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[Pause von 10 Minuten.]

DR. DIX: Nun, Herr Zeuge, Sie haben dem Tribunal geschildert, wie es zu diesem Abgang, dieser Entlassung von Schacht und Ihrer Person kam. Warum hatte nun Schacht das nicht schon früher gewagt? Hat er sich mit Ihnen darüber unterhalten?

VOCKE: Nein, wir haben die ganzen Jahre 1936, 1937 geschwankt. Es überwog zunächst noch die Hoffnung, daß Hitler sich in einer leidlich vernünftigen Richtung als Staatsmann entwickeln würde. Schließlich, im Jahre 1938, traten schwere, bedenkliche Momente auf, insbesondere im Zusammenhang mit der Münchener Konferenz und nach der Münchener Konferenz. Da allerdings war die Sorge, daß es zu einem Kriege kommen würde, für uns drohend geworden und da sahen wir: Wir müssen die Entscheidung erzwingen. Aber es ist auch folgendes zu berücksichtigen: Wir konnten als Bank nicht mit politischen und militärischen Erwägungen oder Forderungen auftreten, die nicht für unsere Kompetenz waren. Das Inflationsmoment, was wir in diesem Memorandum drohend zeigten, war erst im Laufe des Jahres 1938 auf getreten, wo der Notenumlauf in den letzten zehn Monaten stärker angeschwollen war als fünf Jahre vorher.

DR. DIX: So, daß sich also erst in diesem Jahre sozusagen ein Vorwand, ein Grund fand, ein Mittel, um den Sprung zu wagen.

VOCKE: Jawohl.

DR. DIX: Nun eine generelle Frage zum Abschluß. Die Intelligenz Dr. Schachts wird ja von niemandem bestritten; daß er sich in Hitler getäuscht hat, ja, daß er von Hitler getäuscht worden ist, sagt er selbst. Sie werden sich wahrscheinlich selbst bei Ihrer Kenntnis der Persönlichkeit Schachts schon Gedanken gemacht haben, wie dieser Irrtum, diese Täuschung Schachts, zu erklären ist.

Wenn deshalb das Tribunal es erlaubt, würde ich dankbar sein, wenn Sie Ihre persönliche Ansicht darüber sagen würden; aber...

JUSTICE JACKSON: Darf ich einen Einwand erheben, Euer Gnaden? Ich verstehe nicht, wie die Denkvorgänge des Herrn Dr. Schacht von jemand anderem erklärt werden können. Ich hatte nichts gegen irgendwelche Tatsachen einzuwenden, die diesem Zeugen bekannt waren. Wir haben sogar zugelassen, daß er hier lang und breit private Unterhaltungen ausführlich schilderte. Jedoch meine ich, daß Betrachtungen über Denkvorgänge Schachts außerhalb der Grenzen eines Beweiswerts liegen.

VORSITZENDER: Ich glaube, ich habe bereits gesagt, daß Sie. Herr Dr. Dix, nicht durch einen Zeugen die Gedanken eines anderen Menschen erklären lassen können. Sie können nur seine Handlungen und Erklärungen wiedergeben lassen.

DR. DIX: Ja, Euer Lordschaft! Ich habe ja schon bei der Einleitung dieser Frage gesagt, »wenn das Gericht einverstanden ist«. Ich bin mir natürlich selbst über die Relativität der Zulässigkeit...

VORSITZENDER: Sie haben jetzt die Antwort: Der Gerichtshof gestattet es nicht.

DR. DIX: Also unterlassen wir die Frage. Dann darf ich Euer Lordschaft noch fragen, ich kann natürlich noch Fragen über die Behandlung der Juden durch Schacht stellen. Ich persönlich glaube, daß dieses Kapitel so ausgeschöpft ist, daß es nicht notwendig ist, daß dieser Zeuge uns noch Beispiele für die Einstellung von Schacht gibt. Dann würde ich bitten mir zu erlauben, die gleiche Frage hinsichtlich der Freimaurer zu stellen, weil da noch nichts gesagt worden ist.

[Zum Zeugen gewandt:]

Wissen Sie etwas über die Behandlung der Freimaurer, die Einstellung Dr. Schachts den Freimaurern gegenüber?

