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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich komme jetzt zu dem Thema der sogenannten Verschwörung. Die Anklage wirft Ihnen vor, daß Sie seit dem Jahre 1932 auf Grund intimer Beziehungen zu der Partei an einer Verschwörung teilgenommen haben zur Förderung von Angriffskriegen, zur Begehung von Kriegsverbrechen. Wo befanden Sie sich in den Wochen der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Frühjahr 1933?

DÖNITZ: Ich bin unmittelbar nach dem 30. Januar 1933, ich glaube es war am 1. Februar, auf eine Urlaubsreise gegangen nach Niederländisch-Indien und Ceylon, die bis in den Sommer 1933 hinein dauerte. Eine Urlaubsreise, die auf Befürwortung des Großadmirals Raeder mir der Reichspräsident, Generalfeldmarschall von Hindenburg, geschenkt hat.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Im Anschluß daran wurden Sie Kommandant eines Auslandskreuzers?

DÖNITZ: Ich bin dann im Herbst 1934 als Kommandant des Kreuzers »Emden« durch den Atlantik und Afrika herum in den Indischen Ozean gegangen und wieder zurück.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Haben Sie sich vor diesem Auslandsaufenthalt oder nach Ihrer Rückkehr 1935 bis zu Ihrer Ernennung zum Oberbefehlshaber der Kriegsmarine im Jahre 1943 irgendwie politisch betätigt?

DÖNITZ: Ich habe mich politisch betätigt erst am 1. Mai 1945, als ich Staatsoberhaupt wurde. Vorher nicht.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Die Anklage hat nun ein Dokument vorgelegt, und zwar ein Affidavit von dem Botschafter Messerschmith. Es hat die Nummer US-57, 1760-PS, und ich habe die entscheidenden Auszüge abgedruckt in meinem Urkundenbuch Band 2, Seite 100. In diesem Affidavit sägt der Botschafter Messersmith, daß er vom Jahre 1930 bis zum Frühjahr 1934 als Generalkonsul der Vereinigten Staaten in Berlin war. Er ist dann bis zum Juli 1937 nach Wien gekommen, von dort nach Washington. Er gibt nun ein Urteil über Sie ab, und zwar mit der Bemerkung: »Unter den Leuten, welche ich öfters sah und auf welche ich meine Aussagen beziehe, waren die folgenden...« – und dann kommt Ihr Name. Daraus muß man den Eindruck gewinnen, daß Sie sich in dieser Zeit im politischen Milieu in Wien oder Berlin bewegt haben. Trifft das zu?

DÖNITZ: Nein, ich war damals Korwettenkapitän beziehungsweise am Ende 1934 Fregattenkapitän.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Nun habe ich mit Erlaubnis des Tribunals einen Fragebogen an den Botschafter Messersmith gerichtet, um zu erfahren, worauf seine Beurteilung beruht. Dieser Fragebogen ist beantwortet worden, und ich überreiche ihn als Dönitz 45. Die Antworten sind abgedruckt auf Seite 102 des Dokumentenbuches. Ich trage vor:

»Wie in früheren eidlichen Aussagen angegeben, sah und sprach ich Admiral Karl Dönitz bei mehreren Gelegenheiten während meines Aufenthalts und meiner späteren häufigen Besuche in Berlin. Ich führte jedoch kein Tagebuch und es ist mir unmöglich, mit Genauigkeit anzugeben, wann und wo diese Zusammenkünfte stattfanden, die Eigenschaft, in welcher Admiral Dönitz dort erschien oder welchen Gegenstand oder Gegenstände unsere Unterhaltung hatte. Meine Beurteilung von Dönitz, wie sie in meinen früheren eidlichen Aussagen angegeben ist, beruht auf persönlicher Kenntnis von ihm und auf allgemeiner Kenntnis, welche ich von den verschiedenen Quellen erlangte, die in meinen früheren eidlichen Aussagen beschrieben sind.«

[Zum Zeugen gewandt:]

Haben Sie, Herr Großadmiral, Botschafter Messersmith irgendwann und irgendwo gesehen oder gesprochen?

