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[Zum Zeugen gewandt:]

Haben Sie die Ausführungen des Zeugen Dr. Neubacher gehört, der als Gesandter in Rumänien und in Griechenland tätig war und der bestätigt hat, daß auch dort Sie sich bemüht haben um die Herabsetzung der Besatzungskosten?

VORSITZENDER: Brauchen Sie noch längere Zeit?

DR. SAUTER: Ja, ich glaube es wird besser sein, Herr Präsident, Sie vertagen jetzt. Ich glaube doch, daß ich noch einige Fragen zu stellen habe.

[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich heute nachmittag um 4.30 Uhr vertagen.

DR. SAUTER: Herr Zeuge! Ich möchte noch einmal auf die Frage der sogenannten Ausplünderung der besetzten Gebiete zurückkommen. Sie als Reichswirtschaftsminister, der Sie damals waren, können uns sicherlich darüber Auskunft geben, wie nach Ihrer Auffassung und Wahrnehmung die Leistung der besetzten Gebiete für die Kriegsführung Deutschlands gewesen ist?

FUNK: Die Leistungen der besetzten Gebiete für die gemeinsame Kriegsführung waren ohne Zweifel sehr bedeutend. Ich habe die besetzten Gebiete mit der deutschen Wirtschaft gemeinsam stets als eine gemeinsame Kriegsleistungsgemeinschaft, also für die Kriegsführung zur Herstellung einer neuen europäischen Ordnung betrachtet. Und es waren auch in den besetzten Gebieten vielfach dieselben Wirtschaftsgrundsätze in Geltung wie in Deutschland auch. Ich habe mir nun einmal im Jahre 1944 Berechnungen anstellen lassen, wieviel die besetzten Gebiete in den drei Jahren 1941, 1942 und 1943 an Produktionswerten für die Kriegsführung geschaffen haben und bin hierbei zu einer Zahl von 90 Milliarden Reichsmark gekommen. Eine gewißlich außerordentlich hohe Zahl, wobei man allerdings berücksichtigen muß, daß die Valuten der einzelnen Länder auf Reichsmark umgerechnet wurden, also die verringerte Kaufkraft der einzelnen Währung in diesen Zahlen nicht zum Ausdruck kommt, in Wahrheit also die Leistung geringer ist als sie diese Reichsmarkzahl angibt.

In der gleichen Zeit hat Deutschland von seinem gesamten Sozialprodukt mindestens zwei Drittel, das heißt etwa 260 Milliarden Reichsmark, für die europäische Kriegsführung aufgebracht, also fast dreimal soviel wie die besetzten Gebiete. Es ist mir speziell im Falle Frankreichs gelungen, die Finanzgebaren und das Geldwesen und damit auch die wirtschaftliche und soziale Ordnung bis nahezu zu dem Zeitpunkt der Invasion soweit in Ordnung zu halten, daß tatsächlich die französischen Finanzen am Ende der deutschen Besatzungszeit wesentlich gesünder waren als die deutschen Finanzen, und Frankreich, wenn nicht die Verhältnisse gekommen wären, die nachher kamen, aus elementarer Gewalt der Kriegsführung auf dieser Basis sich ein gesundes Geldwesen hätte aufbauen können.

Diese meine Berechnungen werden in gewisser Weise auch bestätigt durch ein Dokument, das hier vorgelegt worden ist, und zwar im Dokument RF-22. (Dokument Funk-515.) Das ist ein Dokument, das über die französischen Lieferungen an Deutschland handelt. Es ist der offizielle Bericht an die Französische Regierung über die Zwangsarbeit in Frankreich. In diesem Bericht befinden sich Tabellen auf Seite 38, 39 und 40, die die Ziffern der französischen Lieferungen an Deutschland, und zwar anteilsmäßig an der gesamten französischen Produktion, wiedergeben. Diese Ziffern zeigen, daß von der französischen gesamten Produktion, die hierfür in Frage kommt, in diesen drei Jahren im Durchschnitt 30 bis 35 Prozent nach Deutschland für die gesamte Kriegsführung gegangen sind. Und zwar sind die Ziffern auf einzelnen Gebieten, und gerade auf den Gebieten, die für die Versorgung der französischen Bevölkerung in Frage kommen, wie Textilien, Pharmazeutika, Gas und Elektrizität und so weiter, wesentlich geringer und betragen zum Teil nur fünf oder sechs Prozent, aber ich gebe als Volkswirtschaftler ohne weiteres zu, wenn man die Dinge nicht von der gemeinsamen Kriegsleistung und der gemeinsamen wirtschaftlichen Verbundenheit aus betrachtet, ein Abzug von 35 Prozent mehr bedeutet und natürlich schwerwiegende Folgen für die gesamte Wirtschaft haben muß.

Für die russischen Gebiete liegen mir leider keine genauen Ziffern vor. Aus der Kriegswirtschaft dieser Gebiete war das Wirtschaftsministerium selbst auch ganz ausgeschaltet. Wir haben uns nur bemüht, einzelne Firmen oder Gesellschaften in diesen Gebieten tätig werden zu lassen, und die dort privatwirtschaftlich tätig sein sollten, also auf eigenes Risiko kaufen und verkaufen sollten. Sonst bin ich an der Wirtschaft der besetzten russischen Gebiete nicht beteiligt gewesen, mit Ausnahme, daß ich Aufsichtsratsvorsitzender der Continental-Öl-Gesellschaft war, die allerdings auftragsgemäß vom Vierjahresplan und von der Wehrmacht aus in diesen Gebieten für die Ölproduktion tätig war; dagegen ich selbst hatte nur als Aufsichtsratsvorsitzender die finanzielle Seite dieser Gesellschaft zu betreuen.

DR. SAUTER: Herr Zeuge! Sie haben am Schluß der Vormittagssitzung von der sogenannten »Zentralen Planung« gesprochen, von der wir schon sehr viel gehört haben. Und Sie haben dargelegt, allerdings sehr kurz, daß Sie als Reichswirtschaftsminister keinerlei Interesse daran hatten, daß ausländische Arbeiter nach Deutschland verschleppt wurden, ganz gleich, ob für Rüstung oder andere Zwecke. Habe ich Sie recht verstanden?

FUNK: Das trifft für den Zeitpunkt zu, als ich in die »Zentrale Planung« eintrat.

DR. SAUTER: Wann war das?

FUNK: Ich bin in die »Zentrale Planung« berufen worden im Herbst 1943...

DR. SAUTER: Herbst 1943?

FUNK:... als ich die gesamte Produktion an Speer abgegeben hatte, und habe zum erstenmal am 22. November 1943 an einer Sitzung der »Zentralen Planung« teilgenommen. Damals hatte ich in der Tat nicht nur kein Interesse daran, daß ausländische Arbeiter nach Deutschland kamen, sondern ich hatte, gerade auch wirtschaftlich gesehen, ein Interesse daran, daß diese Arbeiter im Ausland blieben, weil in den besetzten Gebieten die Verbrauchsgüterproduktion weitgehend aus Deutschland verlagert worden war, also, damit diese Produktion, ich meine die französische Produktion oder die belgische Produktion, für die deutsche Bevölkerung ungestört arbeiten konnte, hatte ich ein Interesse, daß man dort nicht die Arbeiter fortnahm, und insbesondere nicht, daß man sie durch Zwangsmethoden fortnahm, weil dadurch ja die gesamte Ordnung und das soziale Leben gestört wurde.

Vorher hatte ich natürlich als Wirtschaftsminister ein Interesse daran, daß die deutsche Wirtschaft Arbeiter bekam. Diese Fragen wurden aber niemals im Wirtschaftsministerium behandelt, sondern entweder im Vierjahresplan, wo ein Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz von Anfang an tätig war...

VORSITZENDER: Das haben wir doch sicherlich schon alles heute früh gehört. Er hat das alles schon heute früh ausgesagt.

