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[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Großadmiral! Die Anklage hat Dokumente vorgelegt, und zwar zwei aus dem Winter 1943 und Mai 1945 mit Ansprachen von Ihnen an die Truppe. Die Anklage macht Ihnen den Vorwurf, daß Sie die nationalsozialistischen Ideen der Truppe gepredigt haben. Bitte äußern Sie sich dazu!

DÖNITZ: Als ich im Februar 1943 Oberbefehlshaber der Kriegsmarine wurde, war ich verantwortlich für die Schlagkraft der gesamten Kriegsmarine. Eine Hauptstärke in diesem Kriege war die Einheit unseres Volkes, und der Hauptnutznießer dieser Einheit war die Wehrmacht; denn jede Zersplitterung im Innern hätte sich zwangsläufig auf die Truppe ausgewirkt und ihre Schlagkraft für den Kampf, der ihre Aufgabe war, gemindert. Gerade die Marine hatte ja im ersten Weltkrieg, im Jahre 1917 und 1918, sehr schmerzliche Erfahrungen in dieser Beziehung gemacht. Deshalb habe ich in all meinen Ansprachen dafür gewirkt, daß diese Einigkeit bleibt und daß wir uns als Garanten dieser Einigkeit fühlen. Das war notwendig und richtig, und zwar notwendig für mich als Truppenführer. Ich kann ja nicht die Uneinigkeit predigen oder die Auflösung. Es hat sich auch ausgewirkt. Die Schlagkraft, die militärische Manneszucht in der Kriegsmarine, ist bis zum Schluß hoch gewesen, und ich glaube, daß in jeder Nation eine solche Leistung als richtige und gute Leistung ihres Truppenführers gilt.

Das sind meine Gründe gewesen, daß ich so gepredigt habe.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sie sind nun am 30. April 1945 als Nachfolger Adolf Hitlers Staatsoberhaupt geworden und die Anklage schließt daraus, daß Sie auch schon vorher ein enger Vertrauter Adolf Hitlers gewesen sein müssen, da man ja nur einem Vertrauten letzten Endes die Nachfolge im Staate anvertraut. Wollen Sie mir sagen, wie es zu dieser Nachfolge gekommen ist und ob Adolf Hitler irgendwann vorher mit Ihnen überhaupt über diese Möglichkeit gesprochen hat?

DÖNITZ: Ich habe Adolf Hitler seit dem 20. Juli 1944 nicht mehr allein gesehen, sondern nur während der großen militärischen Lage. Er hat nie auch nur andeutungsweise über irgendeine Nachfolgerschaft mit mir gesprochen. Das war ja auch ganz natürlich und klar, weil ja durch Gesetz der Reichsmarschall sein Nachfolger war und dieses bedauerliche Mißverständnis zwischen dem Führer und dem Reichsmarschall ja erst Ende April 1945 eintrat, und zwar zu einer Zeit, wo ich bereits nicht mehr in Berlin war.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wo waren Sie?

DÖNITZ: Ich war in Holstein. Es ist also nie der geringste Gedanke bei mir und jedenfalls auch nicht beim Führer gewesen, daß ich Nachfolger werden sollte.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wodurch, durch welche Maßnahmen oder Befehle ist es denn nun tatsächlich dazu gekommen?

DÖNITZ: Ich habe am 30. April 1945 abends einen Funkspruch bekommen aus dem Hauptquartier, daß der Führer mich als seinen Nachfolger vorgesehen hat und ich berechtigt sei, ab sofort alle Maßnahmen zu treffen, die ich für erforderlich hielt. Ich habe am nächsten Morgen einen weiteren Funkspruch bekommen, also am 1. Mai morgens, worin als nähere Anweisung stand, daß ich Reichspräsident sein sollte, der Minister Goebbels Reichskanzler, Herr Bormann Parteiminister und Seyß-Inquart Außenminister.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Haben Sie sich an diese Weisung gehalten?

DÖNITZ: Dieser Funkspruch stand erstens mal im Widerspruch zu dem ersten Funkspruch, wo ja klar gesagt war: »Du kannst ab sofort alles tun, was du für richtig hältst.« Ich habe mich auch grundsätzlich und hätte mich nie an den Funkspruch gehalten im zweiten Teil, denn wenn ich die Verantwortung bekomme, dürfen mir auch keine Bedingungen auferlegt werden, und drittens hätte ich unter keinen Umständen mich auf eine Mitarbeit der genannten Personen, mit Ausnahme des Herrn Seyß-Inquart, eingelassen. Ich hatte bereits am Morgen des 1. in aller Frühe eine Unterredung gehabt mit dem Finanzminister Grafen Schwerin-Krosigk und ihn gebeten, die Regierungsgeschäfte, soweit man überhaupt noch davon reden konnte, zu übernehmen. Ich hatte das getan, weil in der zufälligen Aussprache, die einige Tage vorher stattgefunden hatte, sich eine große Übereinstimmung unserer Ansichten herausgestellt hatte, der Ansichten, daß das deutsche Volk zum christlichen Westen gehört, daß die Grundlage zukünftiger Lebensbedingung die absolute Rechtssicherheit der Person, des Privateigentums ist.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Großadmiral! Sie kennen ja das sogenannte Politische Testament Adolf Hitlers, in dem Sie beauftragt werden, den Krieg fortzusetzen. Ist Ihnen ein derartiger Auftrag damals erteilt worden?

