[Der Zeuge Dr. Franz Hayler betritt den Zeugenstand.]
VORSITZENDER: Wollen Sie Ihren vollen Namen angeben?
ZEUGE DR. FRANZ HAYLER: Hayler, Franz.
VORSITZENDER: Wollen Sie mir diesen Eid nachsprechen: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.«
[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]
VORSITZENDER: Sie können sich setzen.
DR. SAUTER: Herr Dr. Hayler, wie alt sind Sie?
HAYLER: 46.
DR. SAUTER: Sind Sie Berufsbeamter oder wie kamen Sie eigentlich in das Wirtschaftsministerium zu dem Angeklagten Dr. Funk?
HAYLER: Ich bin selbständiger Kaufmann gewesen und habe als Unternehmer des Handels zunächst die Leitung der Wirtschaftsgruppe Einzelhandel im Rahmen der Organisation der gewerblichen Wirtschaft gehabt. In dieser Eigenschaft hatte ich mit dem Wirtschaftsministerium einen sehr engen Arbeitskontakt. Ich habe Herrn Minister Funk nach seiner Ernennung zum Reichswirtschaftsminister Vortrag über mein Aufgabengebiet gehalten und bei dieser Gelegenheit Herrn Minister Funk kennengelernt. Als ich dann noch die Leitung der Reichsgruppe Handel übertragen erhielt, entwickelte sich das Arbeitsverhältnis zwischen der von mir geleiteten Organisation und dem Ministerium, insbesondere dem damaligen Staatssekretär Landfried und dem Herrn Minister, zu einem sehr engen kameradschaftlichen Arbeitsverhältnis. Nach der Teilung der Ministerien im Herbst 1943 war das Hauptaufgabengebiet des Ministeriums die Versorgung des deutschen Volkes, das heißt der zivilen Bevölkerung.
Als Leiter der Handelsorganisation war ich der verantwortliche Leiter der Organisation für den Absatz der Ware, das heißt für die Versorgung, und so machte in einer Besprechung bei Herrn Minister Funk über die Zusammenarbeit zwischen Handel und Ministerium Herr Landfried, der damalige Staatssekretär, den Vorschlag, Herr Minister Funk möchte mich ins Ministerium berufen und zu seinem Vertreter machen. Herr Landfried glaubte sich unter den damaligen Verhältnissen nicht stark genug, diese schwierige Aufgabe, nachdem dem Ministerium der Einfluß auf die Produktion, also auf die Erzeugung, weggenommen war, durchführen zu können. Und als Herr Minister Funk ihm auf seinen Vorschlag sagte, ja, er, Landfried, sei ja Vertreter des Ministers, erklärte er, er könne die Aufgaben nicht weiter durchführen, und er bitte dann eben um seinen Rücktritt und schlage vor, mich zu seinem Nachfolger zu machen. Ungefähr vierzehn Tage oder drei Wochen später bin ich mit der Führung der Geschäfte des Staatssekretärs beauftragt worden.
DR. SAUTER: Wann war diese Besprechung?
HAYLER: Diese Besprechung war im Oktober 1943; meine Beauftragung war am 20. November 1943.
DR. SAUTER: Also bis zum Herbst 1943, Herr Dr. Hayler, waren Sie ehrenamtlich in Ihrer Organisation tätig?
HAYLER: Ja.
DR. SAUTER: Das war, glaube ich, der Einzelhandel?
HAYLER: Jawohl, das war der Handel.
DR. SAUTER: Und Anfang 1943 wurden Sie dann Beamter im Reichswirtschaftsministerium, und zwar als Staatssekretär?
HAYLER: In das Beamtenverhältnis bin ich am 30. Januar 1944 berufen worden als Staatssekretär.
DR. SAUTER: Sie waren in dieser Eigenschaft wohl einer der engsten Mitarbeiter von Dr. Funk?
HAYLER: Ich war sein Vertreter.
DR. SAUTER: Herr Dr. Hayler! Bei einer Besprechung, die ich vorgestern mit Ihnen hatte, habe ich mit Ihnen schon die Frage besprochen, ob der Angeklagte Dr. Funk ein besonders radikaler Mann war oder ob er umgekehrt mäßigend und rücksichtsvoll aufgetreten ist. Was wissen Sie zu dieser Frage, die für die Beurteilung der Persönlichkeit des Angeklagten Funk von einer gewissen Bedeutung sein dürfte?
HAYLER: Funk ist in erster Linie Mensch, und das war er auch immer. Seinem ganzen Charakter und seinem Wesen liegt der Radikalismus überhaupt nicht. Er ist auch mehr Künstler. Ein Mann von großem künstlerischem Empfinden und schöngeistigem Denken.
