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[Pause von 10 Minuten.]

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Großadmiral! Sie schilderten eben die feindliche Luftüberlegenheit im September 1942. In diesen Septembertagen erhielten Sie die Meldung über die Versenkung des britischen Transporters »Laconia«. Ich übergebe dem Tribunal die Kriegstagebücher, die über den Vorfall berichten, unter den Nummern Dönitz 18, 20, 21 und 22. Es sind die Kriegstagebücher des Befehlshabers der U-Boote und der beteiligten U-Boote der Kapitänleutnante Hartenstein, Schacht und Würdemann. Sie sind abgedruckt im Urkundenbuch auf den Seiten 34 und folgende. Ich lese Ihnen vor die Meldung, die Sie bekommen haben; sie ist auf Seite 35 des Urkundenbuches unter dem 13. September, Uhrzeit 01.25. Es steht dort:

»F. T. auf Amerikaschaltung abgegeben:

Versenkt von Hartenstein Brite Laconia.«

Dann folgt die Position des Seegebietes.

Der Funkspruch fährt fort:

»Leider mit 1500 italienischen Kriegsgefangenen; bisher 90 gefischt.«

Dann kommen Einzelheiten und der Schluß ist:

»Erbitte Befehle.«

Ich habe Ihnen die Unterlagen übergeben lassen...

VORSITZENDER: Auf welcher Seite sind Sie jetzt?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Seite 35, Herr Präsident! Es ist die Eintragung vom 13. September, Uhrzeit 01.25, das ist die Zahl zu Beginn der Zeile unten auf der Seite.

[Zum Zeugen gewandt:]

Ich habe Ihnen die Unterlagen zur Unterstützung Ihres Gedächtnisses geben lassen. Bitte sagen Sie mir zuerst, welchen Eindruck oder welche Kenntnis hatten Sie damals von diesem Schiff »Laconia«, das als versenkt gemeldet worden war, und von seiner Besatzung?

DÖNITZ: Ich wußte nach dem Handbuch der bewaffneten englischen Schiffe, das wir zur Verfügung hatten, daß die »Laconia« mit 14 Geschützen bestückt war. Ich rechnete also, daß sie mindestens eine englische Besatzung von etwa 500 Mann haben würde. Als ich erfuhr, daß auch noch italienische Kriegsgefangene an Bord waren, war es klar, daß diese Zahl sich durch Gefangenenbewachung noch erhöhen würde.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Bitte schildern Sie nun an Hand der Unterlagen die Vorgänge, die wesentlich gewesen sind für Ihren Befehl vom 17. September, und heben Sie dabei hervor einmal die Frage der Rettung oder Nichtrettung von Engländern oder Italienern und zweitens Ihre Sorge für die Sicherheit der beteiligten U-Boote.

DÖNITZ: Ich habe, als ich diese Meldung bekam, allen U-Booten gefunkt, die überhaupt sich etwa in diesem gesamten Seeraum befanden. Ich habe den Befehl herausgegeben: »Schacht, Gruppe Eisbär, Würdemann und Wilamowitz sofort zu Hartenstein gehen.« Hartenstein war der Kommandant, der das Schiff versenkt hatte. Ich habe dann später einige Boote wieder abdrehen müssen, deren Entfernung zu groß war. Derjenige, der am weitesten ab war und Befehl bekam, sich bei der Rettung zu beteiligen, war 710 Meilen ab, konnte also erst in zwei Tagen da sein. Ich habe dann vor allen Dingen bei Hartenstein, der war der Kommandant, der das Schiff versenkt hatte, angefragt, ob die »Laconia« noch gefunkt, Funksprüche gemacht hätte, weil ich hoffte, daß dadurch anglo-amerikanische Rettungshilfe kommen würde. Er bestätigte das, und außerdem hat Hartenstein selbst folgenden Funkspruch abgegeben, und zwar auf englisch:

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Es ist dies auf Seite 36, Herr Präsident, abgedruckt unter der Ziffer 0600.

DÖNITZ:

»If any ship will assist the ship-wrecked Laconia crew, I will not attack her providing I am not being attacked by ship or air force.«

(»Jedes Schiff, das der schiffbrüchigen Laconia- Mannschaft helfen wird, wird von mir nicht angegriffen, vorausgesetzt, daß ich selbst von Schiff oder Flugzeug nicht angegriffen werde.«)

Ich habe dann zusammenfassend, um kurz zu sein, aus den Meldungen der U-Boote den Eindruck gehabt, daß sie mit großer Hingabe das Rettungswerk in Angriff genommen hatten.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wieviel U-Boote waren das?