DR. SAUTER: Ich darf aber im Zusammenhang mit der »Zentralen Planung« doch noch auf ein Dokument zurückkommen, Herr Präsident.

Es ist das, Herr Zeuge, und ich bitte, auf diesen Brief sich in Ihrer Antwort zu beschränken, es ist dies ein Brief, den Sie seinerzeit an den Feldmarschall Milch geschrieben haben und der, ich glaube, von der Französischen Anklagevertretung unter der Dokumentennummer RF, République Francaise, 675, ich wiederhole RF-675, hier eingeführt wurde. Es ist das der Brief, Herr Funk, in welchem Sie sich entschuldigt haben, weil Sie so selten an den Sitzungen der »Zentralen Planung« teilnehmen konnten. Und Sie haben damals zur Sitzung zwei Fachleute Ihres Ministeriums, also zwei Fachleute auf dem Gebiete der zivilen Versorgungswirtschaft und des Exportes entsandt. Als Vertreter Ihres Staatssekretärs Dr. Hayler, der nachher als Zeuge kommen wird, nahm an dieser Sitzung der »Zentralen Planung« ein gewisser Ohlendorf teil. Diesen Ohlendorf haben Sie ja bereits hier im Sitzungssaal auf dem Zeugenstand gesehen. Mich würde nun interessieren, was hatte dieser Ohlendorf, der anscheinend zu Ihrem Ministerium gehörte, dort für Funktionen?

FUNK: An den Verhandlungen der »Zentralen Planung« hatte ich im wesentlichen nur das Interesse, daß dort für die Verbrauchsgüterwirtschaft und für den Export die entsprechenden Rohstoffe zugeteilt wurden; daher auch die Absendung von Ohlendorf und zwei Fachreferenten für Verbrauchsgüterwirtschaft und Export. Ohlendorf war von Staatssekretär Hayler in mein Ministerium mitgebracht worden. Ich kannte Ohlendorf vordem nur flüchtig aus einer oder zwei Sitzungen und hatte von ihm einen außerordentlich günstigen Eindruck gewonnen, weil er ein ungewöhnlich klarer Kopf war und seine Gedanken überaus eindrucksvoll zum Ausdruck bringen konnte. Ich wußte vorher gar nicht, daß Ohlendorf noch eine Stellung im Sicherheitshauptamt hatte, denn er war mir bekanntgeworden als Geschäftsführer der Hauptorganisation des deutschen Handels. Hayler war der Leiter dieser Organisation der Reichsgruppe Handel, und Ohlendorf war sein Geschäftsführer und als solcher mit mir bekanntgeworden. Ich hatte also gar keine Einwendungen dagegen, daß Ohlendorf in das Ministerium kam und gerade den Sektor übernahm, der seiner bisherigen privatwirtschaftlichen Betätigung entsprach, den Handelssektor »Verbrauchsgüterwirtschaft«.

Ich habe dann natürlich durch Hayler erfahren, daß Ohlendorf im RSHA, oder wie das heißt, als Amtschef tätig ist im SD, habe mich aber daran nicht gestoßen, weil ich diese Aufgaben nicht näher kannte und jedenfalls nicht überzeugt war, daß hier etwas geschah, was nicht erträglich war für das Ministerium. Die Hauptstellung hatte ja Ohlendorf auch als Geschäftsführer der Gruppe Handel. Soviel ich weiß, war er in diesem RSHA, oder wie das hieß, nur nebenamtlich tätig. Ich war naturgemäß auf das schwerste betroffen und auf das peinlichste überrascht, als ich hier hörte, was Ohlendorf in den Jahren vorher für Aufgaben bei seinen Einsatzstäben, oder wie das hieß, in Rußland hatte. Ich habe von dieser Tätigkeit von Ohlendorf nie ein Wort erfahren. Er selbst hat nie mit mir darüber gesprochen, und ich habe bis zu diesem Zeitpunkt nicht gewußt, was solche Einsatzstäbe für Aufgaben hatten.

Ohlendorf hat überhaupt nicht über seine Tätigkeit im SD gesprochen. Darüber kann sich Herr Hayler persönlich äußern, der ihn viel besser und näher kannte als ich.

Jedenfalls von dieser Tätigkeit von Ohlendorf, die ja auch Jahre vorher lag, habe ich nichts gewußt, und es hat mich auf das schwerste betroffen, daß dieser Mann derartige Dinge ausgeführt hat.

DR. SAUTER: Herr Zeuge! Ich muß Sie noch bitten, zur Aussage eines anderen Zeugen Stellung zu nehmen, den wir hier im Sitzungssaal gesehen und gehört haben. Es ist das der Zeuge Dr. Blaha, der hier im Sitzungssaal über die Verhältnisse im Konzentrationslager Dachau berichtet und, der dabei erzählt hat, wie Sie sich erinnern, man habe außerhalb und in Dachau davon gesprochen, daß bei einem dieser offiziellen Besuche des Lagers auch der Reichswirtschaftsminister Funk dabeigewesen sei. Er hat, wie Sie sich erinnern, auf meine Frage erklärt, gesehen habe er Sie selbst nicht, aber Ihr Name sei bei anderen Gefangenen in diesem Zusammenhang erwähnt worden.

Waren Sie jemals in Dachau oder in irgendeinem anderen Konzentrationslager?

FUNK: Nein. Ich war weder jemals in Dachau noch sonst in irgendeinem Konzentrationslager.

DR. SAUTER: Können Sie das mit gutem Gewissen auf Ihren Eid sagen?

FUNK: Jawohl.

DR. SAUTER: Der Zeuge Dr. Blaha hat noch angegeben: Diese Besichtigung von Dachau hat stattgefunden im Anschluß an eine Finanzministerbesprechung, die in Berchtesgaden oder Reichenhall oder sonstwo in der Gegend stattgefunden habe.

Ich frage Sie deshalb, haben Sie überhaupt jemals an einer Finanzministerbesprechung teilgenommen oder wenigstens zu der Zeit, die der Zeuge Blaha behauptete?

FUNK: Nein, ich habe niemals an einer Finanzministerbesprechung teilgenommen, weil ich ja auch selbst kein Finanzminister war, und in der damaligen Zeit habe ich überhaupt an keinen internationalen Besprechungen teilgenommen. Nein.

DR. SAUTER: Herr Dr. Funk! Sie haben heute gesundheitlich keinen guten Tag. Sie haben mir geklagt über große Schmerzen, die Sie heute haben; infolgedessen möchte ich keine weiteren Fragen stellen, sondern nur noch eine einzige zum Abschluß, die Sie wohl ziemlich kurz beantworten können.

Warum sind Sie in Ihrem Amt als Reichswirtschaftsminister und als Reichsbankpräsident bis zum Schluß geblieben?

FUNK: Weil ich mich für verpflichtet hielt, in dieser Stellung zu bleiben solange als ich konnte, um meinem Volk zu dienen und nützlich zu sein. Gerade in den letzten Kriegsjahren hatte ich einen sehr schweren Stand; es trat eine starke Desorganisation in der Verwaltung ein und ich mußte mich außerordentlich anstrengen, um die Bevölkerung, insbesondere die Bombengeschädigten, noch mit den wenigen vorhandenen Gütern, Verbrauchsgütern zu versorgen. Ich mußte mich dauernd bemühen, die Vorräte und Lager vor den eigenmächtigen Eingriffen der Gauleiter zu bewahren. Gegen einen Gauleiter habe ich sogar Polizei aufbieten müssen. Ich habe der Parole der »verbrannten Erde«, die der Führer ausgegeben hat, keine Folge geleistet und auf diese Weise erreicht, daß das deutsche Volk auch nach der Besetzung durch die Feindmächte noch das, was an Verbrauchsgütern vorhanden war, vorher verwenden konnte.

