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[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Zeuge! Unter Nummer 3562-PS hat die Anklagebehörde ein Dokument vorgelegt über eine Besprechung vom 1. Juni 1939. In dieser Sitzung waren Sie selbst nicht anwesend, aber ausweislich der Präsenzliste waren mehrere Vertreter Ihres Ministeriums und auch der Vertreter der Reichsbank dort. In der Sitzung wurde über den voraussichtlichen Finanzbedarf des Reiches im Falle eines Krieges gesprochen und über die Produktionsleistungen der deutschen Wirtschaft sowie des Protektorats im Falle eines Krieges.

Auf einer Randbemerkung dieses Protokolls steht, daß das Protokoll Ihnen zur Kenntnis gebracht werden sollte. Ich bitte, sich ganz kurz dazu zu äußern, ob das tatsächlich geschehen ist.

FUNK: Nein, das ist nicht geschehen. Ich habe das Dokument hier. Wenn ich das Protokoll hätte vorgelegt bekommen, hätte ich es mit meiner Paraphe »W. F.« abgezeichnet. Im übrigen handelt es sich hier um die von mir schon vorhin geschilderten fortlaufenden Gespräche wegen der Finanzierung des Krieges und wegen der Maßnahmen auf dem zivilen Wirtschaftssektor im Falle eines Krieges. Die entscheidenden Maßnahmen wurden hinsichtlich der Finanzierung selbstverständlich beim Finanzminister, beim Reichsfinanzminister, vorbereitet, und über diese Maßnahmen ist in der Sitzung des längeren gesprochen worden, wobei alsdann die Frage der Deckung durch Steuern einen breiten Raum eingenommen hat.

Jedenfalls sind solche Besprechungen in der damaligen Zeit zwischen den Vertretern der einzelnen Ressorts verschiedentlich laufend geführt worden, und sie fanden bei dem Führungsstab des Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft statt. Ich habe jetzt zufällig den Namen hier gefunden, der mir vorhin nicht einfiel, und das war diese Institution, dieser Ausschuß, der schon zu Schachts Zeiten gegründet worden war und später fortgeführt wurde.

DR. SAUTER: Herr Dr. Funk! Sie haben dann am 30. März 1939 eine proklamatische Rede gehalten vor dem Zentralausschuß der Reichsbank. Ich habe die für unseren Prozeß wichtigeren Stellen dieser Rede dem Dokumentenbuch Funk als Nummer 9 eingefügt. Ich komme auf diese Rede deshalb zurück, weil sie kurz nach dem Antritt des Angeklagten in sein Amt als Reichsbankpräsident vor dem Zentralausschuß gehalten wurde und für manche Beziehungen, die hier eine Rolle spielten, sein Programm als Reichsbankpräsident darstellen.

Herr Dr. Funk! Vielleicht können Sie bloß mit ein paar kurzen Schlagworten die wesentlichen Gesichtspunkte dieser Ihrer Rede wiedergeben, soweit sie sich für die Anklage interessieren.

FUNK: Ich glaube nicht, daß ich das brauche. Ich habe vorhin schon kurz erwähnt, daß ich in jenen Monaten internationale Besprechungen über die Notwendigkeit einer Neuordnung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen gehabt habe und auf die Bereitwilligkeit Deutschlands, hierbei entscheidend mitzuwirken, ebenfalls hingewiesen habe. Ich glaube also nicht, daß ich aus dieser Rede noch etwas zu verlesen brauche, sie soll nur bekunden, daß ich mich in der damaligen Zeit nicht mit Kriegsvorbereitungen, sondern im wesentlichen mit der Herbeiführung einer internationalen Wirtschaftsverständigung befaßt habe und daß diese meine Arbeit auch im Auslande, insbesondere in England, öffentliche Anerkennung gefunden hat.

