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[Zum Zeugen gewandt:]

Ich danke Ihnen aber jedenfalls für die weitere Beantwortung der Frage und bitte Sie, mir folgende Frage zu beantworten:

Ist es richtig, daß Hitler allen Wehrmachtsteilen die Berichterstattung über alle politischen Angelegenheiten verboten und vielmehr verlangt hat die Beschränkung auf das eigene Aufgabengebiet des Betreffenden?

DÖNITZ: Ja, das ist richtig.

DR. NELTE: Nun hat der Zeuge Gisevius ausgesagt, der Feldmarschall Keitel habe die ihm unterstellten Offiziere damit bedroht, daß er sie der Gestapo übergeben würde, wenn sie sich mit politischen Dingen befassen würden, und ich frage Sie: Ist es richtig, daß nach den für die Wehrmacht maßgeblichen Bestimmungen die Polizei, einschließlich der Gestapo, Kripo und SD, gegenüber Wehrmachtsangehörigen, ganz gleich welchen Ranges, keinerlei Exekutivgewalt hatte?

DÖNITZ: Es ist richtig.

DR. NELTE: Ferner, daß die Wehrmachtsteile und auch das OKW peinlich dieses Vorrecht gegenüber der Polizei wahrten?

DÖNITZ: Jawohl.

DR. NELTE: Dadurch hätte also eine angebliche Drohung, von der Gisevius gesprochen hat, die Überstellung an die Gestapo, tatsächlich gar nicht verwirklicht werden können?

DÖNITZ: Nein.

DR. NELTE: Und ist es richtig, wenn ich sage, daß alle Offiziere des OKW, denen gegenüber diese Äußerung hätte fallen können, das natürlich auch wußten?

DÖNITZ: Selbstverständlich. Der Soldat unterstand ja der Militärgerichtsbarkeit. In die Wehrmacht konnte niemand hineinreichen.

DR. NELTE: Darüber hinaus, hatte der Feldmarschall Keitel als Chef des OKW überhaupt das Recht, über die im OKW diensttuenden Offiziere ohne Kenntnis und ohne Zustimmung des Oberbefehlshabers des Wehrmachtsteiles, dem der Betreffende angehörte, zu verfügen, zum Beispiel zu versetzen oder zu verabschieden oder dergleichen?

DÖNITZ: Der betreffende Offizier des Wehrmachtsteiles, zum Beispiel der Marine, wurde ja ins OKW für eine bestimmte Dienststelle kommandiert und damit abgegeben aus der Marine an das OKW. Es war eine Selbstverständlichkeit, daß bei einer anderen Verwendung dieses Offiziers im OKW der Wehrmachtsteil hätte gehört werden müssen.

DR. NELTE: War es nicht so, daß diese Offiziere persönlich nach wie vor bei ihrem Wehrmachtsteil geführt wurden, weil das OKW kein Wehrmachtsteil und auch keine Formation in diesem Sinne war, also daß, wenn zum Beispiel eine Beförderung erfolgte, sie von der Marine kommandiert wurde? Wenn Canaris hätte versetzt werden sollen, hätten Sie als Oberbefehlshaber der Marine diese Versetzung vornehmen müssen, natürlich, wenn Sie mit dem Vorschlag einverstanden waren? Es handelt sich bloß um die Frage des eigentlichen Befehls einschließlich des Personals.

DÖNITZ: Diese Offiziere waren zum OKW abkommandiert. Sie standen meiner Erinnerung nach noch in der Marinerangliste darin, unter dem Titel »Aus der Marine abkommandiert an das OKW«.

DR. NELTE: Aber sie verließen die Marine als Wehrmachtsteil nicht?

DÖNITZ: Eine Beförderung dieser Offiziere wurde, glaube ich, vom Marinepersonalamt im Einvernehmen mit dem OKW ausgesprochen, und ich glaube auch, daß eine Abkommandierung, das halte ich für selbstverständlich, nicht ohne Zustimmung des betreffenden Wehrmachtsteils hätte geschehen können.