Ich hatte vom Führer die Weisung bekommen, eine Verordnung zu erlassen, wonach die Annahme von Besatzungsmark der Alliierten als Landesverrat mit dem Tode bestraft werden sollte. Ich habe diese Anordnung nicht erlassen. Ich habe mich bemüht, zu verhindern, daß das Volksvermögen und das Volksgut zerstört und verschleudert wurde. Ich habe den Gold- und Devisenbestand der Reichsbank gerettet, der in höchster Gefahr war. Kurzum, ich habe bis zum letzten Augenblick, wie ich glaube, die Pflicht und Schuldigkeit gehabt, meinen Posten weiter zu versehen und bis zuletzt auszuharren, insbesondere, nachdem wir Deutschen erfahren hatten, daß im Morgenthau-Plan das deutsche Volk in den Zustand von Schaf- und Ziegenhirten zurückversetzt werden sollte, die gesamte Industrie vernichtet werden sollte, das die Ausrottung von 30 Millionen Deutschen bedeutet hätte. Und nachdem auch Herr Churchill persönlich erklärt hatte, daß das deutsche Volk hungern wird und daß man gerade vermeiden würde, daß Hungerepidemien ausbrechen, da war für mich und jeden aufrechten Deutschen nur das eine möglich, bis zuletzt auszuharren auf seinem Posten und das zu tun, was in seinen Kräften stand, um das Chaos zu verhindern.

Zum Verräter und zum Verschwörer habe ich kein Talent gehabt. Aber ich habe mein Vaterland immer mit heißem Herzen geliebt und mein Volk ebenso, und habe mich bis zuletzt bemüht, alles zu tun, um meinem Vaterland und meinem Volk zu dienen und nützlich zu sein.

DR. SAUTER: Herr Präsident! Ich darf dann vielleicht noch im Anschluß an diesen angeblichen Konzentrationslagerbesuch Bezug nehmen auf einen Fragebogen, der von dem Zeugen Dr. Schwedler eingelaufen ist, und der dem Ergänzungsband des Dokumentenbuches Funk unter Nummer 14 beigefügt ist. Diese eidesstattliche Versicherung, von deren Inhalt ich zu Beweiszwecken Kenntnis zu nehmen bitte, bestätigt im wesentlichen, daß der Zeuge Dr. Schwedler seit dem 1. Februar 1938 der tägliche Begleiter des Angeklagten Funk war, daß Dr. Funk kein Konzentrationslager besucht hat und daß der Zeuge das wissen müßte wenn es der Fall wäre.

Damit, Herr Präsident, bin ich am Ende meiner Befragung des Angeklagten Funk. Danke sehr.

VORSITZENDER: Wünscht ein anderer Verteidiger Fragen zu stellen?

Dr. Sauter! Sie sagten, Sie beziehen sich auf ein Affidavit von Dr. Schwedler. Sie sagten, daß es Nummer 14 in Ihrem Ergänzungs-Dokumentenbuch war. Es scheint nicht in unserer Sammlung enthalten zu sein.

DR. SAUTER: Entschuldigen Sie, Herr Präsident, es ist Nummer 13. Ich habe mich versprochen. Es ist Nummer 13, Dokumentenergänzungsband Nummer 13, Dr. August Schwedler. Es ist ein Fragebogen.

DR. OTTO NELTE, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN KEITEL: Herr Zeuge! Ich habe eine Frage, die ich Ihnen vorlegen möchte.

Die Anklagebehörde hat den Angeklagten Keitel als Chef OKW mit Ihnen, als Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft und mit Minister Frick, als Generalbevollmächtigten für die Verwaltung, in einem Zusammenhang gebracht. Im Reichsverteidigungsgesetz von 1938 werden die Inhaber dieser drei Dienststellen erwähnt Sie haben auch zweifellos darin gewisse Funktionen, die von Bedeutung sein können. Nun hat die Anklagebehörde in diesem Zusammenhang von einem Dreimänner-Kollegium gesprochen, und sie hat diesem Dreimänner-Kollegium große Befugnisse und Bedeutung zugelegt in Bezug auf den Anklagepunkt der Planung und Vorbereitung von Angriffskriegen.

Ich frage Sie: Gab es ein Dreimänner-Kollegium, und welches waren die Funktionen der genannten drei Dienststellen nach dem Reichsverteidigungsgesetz?

FUNK: In dem Wirrsal der deutschen Verwaltung konnten wir uns selbst kaum noch ausfinden, und es ist deshalb nicht verwunderlich, daß die Anklagevertretung sich in diesem Punkt in einem Irrtum befindet. Ich selbst habe von einem solchen Dreimänner-Ausschuß oder Dreimänner-Kollegium bis zu diesem Prozeß überhaupt nichts gehört. Ich wußte also gar nicht, daß ich zu einem Dreimänner-Ausschuß oder Dreimänner-Kollegium, oder Triumvirat, oder sonst etwas gehörte. Es bestanden hier auf Grund des Reichsverteidigungsgesetzes gleichgeartete Vollmachten, sowohl für den Chef OKW wie für den Generalbevollmächtigten für die Verwaltung, wie für den Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft. Diese drei konnten, abweichend von bestehenden Gesetzen, Verordnungen erlassen, bei denen sie sich gegenseitig beteiligen mußten.

Das waren aber, und das war der Sinn dieser Anordnung, Verordnungen untergeordneter Art, die also im wesentlichen sich nur auf den Geschäftsbereich des einzelnen der Beteiligten bezogen. Die Gesetzgebung, die größere Bedeutung hatte, wurde entweder vom Ministerrat für die Reichsverteidigung gemacht, die ja auch später nur im Umlaufverfahren umging, oder aber durch Führerverordnung; es fanden überhaupt nur, soviel ich weiß, drei, vier oder fünf Sitzungen statt. Die Führerverordnung wurde später die eigentliche Art, die wesentliche Art der Gesetzgebung. Und diese Führerverordnung ging vom Führer persönlich aus und wurde den Beteiligten vielfach nur mitgeteilt.

Also der Dreimänner-Ausschuß ist eine Fiktion.

DR. NELTE: Danke schön. Ich habe keine weiteren Fragen.

DR. DIX: Herr Dr. Funk! Sie haben von dem Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit gesprochen und gesagt, das wäre unter Ihrem Vorgänger erlassen worden. Sie sprachen von »meinem Vorgänger«.

FUNK: Nein, da irren Sie sich, ich habe gesagt, von »meinen Vorgängern«.

DR. DIX: Vorgängern. Können Sie uns, dem Tribunal, sagen, unter welchem Reichswirtschaftsminister das Gesetz erlassen worden ist?

FUNK: Das Reichsgesetz ist erlassen worden unter dem Reichswirtschaftsminister Dr. Schmitt, soviel ich mich erinnere, und die darauffolgenden Vereinbarungen mit der Deutschen Arbeitsfront sind wohl zum Teil noch von Schacht mitgemacht worden. Ich erinnere hier im besonderen an die sogenannten »Leipziger Beschlüsse«.

DR. DIX: Dann haben Sie davon gesprochen, daß unter Schacht, dem Generalbevollmächtigten für die Kriegswirtschaft, ein Büro bestanden hätte. Sie werden sich entsinnen, daß der Zeuge Vocke die Existenz eines solchen Büros von Schacht, in seiner Eigenschaft als Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft, verneint hatte. Das gleiche hat Schacht getan.

Welches Büro meinten Sie, wie sah das Büro aus, das Sie meinten?

FUNK: Das war kein Büro in dem Sinne, wie es hier vielleicht aufgefaßt ist, sondern es war ein Referentenausschuß von den verschiedensten Ressorts, der von dem Beauftragten des Generalbevollmächtigten für die Kriegswirtschaft, der Schacht war, oder später von meinem Beauftragten als Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft, geleitet wurde. Bei Schacht war es der Staatsrat Wohlthat, und bei mir war es der frühere Staatssekretär von Schacht, Posse.