DR. SAUTER: Diese Absicht, Herr Zeuge, ein günstiges Vertrauensverhältnis zum Ausland, also zu den Wirtschafts- und Finanzkreisen des Auslandes herzustellen, wird wohl auch maßgebend gewesen sein für eine eventuelle Maßnahme, die Sie vorhin bereits angedeutet haben, nämlich dafür, daß die Entschädigungen an die ausländischen Anteilseigner der Reichsbank, an die Anteilseigner, die, glaube ich, in der Hauptsache in England, Holland und der Schweiz saßen, in besonders loyaler Weise bewertet und erledigt worden sind.

FUNK: Das habe ich bereits gesagt.

DR. SAUTER: Herr Dr. Funk! Sie haben vorhin einen Brief erwähnt, den Sie an Hitler geschrieben haben. Dieser Brief würde mich insofern interessieren, als ich von Ihnen gern hören möchte, warum Sie eigentlich diesen Brief geschrieben haben und warum Sie in diesem Brief von »Ihren Vorschlägen« sprachen, obwohl es sich dabei in der Hauptsache doch um Dinge handelte, die weniger von Ihnen ausgegangen sind. Vielleicht äußern Sie sich kurz zu diesem Brief.

FUNK: Der Ton und Inhalt dieses Briefes ist zu erklären aus der Stimmung, die damals überall in Deutschland herrschte. Es ist außerdem ein rein persönlicher Brief an den Führer. Ich bedankte mich darin für seine Glückwünsche zu meinem Geburtstage. Deshalb ist dieser Brief in einem etwas emphatischen Stil verfaßt worden. Wenn ich von »meinen Vorschlägen« hier gesprochen habe, so ist dies darauf zurückzuführen, daß ich selbst einige Zeit vorher dem Führer auseinandergesetzt hatte, welche Maßnahmen notwendig werden, wenn es zum Krieg kommt, und das waren wohl im wesentlichen die Maßnahmen, die alsdann auf Grund der Besprechung mit den übrigen Wirtschaftsressorts zustande gekommen sind und auf die ich in diesem Brief hingewiesen habe. Es ist also nicht ganz korrekt, wenn ich gesagt habe: »meine Vorschläge«, sondern es müßte richtig heißen: »die mit den übrigen Wirtschaftsressorts ausgearbeiteten Vorschläge«.

DR. SAUTER: Herr Dr. Funk! Sind Sie fertig?

FUNK: Nein, ich möchte den Brief mit einigen Worten im ganzen erklären, da er offenbar eine der Säulen der Anklage gegen mich ist. Es war wie gesagt der Zeitpunkt, an dem sich die beiden mobilisierten Heere gegenüberstanden. Es war der Zeitpunkt, an dem das ganze deutsche Volk in Aufregung war wegen der dauernden Provokationen in Polen und der Missetaten an der deutschen Bevölkerung in Polen. Ich selbst glaubte nicht, daß es zum Krieg kommen würde, denn ich war der Meinung, daß es durch diplomatische Verhandlungen gelingen könnte, auch in diesem Falle die Kriegsgefahr zu verhindern und den Krieg zu vermeiden. Nach dem geradezu ans Wunderbare grenzenden Erfolge des Führers auf außenpolitischem Gebiet mußte natürlich jedem echten deutschen Manne das Herz höher schlagen, wenn er erwarten konnte, daß nun auch im Osten eine Erfüllung der deutschen Wünsche durchgesetzt werden konnte, das heißt, daß meine abgetrennte Heimatprovinz Ostpreußen wieder mit dem Reich in Verbindung kam, daß die alte deutsche Stadt Danzig wieder zum Reich kam und das Korridorproblem gelöst würde. Das deutsche Volk hat in seiner überwiegenden Mehrheit, und ich auch, nicht geglaubt, daß es wegen dieser Frage zu einem Krieg kommen würde. Wir waren vielmehr der Überzeugung, daß es England gelingen würde, auf Polen einen Druck auszuüben, damit Polen den deutschen Forderungen wegen Danzig und des Korridors nachkam und keinen Krieg heraufbeschwörte.