DR. NELTE: Der Zeuge Gisevius hat dem Sinne nach ausgesagt, daß gewisse Männer um Hitler, darunter war auch Feldmarschall Keitel, für den militärischen Bereich gemeint, einen engen Ring, einen Ring des Schweigens, um Hitler gebildet hätten, so daß keiner an Hitler herankommen konnte, den sie nicht wünschten.

Ich frage Sie: Hatte Keitel die Möglichkeit, Sie als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine Hitler fernzuhalten, wenn Sie ihm Vortrag zu halten wünschten?

DÖNITZ: Nein.

DR. NELTE: Hatte Feldmarschall Keitel die Möglichkeit, den Oberbefehlshaber der Luftwaffe in gleicher Weise fernzuhalten, wenn dieser dem Führer Bericht erstatten wollte?

DÖNITZ: Nein.

DR. NELTE: Und wie war es mit dem Oberbefehlshaber des Heeres?

DÖNITZ: Das habe ich nicht erlebt; wie ich Oberbefehlshaber der Kriegsmarine war, gab es das nicht mehr.

DR. NELTE: Dann frage ich Sie: Wie war es mit dem Generalstabschef des Heeres? Konnte der jederzeit über und ohne den Feldmarschall Keitel Hitler Vortrag halten?

DÖNITZ: Die Möglichkeit eines Fernhaltens hatte der Feldmarschall Keitel nicht, hätte er auch nie getan.

DR. NELTE: Der Zeuge Gisevius hat hier, auf die Frage der Anklagebehörde bezugnehmend, ausgesagt, daß seine Gruppe auf dem Wege über Admiral Canaris dem Feldmarschall Keitel Berichte zuleitete, die sich mit den hier von der Anklage vorgetragenen Verbrechen gegen die Humanität befaßten. Diese Berichte hat man als Auslandsberichte getarnt. Ich frage Sie, ist Ihnen jemals ein solcher getarnter Auslandsbericht von Canaris vorgelegt oder zugesandt worden?

DÖNITZ: Nein, niemals.

DR. NELTE: Halten Sie es mit Ihrer Kenntnis der Persönlichkeit des Feldmarschalls Keitel für möglich, daß er einen wichtigen Bericht, der ihm zugeleitet wurde, Hitler vorenthalten würde?

DÖNITZ: Das halte ich für ganz ausgeschlossen.

VORSITZENDER: Ich halte diese Frage nicht für zulässig.

DR. NELTE: Ich wollte mit dieser Frage meine diesbezüglichen Nachforschungen beenden, habe nur noch eine andere Frage, die aber rasch erledigt sein wird.

Herr Präsident! Sie haben mir mit Schreiben vom 26. 3. 1946 gestattet, daß ich ein Affidavit des Großadmirals Dönitz vorlegen dürfe, welches ich über die Funktion und Stellung des Chefs des OKW erhielt. Ich habe dieses Affidavit am 13. April der Anklagebehörde zur Prüfung überreicht und habe gehört, daß Bedenken gegen dieses Affidavit nicht bestehen. Das Original habe ich aber noch nicht wieder zurückerhalten seit dem 13. April und weiß nicht, ob es dem Gericht von der Anklagebehörde inzwischen vorgelegt worden ist.

VORSITZENDER: Ich weiß nichts von dem Affidavit, von dem Sie sprechen.

DR. NELTE: Ich würde nun gezwungen sein, die Fragen an Großadmiral Dönitz zu richten, die aber zu einem großen Teil die enthalten, die ich schon an Feldmarschall Keitel selber gerichtet habe.

VORSITZENDER: Hat die Anklagebehörde überhaupt Einwände gegen das Affidavit?