Ich glaube, man muß... Ich kann sagen, er war nie doktrinär oder dogmatisch, im Gegenteil, versöhnend und ausgleichend. Er galt deshalb auch vor allem in Parteikreisen als zu weich, zu nachgiebig, ja vielfach wurde ihm der Vorwurf gemacht, er sei zu schwach. Er versuchte, die Wirtschaft vor politischen Eingriffen und vor unnötigen Härten zu bewahren und trat aus seinem Respekt und aus seiner Achtung vor dem unternehmerischen Streben und vor der eigenen Verantwortlichkeit zu der Wirtschaft und den Menschen auch noch während des Krieges gegen unnötige Eingriffe in die Unternehmungen auf. Er schützte die Wirtschaft vor Zusammenlegungen und Schließungen. Dies führte dazu, daß ihm letztlich in entscheidender Phase des Krieges die Verantwortung für die Produktion weggenommen wurde. Ich erinnere mich aus meiner Zusammenarbeit, als ich noch die Handelsorganisation zu führen hatte, daß Funk verschiedentlich auch für Männer der Wirtschaft, die politisch in Schwierigkeiten kamen oder waren, eingetreten ist. Ich glaube aber, daß wegen dieser Einzelfälle, wie sein Eintreten für den Generalkonsul Holländer oder für Herrn Pietsch, er damals schwerste Folgen auch wegen eines Versuches, Friedensfühler auszustrecken, zu erwarten hatte. Oder wie sicher schon bekannt, das Eintreten für Richard Strauß oder ähnliches. Ich glaube, daß die Fälle nicht so sehr von Bedeutung sind, als vielleicht folgende Feststellung: Nach der Katastrophe vom 9. November 1938 sollte der Kurs der Arisierung auch im Wirtschaftsministerium verschärft werden, und es waren damals dem Ministerium einige politische Männer mehr oder weniger aufgezwungen worden. Das war vor allem Herr Schmeer. Ich erinnere mich genau, daß damals vor allem Landfried, aber auch Funk, diese Radikalisierung auf das Ministerium sehr bremsten, und man hat dies Funk und dem Ministerium auch zum Vorwurf gemacht. Ich habe nach diesem 8. und 9. November einmal eine beschwerdeführende Besprechung über die Vorgänge mit Himmler gehabt. Himmler erklärte damals unter anderem und machte damit Funk und mir auch letztlich Vorwürfe; er sagte: »Letztlich seid Ihr von der Wirtschaft und von der Wirtschaftsführung auch schuld daran, daß es soweit gekommen ist. Man konnte von einem Herrn Schacht ja nichts anderes verlangen, als daß er immer bremste und sich dem Wollen der Partei entgegenstellte, aber würden auch Sie und Funk und Ihr alle in der Wirtschaft nicht so gebremst haben, dann wäre es zu diesen Ausschreitungen nicht gekommen.«
DR. SAUTER: Ja, Herr Dr. Hayler, eine andere Frage. Sie waren der Mitarbeiter des Dr. Funk auch hinsichtlich derjenigen Fragen, die die Wirtschaft der besetzten Gebiete betroffen haben, und Dr. Funk wird vorgeworfen, er habe sich an der Ausplünderung der besetzten Gebiete und an der Zerstörung der dortigen Währung und Wirtschaft in verbrecherischer Weise beteiligt. Können Sie, zwar in möglichster Kürze, zu diesem Komplex etwas angeben, das die Einstellung und Tätigkeit des Angeklagten Funk dem Gericht beleuchtet? Möglichst kurz.
HAYLER: Ich glaube, es sind zwei Feststellungen zunächst notwendig.
Erstens, daß der Einfluß des Wirtschaftsministeriums auf die besetzten Gebiete ein verhältnismäßig beschränkter war, und zweitens, daß in dem Jahre, in dem ich im Ministerium war, diese Fragen nicht mehr von besonderer Bedeutung waren.
Allgemein ist folgendes dazu zu sagen: Es wurde gegen Funk immer wieder der Vorwurf erhoben, daß er mehr an den Frieden denke als an den Krieg. Er hat in seinen ganzen Veröffentlichungen in Wort und Schrift ja seine Gedanken zu einer europäischen Wirtschaftspolitik niedergelegt, und ich nehme an, daß diese Reden und Schriften beziehungsweise Artikel dem Gericht vorliegen.
DR. SAUTER: Die liegen vor, ja.