Nach den Aussagen, die der Zeuge Gisevius hier gemacht hat, ist es nun aber wohl allen und aller Welt klargeworden, daß England damals nichts getan hat, um auf Polen beschwichtigend und vermittelnd einzuwirken, denn, wenn die Englische Regierung erfuhr, daß in Deutschland eine Verschwörung bestand, an der der Chef des Generalstabs, der Chef des Oberkommandos des Heeres, der Chef der deutschen Rüstung und andere hohe Militärs und Generale beteiligt waren und daß im Falle eines Krieges ein Umsturz vorbereitet war, so wäre ja die Englische Regierung töricht gewesen, wenn sie etwas in Bezug auf die Besänftigung und Vermittlung Polens getan hätte. Die Englische Regierung mußte nunmehr der Überzeugung sein, daß, wenn Hitler zum Kriege schritt, der Putsch kam, der Aufruhr kam, der Umsturz kam und es also erstens keinen Krieg gab und zweitens das verhaßte System der Hitler-Regierung beseitigt werden würde. Mehr konnte man nicht verlangen.

DR. SAUTER: Herr Dr. Funk! Wir wollen hier nicht politisieren, sondern wollen zu unserem Brief vom 25. August 1939, ich darf noch einmal die Nummer 699-PS wiederholen, zurückkehren, der momentan mich allein interessiert und Ihre Aussage, wenn ich Sie recht verstanden habe, dahin zusammenfassen, daß Sie diesen etwas überschwenglichen Brief an Hitler seinerzeit deshalb geschrieben haben, weil Sie gehofft haben, Hitler werde es gelingen, Ihre ostpreußische Heimat mit dem Reichsgebiet wieder zu vereinigen und das Korridor-Problem endlich zu lösen, ohne daß es zu einem Krieg kam. Habe ich Sie richtig verstanden?

FUNK: Jawohl. Aber gleichzeitig fühle ich mich verpflichtet, Ihnen zu versichern, daß von meiner Seite aus alles getan worden ist, um im Falle eines Krieges die Friedenswirtschaft in die Kriegswirtschaft ohne Erschütterungen hinüberzufahren. Es war dies aber das einzige Mal, daß ich überhaupt in meiner Stellung als Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft tätig geworden bin in Bezug auf die übrigen Wirtschaftsressorts, und daß ich auf diese Stelle exemplifizierte in dem Brief, ist menschlich erklärlich, weil ich stolz darauf war, daß ich auch einmal etwas in dieser Stellung getan habe, denn jeder Mensch will ja mal etwas sein.

DR. SAUTER: Herr Dr. Funk! Wir beschäftigen uns zur Zeit noch immer mit der Frage, ob Sie von Hitlers Absicht, zum Krieg zu kommen, Insbesondere Angriffskrieg zu führen und durch solche Angriffskriege Eroberungen zu machen, Kenntnis gehabt haben?

Nun möchte ich an Sie ein paar Fragen stellen, die Sie der Einfachheit halber kurz mit Ja oder Nein beantworten können, weil ich nur wissen will, ob Ihre Kenntnis und Ihre Ahnung sich deckt mit den Angaben einiger Zeugen und einiger Mitangeklagten.

Da hat zum Beispiel der Reichsminister Lammers uns bestätigt, daß Sie besonders große Not immer hatten, wenn Sie irgend einmal zu Hitler kommen wollten, daß Sie gewissermaßen nur alle heilige Zeiten das einmal ermöglichen konnten, und daß sogar einmal der Fall vorgekommen ist, daß Sie, ich glaube tagelang, bei Lammers im Hauptquartier weilten und immer auf die zugesagte Audienz warteten, sie aber nicht bekommen konnten und unverrichteter Dinge wieder abfahren mußten. Ist das richtig?

FUNK: Ja, leider.

DR. SAUTER: Eine weitere Frage. Wir haben hier einige Dokumente bereits vorgelegt bekommen, wo ausdrücklich steht, ich glaube, es sind Protokolle von Lammers, daß der Reichswirtschaftsminister und einmal auch der Reichsaußenminister gebeten hatten, zu diesen Besprechungen zugezogen zu werden. Daß der Minister Lammers auch dafür sich einsetzte, daß aber Hitler es abgelehnt hat, daß er ausdrücklich verboten hat, Ihnen und dem Reichsaußenminister Zutritt zu diesen Versammlungen zu gewähren, obwohl Sie darauf hinwiesen, daß wichtige Angelegenheiten Ihres Ressorts behandelt wurden. Stimmt das? Das können Sie auch mit Ja oder Nein wohl beantworten.