DÖNITZ: Das waren drei oder vier U-Boote. Ich habe Meldung bekommen, daß die Zahlen der von den einzelnen U-Booten selbst Geretteten zwischen 100 und 200 betrugen. Ich glaube, Hartenstein hatte 156, ein anderer 131; ich habe die Meldung bekommen von Versorgung und Übernahme der Besatzung von Rettungsbooten, einmal 35 Italiener und 25 Engländer und 4 Polen, das andere Mal 30 Italiener und 24 Engländer, das dritte Mal 26 Italiener und 39 Engländer und 3 Polen. Ich habe Meldung bekommen vom Schleppen von Rettungsbooten, um sie zusammenzubringen mit den U-Booten. Diese ganze Meldung erfüllte mich mit der allergrößten Sorge deshalb, weil ich genau wußte, das geht nicht gut. Meine Sorge, die ich hatte, drückte ich aus, daß ich viermal an die Boote etwa gefunkt habe, »Abgeteilte Boote nur so viel Gerettete nehmen, daß Tauchklarheit sichergestellt.« Es ist natürlich klar, wenn eine solche enge U-Bootröhre – unsere U-Boote waren ja halb so groß wie Ihre – zusätzlich 100 bis 200 Menschen im Boot hat, daß das U-Boot absolut gefährdet an sich schon ist, von einer Kampffähigkeit überhaupt keine Rede. Ich habe weiter gefunkt: »Alle Boote nur so viel Leute ins Boot hineinnehmen...«

VORSITZENDER: Sind diese Funksprüche im Dokument?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ja.

VORSITZENDER: Nun, wo stehen sie, warum hat er nicht deren Zeitpunkt erwähnt?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Das sind alles Funksprüche, die in den drei Kriegstagebüchern der U-Boote enthalten sind. Das erste ist auf Seite 36, Herr Präsident, unter 07.20. Ich lese Ihnen vor:

»F. T. eingegangen.« – Ein Funkspruch von Admiral Dönitz. – »Hartenstein in Nähe Untergangsstelle bleiben. Tauchklarheit sicherstellen. Abgeteilte Boote nur so viel übernehmen, daß Boote tauchklar bleiben.«

DÖNITZ: Ich habe weiter gefunkt... Ein weiterer Funkspruch:

»Sicherheit des Bootes darf unter keinen Umständen gefährdet werden.«

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Dieser Funkspruch ist auf Seite 40, Herr Präsident, unter dem Datum vom 17. 9. 01.40 Uhr.

DÖNITZ:

»Alle Maßnahmen, auch Abbrechen jeder Bergungstätigkeit, entsprechend rücksichtslos ergreifen.«

Ich habe ferner gefunkt:

»Boote müssen jederzeit alarmtauchklar und unter Wasser voll verwendungsbereit sein.«

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Das ist auf Seite 37 unter 07.40 die Ziffer 3.

DÖNITZ:

»Vorsicht vor feindlicher Einwirkung, Fliegern und U- Booten.«

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER:

»Alle Boote, auch Hartenstein, nur so viel Leute ins Boot hineinnehmen, daß Boot getaucht voll verwendungsbereit.«

DÖNITZ: Daß meine Sorge berechtigt war, zeigte sich aus der Meldung, die dann von Hartenstein einging, die mir sagte, daß er von einem amerikanischen Großflugzeug mit Bomben angegriffen worden sei.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Diese Meldung, Herr Präsident, ist auf Seite 39 unter der Uhrzeitgruppe 13.11. Es ist eine Kriegsnotmeldung, und unter der Uhrzeit 23.04 ist die genaue Meldung, die ich verlesen möchte.

DÖNITZ: Bei dieser Gelegenheit...

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Einen Augenblick, Herr Großadmiral! Die Meldung lautet:

»F. T. abgegeben: Von Hartenstein« – also an Admiral Dönitz – »Amerikanische Liberator beim Schleppen von vier vollen Booten trotz vier qm großer Rotkreuzflagge auf Brücke bei guter Sicht im Tiefflug fünfmal gebombt. Beide Sehrohre vorläufig unklar. Breche Hilfe ab, alles von Bord, absetze nach West. Repariere.«

DÖNITZ: Hartenstein hatte bei dieser Gelegenheit, wie aus einer weiteren Meldung hervorgeht, außerdem 55 Engländer und 55 Italiener an Bord, im Innern seines Bootes. Bei dem ersten Bombenangriff kenterte eines der Rettungsboote, in das eine Bombe hineinfiel. Wie er mir nach Rückkehr meldete, traten dabei erhebliche Verluste der Geretteten ein.