DÖNITZ: Ich habe ihn nie gesehen und seinen Namen hier zum erstenmal gehört. Ich war in der fraglichen Zeit auch nicht in Berlin, sondern ich war in Wilhelmshaven an der Nordseeküste oder im Indischen Ozean. Wann er mich gesprochen haben will, müßte er mich in Wilhelmshaven oder im Indischen Ozean gesehen haben. Da beides nicht der Fall ist, glaube ich, daß er sich irrt, daß irgendeine Personenverwechslung bei ihm eingetreten ist.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Waren Sie Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei?

DÖNITZ: Ich habe am 30. Januar 1944 vom Führer als Orden das Goldene Parteiabzeichen verliehen bekommen und nehme an, daß ich damit Ehrenmitglied der Partei geworden bin.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wann haben Sie Adolf Hitler kennengelernt und wie oft haben Sie ihn vor Ihrer Ernennung zum Oberbefehlshaber der Kriegsmarine gesehen?

DÖNITZ: Ich habe Adolf Hitler zum erstenmal gesehen als ich mich in Gegenwart des Großadmirals Raeder im Herbst 1934 als Kommandant des Kreuzers »Emden« mit dem Schiff ins Ausland bei ihm abmeldete. Ich habe ihn dann wieder gesehen bei meiner Rückkehr mit der »Emden«, einen Tag später, und habe ihn von diesem Herbst 1934 an bis zum Kriegsausbruch 1939, in diesen fünf Jahren, im ganzen viermal gesehen mit den beiden genannten Meldungen einschließlich.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Welche waren die beiden anderen Gelegenheiten? Waren es militärische oder politische?

DÖNITZ: Die eine war eine militärische Angelegenheit, wo er in der Ostsee sich eine Flottenvorführung ansah, bei der ich während der Vorführung, als auch zwei U-Boote Angriffsvorführungen zeigten, selbst auf der Brücke des Flaggschiffes bei ihm stand, um die notwendigen Erklärungen zu geben. Das zweitemal war eine große Einladung an die gesamte Generalität und Admiralität, als die neue Reichskanzlei in der Voßstraße fertiggeworden war, das war im Jahre 1938 oder 1939. Ich habe ihn dort gesehen, aber nicht gesprochen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wie oft sind Sie während des Krieges bis zu Ihrer Ernennung zum Oberbefehlshaber beim Führer gewesen?

DÖNITZ: Ich habe in den Jahren 1939 bis 1943 den Führer viermal gesehen, jedesmal bei kurzen militärischen Vorträgen über den U-Bootkrieg und immer in größerem Kreise.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Hatten Sie bis dahin mit ihm irgendeine über den militärischen Rahmen hinausgehende Unterredung?

DÖNITZ: Nein, gar keine.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wann sind Sie als Nachfolger von Großadmiral Raeder zum Oberbefehlshaber der Kriegsmarine ernannt worden?

DÖNITZ: Am 30. Januar 1943.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Befand sich damals der Krieg, den Deutschland führte, in einem Stadium der Offensive oder der Defensive?

DÖNITZ: Der ausgesprochenen Defensive.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: War in Ihren Augen die Ihnen angebotene Stellung des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine eine militärische oder eine politische?

DÖNITZ: Es war selbstverständlich eine rein militärische Stellung, nämlich der erste Soldat an der Spitze der Kriegsmarine. Die Ernennung hierzu ist ja auch aus rein militärischen Gründen erfolgt, und zwar aus militärischen Gründen, die den Großadmiral Raeder bewogen, mich für diese Stellung vorzuschlagen, und rein militärische Gesichtspunkte sind also für diese Besetzung maßgeblich gewesen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sie wissen, Herr Großadmiral, daß die Anklage aus der Annahme dieser Ernennung zum Oberbefehlshaber der Kriegsmarine sehr weitgehende Schlußfolgerungen zieht, gerade im Hinblick auf die Verschwörung, und zwar sagt die Anklage, daß Sie durch diese Annahme frühere Ereignisse ratifiziert haben, und zwar alle Bestrebungen der Partei seit 1920 oder 1922 und die ganze deutsche Innen- und Außenpolitik mindestens seit 1933.