FUNK: Die Sitzung, die Sie erwähnen, bezog sich auf den Arbeitseinsatz. Ich hatte mit dem Arbeitseinsatz direkt nichts zu tun und der Außenminister war wohl auch daran nicht stark interessiert, so daß ich annehme, daß wohl aus diesen Gründen der Führer weder den Außenminister noch mich zu der Sitzung haben wollte. Der Führer benötigte mich ja auch nicht, denn ich sagte gestern schon, seine Anweisungen in Bezug auf die Wirtschaftsführung gab er bis zum Jahre 1942 an den Reichsmarschall, als den für die Wirtschaftsführung verantwortlichen Mann und nach dem Jahre 1942 an Speer, weil von da ab die Rüstung das gesamte Wirtschaftsleben beherrschte und alle wirtschaftlichen Entscheidungen nach dem ausdrücklichen Befehl des Führers auf die Notwendigkeiten der Rüstung abgestellt werden mußten.

DR. SAUTER: Der nämliche Minister Dr. Lammers hat bei seiner Vernehmung am 8. April gesagt: »Der Führer«, ich zitiere wörtlich:

»Der Führer hat vielfach Einwendungen gemacht, nämlich gegen Funk. Es waren verschiedene Gründe gegen Funk vorhanden. Er, nämlich Hitler, stand Funk skeptisch gegenüber und wollte ihn nicht haben.«

Soweit wörtlich das Zitat aus der Aussage des Zeugen Dr. Lammers. Haben Sie für diese ablehnende Haltung Hitlers Ihnen gegenüber irgendeine Erklärung?

FUNK: Nein, nur die sachliche Erklärung, daß er mich nicht brauchte.

DR. SAUTER: Daß er also, mit anderen Worten, Besprechungen mit Ihnen für überflüssig hielt.

FUNK: Ja.

DR. SAUTER: Herr Zeuge! Im Zusammenhang mit dem Kapitel »Angriffskriege« würde mich interessieren folgendes: In der Anklageschrift gegen Sie ist auf Seite 30 aufgeführt, Seite 30 des deutschen Trialbriefes, daß Sie sich persönlich und durch ordnungsgemäß anerkannte Vertreter, also sowohl persönlich wie auch durch Vertreter, die Sie anerkannt hatten, sich an den Vorbereitungen beteiligten, die dem Angriffskrieg gegen Sowjetrußland vorausgingen, und als einziger Beweis ist angeführt eine Urkunde 1039-PS, US-146. Ich wiederhole 1039-PS, US-146. Aus dieser Urkunde ergäbe sich, daß Sie, Herr Angeklagter, Ende April 1941 mit Rosenberg, der also für die Ostlande verantwortlich war, eine Besprechung über die Wirtschaftsfragen gehabt hatten, die sich ergeben würden, wenn die Angriffspläne im Osten zur Ausführung kämen. Ich bitte also, Herr Dr. Funk, das Datum dieser Besprechung zu beachten: Ende April 1941, kurze Zeit vor Beginn des Krieges gegen Rußland, und ich darf zur Stützung Ihres Gedächtnisses darauf hinweisen, daß damals, also vor Beginn des Krieges gegen Rußland, Rosenberg bereits zum Beauftragten Hitlers für die einheitliche Behandlung der Probleme der Ostgebiete ernannt war.

Ich bitte nun zu dieser Besprechung Stellung zu nehmen, und zwar unter dem Gesichtspunkt, ob sich daraus ergibt, daß Sie an dem Angriffskrieg gegen Rußland oder an dessen Planung und Vorbereitung beteiligt waren, und eventuell wie?

