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[Pause von 10 Minuten.]

DR. SAUTER: Herr Zeuge! Wir sind vor der Pause stehengeblieben bei Ihrer Tätigkeit hinsichtlich der Verordnungen zur Ausschaltung von Juden aus dem Wirtschaftsleben, und Sie haben uns zuletzt berichtet über das Protokoll bezüglich der Sitzung Görings vom 12. November 1938. Es ist das die Nummer 1816-PS.

Sie haben bereits erwähnt, daß das Protokoll über diese Sitzung schlecht redigiert und lückenhaft ist.

Aus dem Protokoll ergibt sich aber, daß Sie öffentlich in der Sitzung stark gebremst haben und daß Sie sich bemühten, für die Juden noch das eine oder andere zu retten. Ich entnehme zum Beispiel dem Protokoll, daß Sie sich während der Sitzung wiederholt dafür eingesetzt haben, daß die jüdischen Geschäfte alsbald wieder geöffnet werden sollten. Stimmt das?

FUNK: Ja.

DR. SAUTER: Ferner entnehme ich dem Protokoll, daß Sie sich dafür einsetzten, daß, die Juden ihre Aktien und Anteile behalten sollten. Das ergibt sich aus einer Frage von Ihnen, stimmt das?

FUNK: Ich habe vorhin schon gesagt, daß ich bis zu dieser Sitzung der Meinung war, daß die Juden ihre Wertpapiere behalten konnten. Ich habe in der Sitzung zum Ausdruck gebracht, daß es mir neu sei, daß die Juden auch den Wertpapierbesitz hergeben sollten. Sie wurden ja abgefunden in 3prozentigen Schuldverschreibungen des Reiches, mußten allerdings auch dann ihre Aktien und weiteren Anteile hergeben. Ich war auch aus dem Grund gegen eine solche Regelung, weil dann der Staat einen riesigen Aktienbesitz übernahm und die Verwertung eines solchen Aktienbesitzes naturgemäß recht schwierig war.

DR. SAUTER: Aus dem Protokoll ergibt sich dann auch noch, daß Heydrich sich damals dafür einsetzte, daß die Juden in Ghettos gebracht werden sollten, und Sie erinnern sich, daß die Anklagevertretung diesen Punkt schon einmal mündlich hier erwähnt hat. Welche Stellung haben damals Sie, Herr Dr. Funk, zu diesem Vorschlag Heydrichs eingenommen?

FUNK: Ich war gegen die Ghettos, und, zwar aus dem einfachen Grunde, weil ich mir unter Ghetto etwas Furchtbares vorstellte. Ich kannte kein Ghetto und ich habe gesagt, drei Millionen Juden unter 70 Millionen Deutschen kann man ja auch ohne Ghettos leben lassen; die Juden müßten natürlich zusammenrücken, habe ich gesagt, und es müßte einer für den anderen einstehen; denn das war mir klar und das habe ich auch gesagt in der Sitzung, daß der einzelne Jude unter den Lebensbedingungen, die man nunmehr für ihn schuf, nicht existieren konnte.

DR. SAUTER: Ich darf in diesem Zusammenhang vielleicht, Herr Präsident, auf zwei eidesstattliche Versicherungen hinweisen, die im Dokumentenbuch Funk unter Nummer 15 und Nummer 3 vorgelegt sind und Sie bitten, zu Beweiszwecken von dem ganzen Inhalt dieser eidesstattlichen Versicherungen Notiz zu nehmen. Die eidesstattliche Versicherung Nummer 3, im Dokumentenbuch Seite 12 des Textes, stammt von der Ehefrau des Angeklagten und wurde zu Beginn des Prozesses von ihr abgegeben, am 5. November 1945.

Aus dieser eidesstattlichen Versicherung, deren wesentlichen Inhalt ich hier kurz wiedergebe, geht hervor, daß zur Zeit der Novemberexzesse von 1938 gegen die Juden der Angeklagte mit seiner Frau und mit seiner Nichte in Berlin weilte, also nebenbei bemerkt nicht etwa in München, wo damals die sogenannten, »alten Kämpfer« versammelt waren und wo der Minister Dr. Goebbels ganz plötzlich und zur allgemeinen Überraschung die Parole für diese Judenpogrome ausgegeben hat. Die Frau Funk bestätigt in ihrer eidesstattlichen Versicherung, daß ihr Mann, sobald er von solchen Ausschreitungen Kenntnis erhielt, in größter Erregung den Dr. Goebbels telephonisch anrief und ihn fragte:

»Sind Sie verrückt geworden, Goebbels, solche Schweinereien zu machen? Man muß sich schämen ein Deutscher zu sein. Das ganze Ansehen im Ausland geht verloren. Ich bemühe mich Tag und Nacht, das Volksgut zu erhalten, und Sie werfen es mutwillig aus dem Fenster. Wenn diese Schweinerei nicht sofort aufhört, werfe ich den ganzen Dreck hin.«

So wörtlich das Telephongespräch, das damals der Angeklagte von Berlin aus mit Dr. Goebbels geführt hat.