VOCKE: Jawohl, es wurde von der Partei verlangt, daß die Freimaurer aus dem Beamtenkorps ausgemerzt werden. Schacht hat gesagt: »Ich lasse mir nicht hineinreden. Jeder Mensch weiß, daß ich selbst Freimaurer bin. Wie kann ich dann gegen Beamte vorgehen nur aus dem Grunde, weil sie dem Freimaurerorden angehören?« Schacht hat, solange er im Amt war, anstandslos die Freimaurer gehalten und auch ruhig befördert.

DR. DIX: Nun eine letzte Frage. Ist Ihnen etwas bekannt, daß Schacht irgendwelche Dotationen oder sonstwie in der Hitlerzeit wirtschaftliche Vorteile, über seine regulären Bezüge hinaus, als Beamter erhalten hat?

VOCKE: Nein, das kam für Schacht auch gar nicht in Frage. Im übrigen, Dotationen sind ihm nie angeboten worden, aber er hat sich in jeder Beziehung, was Geld anbelangt, als der saubere und charakterfeste Mann stets bewährt. Ich kann hier das Beispiel nennen, wo er zum Beispiel bei seinem Abgang im Jahre 1930 seine Pension um mehr als die Hälfte herabgesetzt hat, unter die des Vizepräsidenten oder die eines Mitglieds, indem er sagte: »Diese Herren haben ihr Leben der Bank gewidmet, ich habe nur eine Gastrolle von ein paar Jahren gegeben.« Ich könnte noch mehr Beispiele für Schachts absolute Korrektheit in dieser Beziehung anführen.

DR. DIX: Ich glaube, daß das Gericht es nicht wünscht, und es wird nicht notwendig sein weitere Beispiele zu geben.

Ich bin damit am Ende meiner Befragung dieses Zeugen.

VORSITZENDER: Wünscht ein anderer Verteidiger, Fragen zu stellen?

DR. GUSTAV STEINBAUER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SEYSS-INQUART: Herr Zeuge! Erinnern Sie sich noch der finanzpolitischen Maßnahmen anläßlich des Anschlusses Österreichs im März 1938, wenigstens im allgemeinen?

Es sind damals zwei Gesetze erschienen vom 17. März 1938, das eine zwecks Umrechnung des Schillings in Mark und das zweite zur Übernahme der Österreichischen Nationalbank durch die Reichsbank. Herr Dr. Schacht hat gestern als Zeuge angegeben, daß er am 11. März gefragt wurde, welchen Kurs er für den Fall, daß in Österreich einmarschiert würde, als angemessen betrachte. Er hat diese Frage dahin beantwortet, daß er erklärt habe, nach dem letzten Börsenkurs wären zwei Schilling für eine Mark angemessen. Nach dem Anschluß hat mein Klient Dr. Seyß-Inquart beim Führer gegen diese Unterbewertung des Schillings protestiert und durchgesetzt, daß der Schilling mit 1,50 der Reichsmark gegenüber umgerechnet wurde. Ist das richtig?

VOCKE: Ich habe vor dem Einmarsch in Österreich nichts gehört von einer Relation des Reichsbankdirektoriums; es ist mit diesen Fragen erst nach dem Einmarsch betraut worden und es hat rein sachlich, bankmäßig die Relation vorgeschlagen, die den Verhältnissen entsprach, wobei nur eine minimale Abrundung für die Umrechnung stattfand. Sache der Regierung war es, wenn sie, um die österreichische Bevölkerung zu kaufen oder sie günstig zu stimmen, ihr etwas Besonderes geben wollte.

DR. STEINBAUER: Das zweite Gesetz beschäftigt sich mit der Österreichischen Nationalbank. Da hat der Zeuge Dr. Schacht heute angegeben, diese Österreichische Nationalbank wurde nicht liquidiert, sondern, wie er sich ausdrückte, amalgamiert. Ich habe das Gesetz herausgesucht, das im Paragraph 2 ausdrücklich sagte, die Österreichische Nationalbank wird liquidiert. Es ist dies Nummer 2313-PS. Nun frage ich Sie, Herr Zeuge:

Wissen Sie da etwas darüber, ist die Österreichische Nationalbank als Notenemissionsanstalt geblieben oder wurde sie liquidiert?