FUNK: Ich wußte nichts von einem Angriffskrieg gegen Rußland. Ich war sehr überrascht als ich durch Lammers die Mitteilung bekam, daß der Führer Rosenberg zum Beauftragten für osteuropäische Fragen ernannt habe. Lammers hat ja hier erklärt, daß er mir diese Mitteilung aus persönlichen Gründen zugehen ließ, weil er wußte, daß ich an einem Wirtschaftsverkehr mit Rußland stark interessiert war. In der Tat war es den beiderseitigen Bemühungen, sowohl also von russischer als auch von deutscher Seite gelungen, diesen Handelsverkehr wieder stärker auszubauen, nachdem ja in früheren Zeiten, also vor dem ersten Weltkrieg der deutsche Handel mit Rußland der entscheidende Faktor in der deutschen Handelsbilanz war und mehrere Milliarden Goldmark betrug. Die Russen lieferten, das muß ich hier auch bezeugen, ihr Getreide, ihre Manganerze, ihr Öl prompt, und die deutschen Maschinenlieferungen blieben naturgemäß schon aus dem Grund immer zurück, weil ja die Maschinen erst hergestellt werden mußten, weil es sich meist um Spezialaufträge, um spezialisierte Maschinen handelte. Inwieweit auch Heeresgerät nach Rußland geliefert wurde, weiß ich nicht, denn an diesen Dingen wurde ich nicht beteiligt. Ich war also überrascht durch die Ernennung Rosenbergs. Rosenberg kam zu einer kurzen Besprechung zu mir und erklärte mir, daß dieser Auftrag des Führers auch die Behandlung wirtschaftlicher Probleme einbezöge. Daraufhin habe ich Rosenberg den im Wirtschaftsministerium tätigen Ministerialdirektor Dr. Schlotterer zur Bearbeitung dieser Probleme zur Verfügung gestellt. Als dann das Ostministerium gegründet wurde, was ja, soviel ich weiß, erst im Juli der Fall war, übernahm Dr. Schlotterer mit einigen Mitarbeitern die Leitung der Wirtschaftsabteilung im Ministerium Rosenberg. Und gleichzeitig trat dann Schlotterer, soviel ich weiß, in den Wirtschaftsführungsstab Ost ein. Das war die hier während der Verhandlungen immer wieder genannte Führungsorganisation des Vierjahresplans für die Behandlung aller wirtschaftlichen Fragen in den besetzten Ostgebieten. Weiter habe ich mit diesen Dingen nichts zu tun gehabt. Ich habe selbstverständlich Lammers sowohl wie Rosenberg gefragt, was das zu bedeuten habe. Beide haben mir erklärt, der Führer sei der Meinung, daß ein Krieg mit Rußland unvermeidlich werden würde. Die Russen hätten an der ganzen Ostfront große Verstärkungen zusammengezogen. Die Besprechungen mit Molotow, an denen ich in keiner Weise beteiligt worden war, seien unbefriedigend verlaufen. Die Russen stellten Ansprüche hinsichtlich des Ostseeraumes, des Balkans und der Dardanellen, die von Deutschland, vom Führer, nicht befriedigt werden könnten. Jedenfalls kam diese Angelegenheit für mich, wie bestimmt für das ganze deutsche Volk, völlig überraschend, und ich bin der Überzeugung, daß über diesen Krieg im deutschen Volk eine schwere Erschütterung entstand.

VORSITZENDER: Der Zeuge sprach vom Juli. Meinte er Juli 1940?

DR. SAUTER: Es war, soviel ich weiß, Juli 1941.

VORSITZENDER: Sie meinen Juli 1941? Das war nach dem Ausbruch des Krieges mit Rußland. Der Zeuge kann das doch selbst beantworten, nehme ich an, nicht wahr? Haben Sie Juli 1940 gemeint?

FUNK: Die Besprechung mit Rosenberg war Ende April oder Anfang Mai 1941 und die Begründung des Ministeriums Rosenberg war im Juli 1941.