DR. DIX: Das ist klar. Ist das nun identisch mit dem Arbeitsausschuß, der entstand auf Grund des alten Reichsverteidigungsgesetzes und schon in dieser Form vor 1933 gearbeitet hat?

FUNK: Den kannte ich nicht.

DR. DIX: Jedenfalls dieser Arbeitsausschuß der verschiedenen Ressorts?

FUNK: Jawohl.

DR. DIX: Mit dem OKW zusammen?

FUNK: Mit dem OKW, mit dem Innenministerium und später unter entscheidender Beteiligung des Vierjahresplans.

DR. DIX: Und der Referent für Schacht war zu Schachts Zeit Dr. Wohlthat?

FUNK: Soweit ich weiß, ja.

DR. DIX: Dann nur noch eine Frage. Sie haben zuletzt von dem Triumvirat... sogenannten »Triumvirat« auf Frage vom Kollegen für den Angeklagten Keitel gesprochen. Die Schaffung dieses Triumvirats, diese Tätigkeit, die Sie geschildert haben, die liegt wohl nach der Schachtschen Zeit?

FUNK: Ich glaube, ja. Das war aber keine Tätigkeit.

DR. DIX: Nein. Nein.

FUNK: Ich habe nie an einer Sitzung dieses sogenannten Dreimänner-Kollegiums teilgenommen.

DR. DIX: Nein, Sie sagten, es war eine Fiktion.

FUNK: Es hat auch nie eine solche Sitzung dieser drei Männer stattgefunden.

DR. DIX: Nein, nein, Sie haben ja gesagt, es war eine Fiktion.

DR. ROBERT SERVATIUS, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SAUCKEL, VERTEIDIGER FÜR DAS KORPS DER POLITISCHEN LEITER: Ich habe eine Frage bezüglich der Löhne der ausländischen Arbeiter. Hat sich Sauckel bezüglich des Transfers der Löhne besonders eingesetzt, Herr Zeuge? Wissen Sie etwas darüber?

FUNK: Jawohl. Sauckel hat bei der Reichsbank und beim Reichswirtschaftsministerium sehr oft darauf gedrungen, daß in größerem Umfang Transferierungen von Arbeiterlöhnen ins Ausland und die besetzten Gebiete stattfänden. Wir waren naturgemäß hier in einer sehr schwierigen Lage, weil sich insbesondere in den südosteuropäischen Ländern die Währungen stark entwertet hatten, also die Kaufkraft des deutschen Geldes sehr gesunken war, während ich an dem stabilen Umrechnungskurs festhielt, um nicht durch eine Abwertung in diesen Ländern die inflatorischen Tendenzen noch zu verstärken und dort eine völlige wirtschaftliche Unordnung von der Währungsleitung aus herbeizuführen. Infolgedessen mußten wir zu den Zahlungen Zuschläge machen, die etwas der Entwertung des Geldes in den besetzten Gebieten und in den anderen Ländern entgegentraten. Es sind im ganzen erhebliche Summen transferiert worden. Ich schätze diese Summen auf mindestens zwei Milliarden Reichsmark.

DR. SERVATIUS: Was wissen Sie darüber, ob Sauckel sich um die Bekleidung der Fremdarbeiter bemüht hat? Ist da etwas unternommen worden?

FUNK: Er hat sich sehr bemüht. Dies traf ja das Wirtschaftsministerium besonders hart, weil das Wirtschaftsministerium mit den wenigen zur Verfügung stehenden Rohstoffen, die ihm von der »Zentralen Planung« zugewiesen wurden, die Bevölkerung versorgen mußte und durch die immer wachsende Zahl der Bombengeschädigten immer neue Versorgungsansprüche an uns herantraten; trotzdem haben wir uns bemüht, den Forderungen Sauckels soweit als irgend möglich nachzugeben, erfüllen konnten wir seine Forderungen nicht.

DR. SERVATIUS: In welchem Umfange ist dann Bekleidungsmaterial geliefert worden? Ist Ihnen darüber eine Zahl bekannt?

FUNK: Nein, das weiß ich nicht.

DR. SERVATIUS: Wissen Sie etwas über die Einstellung Sauckels zu Himmler, nachdem er laut der Anklage mit ihm zusammengearbeitet haben soll?

FUNK: Ich erinnere mich an einen besonderen Vorfall. Als ich mit meinen Geldvorräten und dem Rest meiner Devisen unter die Erde nach Thüringen geflüchtet war, war ich eines Abends bei Sauckel, wo auch der hier mehrfach genannte Staatssekretär Keppler anwesend war.

Im Verlauf des Gesprächs kamen Sauckel und Keppler in ein ungeheuer erregtes Gespräch mit Himmler, und Sauckel warf Himmler in eindeutiger Weise vor, daß er der Zerstörer der Verwaltungseinheit in Deutschland sei und daß er die Hauptschuld daran trage, daß eine solche Desorganisation in der Verwaltung in Deutschland eingerissen sei, weil er einen Staat im Staate mit seiner SS geschaffen habe, und Sauckel sagte noch etwa: »Wie soll denn das Volk Disziplin halten, wenn die obersten Stellen im Reiche selbst keine Disziplin halten können.«

DR. SERVATIUS: Ich habe keine Fragen mehr an den Zeugen.

DR. EGON KUBUSCHOK, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN VON PAPEN, VERTEIDIGER FÜR DIE REICHSREGIERUNG: Ist es zutreffend, daß Hitler Sie nach der Marburger Rede Papens im Juni 1934 ersuchte, zum Reichspräsidenten von Hindenburg auf dessen Landsitz in Neudeck zu fahren und ihm folgendes mitzuteilen:

Der Vizekanzler von Papen habe wegen des Publikationsverbotes seiner Rede die Demission verlangt. Diese Demission müsse gegeben werden, da Papen sich durch die Marburger Rede einen groben Verstoß gegen die Disziplin des Reichskabinetts habe zuschulden kommen lassen?

FUNK: Wenn der Reichspräsident von Hindenburg auf seinem Gut in Neudeck war, lud er mich öfters ein zu Besuchen. Ich habe schon vorher erwähnt, daß ich oft familiär bei ihm verkehrt hatte. Hier stand ein solcher Besuch auch aus, als die Angelegenheit mit der Papenschen Rede in Marburg aufkam, und der Reichsmarschall empfahl dem Führer, soweit ich mich erinnere, mich damit zu beauftragen, dem Reichspräsidenten von diesem Vorfall Mitteilung zu machen.

Das tat der Führer auch, und ich habe lediglich dem Reichspräsidenten berichtet, daß ein Konflikt zwischen dem Führer und Herrn von Papen wegen einer Rede entstanden sei. Ich kannte nicht den Inhalt dieser Rede, da diese Rede inzwischen verboten war, worauf der Reichspräsident nur erwiderte: »Wenn er keine Disziplin hält, dann muß er eben die Konsequenzen daraus ziehen.«

DR. KUBUSCHOK: Ich danke Ihnen.

DR. HEINZ FRITZ, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN FRITZSCHE: Herr Zeuge! Wann und wo lernten Sie Ihren Mitangeklagten Fritzsche kennen?

FUNK: Als er im Propagandaministerium, in der Presseabteilung tätig war. Er erschien eines Tages bei mir und wollte Geld für Transozean haben, das ich ihm auch zusagte.

DR. FRITZ: Sie waren damals Staatssekretär im Propagandaministerium?

FUNK: Ja.

DR. FRITZ: Das war im Jahre?

FUNK: Das muß schon 1933 oder 1934 gewesen sein.

DR. FRITZ: Als er zu Ihnen kam, wußten Sie überhaupt, welche Stellung Fritzsche damals im Propagandaministerium bekleidete?

FUNK: Ich wußte, daß er in der Presseabteilung tätig war.

DR. FRITZ: War das eine leitende Stellung, die er hatte? Etwa wie ein Abteilungsleiter?