Bei dem zweiten Bombenangriff ging eine Bombe genau unter der Mitte des U-Bootes hoch und beschädigte das U-Boot schwer. Er meldete, daß nur durch das Wunder der deutschen Schiffbautechnik hierdurch das U-Boot nicht in Stücke ging.

VORSITZENDER: Wozu ist er jetzt übergegangen? Auf welcher Seite ist er nun?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Er spricht über die Ereignisse, die geschildert sind auf den Seiten 38 und 39, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Es würde dem Gerichtshof sehr helfen, wenn Sie irgendeine Ordnung beibehalten könnten, anstatt von Seite 40 wieder auf 38 zurückzugehen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Das liegt daran, daß zwei verschiedene Kriegstagebücher benützt werden, Herr Präsident.

Herr Großadmiral! Wollen Sie nun sagen, welche Maßnahmen Sie ergriffen haben nach der Meldung von Hartenstein, daß er mehrfach bei den Rettungsmaßnahmen angegriffen worden war?

DÖNITZ: Ich habe mir nun sehr überlegt, ob ich nach dieser Erfahrung die gesamte Rettungsaktion nicht abbrechen sollte, was zweifelsohne militärisch das richtige gewesen wäre, weil der Angriff klar zeigte, in welcher Art die U-Boote gefährdet waren.

Diese Entscheidung wurde für mich dadurch erschwert, daß ich einen Anruf aus der Seekriegsleitung erhielt, daß der Führer wünschte, daß ich keine U- Boote bei dem Retten riskierte, beziehungsweise aus weiträumigen Operationen herauszöge. Es kam zu einer sehr temperamentvollen Besprechung in meinem Stab, die ich, wie ich mich noch genau erinnere, mit der Entscheidung abschloß: »Ich kann die Leute jetzt nicht ins Wasser setzen, ich mache weiter.«

Ich war mir selbstverständlich klar, daß ich bei einem kommenden Verlust, der noch eintreten würde, die volle Verantwortung dann hätte tragen müssen. Daß militärisch dieses Durchhalten im Retten falsch war, dafür bekam ich die Quittung durch ein anderes Boot, durch Boot U-506 von Würdemann, der auch meldete, ich glaube, am nächsten Morgen, daß er von einem Flugzeug gebombt ist.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Diese Meldung, Herr Präsident, ist auf Seite 42 in dem Kriegstagebuch von Würdemann, eine Eintragung vom 17. September, unter der Uhrzeit 23.43.

Er meldete:

»Abgabe« – nämlich der Schiffbrüchigen – »durchgeführt an ›Annamite‹.« Dann kommen Einzelheiten. »Mittags von schwerer Seemaschine Fliebos. Voll ein satzbereit.«

DÖNITZ: Ein drittes Boot, Schachts U-507, hatte mir einen Funkspruch gemacht, daß er soundso viele Menschen an Bord hätte und außerdem vier Boote mit Engländern und Polen schleppte.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Das ist die Meldung auf Seite 40, die erste Meldung.

DÖNITZ: Ich habe daraufhin selbstverständlich befohlen, diesen Schleppzug loszuwerfen, denn mit einem solchen Schwanz war er ja in keiner Weise tauchklar.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Das ist die zweite Meldung auf Seite 40.

DÖNITZ: Er hatte später dann noch einen langen Funkspruch gemacht, betreffs Versorgung von Italienern und Engländern im Boot.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Das ist auf Seite 41, unter der Uhrzeit 23.10. Ich werde diese Meldung vorlesen:

»163 Italiener an Annamite abgegeben.« – Annamite war ein zur Hilfeleistung beorderter französischer Kreuzer. – Ich fahre fort: »Navigationsoffizier von Laconia und weiterer englischer Offizier an Bord. 7 Rettungsboote mit rund 330 Engländern und Polen, darunter 15 Frauen, 16 Kinder, Qu FE 9612 deponiert, Frauen und Kinder eine Nacht an Bord untergebracht. Allen Schiffbrüchigen warme Mahlzeit und Getränke, bekleidet und verbunden, soweit erforderlich. Weitere vier Boote vor Treibanker Qu. FE 9619.«

Dann kommen weitere Einzelheiten, die nicht interessieren.