Und der weitere Inhalt dieser eidesstattlichen Versicherung bezieht sich auf Fürsprachen, die der Angeklagte für einzelne jüdische Bekannte eingelegt hat, und in ähnlicher Richtung, meine Herren Richter, bewegt sich die eidesstattliche Versicherung des Heinz Kallus, der früher Ministerialrat im Wirtschaftsministerium unter dem Angeklagten Funk war. Ich habe diese eidesstattliche Versicherung als Nummer 15 des Dokumentenbuches Funk vorgelegt. Es stammt vom 9. Dezember 1945, und auch dieser Zeuge bestätigt, daß Funk selbstverständlich von diesen Exzessen außerordentlich überrascht war, daß er dann mit den zuständigen Stellen sofort Verbindung aufgenommen hat, um weitere Ausschreitungen zu verhindern. Diese eidesstattlichen Versicherungen bestätigen also im großen und ganzen die Darstellung, die der Angeklagte Funk selber gegeben hat; und im Zusammenhang mit dieser Judenangelegenheit des Angeklagten möchte ich noch auf eine Urkunde, Nummer 3498-PS, ich wiederhole Nummer 3498-PS, zurückkommen, die auf Seite 19 des Trialbriefes gegen Funk erwähnt ist.

Es ist das ein Rundschreiben von Funk vom 6. Februar 1939, veröffentlicht im Ministerialblatt des Reichswirtschaftsministeriums und hier heißt es, ich zitiere wörtlich:

»In welchem Maße und Tempo von den Vollmachten des Vierjahresplans Gebrauch zu machen ist, richtet sich nach den von mir, entsprechend den Weisungen des Beauftragten für den Vierjahresplan, jeweils zu treffenden Anordnungen.« Ich zitiere das deshalb, weil auch hier wieder in einer amtlichen Verlautbarung aus der damaligen Zeit der Angeklagte Funk zum Ausdruck gebracht hat, daß er auch auf diesem Gebiet lediglich die Weisungen des Vierjahresplans auszuführen und zu befolgen hatte.

Stimmt das, Herr Dr. Funk?

FUNK: Ja.

DR. SAUTER: Herr Dr. Funk! Sie haben schon vorhin gesagt, daß Sie nach Ihrer ganzen sonstigen Vergangenheit und Einstellung, grundsätzlichen Einstellung, und nach Ihrer ganzen Lebensanschauung den Vorwurf hinsichtlich dieser Judenausschaltung aus dem Wirtschaftsleben als ganz besonders hart empfunden haben, und in diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen nun vorhalten, daß Sie bei einem Verhör in Nürnberg, am 22. Oktober 1945, dem Sie vernehmenden Offizier gegenüber schließlich zu weinen angefangen und erklärt haben: »Damals hätte ich zurücktreten sollen, ich bin schuldig.«

So ist auch das Zitat wörtlich im Laufe der Verhandlung einmal erwähnt worden.

Vielleicht äußern Sie sich doch darüber, wie Sie zu dieser Bemerkung und zu diesem Zusammenbruch gekommen sind, den ich aus dem Protokoll herauslesen zu sollen glaube?

FUNK: Ich kam damals direkt aus dem Krankenhaus hier ins Gefängnis.

DR. SAUTER: Herr Dr. Funk! Eine Frage...