DR. NELTE: Nein, die Anklage hat keinerlei Einwände erhoben, und ich würde es deshalb, wenn es zurückgekommen wäre, der Anklage als Beweisstück zu den Akten überreichen, ohne es zu verlesen.

VORSITZENDER: Gut.

DR. NELTE: Danke.

DR. DIX: Herr Zeuge! Sie haben bekundet, daß der SD, die Geheime Staatspolizei, überhaupt die Polizei, keine Exekutivgewalt über Angehörige der Wehrmacht gehabt habe, also insbesondere Angehörige der Wehrmacht nicht habe verhaften können. Habe ich Sie richtig verstanden?

DÖNITZ: Jawohl.

DR. DIX: Ist Ihnen, Herr Zeuge, nicht bekannt, daß die Offiziere, die unter dem Verdacht standen, mit dem 20. Juli verwickelt zu werden, sämtliche oder jedenfalls zum größten Teil von Angehörigen des SD verhaftet, vom SD und ihrer jeweiligen Stelle, wo sie verhaftet wurden, zur Kontrolle der unter dem SD stehenden Gefängnisse transportiert wurden und dort auch weiter unter der Haftobhut des SD standen und unter keinerlei Haftobhut irgendeiner militärischen Instanz?

DÖNITZ: Nein, ist mir nicht bekannt, denn nach dem 20. Juli war meiner Erinnerung nach ausdrücklich eine Bestimmung erlassen, daß der SD den Wehrmachtsteilen die Soldaten zu nennen hätte, die an dem Putsch beteiligt waren und daß diese Soldaten dann aus dem Wehrmachtsteil zu entlassen seien, gerade weil der Grundsatz des Eingriffs in den Wehrmachtsteil nicht verletzt werden sollte und daß dann der SD das Zugriffsrecht hat.

DR. DIX: Diese Verordnung ist erlassen worden, aber vielleicht kommen wir durch die Beantwortung weiterer Fragen, die ich an Sie stellen möchte, zur Klärung dieser Verordnung.

Ist Ihnen, Herr Zeuge, bekannt, daß die Untersuchung, also insbesondere das Verhör der im Rahmen des 20. Juli verhafteten Offiziere ausschließlich durch Beamte des SD beziehungsweise der Geheimen Staatspolizei, geführt worden ist und nicht durch Offiziere beziehungsweise Angehörige der Militärjustiz?

DÖNITZ: Ich kann nur urteilen über die beiden Fälle, die ich dabei in der Kriegsmarine hatte. Ich bekam die Angabe, diese beiden Offiziere waren beteiligt. Ich habe sie fragen lassen, sie haben es bestätigt. Darauf wurden die Offiziere aus der Marine entlassen. Dann ist selbstverständlich das Verhör nicht mehr von der Marine erfolgt, aber ich weiß, daß meine Marinekriegsgerichtsräte sich noch um die Offiziere und das Verhör bekümmert haben.

DR. DIX: Wer entließ sie?

DÖNITZ: Die Kriegsmarine.

DR. DIX: Also Sie?

DÖNITZ: Ja.

DR. DIX: Ist Ihnen bekannt, Herr Zeuge, daß im Verfolg der Untersuchung über den 20. Juli ein Ausschuß gebildet worden ist von Generalen, denen der Feldmarschall von Rundstedt vorsaß?

DÖNITZ: Ja, ich habe davon gehört.

DR. DIX: Und daß dieser Ausschuß, und zwar auf Grund der Protokolle des SD entschied, ob der betreffende Offizier aus dem Heer auszustoßen sei, beziehungsweise aus dem Heer ausscheiden müsse, damit er dann der zivilen Gerichtsbarkeit, nämlich dem Volksgerichtshof, übergeben werden konnte?

DÖNITZ: Das ist mir nicht bekannt.

DR. DIX: Ich darf vorhalten, daß ich der Meinung bin, daß die von Ihnen vorhin richtig bekundete Verordnung...