Sind Sie sich über diese Tragweite der Außenpolitik im klaren gewesen? Haben Sie überhaupt irgendwelche Erwägungen in dieser Richtung angestellt?

DÖNITZ: Diese Idee ist mir nicht im entferntesten gekommen. Ich glaube auch nicht, daß es einen Soldaten gibt, der, wenn er durch einen militärischen Befehl ein militärisches Kommando erhält, solche Gedanken hat und ein solches Bewußtsein hat. Das Kommando als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine war für mich eine Kommandierung, der ich selbstverständlich folgen mußte, wie jeder militärischen Kommandierung, es sei denn, daß ich gesundheitlich dazu nicht in der Lage war. Da ich letzteres bejahen mußte und glaubte, zum Nutzen der Kriegsmarine wirken zu können, habe ich dieses Kommando selbstverständlich auch mit innerer Zustimmung angetreten. Alles andere wäre Fahnenflucht oder Ungehorsam gewesen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sie sind nun als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine in ein recht enges Verhältnis zu Adolf Hitler getreten. Sie wissen auch, welche Folgerungen die Anklage aus diesem Verhältnis zieht. Bitte, sagen Sie mir, welches war dieses Verhältnis und worauf beruhte es?

DÖNITZ: Ich darf vielleicht, um es kurz zu fassen, die Sache so darstellen: Mein Verhältnis beruht auf drei Bindungen:

Erstens mal, ich bejahte die nationalen und sozialen Ideen des Nationalsozialismus; die nationalen, die sich ausdrückten in der Ehre und der Würde der Nation, seiner Freiheit und seiner Gleichberechtigung und seiner Sicherheit, und die sozialen, die vielleicht als Kernpunkt hatten keinen Klassenkampf, sondern menschliche und soziale Achtung jedes, ohne Rücksicht auf Stand, Beruf und wirtschaftliche Verhältnisse, aber andererseits Unterordnung eines jeden unter die Interessen des Gemeinwohls. Ich habe selbstverständlich auch mit Bewunderung gesehen und die hohe Autorität Adolf Hitlers freudig anerkannt, als es ihm nun im Frieden gelang, seine nationalen und sozialen Ziele auf unblutigem Wege so rasch zu verwirklichen.

Meine zweite Bindung war mein Eid. Adolf Hitler war auf legalem Wege, auf gesetzmäßigem Wege, Oberster Befehlshaber der Wehrmacht, dem die Wehrmacht durch ihren Eid die Treue geschworen hatte. Daß mir der Eid heilig war, ist selbstverständlich, und ich glaube, die Anständigkeit in der Welt wird überall auf dessen Seite stehen, der seinen Eid hält.

Die dritte Bindung war mein persönliches Verhältnis. Bevor ich Oberbefehlshaber der Kriegsmarine wurde, glaube ich, daß Adolf Hitler keine bestimmte Vorstellung von mir und meiner Person gehabt hat. Dazu hatte er mich zu wenig gesehen und immer nur im großen Kreise. Wie mein Verhältnis mit ihm werden würde war daher, als ich Oberbefehlshaber der Kriegsmarine wurde, vollkommen offen. Mein Start in der Beziehung war sehr ungünstig. Er war belastet durch erstens mal das kommende und dann eintreffende Zusammenbrechen des U-Bootkrieges; zweitens mal durch meine Weigerung, die bereits Großadmiral Raeder vertreten hatte, die großen Schiffe zu verschrotten, weil sie nach seiner Ansicht an Hand der erdrückenden Übermacht keinen Kampfwert hatten. Ich hatte mich ebenfalls, wie der Großadmiral Raeder, gegen diese Verschrottung gestemmt, und nur mit Krach hatte er schließlich zugestimmt. Ich stellte trotzdem bald fest, daß er in den Dingen der Kriegsmarine Vertrauen zu mir hatte und mich auch sonst ausgesprochen achtungsvoll behandelte. Adolf Hitler hat immer in mir nur den ersten Soldaten der Kriegsmarine gesehen. Er hat mich nie in einer militärischen Angelegenheit, sei es auf dem Heeresgebiet oder auf dem Gebiet der Luftwaffe, um Rat gefragt, die nicht die Kriegsmarine anging, noch habe ich mich je zu Dingen des Heeres oder des Luftgebietes geäußert, weil mir im Grunde dazu die Kenntnisse fehlten. Selbstverständlich hat er auch nie mich zu politischen Dingen, sei es innen- oder außenpolitischer Art, herangezogen oder um Rat gefragt.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sie sagen, Herr Großadmiral, er hat Sie nie in politischen Dingen um Rat gefragt. Solche Dinge mögen aber manchmal im Zusammenhang gestanden haben mit Fragen der Kriegsmarine. Wurden Sie dann nicht beteiligt?

