Außenstehenden könnten ja nun die Beweggründe für dieses Stoppen der Rüstungsfinanzierung auch rein wirtschaftliche gewesen sein. Haben Sie Anhaltspunkte oder unmittelbare Erfahrungen darüber, daß Schacht auch einen Krieg nunmehr gefürchtet und die Möglichkeit eines Krieges durch dieses Stoppen hat bekämpfen wollen?

VOCKE: Ja, jedenfalls im Laufe des Jahres 1938 ist die Besorgnis, daß diese unendliche Weiterrüstung zum Krieg treiben könne, ja müsse, immer stärker geworden, vor allem nach der Konferenz von München. Schacht war inzwischen, und zwar glaube ich seit der Fritsch-Affäre, darüber sich klar geworden, daß Hitler der Todfeind war, und hat nur noch eines gekannt, mit allen Mitteln gegen Hitler, gegen Hitlers Rüstung und Kriegstreiben anzukämpfen. Die Mittel waren natürlich nur finanzielle, wie der Sabotage und so weiter, die ich vorhin geschildert habe. Schließlich blieb als letztes das Memorandum, mit dem Schacht den Austritt erzwungen hat.

DR. DIX: Darauf kommen wir nachher noch zu sprechen. Ich darf Sie vorher fragen: Dem Gerichtshof ist die Finanzierungsart dieses Kredites nämlich durch die MEFO-Wechsel bekannt. Sie brauchen darüber keine Bekundungen zu machen. Was ich Sie fragen möchte, ist, wie nach ihrer juristischen Auffassung diese Rüstungsfinanzierung durch diese eben genannten MEFO-Wechsel mit dem Bankgesetz vereinbart war?

VOCKE: Die MEFO-Wechsel, die Konstruktion dieses Geschäftes und dieser Gesellschaft waren natürlich von vornherein juristisch geprüft worden, auch die Rechtsfrage ist uns vorgetragen worden, und man hat die Frage, ob formal-juristisch diese Wechsel noch unter das Bankgesetz gebracht werden können, allerdings bejaht. Die schwerwiegendere Frage war allerdings die, ob denn diese Wechsel den normalen Anforderungen entsprechen, die eine Notenbank normalerweise an ihr Portefeuille stellen soll, und diese Frage muß natürlich glatt verneint werden.

Wenn man fragt: Warum hat denn die Bank nicht gute Handelswechsel angekauft, sondern MEFO- Wechsel?, so ist die Antwort die, daß damals seit Jahr und Tag keine guten Handelswechsel mehr vorhanden waren, nämlich seit dem Zusammenbruch infolge der Wirtschaftskrise, dem Darniederliegen der Wirtschaft.

Schon unter Brüning war eine Hilfskonstruktion zur Wiederbelebung der Wirtschaft und zur Kreditgewährung aufgezogen worden, die alle nach einem ähnlichen Schema gingen, das heißt ihrem Wesen nach sanktioniert waren, Normalkredite halböffentlich- rechtlicher Art; denn die Bank stand einfach vor der Alternative, mit verschränkten Armen passiv zuzusehen, was aus der Wirtschaft wurde, oder der Regierung bei der Wiederbelebung und Stützung der Wirtschaft so gut sie konnte zu helfen. Alle Notenbanken der Welt standen vor der gleichen Alternative und haben sich im gleichen Sinn entschieden. So haben auch die Rüstungswechsel, die wirtschaftlich gesehen nichts anderes waren wie vorher die Arbeitslosenwechsel, eben zu diesem Zweck dienen müssen. Damit wurde vom Standpunkt der Währungspolitik das alte Wechselportefeuille der Reichsbank, das durch die Krise eingefroren war, sogar wieder gut. Die ganzen Bestimmungen, die bankgesetzlichen und die traditionellen der Bank- und Wechselpolitik, hatten nur den einen Zweck, Verluste zu vermeiden.

DR. DIX: Ich glaube, Herr Vocke, dem Gerichtshof würde es genügen, wenn Sie bestätigen können, daß schließlich die Juristen der Reichsbank die gesetzliche Zulässigkeit dieser MEFO-Wechsel bejaht haben. Die Einzelheiten dieser Begründung, glaube ich, wenn Euer Lordschaft damit einverstanden sind, können wir auslassen.

Und nun kommen wir also zu dem von Ihnen bereits erwähnten Memorandum. Wollen Sie dem Gerichtshof eingehend schildern die Erwägung, welche das Bankdirektorium und an seiner Spitze Schacht veranlaßt haben, dieses Memorandum Hitler einzureichen und welche taktischen Ziele das Direktorium und damit Schacht mit diesem Memorandum verfolgte?

VOCKE: Wir hätten, wenn wir frei hätten sprechen können, natürlich gesagt: Ihr müßt die Rüstung stoppen. Aber das kam der Reichsbank an sich nicht zu, sondern wir mußten uns auf unsere Verantwortung für die Währung beschränken. Infolgedessen arbeitete das Memorandum der Reichsbank mit den Währungsargumenten, indem es sagt: Die Fortsetzung der Rüstungsfinanzierung ruiniert die deutsche Währung und bringt eine Inflation über Deutschland. Das Memorandum spricht von uferloser Kreditwirtschaft, von hemmungslosen Ausdehnungen der Kredite und hemmungsloser Ausgabewirtschaft. Die Ausgabe, die wir meinten, war die Rüstung. Das war ganz klar.

VORSITZENDER: Wir haben alle das Memorandum gesehen, nicht wahr?

DR. DIX: Ja, er soll ja auch nicht den Inhalt des Memorandums schildern, sondern nur die Beweggründe und taktischen Ziele seiner Verfassung.