VOCKE: Das Notenrecht in Österreich ging selbstverständlich auf die Reichsbank über, die dann die Österreichische Nationalbank in Wien meines Wissens übernommen und fortgeführt hat. Mir sind keine Details mehr erinnerlich, die Bearbeitung hatte mein Kollege Kesnick.

DR. STEINBAUER: Aber vielleicht werden Sie sich beiläufig erinnern, wenn ich Ihnen aus den amtlichen Mitteilungen der Österreichischen Nationalbank vorhalte, daß der Goldbestand der Österreichischen Nationalbank im März 1938 zweihundertdreiundvierzig Millionen Schilling in Gold und der Devisenbestand einhundertvierundsiebzig Millionen Schilling betragen hat, also rund über vierhundert Millionen Schilling in Gold von der Nationalbank durch die Reichsbank übernommen wurde?

VOCKE: Ich weiß diese Dinge nicht mehr, aber wenn sie gemacht wurden, dann eben durch die Regierung, durch Gesetz.

DR. STEINBAUER: Ja. Ich habe das Gesetz vom 17. März da. Ich wollte das nur richtigstellen, daß sich der Herr Schacht heute sicherlich ohne Absicht geirrt hat. Das Gesetz, das er selber unterschrieben hat, heißt: »shall be liquidated«.

Ich habe sonst keine Fragen.

DR. LATERNSER: Herr Zeuge! Sie haben vorhin ausgesagt, daß Dr. Schacht sich fundamental von den hohen militärischen Führern deswegen unterschieden habe, weil er dem Regime gegenüber ein freier Mann geblieben sei. Ich wollte Sie nun fragen, da in dieser Aussage gewissermaßen ein Urteil über hohe militärische Führer Hegt, welche hohen militärischen Führer sind Ihnen persönlich bekannt?

VOCKE: Kein einziger.

DR. LATERNSER: Wollen Sie dann bei diesem Urteil verbleiben?

VOCKE: In unserem Kreise der Reichsbank galten die Herren Keitel und andere Herren als zu nachgiebig und zu servil gegenüber Hitler.

DR. LATERNSER: Wenn Sie aber keine persönliche Kenntnis dieser Personen haben, glauben Sie dann, daß Sie ein hier vielleicht schwerwiegendes Urteil über diese geben können, so, wie Sie es vorhin getan haben?

VOCKE: Ich glaube, ja.

DR. LATERNSER: Ich habe keine weiteren Fragen.

VORSITZENDER: Wünscht ein Vertreter der Anklage ein Kreuzverhör anzustellen?

JUSTICE JACKSON: Zeuge! Als Sie Dr. Schacht das erstemal sahen, wie ich es verstanden habe, war das anläßlich eines offiziellen Besuches in Brüssel, den Sie von Lumm abstatteten?

VOCKE: Ja.

JUSTICE JACKSON: Während der ersten Jahre des ersten Weltkrieges?

VOCKE: Ja.

JUSTICE JACKSON: Hat Schacht damals eine Stellung in von Lumms Stab gehabt?

VOCKE: Ja.

JUSTICE JACKSON: Welches war Schachts Stellung?

VOCKE: Das kann ich nicht genau sagen. Er war einer der Referenten. Ich habe nichts Näheres mit ihm zu tun gehabt, außer, daß Herr von Lumm, als ich einmal nach Brüssel entsandt wurde, um mit Lumm etwas zu besprechen, Anlaß nahm, mir seine Mitarbeiter vorzustellen, darunter auch Schacht, und es blieb bei der richtigen Vorstellung.

JUSTICE JACKSON: Was war von Lumms Stellung, was hat er in Brüssel gemacht?

VOCKE: Er war Bankkommissar beim Generalkommando.

JUSTICE JACKSON: Beim Generalkommando der Deutschen Wehrmacht?

VOCKE: Bankkommissar der Besatzungsarmee...

JUSTICE JACKSON: Von Deutschland ernannt?

VOCKE: Zweifellos.

JUSTICE JACKSON: Er war doch Deutscher, kein Belgier?