FUNK: Ich habe vorher nicht gewußt, daß ich angeklagt worden bin als Mörder und Räuber und ich weiß nicht, als was sonst noch alles. Ich war neun, zehn Wochen krank, kam aus dem Krankenbett nachts heraus und hierher. In diesen Tagen fanden sofort meine Vernehmungen hier statt. Ich muß zugeben, daß der mich vernehmende amerikanische Offizier, Herr Oberst Murrey Gurfein, mit außerordentlicher Rücksicht und Schonung meine Vernehmung durchgeführt hat und immer wieder Unterbrechungen gemacht hat, wenn ich nicht mehr folgen konnte. Als mir nun diese Terror- und Gewaltmaßnahmen gegen die Juden vorgehalten wurden, da erlitt ich einen seelischen Zusammenbruch, weil mir in diesem Augenblick mit voller Eindringlichkeit zum Bewußtsein kam, daß von hier aus das Verhängnis seinen Weg genommen hatte bis zu den grauenvollen und entsetzlichen Dingen, die wir hier gehört haben und von denen ich damals aus meiner Gefangenschaft, zum Teil wenigstens, schon wußte. Ich empfand eine tiefe Scham und eine schwere Schuld vor mir selbst in diesem Augenblick und empfinde sie auch heute genau so. Aber, daß ich die Durchführungsverordnungen zu den Grundverordnungen und Gesetzen erlassen habe, das ist kein Vergehen gegen die Menschlichkeit. Ich habe hier den Willen des Staates meiner inneren Stimme und meinem inneren Pflichtbewußtsein vorangestellt, da ich nun mal dem Staate verpflichtet war. Ich habe auch mich für verpflichtet gehalten, nach dem Willen des Führers, der obersten Staatsführung, zu handeln, zumal ja diese Maßnahmen gerade zum Schutze der Juden notwendig waren, um sie vor völliger Rechtlosigkeit und vor weiterer Willkür und Gewaltanwendung zu schützen. Sie wurden ja entschädigt, und ich habe, und das geht auch aus dem Rundschreiben hervor, das Sie eben zitiert haben, meinen Beamten strengste Anweisung gegeben, diese gesetzlichen Bestimmungen einwandfrei und gerecht durchzuführen. Es ist schon eine furchtbare Tragik, daß gerade ich mit diesen Dingen belastet worden bin. Ich habe, wie gesagt, an diesen Ausschreitungen gegen die Juden keinen Anteil, habe sie vom ersten Augenblick an auf das schärfste mißbilligt, verurteilt, bin selbst auf das schwerste betroffen worden dadurch. Ich habe alles getan, um weiterhin den Juden, soweit es in meinen Kräften stand, zu helfen. An eine Ausrottung der Juden habe ich nie gedacht damals, bin auch an den Dingen in keiner Weise beteiligt, die sich auf diese Vorgänge beziehen.

DR. SAUTER: Herr Dr. Funk! Weil Sie gerade davon sprechen, Sie hätten an eine Ausrottung, also an eine Vernichtung der Juden nicht gedacht, möchte ich zurückkommen auf ein bereits früher zitiertes Dokument, 3545-PS, ich wiederhole 3545-PS, das seinerzeit von der Anklagevertretung vorgelegt wurde. Es ist das, wie Sie sich vielleicht erinnern, die Photokopie der »Frankfurter Zeitung« vom 17. November 1938, also eine Nummer, die wenige Tage nach den Vorfällen erschienen ist, mit denen wir uns hier eben beschäftigen. In dieser »Frankfurter Zeitung« ist eine Rede von Ihnen veröffentlicht, die sich mit den gesetzlichen Maßnahmen zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben befaßt und Sie erinnern sich, der Anklagevertreter hat in seiner Rede vom 11. Januar 1946 Ihnen vorgeworfen, daß – ich zitiere jetzt wörtlich:

»... das wirtschaftliche Programm der wirtschaftlichen Verfolgung der Juden nur ein Teil des großen Programms der Vernichtung gewesen sei«,

das sich deckt mit einer Wendung in Ihrem Trialbrief, wo auch davon steht, es sei das nur ein Teil, wie es wörtlich heißt, »eines größeren Programms der Ausrottung der Juden« gewesen.

Nun finde ich in all den Verlautbarungen, die aus der damaligen Zeit von Ihnen stammen, nirgends einen Hinweis, daß Sie mit einer Vernichtung, also mit einer Ausrottung der Juden, einverstanden oder gar diese verlangt hätten. Was sagen Sie zu dieser Auffassung der Staatsanwaltschaft?

FUNK: Ich habe niemals in meinem Leben, weder in Wort oder in Schrift, eine Ausrottung oder Vernichtung der Juden verlangt oder mich dahin geäußert. Das ist offenbar hier ein Ausdruck des Herrn Anklagevertreters, der meines Erachtens nur der Phantasie entspringt, der Stimmung, mit der er selbst diese Dinge gleich beurteilt hat. Ich selbst habe mich nicht für die Ausrottung der Juden eingesetzt und von den schrecklichen Vorgängen, die hier gezeigt worden sind, habe ich nichts gewußt. Ich habe damit auch nichts zu tun und habe später überhaupt, soweit ich mich erinnern kann, niemals an irgendwelchen Maßnahmen gegen die Juden mitgewirkt, weil ja diese Dinge nicht mehr in meinen Ressorts behandelt wurden. Bis auf diese gesetzlichen Maßnahmen, diese Durchführungsverordnungen, glaube ich nicht, daß ich irgend etwas in meinen Amtsstellen veranlaßt habe, was sich weiterhin mit jüdischen Angelegenheiten noch befaßte.