VORSITZENDER: Dr. Dix! Sie sind an seine Antwort gebunden. Er sagte, er wisse nichts davon. Sie können ihm dann nicht vorhalten, was nach Ihrer Meinung vorgefallen ist. Wenn er sagt, er weiß nichts darüber, müssen Sie sich mit seiner Antwort zufriedengeben.

DR. DIX: Ich wollte ihm nur vorhalten, daß die Verordnung, auf die ich vorhin Bezug genommen habe und die tatsächlich besteht, und die davon ausgeht, daß entschieden wird, ob jemand auszuscheiden hat aus dem Heer, um ihn dann den zivilen Behörden übergeben zu können, zusammenhängt mit diesem Ausschuß, präsidiert von Generalfeldmarschall von Rundstedt, der zu entscheiden hätte darüber, ob der betreffende Offizier die Uniform auszuziehen hat und damit nicht mehr der Militärjustiz, sondern dem Volksgerichtshof zu übergeben ist.

VORSITZENDER: So wie ich den Zeugen verstanden habe, sagte er, er hätte nichts davon gewußt, und ich glaube, Sie sind an diese Antwort gebunden.

DR. DIX: Darf ich noch etwas vortragen?

VORSITZENDER: In wessen Namen stellen Sie diese Frage? Sie sind doch der Verteidiger des Angeklagten Schacht?

DR. DIX: Die Fragen meines Kollegen betreffend Keitel wurden gestellt zur Erschütterung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Gisevius. Die Verteidigung Schachts ist an der Glaubwürdigkeit des Zeugen Gisevius selbstverständlich interessiert. Die Verteidigung hat wegen der Glaubwürdigkeit Gisevius drei Fragen gestellt, also im Komplex Schacht. Darf ich noch etwas sagen?

VORSITZENDER: Gut.

DR. DIX: Diese Fragen, die Euer Lordschaft beanstandeten – ich frage nur deshalb, weil ich mit der Möglichkeit rechnete, daß die Antwort des Zeugen auf einer Verwechslung beruht, daß er nämlich die von ihm angenommene generelle Vorschrift, erst muß der betreffende Soldat entlassen werden bevor der SD sich seiner bemächtigen kann, von ihm selbstverständlich verwechselt ist mit der Verordnung, daß der Ausschuß von Rundstedt darüber zu entscheiden hat, ob der betreffende Offizier aus dem Heer ausgestoßen wird, damit er dann dem Volksgerichtshof, nicht dem SD – der SD führt die Vorerörterung, die Untersuchung – übergeben werden könnte.

VORSITZENDER: Was wollen Sie ihn also fragen?

DR. DIX: Herr Großadmiral! Sie haben doch meine Frage verstanden oder soll ich sie wiederholen?

DÖNITZ: Ich kann Ihnen nicht mehr sagen als ich bereits gesagt habe.

DR. SERVATIUS: Herr Zeuge! Als Befehlshaber der U-Boote hatten Sie sich einmal dienstlich mit Sauckel zu befassen?

DÖNITZ: Nein, dienstlich nicht, aber privatim.

DR. SERVATIUS: Was war Ihre Veranlassung?

DÖNITZ: Es wurde von einem U-Boot gemeldet, das sechs Wochen in den Atlantik gehen sollte, daß nach dem Auslaufen festgestellt war, daß der Gauleiter Sauckel sich dort eingeschlichen hatte und ich sofort durch Funkspruch befahl, daß das Boot umzukehren und ihn auf den nächsten Vorpostendampfer abzusetzen hätte.

DR. SERVATIUS: Was war das Motiv von Sauckel?

DÖNITZ: Zweifellos ein kriegerisches; er wollte wieder einmal zur See fahren.

DR. SERVATIUS: Nun war er doch Gauleiter, hatte er nicht besondere Gründe, um zu zeigen, daß er nun auch einsatzbereit war im Kriege und sich nicht hinten zurückhielt?