VOCKE: Ja, er war ein Deutscher.

JUSTICE JACKSON: Einige Zeit danach wurde Schacht von Lumm entlassen, nicht wahr?

VOCKE: Ja.

JUSTICE JACKSON: Und dann hatten Sie eine Unterredung mit von Lumm, sowie eine Unterredung mit Schacht darüber. Stimmt das? Sagen Sie mir, ob Sie den Besuch empfingen...

VOCKE: Ich habe die amtlichen Berichte über die Entlassung Schachts in Berlin gelesen. Ich war Hilfsarbeiter im Reichsamt des Innern. Mit Schacht habe ich über diese Sachen erst gesprochen als er Reichsbankpräsident wurde und mich eines Tages daraufhin ansprach.

JUSTICE JACKSON: Bevor Schacht zum Stab von Lumm kam, war er Direktor der Dresdner Bank?

VOCKE: Ja.

JUSTICE JACKSON: Und die Entlassung erfolgte, weil Schacht dieser Bank eine beträchtliche Summe belgischer Francs lieferte?

VOCKE: Ja. Ich weiß nicht wie groß der Betrag war.

JUSTICE JACKSON: Aber er war beträchtlich?

VOCKE: Vielleicht.

JUSTICE JACKSON: Und dadurch hatte, wie von Lumm annahm, die Dresdner Bank einen Vorteil, der mit Schachts Obliegenheiten als Staatsbeamter unvereinbar war?

VOCKE: So hat jedenfalls Herr von Lumm die Sache angesehen, von einem strengen Standpunkt aus, den Schacht, der kein Beamter war, noch nicht so ganz kannte.

JUSTICE JACKSON: Von Lumm berief eine Versammlung ein und machte Schacht Vorwürfe?

VOCKE: Ja.

JUSTICE JACKSON: Schacht gab dann Herrn von Lumm eine Antwort, die Herr von Lumm nicht für aufrichtig, sondern für eine Lüge hielt?

VOCKE: Ja, das war der Standpunkt Lumms.

JUSTICE JACKSON: Also, das hat Ihnen Herr von Lumm darüber erzählt?

VOCKE: Das stand in den schriftlichen Berichten, die ich gelesen habe.

JUSTICE JACKSON: Als Sie mit Schacht darüber und über seine Antworten an Herrn von Lumm sprachen, hat Schacht Ihnen gesagt, daß es vielleicht keine ganz offene Antwort, aber auch keine Lüge war?

VOCKE: Ja.

JUSTICE JACKSON: Nachdem Sie nun beide Seiten gehört haben, waren Sie, zusammen mit allen anderen Direktoren der Reichsbank, gegen die Ernennung Schachts zum Reichsbankpräsidenten, wie Sie hier ausgesagt haben?

VOCKE: Ja.

JUSTICE JACKSON: Und Sie waren ebenso wie die anderen Direktoren der Ansicht, daß das Verhalten von Dr. Schacht in der belgischen Bankaffäre nicht ganz fair und korrekt war?

VOCKE: Ja.

JUSTICE JACKSON: Als Dr. Schacht unter dem Nazi-Regime zur Reichsbank zurückkam, herrschte, soweit ich es verstehe, ihm gegenüber eine beträchtliche Animosität und Zurückhaltung seitens des Reichsbankdirektoriums, weil er »in unseren Augen ein Nazi war. Er stand in enger Berührung mit Hitler und hielt verschiedene Dinge vor uns, seinen Kollegen, geheim.« Das ist richtig, nicht wahr?

VOCKE: Das kann ich nicht sagen. Es war allerdings eine Stimmung gegen Schacht vorhanden, von dem, wie ich vorhin ausführte, wir angenommen hatten und ich angenommen hatte, wenn auch zu Unrecht, daß er ein Nazi war; was Schacht uns, oder ob er uns was vorenthalten hat, das ist möglich, aber das weiß ich nicht.

JUSTICE JACKSON: Aber haben Sie nicht in einer Erklärung gesagt, daß er in enger Berührung mit Hitler gestanden und einige Dinge vor »uns, seinen Kollegen« geheimgehalten habe?