DÖNITZ: Wenn man politisch so versteht, daß zum Beispiel die Beratung der Kommandeure durch die sogenannten nationalsozialistischen Führungsoffiziere dazu gehörte, dann war ich selbstverständlich beteiligt, weil das ja in den Bereich der Kriegsmarine hineingriff beziehungsweise eine Einrichtung der Kriegsmarine werden sollte. Das ist natürlich der Fall.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Hat Sie über solche Fragen hinaus Adolf Hitler niemals als allgemeinen Berater angesehen, wie die Anklage behauptet und wie sie folgert aus einer langen Liste von Zusammenkünften, die Sie seit 1943 mit Adolf Hitler im Führerhauptquartier gehabt haben?

DÖNITZ: Von einer allgemeinen Beratung ist beim Führer erstmals grundsätzlich keine Rede und im besonderen, wie ich schon sagte, der Führer hat von mir nur einen Rat eingeholt und von mir auch nur einen Rat bekommen in Angelegenheiten der Kriegsmarine und der Seekriegsführung, und zwar sehr streng, ausschließlich auf dieses Ressort, dem ich vorstand, beschränkt.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sie waren nun, nach der vorgelegten Aufstellung, von 1943 bis 1945 manchmal einmal, manchmal auch zweimal im Monat zum Führerhauptquartier bestellt. Bitte schildern Sie einmal dem Tribunal, wie so ein Tag im Führerhauptquartier für Sie eigentlich aussah, was Sie dort zu tun hatten.

DÖNITZ: Ich bin bis auf die letzten zwei bis drei Monate vor dem Zusammenbruch, als der Führer in Berlin war, ins Führerhauptquartier geflogen, etwa alle zwei bis drei Wochen, und zwar nur dann, wenn ich irgendeine konkrete militärische Angelegenheit der Marine vorzutragen hatte, wozu ich seine Entscheidung brauchte. Es ist dann so gewesen, daß ich teilgenommen habe mittags an der allgemeinen militärischen Lage, das war also der Vortrag, wo der Stab des Führers dem Führer berichtete über das, was in den letzten vierundzwanzig Stunden etwa sich an den Kampffronten ereignet hat. Bei diesen militärischen Lagen habe ich das Wort nur ergriffen, weil der Schwerpunkt ja auf der Heereslage beziehungsweise auf der Luftlage lag, wenn mein Marinereferent, der die Marinelage vortrug, in seinem Vortrag durch mich irgendeine Ergänzung brauchte. Es hat dann zu einer bestimmten Zeit, die festgelegt wurde durch die Adjutantur, mein militärischer Vortrag, der der Zweck meiner Reise war, stattgefunden. Bei diesem Vortrag waren nur die dabei, die die Sache etwas anging, also meistens, was Dinge des Menschenersatzes und so weiter betraf, der Feldmarschall Keitel beziehungsweise Generaloberst Jodl.

Der Führer hat nach, wenn ich alle vierzehn Tage oder drei Wochen, später, 1944, war es auch mal sechs Wochen Zwischenraum, ins Hauptquartier kam, zum Mittagessen eingeladen. Diese Einladungen hörten nach dem 20. Juli 1944, dem Attentatstag, vollkommen auf.