DÖNITZ: Weil ich ihm befohlen hatte, die Rettungsboote loszuwerfen und diese Sammelmeldung von ihm als nachträgliche spätere Meldung aufgefaßt wurde, bekam er dann das Monitum, aus dem die Anklage irrtümlicherweise geschlossen hat, daß ich das Retten von Engländern verboten hätte. Daß ich das nicht getan habe, geht ja daraus hervor, daß ich die zahlreichen Rettungsmeldungen von Engländern unbeanstandet gelassen habe. Ich hatte allerdings zum Schluß den Eindruck, daß die Italiener bei der Rettung sehr zu kurz gekommen waren. Daß dieser Eindruck richtig war, geht aus den positiven Zahlen der Geretteten hervor:

Von 811 Engländern sind etwa 800 gerettet worden und von 1800 Italienern 450.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Großadmiral! Ich möchte noch einmal die Daten klarstellen in dieser ganzen Aktion.

Die Laconia ist torpediert am 12. September.

Wann war der Fliegerangriff auf diese Rettungsboote?

DÖNITZ: Am 16.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: In der Nacht vom 16.? Am 17.?

DÖNITZ: Am 16.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Am 16. September. Jawohl. Also haben die Rettungsaktionen wieviele Tage insgesamt gedauert?

DÖNITZ: 4 Tage.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Und wurden darnach noch fortgesetzt bis wann?

DÖNITZ: Bis zur Abgabe an die von uns verständigten französischen Kriegsschiffe.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Jawohl.

Wie hängt nun dieser Vorfall der Laconia, den Sie eben geschildert haben, zusammen mit dem Befehl, den Ihnen die Anklage als Vernichtungsbefehl zur Last legt?

DÖNITZ: Mein Eindruck, außer der großen Sorge, die ich laufend wegen der Boote gehabt hatte, war, neben dem starken Eindruck, daß die andere Seite, also die anglo-amerikanische Seite, trotz der Nähe von Freetown nicht geholfen hatte, im Schwerpunkt der, daß dieses Unternehmen mir sehr plastisch gezeigt hatte, daß die Zeit, daß U-Boote ungefährdet über Wasser solche Aktionen machen können, vorbei war; daß die Gefährdung dieser Boote, wie die beiden Bombenangriffe klar zeigen, trotz guten Wetters, trotz großer Rettungsstelle, die dem Flieger ja sichtbarer, möchte ich sagen als solche sein mußte als bei normalen Verhältnissen, bei Seegang und kleiner Rettungsstelle, daß trotzdem die Gefährdung der Boote so groß war, daß ich als verantwortlich für das Leben, die Boote, ihre Besatzung, das Retten nun verbieten mußte, angesichts der Allgegenwärtigkeit – anders kann ich mich nicht ausdrücken – der gewaltigen anglo-amerikanischen Luftwaffe. Ich möchte dabei erwähnen, nur als Beispiel, daß sämtliche Boote, die bei dieser Rettungsaktion beteiligt waren, bei ihrer nächsten oder übernächsten Unternehmung durch Bombenangriffe verlorengingen.

Es war ja tatsächlich so, daß es wirklich nun jeder primitiven Vernunft einer Kriegsführung, jedem primitiven Gesetz des Krieges widersprach, wenn einer unter größter eigener Gefährdung rettet und dabei noch vom Gegner totgeschlagen wird.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Nach der Auffassung der Anklage, Herr Großadmiral, haben Sie diesen Anlaß dazu benutzt, um eine schon lange gehegte Idee in die Tat umzusetzen, nämlich in Zukunft die Schiffbrüchigen abzuschießen. Bitte äußern Sie sich hierzu.

DÖNITZ: Ich kann mich eigentlich zu einer solchen Behauptung gar nicht äußern. Das ganze Thema war ja: Retten oder Nichtretten. Die ganze Entstehung dieses Befehls spricht ja auch ganz klar dagegen, es war eine Tatsache, daß wir mit Hingabe gerettet haben und dabei gebombt wurden, und es ist ebenso eine Tatsache, daß die U-Bootführung, und daher ich, einem schweren Entschluß gegenüberstand und, militärisch gesprochen, unrichtig, nämlich human handelte; also ich finde, daß man zur Entkräftigung dieser Behauptung überhaupt kein Wort zu verlieren braucht.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Großadmiral! Ich muß Ihnen nun aber die Formulierung dieses Befehls vorhalten, aus dem die Anklage ihre Schlüsse zieht. Ich habe sie vorhin vorgelesen. In dem zweiten Absatz steht:

»Rettung widerspricht den primitivsten Forderungen der Kriegführung nach Vernichtung feindlicher Schiffe und Besatzungen.«

Was soll dieser Satz bedeuten?