HAYLER: Genau dieselbe Einstellung hatte Funk auch den besetzten Gebieten gegenüber. Er sprach sich wiederholt gegen zu starke Inanspruchnahme der besetzten Gebiete aus und vertrat den Standpunkt, daß die Zusammenarbeit während des Krieges letztlich die Grundlage der späteren Friedenszusammenarbeit sein sollte. Er vertrat den Standpunkt, daß auch während des Krieges Vertrauen und Bereitschaft zur Mitarbeit in der Wirtschaft der besetzten Gebiete geschaffen werden sollten. Er vertrat den Standpunkt, daß man niemals den schwarzen Markt mit dem schwarzen Markt bekämpfen könne, und daß wir aus der Verantwortung, die wir für die besetzten Gebiete hatten, alles vermeiden müßten, was deren Wirtschaft und Währung in Unordnung bringen könnte. Ich glaube, mich zu erinnern, daß er auch mit dem Reichsmarschall über diese Fragen verhandelte und seinen Standpunkt ihm gegenüber vertreten hat. Er hat sich auch gegenüber Spannungen der Besatzungskosten wiederholt ausgesprochen und ist immer für Senkung der eigenen Ausgaben eingetreten, also der deutschen Ausgaben in den besetzten Gebieten. Ja, er hat eben in den besetzten Gebieten keinen anderen Standpunkt eingenommen wie den übrigen europäischen Ländern gegenüber, und diese Einstellung geht wohl am besten daraus hervor, daß er, in seiner Wiener Rede, glaube ich, war es, vor aller Welt erklärte, daß er die Clearingschulden, die ja doch zum großen Teil in ihrer Höhe auf die Preisdifferenz zurückzuführen waren, also auf die inflationistischen Tendenzen, in den Lieferländern als echte Schulden anerkannte.
DR. SAUTER: Herr Dr. Hayler! Dem Angeklagten Funk wird weiterhin vorgeworfen, er habe sich in verbrecherischer Weise an der Versklavung ausländischer Arbeiter beteiligt. Dieser Vorwurf trifft also gerade auf diejenige Zeit am meisten zu, wo Sie Mitarbeiter des Dr. Funk waren.
Können Sie uns mit Kürze sagen, wie in diesem Punkt der Angeklagte Funk dachte und handelte?
HAYLER: Eine Mitarbeit in den Fragen des Arbeitseinsatzes von Ausländern konnte für Funk in meiner Zeit überhaupt nur in Frage kommen im Rahmen seiner Verantwortung in der Zentralen Planung. Hier ist zunächst die Frage, ob die Zentrale Planung überhaupt für den Einsatz von Arbeitern verantwortlich war oder ob die Zentrale Planung nicht nur den Bedarf der verschiedenen Produktionsbereiche festlegte. Gleichgültig aber, welche Aufgabe die Zentrale Planung hatte, so ist Funks Stellung in der Zentralen Planung folgende gewesen:
Funk war Bedarfsträger als Wirtschaftsminister für die zivile Versorgung und für den Export. In der Zeit nach der Trennung der Ministerien also, ist, glaube ich, kein ausländischer Arbeiter mehr zusätzlich oder neu in die Produktion für die zivile Versorgung oder in die Produktion für den Export eingesetzt worden. Im Gegenteil, Funk mußte laufend zur Kenntnis nehmen, daß aus der Produktion der Konsumgüter in dieser Zeit immer wieder Arbeiter, und zwar Deutsche und Ausländer, weggenommen wurden und in die Rüstungsproduktion überführt wurden, und so kann ich mir nicht denken, daß aus dieser Zeit ein derartiger Vorwurf gegen Funk erhoben werden kann.
Ich darf bei der Gelegenheit aber noch auf einen Punkt hinweisen, der mir wichtig erscheint:
Es war eine ernste Frage, die Versorgung der ausländischen Arbeiter, und ich glaube, auch Herr Sauckel wird bestätigen, daß Funk, als diese Frage auftauchte, sofort bereit war, trotz der großen Not, die im deutschen Volke hinsichtlich der Versorgung schon herrschte, auf Grund der vielen Fliegerangriffe und Luftschäden, große Kontingente von Versorgungsgütern freizugeben für die Versorgung der ausländischen Arbeiter.
DR. SAUTER: Er hat sich also, wenn ich Sie recht verstehe, in dem Sinne bemüht, daß die ausländischen Arbeiter, die in Deutschland zu arbeiten hatten, so gut wie möglich mit Verbrauchsgütern versorgt wurden, mit Lebensmitteln, Schuhwerk, Kleidern und so weiter?
HAYLER: Hier dreht es sich vor allem um Schuhwerk und Bekleidung. Für Lebensmittel war Herr Funk nicht zuständig.
DR. SAUTER: Schuhwerk und Bekleidung?