Ich habe vom Führer nie einen Befehl erhalten, der irgend in einer Form gegen die Kampfsittlichkeit verstößt. Ich habe, und mit mir die ganze Kriegsmarine, das ist meine Überzeugung, von der Menschenvernichtung, die mir hier durch die Anklageschrift, beziehungsweise was die Konzentrationslager anbelangt, nach der Kapitulation im Mai 1945 bekanntgeworden ist, nichts gewußt. Ich habe in Adolf Hitler die gewaltige Persönlichkeit gesehen, mit einer außerordentlichen Intelligenz und Tatkraft, mit einer geradezu universalen Bildung und einem kraftausströmenden Wesen und mit einer ungeheuer suggestiven Kraft.

Ich habe andererseits bewußt nur selten meinen Weg ins Hauptquartier genommen, weil ich das Gefühl hatte, daß ich so am besten meine Stoßkraft behalte und zweitens, weil ich nach mehreren Tagen, zwei bis drei Tagen, oder zwei Tagen Aufenthalt im Hauptquartier, das Gefühl hatte, mich von seiner suggestiven Kraft wieder absetzen zu müssen. Ich erzähle das, weil ich in dieser Beziehung zweifelsohne es besser hatte als sein Stab, der dauernd einer so gewaltigen Persönlichkeit mit dieser suggestiven Kraft ausgesetzt war.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sie sagten eben, Herr Großadmiral, daß Sie nie einen Befehl erhalten hätten, der gegen die soldatische Kampfmoral verstoßen habe.

Sie kennen den Befehl zur Vernichtung von Sabotagetruppen vom Herbst 1942? Haben Sie diesen Befehl nicht erhalten?

DÖNITZ: Ich habe von diesem Befehl Kenntnis bekommen nach seiner Herausgabe, als ich Befehlshaber der U-Boote war. Für die Frontsoldaten war dieser Befehl eindeutig. Ich hatte das Gefühl, das ist eine sehr harte Sache, aber in der Ziffer 1 dieses Befehls war klar und eindeutig ausgedrückt, daß Angehörige des Feindes sich durch ihr Verhalten, durch Töten von Gefangenen, außerhalb der Genfer Konvention gestellt hatten und daß infolgedessen vom Führer Vergeltungsmaßnahmen befohlen seien und daß diese Vergeltungsmaßnahmen zudem im Wehrmachtsbericht veröffentlicht worden waren.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Es gab also für den Soldaten, der diesen Befehl erhielt, gar keine Rechte, keine Möglichkeit und keine Befugnis, nun eine Rechenschaft oder Prüfung zu verlangen: Stimmen diese Voraussetzungen auch in dem Maße, daß ein solcher Befehl gerechtfertigt ist? Haben Sie als Befehlshaber der U-Boote mit der Durchführung dieses Befehls zu tun gehabt?

DÖNITZ: Nein, nicht das geringste.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sind Sie, Ihrer Erinnerung nach, als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine mit der Durchführung des Befehls einmal befaßt worden?

DÖNITZ: Nach meiner Erinnerung bin ich als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine nicht mit diesem Befehl befaßt worden. Man darf nicht vergessen, daß erstens in dem Befehl ausdrücklich ausgenommen worden waren die im Seekampf gefangengenommenen Gegner, und zweitens, daß die Marine auf dem Lande auch keine territorialen Befugnisse hatte, also aus letzterem Grunde grundsätzlich auch weniger in die Lage kam, irgendeine Ziffer des Befehls ausführen zu müssen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sie kennen ja nun das Dokument der Anklage, in dem ein Vorfall geschildert wird, wo im Sommer 1943 ein Sabotagetrupp in Norwegen erschossen worden ist. Ich meine das Dokument der Anklage GB-208. Der Vorfall ist dort so geschildert, daß die Besatzung eines norwegischen Motortorpedobootes auf einer norwegischen Insel gefangengenommen wurde. Das Motortorpedoboot hatte Kampfaufgaben zur See. Wer die Besatzung gefangengenommen hat, steht nicht in dem Dokument, es steht aber darin, daß die Besatzungsmitglieder bei der Gefangennahme in Uniform waren, daß Sie von einem Marineoffizier vernommen wurden und daß sie auf Befehl des Admirals von Schrader an den SD abgegeben wurden. Der SD hat sie dann später erschossen.