VOCKE: Ich weiß nicht, ob er Dinge uns vorenthalten hat. Es ist möglich, aber ich kann es nicht beweisen.

JUSTICE JACKSON: Ist es nicht zutreffend, daß Jahre später, als im Währungssystem, im Geldumlauf, in dem Preis- und Lohnsystem schon schwierige Momente auftraten, »aus halboffiziellen Quellen Gerüchte uns zu Ohren kamen, daß Dr. Schacht Hitler das Versprechen gegeben hätte, die Rüstung zu finanzieren«? Haben Sie das nicht gesagt?

VOCKE: Daß Schacht Hitler das Versprechen gegeben hat? Ja. Es waren in gewissen Kreisen Gerüchte dieser Art im Umlauf. Ob es wahr ist, weiß ich nicht.

JUSTICE JACKSON: Nach dem Münchener Abkommen und nach der Hitler-Rede in Saarbrücken waren Sie der Auffassung, daß das alle Hoffnungen auf Frieden zerstörte, nicht wahr?

VOCKE: Ja.

JUSTICE JACKSON: Von diesem Tage an haben Sie zusammen mit Pilseck alles getan, um Schacht zu überreden, daß eine Entscheidung erzwungen werden muß?

VOCKE: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Dr. Schacht stimmte mit Ihnen überein, zögerte jedoch, den entsprechenden Schritt zu tun?

VOCKE: Jawohl, er sagte... nicht in der Sache hat Schacht widersprochen, sondern den Zeitpunkt der Übergabe unseres Memorandums wollte er sich vorbehalten, und so kam es, auch weil dieses Memorandum die Unterschrift aller finden sollte, und jeder seine Wünsche daran zu korrigieren hatte, daß vom Oktober bis 7. Januar die Übergabe des Memorandums sich verzögerte.

JUSTICE JACKSON: Wurde das Memorandum von Ihnen und Hülse vorbereitet?

VOCKE: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Und Sie gingen Dr. Schacht immer wieder darum an?

VOCKE: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Er behielt den Entwurf die ganze Zeit und sagte Ihnen, daß er sich über den günstigsten Augenblick, um diesen Entwurf Hitler vorzulegen, im Zweifel war?

VOCKE: Ja.

JUSTICE JACKSON: Und erst als Hitler sich weigerte, Schacht in Berchtesgaden zu empfangen, sandte er ihm schließlich das Memorandum?

VOCKE: Das weiß ich nicht. Ich höre zum erstenmal hier, daß Hitler Schacht in Berchtesgaden nicht empfangen hätte; es kann sein. Ich hörte nur, daß Schacht in Berchtesgaden war. Nachdem er zurückgekommen ist, hat er meines Erinnerns dann von seiner Zusammenkunft mit Hitler gesprochen, und daß jetzt der Moment gekommen ist, das Memorandum zu übergeben.

JUSTICE JACKSON: Ihr Memorandum ist die einzige Quelle meiner Informationen und nach meiner Übersetzung heißt es: »Im Dezember 1938 hat er sich endlich entschlossen, zu unterzeichnen, nach einem letzten Versuch, mit Hitler in Berchtesgaden zu sprechen.«

VOCKE: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Zu diesem Zeitpunkt herrschte eine gewisse finanzielle Krisis?

VOCKE: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Man könnte sagen, daß große Schwierigkeiten und eine Inflation nahezu vor der Türe standen?

VOCKE: Die Regierung stand vor der Fälligkeit von 3 Milliarden MEFO-Wechseln, die nach dem Abkommen nun in dem beginnenden Jahr abgedeckt werden mußten, und es war ein Kassendefizit von einer Milliarde in der Kasse des Finanzministers, der zu uns kam und uns bat, dieses zu überbrücken, weil er sonst am 1. Januar die Gehälter nicht mehr zahlen könnte. Wir haben ihn abgewiesen und ihm keinen Pfennig gegeben. Wir sagten, es kann nichts Besseres passieren, als daß der Bankrott zutage tritt, um die Unmöglichkeit dieses Systems und dieser Richtung abzusetzen. Er hat dann von den Privatbanken Geld bekommen.