FUNK: Nein, der Abteilungsleiter war damals ein Dr. Hahnke, soviel ich mich erinnere, später Berndt.

DR. FRITZ: Konnten Sie beobachten, daß Fritzsche mit Dr. Goebbels in irgendeinem engeren Kontakt stand?

FUNK: Ich bin bei den Besprechungen, die Dr. Goebbels täglich mit seinen Referenten abhielt, niemals hinzugezogen worden. Das geschah über den persönlichen Referenten von ihm, den späteren Staatssekretär Hahnke. Da aber Fritzsche nicht Abteilungsleiter war, nehme ich an, daß er zu diesen Besprechungen auch nicht zugezogen wurde. Es wurden hier meist nur die Abteilungsleiter, soweit ich informiert bin, hinzugezogen. Fritzsche bestimmt nicht.

DR. FRITZ: Nach Ihrer Kenntnis in Ihrer Eigenschaft als damaliger Staatssekretär gehörte er also den engeren Mitarbeitern von Dr. Goebbels, wenn ich Sie richtig verstanden habe, überhaupt nicht an.

FUNK: In der damaligen Zeit glaube ich nicht. Was später war, weiß ich allerdings nicht.

VORSITZENDER: Wünscht die Anklagevertretung Fragen an den Zeugen zu stellen?

MR. DODD: Herr Zeuge! Können Sie mich hören?

FUNK: Jawohl.

MR. DODD: Seit Freitag nachmittag haben wir uns Ihre Aussagen angehört. Aus Ihren Erklärungen haben wir entnommen, daß Sie keine der Ihnen in der Anklageschrift zur Last gelegten Anschuldigungen zugeben, mit vielleicht einer Ausnahme. Ich bin mir nicht klar darüber, ob Sie heute früh in Bezug auf Ihren Anteil in der Judenverfolgung etwas zugegeben haben oder nicht. Würden Sie uns bitte jetzt sagen, ob Sie beabsichtigen, Ihre eigene Schuld oder die Rolle, die Sie bei der Judenverfolgung gespielt haben, zuzugeben oder nicht?

FUNK: Ich habe heute morgen gesagt, daß ich ein tiefes Schuldgefühl und eine tiefe Scham empfinde über das, was mit den Juden in Deutschland geschehen ist, und daß ich in dem damaligen Zeitpunkt, als der Terror und die Gewalt begannen, in einen schweren Gewissenskonflikt kam. Ich habe damals gefühlt, möchte ich fast sagen, daß hier schweres Unrecht getan ist. Ich habe aber nicht ein Schuldbekenntnis abgelegt hinsichtlich der hier erhobenen Anklage gegen mich, das heißt, daß ich dadurch im Sinne der Anklage gegen die Menschlichkeit schuldig geworden bin, daß ich die Durchführungsverordnungen zu den von übergeordneten Stellen erlassenen Gesetzen unterschrieben habe, weil diese Gesetzgebung durchgeführt werden mußte, und zwar um die Juden nicht völlig rechtlos zu machen, um ihnen noch wenigstens hinsichtlich der Entschädigung und der Abfindung einen rechtlichen Schutz zu gewähren. Ich erkenne also eine Schuld an vor mir selbst, eine moralische Schuld, aber nicht eine Schuld dadurch, daß ich diese Durchführungsverordnungen unterschrieben habe, jedenfalls nicht eine Schuld gegen die Menschlichkeit.

MR. DODD: Sehr richtig, das wollte ich nämlich genau verstehen. Sie haben auch dem Gerichtshof mitgeteilt, daß Sie »oft an der Türe waren, aber nicht hineingelassen wurden«, und ich verstehe das so, daß Sie sagen wollten, daß Sie nach Ihrem eigenen Urteil tatsächlich nur ein kleiner Mann innerhalb dieser Nazi-Organisation waren? Ist das zutreffend?

FUNK: Jawohl...

MR. DODD: Das genügt. Sie können es vielleicht später ausführlicher erklären, aber für den augenblicklichen Zweck genügt es.

FUNK: Darf ich dazu noch eine Erklärung abgeben? Ich habe das so verstehen wollen, daß bei den Befugnissen, die ich hatte, immer übergeordnete Vollmachten da waren, die die letzte Entscheidung trafen. Das ist bei allen meinen Stellungen im Staate so gewesen.

MR. DODD: Also untersuchen wir einmal zusammen das Beweismaterial und sehen wir, ob Sie immer untergeordnet und immer der kleine Mann waren, »der nicht hineinkommen konnte«.

Vor allem ist da eine Angelegenheit, die ich aufklären möchte, bevor ich mich der allgemeinen Untersuchung zuwende. Sie erinnern sich, daß der Angeklagte Schacht am Zeugenstand aussagte, er hätte, nachdem er aus der Reichsbank ausschied, ein Büro in seiner Privatwohnung gehabt. Stimmt das?

FUNK: Jawohl, das hat er gesagt.

MR. DODD: Nun haben Sie uns bei einer anderen Gelegenheit gesagt, daß er weiterhin ein Büro in der Reichsbank hatte. Ist das richtig?

FUNK: Ich weiß nicht, ob ich das gesagt habe, und wo ich das gesagt habe, aber es kann sein. Mir ist berichtet worden damals, als er ausgeschieden war, daß er noch öfters zur Reichsbank hinging und daß man dort für ihn ein Zimmer reserviert hatte, außerdem hatte er ja noch ein gewisses Personal, eine Sekretärin, die von der Reichsbank aus mitgenommen war, und sonst weiß ich nichts.

MR. DODD: Eine andere Frage. Haben Sie nicht bei einer anderen Gelegenheit gesagt, daß er noch ein Büro in der Reichsbank hatte, wo er an statistischen Daten der Reichsbank arbeitete und mit Ihnen in Kontakt blieb, dann und wann. Ist das richtig? Erinnern Sie sich, daß Sie uns das gesagt haben oder nicht?

FUNK: So war es nicht. Schacht ist sehr selten noch...

MR. DODD: Wenn Sie sich nicht daran erinnern können, dann werde ich Ihnen ein wenig nachhelfen. Erinnern Sie sich, daß Sie von Major Hiram Gans von der US-Armee am 2., 3. und 4. Juni 1945 verhört wurden? Erinnern Sie sich daran? Sie erinnern sich doch, daß Göring und von Krosigk und Lammers dort waren...

FUNK: Jawohl.

MR. DODD: Richtig. Sie wurden folgendes gefragt, oder besser, dieser Antwort gingen einige Fragen voraus:

Frage:

»Hatte Schacht noch einen Posten in der Regierung nach seiner Entlassung als Präsident der Reichsbank?«

Göring antwortete: »Reichsminister«.

Dann eine andere Frage:

»Hatte er einige Funktionen?«

Göring antwortete wieder:

»Er blieb Minister ohne Portefeuille.«

Eine andere Frage:

»Gab es Kabinettssitzungen, denen er beiwohnte?«

Göring antwortete wieder:

»Es fanden keine Kabinettssitzungen, zu dieser Zeit statt.«

Frage:

»Es war also nur ehrenhalber?«

Göring sagte: »Praktisch«.

Und dann unterbrachen Sie mit folgender Erklärung:

»Schacht unterhielt, nachdem er entlassen war, ein Büro in der Reichsbank, wo er statistische Daten der Reichsbank ausarbeitete und mit mir in Kontakt blieb, dann und wann.«

Frage:

»Wie lange dauerte das?«

Und Sie antworteten:

»Nach Schachts Entlassung vielleicht bis 1943.«

Sie haben diese Antwort gegeben, nicht wahr?

FUNK: Das ist nicht richtig. So habe ich mich nicht ausgedrückt; ich habe nur gesagt, mir ist berichtet worden, daß er noch öfters zur Reichsbank kam, daß man ihm dort ein Zimmer reserviert hatte, und mit mir selbst hat er nur sehr selten gesprochen. Er ist nur wenige Male noch bei mir gewesen. Das ist nicht richtig übertragen.