HAYLER: Ja, ich kenne diesen eben von mir angeführten Fall genau. Er hat deshalb auch erhebliche Schwierigkeiten gehabt, denn die Gauleiter waren natürlich bei der großen Warenknappheit sehr bedacht, die Versorgung ihrer von ihnen zu betreuenden Gauangehörigen mit allen Mitteln aufrechtzuerhalten, und er mußte sich sehr wehren gegen die Eigenmächtigkeiten der Gauleiter, die darin bestanden, daß in verschiedenen Gauen Lager, die für die Gesamtversorgung bestimmt waren, willkürlich aufgebrochen und eingesetzt wurden.
DR. SAUTER: Herr Dr. Hayler! Ist Ihnen etwas davon bekannt, daß Dr. Funk sich in Ihrer Zeit – ich spreche immer von der Zeit, wo Sie mit ihm zusammenarbeiteten – sich grundsätzlich auf den Standpunkt stellte, es solle nicht der ausländische Arbeiter nach Deutschland gebracht werden, um hier zu arbeiten, sondern es solle umgekehrt die Arbeit selber von Deutschland ins Ausland verlegt werden, damit der ausländische Arbeiter in seiner Heimat arbeiten und dort bleiben könne.
Bitte, Ihre Antwort.
HAYLER: Es ist mir sehr wohl bekannt, daß Funk diesen Standpunkt vertrat, und er entspricht ja letztlich wieder seiner Gesamtkonzeption, denn die politische Unruhe und Unzufriedenheit, die mit der Bewegung von so großen Massen von Menschen und mit einer vorübergehenden Entwurzelung dieser Menschen verbunden sein muß, steht ja einer Befriedungs- und Aufbaupolitik, die bestimmt das Ziel Funks war, entgegen.
DR. SAUTER: Und dann komme ich bereits zur letzten Frage, Herr Dr. Hayler, die ich an Sie zu stellen habe, nämlich folgende:
Als die deutschen Armeen zurückgingen und deutsche Gebiete von den Feindarmeen besetzt wurden, ergaben sich Schwierigkeiten wegen der Versorgung dieser Gebiete mit Geld, und da soll nun Hitler ein Gesetz geplant haben, wonach die Annahme und Weitergabe von ausländischem Besatzungsgeld sogar mit Todesstrafe bedroht werden sollte. Mich interessiert nun, Herr Dr. Hayler, nicht, warum Hitler das plante, sondern mich interessiert, wie hat sich, wenn Sie es wissen, der Angeklagte Funk zu dieser Forderung Hitlers gestellt und mit welchem Erfolg?
HAYLER: Zu diesem Punkte sind zwei Feststellungen zu treffen, die für das Gericht im Zusammenhang mit dieser Frage interessant sein müßten:
Ich habe Funk kaum so schwer getroffen gesehen als damals, nachdem er Kenntnis von dem sogenannten »Verbrannte-Erde-Erlaß« bekommen hatte. Er hat, ich glaube, als erster Minister, damals zwei sehr klare Erlasse herausgegeben, einen vom Wirtschaftsministerium, in dem er ganz klar Anweisung gegeben hat, wo deutsche Menschen sind, hat eine Wirtschaftsverwaltung in irgendeiner Form zu bleiben; wo Versorgungsnotwendigkeiten gegeben sind, muß eine staatliche Fürsorge für diese Menschen gesichert bleiben. Der zweite Erlaß ging gleichzeitig vom Reichsbankpräsidenten heraus, in dem er anordnete, daß in gleicher Weise wie eine wirtschaftliche Versorgung auch eine Betreuung und Versorgung des Geldmarktes durch die verbleibenden Reichsbankdienststellen gesichert werden müßte.
Zur Frage selbst erinnere ich mich sehr genau, daß im Wirtschaftsministerium die Forderung, wie es hieß des Führers selbst, vorlag, eine gesetzliche Bestimmung herauszubringen, nach der die Annahme von Besatzungsgeld für jeden Deutschen unter Todesstrafe gestellt werden sollte. Herr Funk hat sich dieser Weisung entgegengestellt, und zwar sehr energisch, ich glaube mit Hilfe von Herrn Lammers, und hat selbst wiederholt mit dem Hauptquartier telephoniert und erreicht, daß die Weisung des Führers zurückgezogen wurde.
DR. SAUTER: Sind Sie dann am Ende, Herr Doktor?
HAYLER: Ja.
DR. SAUTER: Herr Präsident! Ich habe dann an den Zeugen keine weitere Frage.
VORSITZENDER: Möchten die Verteidiger der anderen Angeklagten Fragen stellen?