DR. SAUTER: Ist es richtig, Herr Dr. Funk, daß Sie im Zusammenhang mit dem Vollzug dieser Durchführungsverordnungen, die Sie selbst hatten erlassen müssen, sich selber für eine ganze Reihe von Personen eingesetzt haben, die damals unter diesen Verordnungen gelitten haben und die sich an Sie persönlich um Hilfe gewandt haben, und daß Sie das getan haben, um auch auf diese Weise den Vollzug dieser Verordnungen noch weiterhin zu mildern?

FUNK: Ich habe genau darauf geachtet, daß die Verordnungen fair und entsprechend den Gesetzen durchgeführt wurden, allerdings lag die Durchführung dieser Dinge nicht beim Ministerium, sondern beim Regierungspräsidenten und den von den Gauleitern abhängigen Stellen im Reich. Es sind vielfach Klagen an mich gekommen wegen der Durchführung der Arisierungen, und meine Beamten werden bezeugen, daß ich in jedem Falle eingegriffen habe, wo ich von derartigen Verfehlungen hörte. Ich habe sogar den Referenten dieser Abteilung entlassen, als ich von Unkorrektheiten hörte, ich habe mich später auch von dem Abteilungsleiter getrennt.

DR. SAUTER: Warum?

FUNK: Weil eben diese Unkorrektheiten vorgekommen waren. Wie ich schon vorher bei den Bewilligungen von Devisen für die Auswanderung von Juden alles getan habe, was ich tun konnte, so habe ich auch hier bei der Durchführung dieser Gesetze alles getan, was in meinen Kräften stand, um die Dinge für die Juden im Rahmen des Möglichen noch erträglich zu gestalten.

DR. SAUTER: Herr Präsident! Diese Frage, wie nämlich Funk sich in der Praxis zum Vollzug der Verordnungen gestellt hat, die er selbst als Beamter hatte erlassen müssen, diese Frage habe ich auch in einem von Ihnen bewilligten Fragebogen an den früheren Staatssekretär Landfried behandelt. Dieser Fragebogen ist schon längst zurückgekommen; es hat sich aber herausgestellt, daß durch die Geschäftsstelle ein falscher Fragebogen versandt war und die richtige Antwort ist erst am Samstag eingetroffen. Sie ist momentan bei der Übersetzung und ich nehme an, daß diese richtige Antwort, dieses Zeugnis des Staatssekretärs Landfried, Ihnen im Laufe des Tages noch vorgelegt wird und, daß es dann als Dokument, Nummer 16 des Ergänzungsbandes eingefügt werden kann; Dokument Nummer 16. Ich nehme aber an, daß Sie nichts dagegen haben, daß ich schon in diesem Zusammenhang die kurze Antwort des Zeugen Landfried hier wiedergebe.

Herr Landfried war seinerzeit von 1939 bis 1943 Staatssekretär...

VORSITZENDER: Hat die Anklagevertretung das Dokument gesehen?

DR. SAUTER: Jawohl, die Anklagevertretung hat das Dokument.

MR. THOMAS J. DODD, ANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Wir haben dieses Dokument nicht gesehen, wir haben den deutschen Text gesehen. Ich kann kein Deutsch lesen und habe keine Möglichkeit gehabt, es zu lesen. Es ist nicht übersetzt worden.

VORSITZENDER: Das Dokument kann dann vorgelegt werden, wenn die Anklagevertretung es gesehen hat. Sie brauchen es nicht gerade jetzt vorlegen. Haben Sie noch einen anderen Zeugen oder nicht?

DR. SAUTER: Nein, für dieses Thema nicht.

VORSITZENDER: Nein, nein, ich meine, haben Sie überhaupt noch andere Zeugen?

DR. SAUTER: Einen Zeugen, Dr. Heidler, aber für andere Themata.

VORSITZENDER: Aber ich nehme an, daß der Angeklagte ins Kreuzverhör genommen wird.

DR. SAUTER: Ja.

VORSITZENDER: Dann werden diese Dokumente in der Zwischenzeit übersetzt sein.

DR. SAUTER: Ja, Herr Präsident! Wenn Sie wünschen, dann muß ich eben später dieses Dokument eigens vortragen.

VORSITZENDER: Jawohl.