MR. DODD: Sie wissen, woraus ich verlese, nicht wahr? Sie kennen doch dieses Dokument 2828-PS?

FUNK: Nein.

MR. DODD: Teile davon sind schon als Beweisstück US-652 vorgelegt worden. Später werde ich den Teil, den ich gerade verlesen habe, ebenfalls vorlegen. Dr. Sauter, Ihr Verteidiger hat sich auf einen Brief bezogen, den Sie an Hitler geschrieben haben. Ich glaube, es war 1939. Ein sehr überschwenglicher Brief, von dem Sie sagten, daß er aus der zu dieser Zeit herrschenden allgemeinen Stimmung und aus der Tatsache zu erklären sei, daß er auf Ihren fünfzigsten Geburtstag Bezug hatte, nicht wahr? Sie hatten noch einen anderen Grund, diesen Brief in Verbindung mit Ihrem Geburtstag zu schreiben, nicht wahr? Wissen Sie, worauf ich anspiele?

FUNK: Jawohl.

MR. DODD: Sie erhielten 520.000 RM. von Hitler als Geburtstagsgeschenk, nicht wahr?

FUNK: Nein, das stimmt nicht.

MR. DODD: Haben Sie nicht von Göring und Goebbels ein Geschenk...

FUNK: Ja...

MR. DODD: Warten Sie eine Sekunde, bis ich fertig bin, Sie scheinen sich nicht zu erinnern, Sie haben von Göring und Goebbels erst einmal ein Geschenk von 250.000 RM. von führenden Geschäftsleuten in Deutschland erhalten und dann 270.000 RM., die aus Sonderkonten von Göring und Goebbels stammten. Dann erfuhr Hitler davon und befahl Ihnen, das Geld zurückzugeben, da nämlich ein Teil davon aus der Industrie stammte. Er selber hat Ihnen dann später eine sogenannte Schenkung in Höhe von 520.000 RM. gemacht. Stimmt das?

FUNK: Das erste stimmt nicht, aber das letztere stimmt, aber darf ich die Zusammenhänge aufklären, sie sind völlig anders.

MR. DODD: Jawohl.

FUNK: An meinem 50. Geburtstag erschien bei mir der Präsident und das Präsidium der Reichswirtschaftskammer, der Spitzenorganisation der gesamten deutschen Wirtschaft und erklärten mir, daß sie mir in Anbetracht meiner länger als zwanzigjährigen Tätigkeit für die deutsche Wirtschaft mit Genehmigung des Führers ein Geschenk machen wollten, und zwar einen Hof in Bayern. Das wurde leider ein Danaergeschenk, denn ich habe nachher durch dieses Geschenk sehr viele Sorgen und Kummer bekommen. Es wurde ein großes Haus dort gebaut, weil, wie mir gesagt wurde, der Führer sich dahin geäußert hatte, daß ich dort auch arbeiten sollte, und es kam eine Steuerforderung an mich, die so hoch war, daß ich sie nicht bezahlen konnte und die Restbaukosten ebenfalls nicht. Darauf wandte ich mich nicht an Göring, sondern Göring hörte davon und ließ mir 300.000 RM. zukommen, um aus den finanziellen Schwierigkeiten herauszukommen. Von Goebbels war das kein Geld, was ich bekam, sondern mit Genehmigung von Goebbels schloß sich die Filmwirtschaft der Schenkung der Reichswirtschaftskammer an, die mir dieses Geld gab. Als der Führer von den Schwierigkeiten hörte, die ich in Bezug auf Steuern und auch auf sonstige Zahlungen hatte, da hat er mir eine Summe von 500.000 RM. zur Verfügung gestellt, und ich habe von den andern empfangenen Geldern zwei Stiftungen gemacht, eine Stiftung von 500.000 RM. für die Reichsbank, und zwar für die Hinterbliebenen der im Kriege gefallenen Mitglieder der Reichsbank und von 200.000 RM. für das Reichswirtschaftsministerium, das heißt für die Hinterbliebenen der im Kriege gefallenen Mitglieder des Reichswirtschaftsministeriums, und ich habe diesen Hof und dieses große Haus nur deshalb bewohnen können und aufrechterhalten können, weil ich ein verhältnismäßig hohes Einkommen hatte, war aber von Anfang an, nachdem ich sah, welch hohe Kosten und Auslagen damit verbunden waren, insbesondere an Steuern und so weiter, entschlossen, diesen Besitz nach meinem Tode, das war eine Vereinbarung mit meiner Frau, wieder als Stiftung, entweder an die Reichsbank oder an meine ostpreußische Heimat abzugeben. Ich habe hierüber auch mit Herren des Reichsbankdirektoriums mehrmals gesprochen.

MR. DODD: Ich bin nicht sehr interessiert daran, was Sie damit gemacht haben. Ich möchte nur wissen, ob Sie es bekommen haben. Und Sie haben es doch bekommen, nicht wahr? Sie haben 520.000 RM. bekommen?

FUNK: Jawohl.

MR. DODD: Sie haben auch einmal selber aus öffentlichen Geldern dem Angeklagten Frick ein Geschenk gemacht, nicht wahr? Haben Sie nicht Frick am 12. März 1942 ein Geburtstagsgeschenk von 250.000 RM. gemacht?

FUNK: Das weiß ich nicht.

MR. DODD: Sie erinnern sich nicht daran? Daran erinnern Sie sich nicht? Wissen Sie etwas über die anderen Geschenke, die den anderen Angeklagten aus öffentlichen Geldern gemacht wurden, entweder kraft Ihrer Stellung als Reichsbankpräsident oder als hoher Funktionär der Nazi-Partei? Wissen Sie etwas über diese anderen Leute und was sie aus öffentlichen Geldern bekommen haben?

FUNK: Diese Gelder wurden nicht von mir ausgegeben, sondern sie wurden aus einem Fonds des Führers durch Lammers gegeben. Ich habe derartige Gelder nicht gegeben.

MR. DODD: Das waren öffentliche Gelder, nicht wahr? Und sie stammten doch aus öffentlichen Mitteln? Wissen Sie denn nicht, daß Rosenberg 250.000 RM. bekommen hat? Wußten Sie das?

FUNK: Nein.

MR. DODD: Waren Sie im Januar 1944 Präsident der Reichsbank?

FUNK: Ja, aber die Gelder kamen nie von der Reichsbank, das waren Gelder aus Fonds, die Lammers verwaltete. Ich nehme an, daß diese Gelder aus der Adolf-Hitler-Spende oder aus anderen Dingen kamen, aber die Reichsbank hat mit diesen Fonds gar nichts zu tun gehabt.

MR. DODD: Wissen Sie, daß von Neurath 250.000 RM. am 2. Februar 1943 bekommen hat? Wissen Sie etwas davon? Sie waren damals Präsident der Reichsbank?

FUNK: Ich weiß darüber nichts.

MR. DODD: Sie haben schon über Lammers gehört und seine 600.000 RM. Sie wissen, daß Keitel 250.000 RM. bekommen hat am 22. September 1942. Haben Sie nie davon gehört?

FUNK: Die Reichsbank hatte mit diesen Sachen gar nichts zu tun.

MR. DODD: Sie wissen, daß von Ribbentrop 500.000 RM. am 30. April 1943 bekommen hat. Hörten Sie nie davon? General Milch hat 500.000 RM. im Jahre 1941 bekommen Und Sie wußten von allen diesen Dingen nichts?

FUNK: Mit diesen Dingen bin ich nie befaßt worden, das hat Lammers gemacht, und das Geld ist nicht von der Reichsbank gekommen.