DÖNITZ: Dieser Satz ist natürlich in irgendeiner Form eine Begründung. Nun sagt die Anklagevertretung: »Dann hättest du einfach befehlen können, daß es die Sicherheit nicht erlaubt, daß es die überragende feindliche Luftwaffe nicht erlaubt,« und das hatte ich ja, wie wir gesehen haben, bei diesem »Laconia«-Fall viermal befohlen. Das war eine abgespielte Platte, um diesen Ausdruck zu gebrauchen, und es kam mir nun darauf an, den U-Bootkommandanten eine Begründung zu geben, die jede Revision der Kommandanten und jede Selbstentscheidung ausschloß, weil ich immer wieder die Erfahrung gemacht habe, daß aus den vorher erwähnten Gründen die Lage von den U- Booten, weil der Himmel gerade noch klar war, zu günstig angesehen wurde, und dann war das Boot verloren, oder daß ein Kommandant als Retter allmählich nicht mehr Herr seiner Entschlüsse war, wie der »Laconia«-Fall zeigt.

Also unter keinen Umständen, unter gar keinen Umständen, wollte ich ja noch einmal die alte Begründung geben, die wieder auch dem U-Bootkommandanten nun die Gelegenheit gibt zu sagen: »Also jetzt ist keine Luftgefahr«, das heißt selbst zu prüfen oder eine eigene Entscheidung zu treffen, also etwa so einen Vorsatz zu fassen: »Da es die Fliegergefahr nicht mehr erlaubt...« – das wollte ich gerade nicht. Ich wollte keine Diskussion etwa in dem Gehirn eines der vielen hundert – zweihundert Kommandanten eintreten lassen; ich wollte auch nicht sagen: »Wenn jemand mit Hingabe den Feind rettet und dabei vom Feind totgeschlagen wird, so widerspricht das den primitivsten Gesetzen der Kriegführung.« Das hätte ich auch sagen können. Das wollte ich aber auch nicht; deshalb habe ich diesen Satz so hingestellt.

VORSITZENDER: Sie haben uns nicht auf den Befehl aufmerksam gemacht; beziehen Sie sich denn auf Seite 36 des Schriftsatzes der Anklagebehörde oder auf das britische Dokumentenbuch?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Jawohl, Herr Präsident, Seite 36 des englischen Dokumentenbuches.

VORSITZENDER: Da sind zwei Befehle vorhanden. Nicht wahr?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Nein, es ist ein einheitlicher Befehl mit vier Ziffern.

VORSITZENDER: Aber sind da nicht zwei Absätze? Hier ist Absatz 1 und hier ist Absatz 2 vom 17. September 1942.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sie meinen wohl noch den Auszug aus dem Kriegstagebuch des Befehlshabers der U-Boote, der sich auch auf Seite 36 des Dokumentenbuches befindet?

VORSITZENDER: Wäre es nicht besser, wenn Sie den Satz verlesen würden, auf den Sie sich beziehen?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Jawohl, ich spreche jetzt über den zweiten Satz, datiert vom 17. September des Dokumentenbuches Nummer 1 auf Seite 36 der Anklage.

VORSITZENDER: Ja.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Der zweite Satz lautet:

»Rettung widerspricht den primitivsten Forderungen der Kriegführung nach Vernichtung feindlicher Schiffe und Besatzungen.«

Das ist der Satz, über den sich Admiral Dönitz soben geäußert hat.

VORSITZENDER: Auf Seite 36 ist ein Befehl: »An alle Kommandanten«, und der erste Absatz beginnt:

»Jeglicher Rettungsversuch von Angehörigen versenkter Schiffe hat zu unterbleiben...«

Ist das der Absatz, auf den Sie sich beziehen?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Jawohl, und ich beziehe mich auf den zweiten Absatz, Herr Präsident:

»Rettung widerspricht den primitivsten Forderungen der Kriegführung nach Vernichtung feindlicher Schiffe und Besatzungen.«

VORSITZENDER: Was ist nun mit dem nächsten Absatz vom 17. September 1942, Absatz 2?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Das wollte ich ihm eben vorhalten. Das ist eine Eintragung im Kriegstagebuch, über die ich ihn jetzt befragen möchte.