DR. SAUTER: Herr Dr. Funk! Ich komme nun zu einem Vorwurf, der meines Wissens im Trialbrief gegen Sie noch nicht erhoben ist, nämlich zu dem Problem der besetzten Gebiete, also zur Frage der Ausplünderung der besetzten Gebiete, Besatzungskosten, Clearing-System, Währungs-Stabilisierung und dergleichen. Die Anklage behauptet. Sie seien aktiv an dem Programm für die kriminelle Ausplünderung der besetzten Gebiete beteiligt gewesen. Das ist schon in der Sitzung des Gerichts vom 11. Januar 1946 erwähnt. (Band V, Seite 191.) Näher ist dieser Vorwurf nicht spezifiziert, aber in der Sitzung vom 21. Februar (Band VIII, Seite 71) ist lediglich auf einen Erlaß des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete hingewiesen, des Angeklagten Rosenberg. Dieser Erlaß ist von der Anklagevertretung in dem Prozeß als die Dokumentennummer 1015-PS eingeführt worden und stellt die Abschrift eines Erlasses des Ostministers Rosenberg an die Reichskommissare in den besetzten Ostgebieten dar.

Der Erlaß gibt diesen Reichskommissaren die Aufgaben des mehrfach erwähnten Einsatzstabes Rosenberg bekannt zur Sicherstellung von Kulturgütern. An sich, darf ich wohl annehmen, sind derartige Kulturgüter das Reichswirtschaftsministerium nichts angegangen. Merkwürdigerweise ergibt sich nun aber aus diesem Schreiben Rosenbergs vom 7. April 1942, daß dieses Schreiben nicht nur an verschiedene andere Dienststellen verschickt wurde, sondern auch an Sie, das heißt, an das Reichswirtschaftsministerium. Und aus dieser Tatsache, und anscheinend nur aus dieser Tatsache, hat nun der sowjetrussische Anklagevertreter gegen Sie den Vorwurf abgeleitet, Sie hätten sich aktiv an der Ausplünderung der besetzten Gebiete beteiligt. Ich mußte Ihnen den Zusammenhang so ausführlich schildern, damit man weiß, um was es sich handelt. Ich bitte vielleicht ganz kurz dazu Stellung zu nehmen?

FUNK: Ich habe bis zu diesem Prozeß überhaupt nicht gewußt, was der Einsatzstab Rosenberg ist, was er tut, was er für Aufgaben hat. Mir ist nicht bewußt, daß das Wirtschaftsministerium mit diesen Dingen, also mit der Sicherstellung der Kulturgüter, überhaupt etwas zu tun gehabt hat. Ich kann dazu gar nichts sagen.

DR. SAUTER: Sie können sonst gar nichts dazu sagen?

FUNK: Zu diesem Punkt, zum Einsatzstab Rosenberg, nicht. Zu der Politik der besetzten Gebiete kann ich sehr viel sagen...

DR. SAUTER: Das interessiert hier nicht.

FUNK: Aber das werden Sie wahrscheinlich ja noch später wollen.

DR. SAUTER: Ich habe dann, Herr Dr. Funk, in dem Fragebogen an den Dr. Landfried, den ich vorhin erwähnt habe, fünf oder sechs Fragen wegen der Einstellung von Ihrer Seite zur Wirtschaftspolitik in den besetzten Gebieten gefragt. Dann habe ich Fragen an ihn gestellt darüber, ob Sie Anweisungen an die Militärbefehlshaber, beziehungsweise die Reichskommissare für die besetzten Gebiete, sowie an die Chefs der Zivilverwaltung in Elsaß-Lothringen et cetera gegeben haben, ferner habe ich gefragt, ob es richtig ist, daß auch für die besetzten Gebiete die wirtschaftlichen Anweisungen nicht von Ihnen als Reichswirtschaftsminister gegeben wurden, sondern vom Beauftragten für den Vierjahresplan, ferner habe ich Fragen gestellt über Ihre Einstellung zur Frage der Ausplünderung der besetzten Gebiete, namentlich im Westen, »Schwarzer Markt«, »Valuten-Herabsetzung«, und dergleichen. Ich kann nun, Herr Dr. Funk, die Aussagen des Zeugen Landfried momentan noch nicht verlesen, und zwar deshalb nicht, weil durch ein Versehen der Geschäftsstelle die Aussage des Zeugen Landfried erst am Samstag gekommen ist. Wollen Sie von sich aus, nachdem zur Zeit Ihre persönliche Vernehmung im Gange ist, zu diesen Fragen noch etwas beifügen, oder wollen Sie hier nur auf das Bezug nehmen, was ich dann nach dem Eintreffen der Übersetzung dem Gericht vorlesen kann? Ich frage das deshalb, weil das praktisch momentan die letzte Gelegenheit für Sie ist, zu diesen Kapiteln Stellung zu nehmen.

FUNK: Zu verschiedenen Fragen will ich hier Stellung nehmen. Aber über die Einzelheiten dieser Probleme vermögen natürlich die Staatssekretäre besser Auskunft zu geben als ich.