DR. DODD: Ich verstehe Sie also dahin, daß Sie früher nicht der tatsächliche wirtschaftliche Berater Hitlers oder der Nazi-Partei waren, das heißt, nach Ihrer eigenen Meinung waren Sie das nicht. Es ist indessen Tatsache, daß Sie im allgemeinen von der Öffentlichkeit, von den Industriellen, den Parteimitgliedern und den hohen Parteibeamten als solcher angesehen wurden, nicht wahr?

FUNK: Ich wurde so genannt, das habe ich hier gesagt, auf Grund meiner Tätigkeit, damals in dem einen Jahr 1932, als ich zwischen dem Führer und einigen führenden Wirtschaftlern Unterredungen vermittelte und die hier geschilderte kurze Tätigkeit in der Partei ausübte.

MR. DODD: Sie haben sich doch selbst dann und wann wirtschaftlicher Berater genannt, nicht wahr? Wenigstens bei einer Gelegenheit während eines Verhörs, haben Sie sich da nicht selbst als Wirtschaftsberater der Partei betitelt? Erinnern Sie sich daran?

FUNK: Nein.

MR. DODD: Ich glaube, Sie werden zustimmen, daß Sie im allgemeinen als solcher betrachtet wurden. Aber von besonderer Bedeutung ist, daß die Öffentlichkeit glaubte, Sie seien es.

FUNK: Ich habe hier erklärt, daß die Presse mich so genannt hat und daß von der Presse aus diese Bezeichnung offenbar in die Literatur übergegangen ist. Ich selbst habe mich nie so genannt.

MR. DODD: Waren Sie in den Anfangstagen der hauptsächliche Verbindungsmann zwischen der Partei und der Industrie?

FUNK: Im Jahre 1932, und nur dieses Jahr kommt ja in Betracht für eine Parteitätigkeit von mir, später habe ich keine Parteitätigkeit mehr ausgeübt und vorher auch nicht. Ich habe aber zwischen Hitler und einigen führenden Männern der Industrie, die ich aufzählen kann, Gespräche vermittelt, aber diese Tätigkeit führten auch andere aus, zum Beispiel der Staatssekretär Keppler.

MR. DODD: Ich frage Sie nicht über andere Leute, ich frage Sie, ob Sie nicht der hauptsächliche Verbindungsmann waren. Sie wurden doch durch die Industrie ermutigt, in der Partei tätig zu werden, nicht wahr?

FUNK: Jawohl.

MR. DODD: Sie waren der Verbindungsmann zwischen der Nazi-Partei und den großen Geschäftsleuten in Deutschland, nicht wahr?

FUNK: Es nahm nicht viel Zeit in Anspruch, aber ich habe es getan.

MR. DODD: Ob es viel oder wenig Ihrer Zeit in Anspruch nahm, interessiert hier nicht. Es nahm Ihre Zeit wenig in Anspruch. Sie haben es doch getan, nicht wahr?

FUNK: Jawohl.

MR. DODD: Sie erinnern sich vielleicht an das Dokument EC-440. Es ist tatsächlich eine Erklärung, die Sie entwarfen und abfaßten, die die Beziehungen der deutschen Industrie zur Partei innerhalb der nationalsozialistischen Staatsführung zum Inhalt hatte. Erinnern Sie sich, daß Sie diese Erklärung am 28. Juni 1945 abfaßten, und daß Sie selbst sagten: »Keppler, der später Staatssekretär wurde und der vor mir der Wirtschaftsberater des Führers war...« Sie haben diesen Ausdruck gebraucht, erinnern Sie sich?

FUNK: Keppler?

MR. DODD: Jawohl, er war Berater vor Ihnen. Erinnern Sie sich daran?

FUNK: Ja.

MR. DODD: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wollen Sie den Gerichtshof glauben machen, daß Sie im Propagandaministerium so etwas wie ein Verwaltungsbeamter waren und kein sehr bedeutender Mann, und daß Sie nicht wußten, was sich wirklich abspielte? Ist das Ihre Auffassung?

FUNK: Nein. Ich hatte eine sehr große Aufgabe, nämlich die Leitung eines sehr umfangreichen Kulturwirtschaftskonzerns. Das habe ich hier ausgeführt. Er bestand aus Filmgesellschaften, aus Theatern, Orchestern, aus dem Werberat der Deutschen Wirtschaft, aus der Verwaltung des gesamten Deutschen Rundfunks, ein Hundert-Millionen-Unternehmen, also eine sehr umfangreiche Tätigkeit, eine organisatorische, wirtschaftliche und finanzielle Tätigkeit, während die Propagandatätigkeit selbstbeherrschend und ausschließlich von Goebbels gemacht wurde.

MR. DODD: Ja. Sie kannten die Politik und die Ziele des Propagandaministeriums. Darüber besteht kein Zweifel, nicht wahr?

FUNK: Jawohl.

MR. DODD: Sie kannten das?

FUNK: Jawohl.

MR. DODD: Gut. Jetzt können wir noch auf eine weitere Frage übergehen, die ich bereits früher anschnitt, um eine andere Sache klarzustellen. Erinnern Sie sich daran, daß der Angeklagte Schacht hier während seiner Zeugenaussage bekundete, wie ich glaube, er sei nicht derjenige gewesen, der bei der jetzt so wohlbekannten Zusammenkunft einer Anzahl von Großindustriellen zur Begrüßung von Hitler die Sammlung vorgenommen hat? Schacht sagte, er sei es nicht gewesen, ich glaube, er sagte, es war Göring oder jemand anders. Erinnern Sie sich an diese Zeugenaussage von Schacht? Sie erinnern sich daran, daß Sie über diese Angelegenheit selbst verhört wurden?

FUNK: Jawohl.

MR. DODD: Erinnern Sie sich, was Sie uns damals gesagt haben?

FUNK: Jawohl.

MR. DODD: Was haben Sie uns gesagt?

FUNK: Ich habe mitgeteilt, daß Schacht eine kurze Ansprache hielt, nachdem Hitler und auch Göring gesprochen hatten, und daß er dann die Anwesenden bat, sozusagen zur Kasse zu gehen und zu unterschreiben, also Gelder für den Wahlfonds aufzubringen. Er hat die Sammlung vorgenommen und hat gesagt, die Kohlenindustrie...

MR. DODD: Wer?

FUNK: Er sagte...

MR. DODD: Wer hat die Sammlung vorgenommen. Ich weiß nicht, wen Sie meinen mit »er«?

FUNK: Schacht.

MR. DODD: Das ist alles, was ich über diesen Punkt wissen wollte.

Wann haben Sie das erstemal gehört, daß die Terroraktionen von November 1938 nicht spontan waren?

FUNK: Am Vormittag des 9. November, auf der Fahrt von meinem Hause ins Ministerium habe ich zum erstenmal gesehen, was in der Nacht angerichtet worden war. Vorher war mir nicht das geringste davon bekannt, daß solche Exzesse und Terrormaßnahmen geplant waren.

MR. DODD: Ich glaube, Sie haben mich mißverstanden. Ich fragte Sie nicht, wann Sie zum erstenmal von diesen Aktionen hörten; ich frage Sie, wann Sie zum erstenmal erfuhren, daß sie nicht spontan waren, wann Sie mm erstenmal erfuhren, daß sie von irgend jemand angestiftet und geplant waren?

FUNK: Das habe ich erst später erfahren.

MR. DODD: Wielange später erst?

FUNK: Ich glaube, sehr viel später. Es ist über diese Sache später sehr viel diskutiert worden. Es wurde niemals klar, wer nun eigentlich der Urheber dieser Terror- und Gewaltmaßnahmen gewesen ist und wo eigentlich der Befehl ausgelöst wurde.

Daß er von München kam, wußten wir, das haben wir inzwischen erfahren, und zwar am 9. November. Aber ob das Goebbels oder Himmler war und wie weit der Führer selbst daran beteiligt war, das habe ich niemals klar erfahren können. Aus meinem Telephongespräch mit Goebbels, das ich heute erwähnt habe, ging allerdings das eine hervor, daß der Führer von dieser Sache gewußt haben mußte, weil er mir sagte, der Führer hat angeordnet jetzt und es hat das Göring auch gesagt, daß die Juden vollkommen aus der Wirtschaft ausgeschaltet werden müßten. Daraus mußte ich schließen, daß der Führer selbst informiert war über diese Sache.