Ist Ihnen der ganze Vorfall irgendwie bekannt oder gemeldet worden als Oberbefehlshaber?

DÖNITZ: Ich habe von diesem Vorfall Kenntnis bekommen aus dem Trialbrief der Anklage.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Können Sie erklären, daß ein solcher Vorfall nicht zu Ihrer Kenntnis gekommen ist; mußte er nicht gemeldet werden?

DÖNITZ: Wenn die Marine dabei betroffen war, das heißt, wenn der betreffende Trupp von der Marine gefangengenommen worden wäre, so hätte der Admiral von Schrader, der Befehlshaber dort war, unbedingt diese Angelegenheit dem Oberkommando der Kriegsmarine melden müssen. Ich bin auch überzeugt, daß er es getan hätte, denn die Vorschrift war ja ganz eindeutig darüber; und ich bin auch überzeugt, daß mir, als Oberbefehlshaber, dann von dem betreffenden Referenten in dem Oberkommando der Kriegsmarine dies gemeldet worden wäre.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wie beurteilen Sie nun diesen Fall jetzt, nachdem er Ihnen durch das Dokument der Anklage zur Kenntnis gekommen ist?

DÖNITZ: Ist es zutreffend, daß es sich um die Besatzung eines Motortorpedobootes gehandelt hat, das Seekriegsaufgaben hatte, dann ist diese Maßnahme, diese Erschießung, die da erfolgt ist, unter allen Umständen ganz falsch. Denn sie widerspricht ja auch ausdrücklich sogar diesem Kommandobefehl. Ich halte es aber für ausgeschlossen, denn ich glaube nicht, daß dazu der Admiral von Schrader, der mir persönlich als besonders ritterlicher Seefahrer bekannt ist, dazu seine Hand gegeben hätte. Nach dem ganzen Umstand dieser Angelegenheit, daß dieser Vorfall nicht dem Oberkommando gemeldet wurde, daß dieser Vorfall, wie er jetzt festgestellt worden ist durch Kontrolle der deutschen Zeitungen aus dieser Zeit, auch nicht im Wehrmachtsbericht bekanntgegeben worden ist, wie es hätte geschehen müssen, wenn es eine Wehrmachtsangelegenheit gewesen wäre, nehme ich heute folgenden Sachverhalt an:

Daß die Polizei die Gefangennahme dieser Leute auf der Insel gemacht hat; daß sie von dieser Insel mit einem Fahrzeug nach Bergen gebracht wurden, daß sie dort von ein oder zwei, wenn ich mich recht erinnere, Marineoffizieren vernommen wurden, weil die Marine natürlich ein Interesse an dieser Vernehmung hatte, und daß dann die Abgabe oder die Weitergabe dieser Leute an den Sicherheitsdienst erfolgt ist, weil sie vorher bereits durch den Sicherheitsdienst gefangengenommen worden sind.

Eine andere Erklärung ist für mich nicht möglich.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sie wollen also sagen, daß Ihrer Auffassung nach diese Männer damals niemals Gefangene der Kriegsmarine gewesen sind?

DÖNITZ: Nein, wären sie das gewesen, wäre eine Meldung an das Oberkommando erfolgt.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Von diesen Fragen nun ganz abgesehen möchte ich Sie fragen: Haben Sie insgesamt in Ihrer Stellung als Oberbefehlshaber und bei Ihren Besuchen im Führerhauptquartier nicht Erlebnisse gehabt, die es Ihnen nahelegten, sich von Adolf Hitler loszusagen?