DR. SAUTER: Herr Zeuge! Ich komme dann zu einem anderen Punkt der Anklage. Es wird Ihnen vorgeworfen, daß Sie als Reichswirtschaftsminister auch strafbare Handlungen begangen hätten bei der verbrecherischen Verabredung zur Verfolgung der Juden zum Zwecke des Ausschlusses der Juden aus dem Wirtschaftsleben. Es sind das also die Vorgänge vom November 1938. Nun bitte ich, uns Ihre Tätigkeit aus diesem Anlaß zu schildern.

FUNK: Ich bitte das Gericht, bei diesem Punkt mir etwas Zeit für eine etwas ausführlichere Darstellung zu geben. Die nächsten Punkte werden dann um so schneller erledigt werden können, aber dies ist der Punkt der Anklage, der mich mit am schwersten trifft.

Als ich das Wirtschaftsministerium im Februar 1938 übernommen habe, trat alsbald an mich seitens der Partei, insbesondere seitens Goebbels und Ley, die Forderung heran, die Juden aus der Wirtschaft auszuschließen, da es unerträglich sei. So wurde mir gegenüber behauptet, daß noch die Menschen in deutschen, in jüdischen Geschäften kaufen konnten. Die Partei könnte nicht zulassen, daß Parteigenossen in solchen Geschäften kaufen, auch die Käufe einzelner hoher Staatsfunktionäre, insbesondere ihrer Frauen, in solchen Geschäften hätten bei der Partei Anstoß erregt. Die Betriebsobleute der Arbeitsfront weigerten sich, mit den jüdischen Betriebsführern zusammenzuarbeiten. Es käme dauernd zu Zusammenstößen, und es gäbe keine Ruhe, wenn nicht die Maßnahmen, die schon hier und da eingeleitet waren, soweit durchgeführt werden würden, daß allmählich die Juden aus der Wirtschaft völlig ausgeschlossen werden würden. Durch das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit, das unter meinen Vorgängern erlassen worden ist und auch in Vereinbarung mit der Deutschen Arbeitsfront von meinen Vorgängern durchgeführt wurde, waren der Wirtschaft auch politische und parteiliche Funktionen übertragen worden. Der Betriebsführer war gleichzeitig der Partei verpflichtet und vor allen Dingen auch dem Staate verpflichtet.

Einzelne jüdische Betriebsführer gaben nun dem Druck leicht nach, verkauften ihre Geschäfte und Unternehmungen an Leute und zu Preisen, die uns keineswegs genehm waren. Ich hatte mit einzelnen jüdischen Wirtschaftlern aus den Großbanken, aus der Großindustrie und auch aus den Warenhäusern durch private Abfindungsverträge ein Ausscheiden aus ihren wirtschaftlichen Positionen herbeigeführt. Es gab keine Ruhe, und wir mußten versuchen, in einer gewissen Zeit und unter bestimmten gesetzlichen Regelungen, den jüdischen Einfluß in der Wirtschaft zurückzudrängen und allmählich die Juden aus der Wirtschaft hinauszubringen, wobei ich persönlich immer auf dem Standpunkt stand, daß man erstens dieses Verfahren langsam in gewissen Zeitabständen durchführen müßte, zweitens den Juden eine angemessene Entschädigung geben müßte und drittens ihnen gewisse Wirtschaftsinteressen lassen könnte, insbesondere ihre Beteiligung an Wertpapieren, worauf ich ja in der so oft hier besprochenen Sitzung bei Göring besonders noch hingewiesen habe. In diese Entwicklung hinein platzten nun die furchtbaren Vorgänge in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938, die von München ausgingen und die mich persönlich auf das schwerste trafen. Als ich am Morgen des 10. November in mein Ministerium fuhr, sah ich auf der Straße, in den Schaufenstern schon die Verwüstungen und hörte Näheres durch meine Beamten im Ministerium. Ich versuchte Göring, Goebbels, wohl auch Himmler anzurufen. Sie waren aber wohl alle unterwegs noch von München aus. Schließlich gelang es mir, Goebbels zu erreichen und ich erklärte ihm, daß dieser Terror ein Affront gegen mich persönlich sei, daß hierdurch wertvolle und unersetzliche Wirtschaftsgüter zerstört seien und daß unsere Beziehungen zum Auslande, auf die wir gerade jetzt besonders angewiesen seien, dadurch empfindlich gestört werden würden.