JUSTICE JACKSON: Sie und ganz besonders Hülse haben lange Zeit vor diesem Kurs der Reichsbank gewarnt; ist das nicht zutreffend?

VOCKE: Nein, das ist nicht wahr.

JUSTICE JACKSON: Haben Sie und Hülse nicht schon lange vorher gewarnt, daß das mit den MEFO- Wechseln ein schlechtes Ende nehmen würde?

VOCKE: Natürlich hat die Reichsbank seit Jahren gegen die MEFO-Wechsel gekämpft, die ja im März 1938 abgehängt waren, und von da ab hat die Reichsbank keinen Rüstungskredit mehr gegeben.

JUSTICE JACKSON: Nun, nach seiner Entlassung von der Reichsbank haben Sie sich oft mit Schacht über die Dinge unterhalten und Sie haben gefunden, daß er sehr bitter gegen die Regierung geworden war. Ist das nicht wahr?

VOCKE: Nicht gerade oft waren meine Zusammenkünfte mit Schacht, sondern sie waren alle paar Monate am Anfang und hörten dann auf, als Schacht nach Gühlen zog, wo ich ihn nur ein- oder zweimal noch gesehen habe. Aber Schacht war nicht erst nach seinem Abgang, sondern schon gründlich zum mindesten während des ganzen Jahres 1938 ein erbitterter Feind Hitlers geworden.

JUSTICE JACKSON: Sie haben erklärt: »In seinem Herzen hoffte er, so glaube ich, daß er nach Hitlers Niederlage gerufen würde, um ein neues, besseres Deutschland aufzubauen«?

VOCKE: Gewiß. Schacht hat in Gühlen mit mir über die Männer gesprochen, die kommen müßten, wenn endlich Hitler gestürzt sein würde. Wir haben im Gespräch über die Minister gesprochen, die dann Deutschland aus der Verzweiflung retten sollten, und Schacht war sicher der Meinung, daß auch er dann berufen sein würde, wieder mitzuhelfen.

JUSTICE JACKSON: Ich habe keine weiteren Fragen, Euer Gnaden.

VORSITZENDER: Wünscht ein anderer Anklagevertreter Fragen zu stellen?

DR. DIX: Herr Vocke! Sie haben auf die Fragen von Mr. Justice Jackson die Einstellung und Äußerung des Herrn von Lumm über den besprochenen Vorfall in Brüssel wiedergegeben. Sie haben des weiteren dem Tribunal wiedergegeben eine Äußerung des Ministers Severing, die er vor nicht allzulanger Zeit Ihnen gegenüber über diesen Vorfall abgegeben hat?

VOCKE: Ja.

DR. DIX: Haben Sie nicht mit dem Reichsgerichtspräsidenten Simons, der zu besagter Zeit als Sachbearbeiter im Auswärtigen Amt war und den Fall genau kannte, über diesen Fall gesprochen?

VOCKE: Jawohl, mit ihm und mit Ministerialdirektor Lewald, Exzellenz Lewald. Ich war damals ein junger Assessor.

DR. DIX: Sie müssen dem Gericht sagen, wer Lewald war.

VOCKE: Es ist richtig, ich habe mit dem späteren Reichsgerichtspräsidenten Simons und mit Exzellenz Lewald, dem späteren Staatsuntersekretär im Reichsamt des Innern, über diese Dinge gesprochen, die mir als amtlichen Sachbearbeiter im Reichsamt des Innern dienstlich zur Kenntnis gekommen sind. Diese beiden Herren haben über die bekannte Wichtigtuerei des Herrn von Lumm, der aus kleinen Sachen Riesendinge machte, gelächelt, und auch über das Mißgeschick des Herrn Schacht eigentlich freundlich gelächelt und die ganze Sache als eine Riesenübertreibung angesehen.

DR. DIX: Ich denke, das genügt mir. Ich habe keine weiteren Fragen mehr.

Ich darf nur, wenn das Tribunal es mir erlaubt, bemerken, daß Schacht hier bekundet hat, daß er Hitler am 2. Januar 1939 in Berchtesgaden eingehend und lange gesprochen hat. Nun weiß ich nicht, ob es eine Verwechslung meinerseits von einer Bekundung ist, oder von einer früheren Mitteilung von ihm. Ich wollte nur darauf hinweisen, daß jedenfalls, wenn er jetzt noch hier auf dem Zeugenstuhl säße, er das bekunden könnte.