DÖNITZ: Nein, ich habe dieses Testament erst hier vor einigen Wochen, als es in der Presse veröffentlicht wurde, kennengelernt. Wie gesagt, hätte ich auch irgendeinen Auftrag, als mir in dieser hoffnungslosen Lage Deutschlands die Verantwortung gegeben wurde, irgendeine Bindung meines Handelns nicht angenommen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Die Anklage hat nun ein Dokument vorgelegt, in dem Sie die Kriegführenden zu zähem Durchhalten aufforderten im Frühjahr 1945. Es ist das Dokument GB-212. Sie knüpft daran den Vorwurf, daß Sie als fanatischer Nazi bereit gewesen seien, einen hoffnungslosen Krieg auf Kosten der Frauen und Kinder Ihres Volkes weiterzuführen. Bitte, nehmen Sie zu diesem besonders schwerwiegenden Vorwurf Stellung!

DÖNITZ: Hierzu ist folgendes zu sagen: Im Frühjahr 1945 war ich nicht Staatsoberhaupt, sondern Soldat.

Weiterkämpfen oder nicht, das war eine politische Entscheidung. Das Staatsoberhaupt wollte weiterkämpfen, ich als Soldat hatte zu gehorchen; es ist eine Unmöglichkeit in einem Staat, daß etwa ein Soldat erklärt, ich kämpfe weiter und der andere sagt, ich kämpfe nicht mehr weiter. Ich hätte auch keinen anderen Rat geben können, so wie ich die Dinge übersah, aus folgenden Gründen:

Erstens: Im Osten bedeutete das Durchbrechen unserer Fronten an einer Stelle die Vernichtung des hinter der Front lebenden Volkes. Das war uns klar auf Grund der praktischen Erfahrungen und aller Nachrichten, die wir darüber hatten. Das war der Glaube des ganzen Volkes, daß der Soldat im Osten seine kämpferische Pflicht tun mußte in diesen harten Monaten des Krieges, die letzten harten Monate des Krieges; das war daher besonders wichtig, weil sonst deutsche Frauen und Kinder verlorengingen. Die Marine war im Osten erheblich eingesetzt mit etwa 100000 Mann an Land, und die gesamte Überwasser- Kriegsmarine konzentriert in Truppen-, Waffen-, Verwundeten- und vor allem Flüchtlingstransporte in der Ostsee. Es kam also gerade zur Erhaltung deutschen Volkstums in dieser letzten harten Zeit auf hartes Durchhalten des Soldaten ganz besonders an.

Zweitens: Hätten wir im Frühjahr in den ersten Monaten oder im Winter 1945 kapituliert, so wäre ja nach allem, was wir vom Feinde wußten, die tödliche Zerreißung und Aufteilung entsprechend des Yalta- Abkommens genau so erfolgt wie heute und eine entsprechende Besetzung des deutschen Landes.

Drittens: Kapitulation bedeutet für die Armee, für den Soldaten stehenbleiben und in die Gefangenschaft kommen; das heißt also, wenn wir etwa im Januar oder Februar 1945 kapituliert hätten, dann wären zum Beispiel im Osten zwei Millionen Soldaten in russische Hände gefallen. Daß diese Unterbringung dieser Millionen im kalten Winter unmöglich gewesen wäre, liegt auf der Hand, und daß wir in ganz großem Stile dann Menschen verloren hätten, ist klar, denn es ist ja selbst bei der Kapitulation im Mai 1945, also im Frühling, im Spätfrühling, im Westen nicht geglückt, die großen Gefangenenmassen der Genfer Konvention entsprechend unterzubringen. Wir hätten da aber ja auch...da, wie ich schon sagte, nun das Yalta-Abkommen durchgeführt war, hätten wir eine ungleich größere Zahl von Menschen, die noch nicht geflohen waren aus dem Ostraum, im Ostraum verloren. Als ich nun am 1. Mai Staatsoberhaupt wurde, lagen die Verhältnisse anders. Damals waren die Fronten schon so nahe aneinandergerückt, die Ost- und die Westfront, daß in wenigen Tagen aus dem Ostraum Menschen, die Truppen, Soldaten, die Armeen und die Riesenschar von Flüchtlingen nach dem Westen übergeleitet werden konnten. Mein Streben war daher, als ich am 1. Mai Staatsoberhaupt wurde, so schnell wie möglich Frieden zu machen und zu kapitulieren, unter möglichster Rettung deutschen Blutes, deutscher Bevölkerung vom Osten nach dem Westen, und entsprechend habe ich durch meine sofortige Einleitung der Kapitulation bereits am 2. Mai beim Feldmarschall Montgomery für den Raum, der seiner Armee gegenüberstand und für Holland und Dänemark, die noch fest in unserer Hand waren, gehandelt, und entsprechend habe ich sofort im Anschluß daran dem General Eisenhower gegenüber meine Schritte ergriffen. Derselbe Grundsatz, deutsche Menschen, deutsche Bevölkerung zu erhalten, zu retten, hat mich also bewogen, im Winter in die bittere Notwendigkeit zu treten, zu kämpfen. Es war sehr schmerzlich, daß unsere Städte noch zerbombt wurden und wir durch diese Bombenangriffe und durch diesen Kampf noch Menschen verloren. Die Zahl dieser Menschen ist aber etwa 300000 bis 400000, wobei den Hauptanteil daran der Bombenangriff auf Dresden, der militärisch nicht zu verstehen ist, trägt und nicht vorauszusehen war. Diese Zahl ist aber verhältnismäßig gering gegenüber den Millionen von deutschen Menschen, die wir im Osten verloren hätten an Soldaten und Bevölkerung, wenn wir im Winter kapituliert hätten. Es ist also meiner Ansicht nach ein gegensätzliches Handeln nötig gewesen einmal, wie ich noch Soldat war, meine Truppen aufzurufen, hart weiterzukämpfen; und zweitens, als ich im Mai Staatsoberhaupt war, sofort zu kapitulieren. Dadurch sind keine deutschen Menschen verlorengegangen, sondern gerettet worden.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich habe keine weiteren Fragen mehr, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof vertagt sich.