Hinsichtlich der Anweisungen an die besetzten Gebiete ist hier sowohl vom Reichsmarschall wie vom Reichsminister Dr. Lammers festgestellt worden, daß ich als Reichswirtschaftsminister keinerlei Anweisungsbefugnis hatte. Der Reichsmarschall hat hier in seiner Vernehmung erklärt, das habe ich mir aufgeschrieben: »Die Anweisungen und die Wirtschaftspolitik, die der Wirtschaftsminister Funk und der Reichsbankpräsident Funk ausführte, treffen voll und ganz verantwortlich ausschließlich mich.« Und hinsichtlich der besetzten Gebiete hat er ebenfalls gesagt, daß, wenn ich Spezialanordnungen im praktischen Geschäftsverkehr zwischen dem Ministerium und den Lenkungsstellen in den besetzten Gebieten gab, diese aus den Generalanweisungen des Reichsmarschalls kamen, und immer auf seiner, wie er wörtlich gesagt hat, persönlichen Verantwortung fußen.

Die Dinge lagen so, daß an die besetzten Gebiete auf wirtschaftlichem Gebiet Anweisungen nur der Beauftragte für den Vierjahresplan geben konnte. Die Durchführung der Wirtschaftspolitik lag bei den Militärbefehlshabern oder bei den Reichskommissaren, die direkt dem Führer unterstanden. Sowohl bei den Militärbefehlshabern wie bei den Reichskommissaren waren nun Beamte der verschiedensten Ressorts, unter anderem auch naturgemäß des Wirtschaftsministeriums und der Reichsbank. Es waren auch Leute aus der privaten Wirtschaft in diesen Stellen tätig, und hier fand nun natürlich eine enge Zusammenarbeit zwischen den Dienststellen der Militärbevollmächtigten und der Reichskommissare und den Ressorts in dem Heimatstab, mit Ausnahme der in Rußland besetzten Gebiete, wo die Reichskommissare ja einem besonderen Minister, nämlich dem Reichsminister für die besetzten Ostgebiete, unterstanden. Hier war als eine besondere Regelung, aber wenn wir von den Militärbefehlshabern oder den Reichskommissaren als Ministerium etwas haben wollten, so mußten wir darum bitten, oder wir mußten eine Anweisung des Beauftragten für den Vierjahresplan haben.

Dasselbe gilt auch von den Chefs der Zivilverwaltungen in Elsaß-Lothringen und in anderen Gebieten, wo solche waren. Auch hier hatten die Ressorts, die vielfachen Ressorts des Reichswirtschaftsministeriums, und die Reichsbank keine direkte Anweisungsbefugnis, aber ich betone noch einmal, daß selbstverständlich ein enger geschäftlicher Dienstverkehr zwischen diesen Lenkungsstellen in den besetzten Gebieten und den Ressorts in den Heimatgebieten bestand.

Ich selbst habe, das werden Zeugenaussagen bestätigen, in den Fragebogen, die noch ausstehen, oder auch sonst, mir die größte Mühe gegeben, die besetzten Gebiete vor einer Ausplünderung zu schützen. Ich habe einen geradezu verzweifelten Kampf die ganzen Jahre hindurch für die Aufrechterhaltung einer stabilen Währung in diesen Gebieten geführt, denn es wurde immer wieder bei mir beantragt, die Wechselkurse in den besetzten Ländern herunterzusetzen, damit von deutscher Seite leichter und billiger in diesen Ländern gekauft werden könne. Ich habe alles nur Erdenkliche getan, um die wirtschaftliche Ordnung in diesen Gebieten aufrechtzuerhalten. Ich habe in einem Falle in Dänemark gegen alle Ressorts sogar eine Aufwertung der Dänenkronen durchgesetzt, weil die Dänische Nationalbank und die Dänische Regierung mit berechtigten Gründen dies erbaten.

Ich habe mich gegen die Erhöhung der Besatzungskosten in Frankreich sowohl im Jahre 1942 wie auch im Jahre 1944 gewandt. Die Denkschrift der Reichsbank, die ich veranlaßt hatte, ist hier von dem amerikanischen Generalstaatsanwalt zitiert worden.

Für die Festsetzung der Besatzungskosten war nicht der Wirtschaftsminister und der Reichsbankpräsident zuständig, sondern der Finanzminister, der Generalquartiermeister, also die obersten Wehrmachtsstellen; und im Falle Frankreich, Dänemark und anderen Ländern auch der Außenminister.