Euer Lordschaft! Ich bringe dies, weil die Frage von Mr. Justice Jackson davon ausging, daß Hitler Schacht nicht vorgelassen hätte in Berchtesgaden, und daraufhin erst der Entschluß Schachts zustande gekommen wäre, dieses Memorandum einzureichen. Ich erwähne nur, dieser Zeuge kann es ja nicht wissen, Schacht hat mit Hitler gesprochen. Wenn er es heute früh oder gestern nicht bekundet hat, dann kann er es jederzeit bekunden. Ich kann's jetzt aus dem Kopf nicht sagen. Manchmal verwechselt man in der Erinnerung private Informationen mit dem, was man im Gerichtssaal hört.

VORSITZENDER: Reichen Sie das Mikrophon zu dem Angeklagten Schacht hinüber, so daß er sprechen kann, und befragen Sie ihn über diese Sache.

DR. DIX: Dr. Schacht! Sie waren ja Zeuge des Kreuzverhörs, wollen Sie dem Tribunal sagen, wie die Sache sich verhält?

SCHACHT: Ich habe in meiner Bekundung hier ausgesagt, daß ich eine lange Unterredung am 2. Januar 1939 mit Hitler in Berchtesgaden auf dem Obersalzberg gehabt habe und daß ich nach dieser Unterredung, die mir eine Inflation zumutete, den Zeitpunkt für gekommen sah, um nun den Schritt zu tun, den die Reichsbank dann getan hat, sich von Hitler und seinen Methoden endgültig loszusagen.

VORSITZENDER: Herr Zeuge! Ich möchte eine Frage an Sie stellen. Hat der Angeklagte Schacht Ihnen jemals mitgeteilt, daß er zum Generalbevollmächtigten für die Kriegswirtschaft ernannt wurde?

VOCKE: Ja.

VORSITZENDER: Wann?

VOCKE: Ja, ich glaube, daß er dieses Amt im Jahre 1935, denke ich, übernahm, ich kann es nicht genau sagen.

VORSITZENDER: Ich frage nicht, wann er ernannt wurde, sondern wann er es Ihnen mitgeteilt hat.

VOCKE: Ich weiß es nicht mehr, denn wir hatten mit diesen Dingen nichts zu tun. Ich weiß nur, daß er ungefähr um das Jahr 1935 oder 1936, ich glaube aber 1935, eine solche Ernennung bekommen hat.

VORSITZENDER: Ja. Die Frage, die ich an Sie stellte, war: Hat der Angeklagte Schacht Ihnen jemals mitgeteilt, daß er ernannt wurde?

VOCKE: Ja.

VORSITZENDER: Wann hat er Ihnen das gesagt?

VOCKE: Ich denke im Jahre 1935.

VORSITZENDER: Der Zeuge kann sich zurückziehen.

DR. DIX: Darf ich den Zeugen in einer letzten Frage noch hören?

Herr Zeuge! Hatten Sie eine Vorstellung von der Bedeutung dieses Amtes?

VOCKE: Nein, ich habe nie gehört, daß Schacht als solcher etwas getan hätte, außer, daß er wohl Briefbogen dieser Art hatte. Er hat seine Betätigung in der Reichsbank so fortgesetzt wie bisher, ohne daß er sich einen Stab, meines Wissens, für dieses Amt angeschafft hat, oder auch ohne daß er, wenigstens soviel ich weiß, die Kräfte der Reichsbank für dieses Amt besonders in Anspruch genommen hätte.

DR. DIX: Wissen Sie etwas davon, ob er ein eigenes Büro, einen eigenen Stab für diese Generalbevollmächtigtentätigkeit unterhalten hat?

VOCKE: Sie meinen doch Generalkommissar für die Rüstung?

DR. DIX: Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft.

VOCKE: Nein, er hatte kein Büro und er hatte, wie ich schon sagte, soviel ich weiß, niemals einen Stab.

VORSITZENDER: Der Zeuge kann sich zurückziehen.