MR. DODD: Aus jenem Telephongespräch können wir auch etwas anderes hier entnehmen. Sie wußten, daß Goebbels diese Geschichte angefangen hat, nicht wahr, und zwar am darauffolgenden Tage. Sie wußten, daß es nicht spontan war, und darum haben Sie Goebbels angerufen und ihn zur Rede gestellt, nicht wahr?

FUNK: Ja.

MR. DODD: Wieviele Tage später haben Sie jene aufhetzende Rede gehalten, in der Sie sagten, was mit den Juden geschehen solle? War es nicht ungefähr sechs Tage nachher? Ich meine, die in der Frankfurter Zeitung veröffentlicht wurde. Ihr Anwalt hat heute morgen davon gesprochen.

FUNK: Ja, das war zunächst so...

MR. DODD: Und in dieser Rede versuchten Sie, es der Bevölkerung so hinzustellen, als ob es eine spontane Aktion gewesen wäre, nicht wahr?

FUNK: Jawohl.

MR. DODD: Sie wußten, daß dies nicht wahr war, nicht wahr?

FUNK: Ich habe das damals noch nicht gewußt. Ich habe damals noch geglaubt, daß es wirklich etwas, was weitere Kreise gezogen hat, war. Ich habe erst viel später erfahren, daß hier eine ganz routinierte Maschinerie in Bewegung gesetzt worden war.

MR. DODD: Wollen Sie dem Gerichtshof jetzt sagen, daß Sie am Morgen Ihres Telephongesprächs mit Goebbels, als Sie ihm für diese Aktion mehr oder weniger die Schuld gaben, noch nicht wußten, daß er sie eingeleitet hatte? Ist das Ihre Stellungnahme?

FUNK: Ich habe damals noch nicht gewußt, von wem die Terroraktion eingeleitet worden ist, und wie sie durchgeführt worden war. Das war mir völlig neu.

MR. DODD: Wenn Sie nicht wußten, wer sie eingeleitet hatte, dann wußten Sie doch jedenfalls, daß sie von jemand angefangen und nicht spontan war.

FUNK: Jawohl.

MR. DODD: Und doch versuchten Sie in Ihrer Rede vom 15. November der Öffentlichkeit glaubhaft zu machen, daß es ein Aufstand des deutschen Volkes war, nicht wahr?

FUNK: Ich habe das begründet mit dem Attentat auf, ich weiß nicht, was er war, Attaché in Paris, und tatsächlich war infolge des Attentats schon eine erregte Stimmung, das ist gar nicht zu bezweifeln.

MR. DODD: Ich glaube, Sie verstehen meine Frage schon, Herr Zeuge. Sie drückten sich damals folgendermaßen aus: »Daß die letzte gewaltsame Entladung der Empörung des Volkes auf Grund eines verbrecherischen jüdischen Anschlages gegen das deutsche Volk sich ereignete...« und weiter in diesem Sinne. Sie versuchten, es als die spontane Reaktion des deutschen Volkes darzustellen, und ich behaupte, daß Sie es besser wußten und dies schon seit einigen Tagen gewußt haben, nicht wahr?

FUNK: Ich habe aber nicht gewußt, daß das im einzelnen vor sich gegangen war. Daß hier ein Anstoß von irgendeiner Stelle gegeben war, das war mir allerdings bekannt, das gebe ich zu.

MR. DODD: Gut. Wann haben Sie den Ausdruck »Glaswoche« geprägt? Sie kennen den Ausdruck, nicht wahr, und woher er kam?

FUNK: »Glaswoche«?

MR. DODD: Jawohl.

FUNK: Das habe ich einmal für diese Aktion gebraucht.

MR. DODD: Sie prägten den Satz.

FUNK: Weil viel zerschlagen worden war.

MR. DODD: Aber Sie sind der Mann, der diesen Ausdruck zuerst gebraucht hat. Sie sind der Mann, nicht wahr? Das war Ihr Ausdruck?

FUNK: Ja, ich habe ihn gebraucht.

MR. DODD: Und Sie haben ihn gebraucht, als Sie diese Frankfurter-Zeitung-Rede hielten?

FUNK: Ich habe damals diese Aktion mit diesem Ausdruck einmal belegt, das stimmt, weil eben sehr viel zerschlagen worden war.

MR. DODD: Lassen Sie uns nun ein bißchen weitergehen zu der wohlbekannten Zusammenkunft vom 12. November, als Göring und Goebbels und alle die anderen Leute über die Juden ihre Bemerkungen machten und Sie, nach Ihrer Aussage, anwesend waren. Sie machten an jenem Tage keinen Einwand gegen irgend etwas, was da gesagt wurde, nicht wahr?

FUNK: Nein, ich habe nur versucht, verschiedene Dinge durchzusetzen, um noch etwas für die Juden zu retten, zum Beispiel ihren Effektenbesitz. Dann habe ich durchgesetzt, daß die Läden wieder eröffnet wurden, so daß dann eine langsame Abwicklung eintrat und noch einiges andere.

MR. DODD: Ich verstehe das. Aber ich dachte, daß Sie heute morgen über die schrecklichen Dinge, die den Juden geschehen sind, ziemlich erschüttert waren, und Sie erinnern sich an einige der Vorschläge, die Göring und Goebbels an dem Tage machten? Das waren ziemlich scheußliche Dinge, nicht wahr?

FUNK: Ich habe das offen zugegeben, daß ich dadurch sehr erschüttert war...

MR. DODD: Wirklich? Nun...

FUNK:... und daß ich dadurch in sehr schwere Gewissenskonflikte kam.

MR. DODD: Gut. Und Sie haben dann später, wie die Frankfurter Zeitung berichtete, diese Rede gehalten und diese Anordnungen durchgeführt, trotz Ihrer Gewissenskonflikte, nicht wahr?

FUNK: Die Verordnungen mußten kommen, das habe ich ja mehrfach hier betont. Ja, ich habe keine Gewissensbisse gehabt, weil die Verordnungen kamen. Gewissensbisse habe ich gehabt über den Anlaß dazu. Aber die Verordnungen selbst...

MR. DODD: Das ist es ja gerade, was ich Sie frage.

FUNK: Aber die Verordnungen dazu mußten kommen, die Gründe dafür, ja, das gebe ich zu.

MR. DODD: Sie wissen, daß Schacht am Zeugenstand gesagt hat, er glaube, daß, falls er Reichswirtschaftsminister gewesen wäre, diese Dinge nicht geschehen wären. Erinnern Sie sich, daß er das neulich hier sagte?

FUNK: Jawohl. Dann muß er aber sehr machtvolle und gute Beziehungen zur Partei gehabt haben, sonst hätte er das nicht erreichen können.

MR. DODD: Und Sie hatten diese guten Beziehungen zur Partei nicht gehabt? Sie waren nicht in der Partei, Sie waren Minister?

FUNK: Ich habe diese Beziehungen nicht gehabt, ich konnte diese Terroraktionen nicht verhindern.

MR. DODD: Na gut, wir werden das schon sehen. Ihr Anwalt hat für Sie eine eidesstattliche Erklärung vorgelegt, von einem Oeser, O-e-s-e-r. Erinnern Sie sich dieses Mannes? O-e-s-e-r, erinnern Sie sich seiner?

FUNK: Ja.

MR. DODD: Sie erinnern sich seiner?

FUNK: Ja.

MR. DODD: Und seine eidesstattliche Erklärung – ich glaube, es war ein Verhör...

VORSITZENDER: Herr Dodd! Lassen Sie uns eine Pause von zehn Minuten machen