Ich habe also, was ich nur tun konnte, was in meinen Kräften lag, getan, um die Wirtschaft der besetzten Gebiete in Ordnung zu halten. Ich habe beim Reichsmarschall schließlich erreicht, daß er einen Erlaß herausgab, wonach sämtlichen deutschen Dienststellen verboten wurde, auf den schwarzen Märkten zu kauten, nachdem allerdings vorher auf diesem Gebiete schon viel gesündigt worden ist. In diesem Zusammenhang muß ich darauf hinweisen, daß zur Aufrechterhaltung der Ordnung in den besetzten Gebieten notwendig war, das soziale Leben dort nicht zu stören, und daß ich deshalb auch grundsätzlich immer gegen den zwangsweisen oder zu starken Abschub von ausländischen Arbeitskräften aus den besetzten Gebieten nach Deutschland gewesen bin.

In einer hier zitierten Sitzung bei Lammers habe ich auch das zum Ausdruck gebracht. Das werden auch meine Staatssekretäre bezeugen können. Auf der anderen Seite war mir natürlich klar, daß Sauckel in einer furchtbar schwierigen, ja in einer Zwangslage war, da immer wieder von ihm Arbeitskräfte für die deutsche Wirtschaft verlangt wurden. Aber ich selbst hatte, insbesondere nachdem ich auch die gesamte zivile Produktion an Speer abgegeben hatte und in die Zentrale Planung eingetreten war, nicht nur kein Interesse mehr daran, dienstlich gesehen, daß Arbeiter nach Deutschland kamen aus dem Auslande, sondern ich hatte im Gegenteil ein sehr starkes Interesse daran, daß die Arbeiter in den besetzten Gebieten blieben, weil ja die Verbrauchsgüterproduktion weitgehend in diese Gebiete verlagert worden war, und ich hatte also auch aus diesem Grunde, als der Minister, der die Versorgung der Bevölkerung mit Verbrauchsgütern sicherzustellen hatte, der ein Interesse daran hatte, daß in den besetzten Gebieten ordnungsmäßig gearbeitet wurde, keine wirtschaftlichen und sozialen Störungen auftraten. Ich glaube aber, daß es zweckmäßig ist, daß meine beiden Staatssekretäre und der Vizepräsident der Reichsbank, der geschäftsführende Direktor der Reichsbank, Puhl, sich im einzelnen zu diesen Problemen äußern, die ja in der Durchführung viel stärker beteiligt waren als ich. Wenn mir nun zum Vorwurf gemacht wird, daß wir mit Hilfe des Clearings die ausländischen Länder und die besetzten Gebiete ausplünderten, so muß ich hierzu sagen, daß der Clearingverkehr ja nicht erst von uns eingeführt wurde im Verkehr mit den besetzten Gebieten oder auch im Kriege, sondern daß dies der normale Handelsverkehr zwischen Deutschland und seinen Handelspartnern war, ein System, das uns aufgezwungen wurde, als, worauf Schacht schon hingewiesen hat, ausländische Länder dazu übergingen, die Erlöse aus den deutschen Exporten für die Bezahlung und; Amortisation der deutschen Schulden zu verwenden. Ich habe aber zu jeder Zeit immer wieder betont, daß die Clearingschulden echte Warenschulden sind und hierauf kommt es an. Ich habe immer wieder gesagt, diese Clearingschuld ist eine echte Warenschuld Deutschlands und sie wird zurückgezahlt zu den Kursen, zu der Kaufkraft, die gültig war, als wir diese Schuldverpflichtungen eingegangen waren. Das habe ich insbesondere in meinen letzten Reden in Wien, im März 1944 und in Königsberg, im Juli 1944, ausführlich und in aller Deutlichkeit ausgeführt, und ich habe darüber hinaus im Juli hinsichtlich der Clearingschulden den Vorschlag gemacht, nach dem Kriege diese Schuld in eine europäische Anleihe umzuwandeln, damit sie nicht auf den engen Raum eines bilateralen Warenverkehrs begrenzt bliebe, sondern effektiv kommerzialisiert würde, woraus mit aller Deutlichkeit hervorgeht, daß ich diese Clearingschuld als echte Warenschuld Deutschlands jederzeit anerkannt habe, und daß also die Länder in den besetzten Gebieten, die solche Forderungen an Deutschland hatten, nach dem Kriege befriedigt werden konnten und mußten, und zwar, wie ich immer wieder betone, zu den Wertverhältnissen, zu den Wertrelationen, die gültig waren als die Schuld eingegangen war. Wenn natürlich in Friedensverträgen Länder Kriegsentschädigungen hätten zahlen müssen, wenn so etwas in Frage gekommen wäre, so hätten ja diese Kriegsentschädigungen auch nur in Waren, vernünftigerweise, bezahlt werden können und dann hätte man, ebenso vernünftigerweise, selbstverständlich eine gewisse Aufrechnung zwischen den deutschen Schulden und den deutschen Forderungen vornehmen können. Aber ich habe nie einen Zweifel gelassen, daß diese Clearingschuld eine echte Warenschuld ist.