DÖNITZ: Ich habe ja bereits erklärt, daß hinsichtlich meiner Tätigkeit, auch im Hauptquartier, ich streng beschränkt war auf mein Ressort, wie es überhaupt die Eigenart des Führers war, jeden nur in seiner Angelegenheit zu hören. Es war auch selbstverständlich, daß bei den militärischen Lagen nur rein militärische Dinge besprochen wurden, also keine Dinge der Innenpolitik oder des Sicherheitsdienstes oder der SS, soweit es sich bei der letzteren, bei der SS, nicht nur um SS-Divisionen, die im militärischen Einsatz unter irgendeinem Heeresbefehlshaber standen, gehandelt hat. Ich habe daher von all diesen Dingen nichts erfahren. Ich habe, wie auch schon gesagt, vom Führer nie einen Befehl erhalten, der gegen die Kampfsittlichkeit verstößt.

Ich habe daher die Kriegsmarine meinem festen Glauben nach bis in die letzte Ecke sauber in jeder Beziehung gehalten bis zum Schluß. Ich habe mein Gesicht im Seekrieg nach dem Wasser gehabt, und die Kriegsmarine hat versucht, so klein sie war, im Rahmen ihrer Aufgaben ihre Pflicht zu erfüllen.

Ich hatte also gar keinen Grund irgendwelcher Art, mich irgendwie vom Führer zu lösen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ein solcher Grund braucht ja nicht nur ein Verbrechen zu sein, sondern er kann auch in politischen Erwägungen ganz außerhalb von Verbrechen liegen. Sie haben ja gehört, daß wiederholt die Frage angeschnitten worden ist, ob man einen Putsch hätte machen müssen. Sind an Sie solche Anregungen herangetreten oder haben Sie selbst einen Putsch erwogen oder versucht?

DÖNITZ: Nein, das Wort Putsch ist hier in diesem Saal oft von den verschiedensten Personen ausgesprochen worden. Es sagt sich leicht; ich glaube aber, daß man sich der ungeheuren Tragweite einer solchen Handlung bewußt sein mußte. Die deutsche Nation befand sich in einem Krieg auf Leben und Tod. Sie war von Feinden umringt, ich möchte sagen, wie eine Festung, und es ist Klar, um bei dem Beispiel der Festung zu bleiben, daß jede Erschütterung im Innern sich ohne Zweifel zwangsläufig auswirkt auf die Kampfkraft und die Schlagkraft nach außen.

Wer es also unternimmt, gegen seine Treue und seinen Eid in solch einem Lebenskampf einen Umsturz zu planen, zu versuchen, der muß aufs tiefste die Überzeugung haben und sich seiner Verantwortung bewußt sein, daß ein solcher Umsturz für das Volk unter allen Umständen notwendig ist. Trotzdem wird jede Nation einen solchen Mann als Verräter verurteilen, und er wird vor der Geschichte nicht bestehen können, wenn bei Erfolg seines Umsturzes diese Maßnahme sich nicht auch tatsächlich zum Wohl und zugunsten seines Volkes auswirkt.

Diese Voraussetzung hielt ich jedoch in Deutschland nicht für gegeben. Wenn zum Beispiel der Putsch des 20. Juli gelungen wäre, dann wäre eine Auflösung, wenn auch vielleicht nur eine allmähliche, im Innern die Folge gewesen, eine Bekämpfung der Waffenträger, hie SS, hie andere Leute, untereinander, ein Chaos im Innern, weil das feste Staatsgefüge allmählich zerbrochen worden wäre und unter allen Umständen eine Auflösung und Verminderung der Schlagkraft der Front.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß der Angeklagte eine lange und politische Rede hält. Es hat wirklich nicht viel mit den Fragen, die zur Verhandlung stehen, zu tun.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Präsident! Ich war der Auffassung, daß die Frage, ob ein Oberbefehlshaber verpflichtet sei, einen Putsch zu machen, von der Anklage als ein Kernpunkt angesehen wird, und zwar als ein erheblicher Punkt in der Frage, ob er sich mit dem System, das als verbrecherisch gekennzeichnet wird, einverstanden erklärt oder nicht. Wenn das Gericht diese Frage für unerheblich hält, will ich nicht weiter darauf eingehen.

VORSITZENDER: Ich glaube nicht, daß die Anklage die Ansicht vorgebracht hat, daß jeder einen Putsch machen müßte.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Es schien mir ein selbstverständlicher Standpunkt der Anklage zu sein.