Goebbels erklärte mir, daß ich selbst schuld daran sei, daß es soweit gekommen wäre. Ich hätte die Juden längst ausschalten müssen aus der Wirtschaft. Der Führer werde dem Reichsmarschall Göring einen Befehl geben, wonach die Juden völlig aus der Wirtschaft ausgeschaltet werden müßten und ich würde Näheres vom Reichsmarschall erfahren. Dieses Telephongespräch mit Goebbels ist später von ihm selbst bestätigt worden, wie durch Zeugenaussage erhärtet werden wird.

Am nächsten Tage, am 11. November, wurde mir mitgeteilt, daß am 12. eine Sitzung bei Göring stattfinden würde, als Beauftragten für den Vierjahresplan, in der das Judenproblem geregelt werden solle. Der Beauftragte für den Vierjahresplan hatte dem Ministerium den Auftrag gegeben, einen Verordnungsentwurf vorzubereiten als Grundlage für die gesetzlichen Bestimmungen zur Ausschaltung der Juden aus der Wirtschaft. Am 12. kam es dann zu der hier oft besprochenen Sitzung. Am Vormittag hatte eine Besprechung beim Reichsmarschall stattgefunden, in der die Gauleiter anwesend waren. Der Reichsmarschall war aufs höchste erregt, erklärte, daß er diesen Terror nicht hinnehmen werde und daß er die einzelnen Gauleiter verantwortlich machen werde für das, was in ihren Gauen geschehen sei.

Ich war also nach dieser Sitzung verhältnismäßig noch beruhigt. In der Sitzung, deren Protokoll hier verschiedentlich verlesen worden ist, riß dann Goebbels alsbald mit seinen Radikalforderungen die Stimmung an sich, die Führung an sich; der Reichsmarschall wurde dauernd ärgerlicher und hat dann aus dieser verärgerten Stimmung heraus sich zu den Ausdrücken hinreißen lassen, die in dem Protokoll verzeichnet sind. Das Protokoll ist im übrigen sehr lückenhaft und sehr unvollständig. Nach dieser Sitzung war nur klar, daß nunmehr in der Tat die Juden aus der Wirtschaft ausgeschaltet werden mußten und daß, um die Juden vor völliger Rechtlosigkeit, vor weiterem Terror und vor weiterer Vergewaltigung und Ausplünderung zu beschützen, gesetzliche Maßnahmen statuiert werden mußten.

Ich habe dann genau so wie der Finanzminister, der Innenminister, der Justizminister und so weiter Durchführungsverordnungen zu dem Grunderlaß des Beauftragten für den Vierjahresplan erlassen, wonach der Übergang der jüdischen Geschäfte, der jüdischen Anteile an Treuhänder bestimmt wurde. Die Juden wurden durch 3prozentige Schuldverschreibungen entschädigt, und ich habe stets darauf geachtet, daß, soweit das Wirtschaftsministerium hierbei beteiligt war, diese Entscheidung gesetzmäßig und ordnungsmäßig durchgeführt wurde und kein neues Unrecht gegenüber den Juden entstand. Von einer Ausrottung der Juden war damals in keiner Weise die Rede. Es wurde allerdings in dieser Sitzung ein Plan kurz erörtert, eine Auswanderung der Juden zu organisieren. An den Maßnahmen des Terrors und der Gewalt gegen die Juden bin ich selbst in keiner Weise beteiligt. Ich habe sie auf das tiefste bedauert und schärfstens abgelehnt. Aber die Durchführungsverordnungen mußte ich erlassen, um die Juden vor völliger Rechtlosigkeit zu schützen und die gesetzlichen Bestimmungen, die damals getroffen waren, ordnungsgemäß durchzuführen.

DR. SAUTER: Herr Dr. Funk!...

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