Deshalb muß ich den Vorwurf zurückweisen, daß mit Hilfe des Clearings eine Ausplünderung der besetzten Gebiete eingetreten ist. Noch stärker muß ich den Vorwurf zurückweisen, daß ich mitschuldig daran bin, daß die besetzten Länder mit unerträglichen Geldlasten, besonders mit Besatzungskosten und sonstigen Geldauslagen belegt wurden. Ich bin nachweislich immer wieder gegen eine zu hohe Geldbelastung der besetzten Gebiete aufgetreten, das werden hier ja die Zeugen, die darüber aussagen können, noch bekunden.

DR. SAUTER: Herr Präsident! Der Angeklagte hat vorhin auf zwei Reden Bezug genommen, die er in Wien und in Königsberg gehalten hat. Es sind das zwei Reden, die sich zum Teil mit dem Thema der Behandlung der Clearingschulden befaßten, zum anderen Teil das Lieblingsthema des Angeklagten Dr. Funk behandelten, nämlich eine europäische Wirtschaftsgemeinschaft zwischen Deutschland und seinen Nachbarstaaten, und zwar eine Wirtschaftsgemeinschaft auf der Grundlage voller Gleichberechtigung, herzustellen.

Im Interesse der Zeitersparnis darf ich vielleicht bitten, von diesen Reden, deren wesentlicher Inhalt teils von dem Angeklagten, teils von mir selbst jetzt bezeichnet wurden, zu Beweiszwecken Kenntnis zu nehmen.

Es ist das die Rede des Angeklagten in Wien vom 10. März 1944, mein Dokumentenbuch Nummer 10, und seine Rede in Königsberg, anläßlich des 400jährigen Jubiläums der dortigen Universität in seiner Heimat, vom 7. Juli 1944, mein Dokumentenbuch Nummer 11.

MR. DODD: Herr Vorsitzender! Wenn dieses Dokument Nummer 11 vom Verteidiger angeboten wird, um die Politik des Angeklagten in den besetzten Gebieten zu zeigen, so halte ich es für angebracht darauf hinzuweisen, daß die Rede sich nicht auf die besetzten Gebiete, sondern auf die Vasallenstaaten Deutschlands bezog.

DR. SAUTER: Herr Präsident! Ich verweise dann weiter auf ein Dokument 3819-PS, das auch von der Staatsanwaltschaft bereits eingeführt worden ist. Es ist das das Protokoll, das der Angeklagte vorhin erwähnt hat, Über eine Sitzung bei Minister Lammers vom 11. Juli 1944. Bei dieser Sitzung war ausweislich des Protokolls der Angeklagte Funk anwesend, und er ist nur mit einem Satz erwähnt. Es heißt nämlich hier wörtlich – ich zitiere auf Seite 8 unten:

»Reichsminister Funk erwartet von rücksichtslosen Razzien erhebliche Störungen der Produktion in den außerdeutschen Gebieten.«

Dieser Satz, wenn er aus dem Zusammenhang gerissen ist, wird schwer verständlich, aber wenn man den Zusammenhang berücksichtigt, so ersieht man, daß damit der Angeklagte Funk davor warnen wollte, gewaltsam vorzugehen bei der Erfassung ausländischer Arbeitskräfte für die deutsche Produktion und für die deutsche Rüstung. Er warnte vor einem gewaltsamen Vorgehen, vor Razzien, wie es im Protokoll heißt, weil dadurch, nach seiner Auffassung, die Produktion in den besetzten Gebieten gestört worden wäre.

Und dann, Herr Präsident, darf ich noch auf eine Urkunde verweisen. Es ist das das Dokument 2149-PS, und es enthält dies: eine gutachtliche Äußerung der Reichsbank vom 7. Dezember 1942: »Zur Frage einer Erhöhung der französischen Besatzungskostenzuschüsse.«

Ich darf vorausschicken, die Besatzungskosten Frankreichs sind dann erhöht worden, aber nicht auf Vorschlag des Angeklagten Funk und nicht unter seiner Billigung, sondern trotz seines Widerspruchs. Und dieses Gutachten, auf das der Angeklagte Funk sich vorhin berufen hat und das ich eben auch zitierte – es stammt vom 11. Dezember 1942 – gibt ganz im einzelnen die Gründe an, warum Funk und seine Reichsbank sich mit aller Entschiedenheit gegen eine Erhöhung der Besatzungskosten ausgesprochen hat.

In diesem Zusammenhang darf ich vielleicht auch noch den Angeklagten tragen, Herrn Dr. Funk, wegen der Besatzungskosten Griechenlands.