HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Der Zeuge nickt.]

Herr Dr. Funk! Die Anklagevertretung hat seinerzeit im Trialbrief behauptet, daß Sie an der Formulierung des Nazi-Programms mitgeholfen hätten. Was können Sie dazu sagen?

FUNK: Ich weiß nicht, was der Vertreter der Anklagebehörde unter Nazi-Programm verstanden hat.

DR. SAUTER: Ich denke, das Parteiprogramm.

FUNK: Das ist völlig unmöglich. Denn das Parteiprogramm ist, soweit ich weiß, 1921 entstanden. Damals wußte ich überhaupt noch nichts von Nationalsozialismus und von Adolf Hitler.

DR. SAUTER: Herr Zeuge, die Anklagevertretung hat weiterhin Ihnen einen Vorwurf daraus gemacht, daß Sie das sogenannte wirtschaftliche Wiederaufbauprogramm, das wirtschaftspolitische Wiederaufbauprogramm im Jahre 1932, aufgestellt haben, also ein Programm für die Wiedergesundung des deutschen Wirtschaftslebens. Stimmt das, daß Sie dieses Wirtschaftswiederaufbauprogramm aufgestellt haben?

FUNK: Ich habe 1932 Gregor Straßer für eine Rede einige wirtschaftspolitische Programmpunkte zusammengestellt, die er, Straßer, dann selbst als von mir herstammend bezeichnet hat und an die einzelnen Parteistellen als Instruktions- und Rednermaterial weitergegeben hat.

Dieses wirtschaftliche Wiederaufbauprogramm, das nach den Worten des Herrn Anklagevertreters die wirtschaftliche Bibel für die Parteiorganisatoren werden sollte, ist, glaube ich, in keiner Weise revolutionär oder überhaupt aufsehenerregend, und es könnte, glaube ich, von jeder demokratischen Regierung auch angenommen und akzeptiert werden; ich glaube, es ist in dem Buch abgedruckt, aus dem der Anklagevertreter verschiedene Informationen entnommen hat.

DR. SAUTER: Vielleicht ist es abgedruckt, Herr Zeuge, in dem Buch von Dr. Paul Östreich, das wiederholt zitiert wurde. Dieses Buch enthält eine Lebensgeschichte von Ihnen unter dem Titel: »Walther Funk, ein Leben für die Wirtschaft« und ist von der Anklagebehörde verwertet unter 3505-PS, Exhibit US-653.

Herr Dr. Funk, ich habe dieses Programm vor mir im Wortlaut.

FUNK: Bitte lesen Sie es vor.

DR. SAUTER: Das ganze Programm enthält eine halbe Seite und stellt in der Hauptsache wohl gar nichts dar, das irgendwie charakteristisch für nationalsozialistische Gedankengänge wäre.

FUNK: Ich war ja auch damals noch nicht Nationalsozialist oder jedenfalls erst ein ganz junges Parteimitglied.

DR. SAUTER: Also dieses wirtschaftliche Wiederaufbauprogramm muß man tatsächlich lesen, um sich zu überzeugen, wie wenig von charakteristischen nationalsozialistischen Forderungen darin enthalten ist. Es ist das ein Programm, von dem Funk sagt, daß so ziemlich jede andere liberale, demokratische oder sonstige bürgerliche Partei es auch vertreten könnte. Das Programm heißt: Direkte Arbeitsbeschaffung durch staatliche oder private Neuinvestitionen. Das ist die erste Forderung. Dann: Produktive Kreditschöpfung durch die Reichsbank, aber keine Inflation, sondern Wiederherstellung einer gesunden Währung und einer gesunden, die Produktion fördernden Geld- und Kreditwirtschaft.

Allgemeine Zinssenkung unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse der Wirtschaft.

Schaffung eines Außenhandelsamtes und einer Devisenzentrale.

Neuregelung der wirtschaftlichen Beziehungen zum Auslande unter Voranstellung der Lebensnotwendigkeiten des Binnenmarktes, aber unter Berücksichtigung des für Deutschland lebenswichtigen Exportes.

Sanierung der öffentlichen Finanzen unter Einschluß der öffentlichen Versicherungen. Beseitigung der unhaltbaren Methoden der Etatbalancierung.

Staatliche Schutzmaßnahmen für die Landwirtschaft.

Wiederaufbau des Haus- und Grundbesitzes nach den Grundsätzen der Produktivität und der Volksgesundheit.

Erweiterung der deutschen Rohstoffgrundlage, Schaffung neuer nationaler Industrie- und Gewerbezweige, technische und fabrikatorische Umstellungen.

Das ist alles, was in diesem sogenannten wirtschaftlichen Aufbauprogramm enthalten ist.

FUNK: Dieses Programm sollte, wie der Anklagevertreter gesagt hat, die offizielle Parteierklärung auf wirtschaftlichem Gebiete sein. Ich hätte gewünscht, daß die Partei sich zu diesen Grundsätzen bekannt hätte. Ich habe in späteren Zeiten gerade mit verschiedenen Parteistellen in Bezug auf meine grundsätzliche Einstellung zur Wirtschaftspolitik stets große Schwierigkeiten gehabt. Ich galt auch in der Partei stets als Außenseiter und Liberalist...

DR. SAUTER: Liberalist?

FUNK: Ja. Ich habe alle kollektivistischen Tendenzen bekämpft, kam daher in dauernden Konflikt mit der Arbeitsfront. Unterstützt hat mich insbesondere in meinen privatwirtschaftlichen Auffassungen der Reichsmarschall Hermann Göring. Er hat sogar auf meine Veranlassung hin noch im Kriege Teile der »Hermann-Göring-Werke« reprivatisiert. Ich war ein Gegner der Staatswirtschaft, denn die Staatswirtschaft wird immer nur Durchschnittsleistungen hervorbringen. Staatswirtschaft bedeutet sterile Wirtschaft. Eine Wirtschaft, die nicht den schärfsten Wettbewerb und den Kampf der Individuen hat, wird steril bleiben, wird nur Durchschnittsleistungen erzielen. Der Führer hat früher diesen meinen Grundsätzen stets lebhaft zugestimmt. Und es war für mich eine große Enttäuschung, als schließlich in den letzten Jahren der Führer sich so scharf gegen die bürgerliche Welt wandte, das bedeutete eigentlich das Fiasko meines gesamten Lebenswerkes.

VORSITZENDER: Dr. Sauter! Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß er sich etwas Wichtigerem zuwenden sollte als seiner Auffassung über Staatswirtschaft und Privatunternehmertum.

DR. SAUTER: Jawohl, Herr Präsident!