DÖNITZ: Das hat mich überrascht, daß er sich als Gauleiter das leisten konnte, zur See zu fahren, aber immerhin habe ich geglaubt, es ist ein Mann, wo das Herz auf dem richtigen Fleck sitzt.

DR. SERVATIUS: Sie glauben, daß es idealistische Gesichtspunkte waren?

DÖNITZ: Aber sicher, denn zu erben ist ja nichts bei einer U-Bootfahrt.

DR. SERVATIUS: Ich habe keine Fragen mehr.

DR. STEINBAUER: Herr Großadmiral! Erinnern Sie sich, daß Sie in Ihrer Eigenschaft als Staatsoberhaupt am 1. Mai 1945 den Reichskommissar für die besetzten Niederlande nach Flensburg zur Berichterstattung gerufen haben?

DÖNITZ: Jawohl.

DR. STEINBAUER: Erinnern Sie sich ferner, daß bei dieser Gelegenheit mein Klient Sie gebeten hat, den früher an den Oberbefehlshaber der Niederlande ergangenen Befehl, sämtliche Schleusen und Deiche im Falle eines Angriffs zu sprengen, zu widerrufen und ferner auch den Befehl zu geben, die vorgesehenen Sprengstellen wieder zu entladen?

DÖNITZ: Das hat er getan und lag in meiner Linie, denn sowie ich Staatsoberhaupt geworden war, habe ich befohlen, daß alle Zerstörungen, auch in den besetzten Gebieten, zum Beispiel einschließlich der Tschechoslowakei, sofort aufzuhören hätten.

DR. STEINBAUER: Hat er Sie dann am Ende dieser Berichterstattung gebeten, statt in Deutschland bleiben zu dürfen, wieder an seinen Dienstort in den Niederlanden zurückkehren zu können?

DÖNITZ: Jawohl, das hat er wiederholt getan und versucht – die Wetterlage war schwierig –, mit einem Schnellboot wieder nach den Niederlanden zu kommen.

DR. STEINBAUER: Danke schön.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Angeklagter! Ich möchte, daß Sie zunächst einige Fragen über Ihre Vergangenheit beantworten, nachdem Sie am 30. Januar 1943 Oberbefehlshaber der Kriegsmarine geworden sind. Als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine hatten Sie doch einen Rang, der dem eines Reichsministers entsprach?

DÖNITZ: Jawohl, das stimmt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie hatten auch das Recht, an Sitzungen des Reichskabinetts teilzunehmen. Haben solche Sitzungen stattgefunden?

DÖNITZ: Ich war befugt teilzunehmen, falls eine solche Sitzung oder meine Teilnahme an einer solchen Sitzung vom Führer angeordnet wurde. So lautete die Verordnung, obwohl zu sagen ist, daß eine Sitzung der Reichsregierung zu meiner Zeit ab 1943, wo ich Oberbefehlshaber war, überhaupt nicht mehr getagt hat.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Von der Zeit, da Sie Oberbefehlshaber der Kriegsmarine wurden, wurde Deutschland sozusagen von Hitlers Hauptquartier aus regiert? Nicht wahr?

DÖNITZ: Das ist richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es war eine Militärdiktatur, in der der Diktator die Leute, die er sehen wollte, in seinem militärischen Hauptquartier empfing? Das stimmt doch?

DÖNITZ: Ja, Militärdiktatur kann man nicht sagen, das war überhaupt keine Diktatur. Es war ein militärischer Sektor und ein ziviler Sektor, und beide Komponenten waren in der Hand des Führers vereinigt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Schön. Nehmen wir den letzten Teil Ihrer Antwort, den ersten wollen wir nicht erörtern.

Sie besuchten ihn also an 119 Tagen in etwas mehr als zwei Jahren? Stimmt das?

DÖNITZ: Jawohl, wobei zu sagen ist, daß vom 30. 1. 1943, als ich also Oberbefehlshaber der Kriegsmarine wurde, bis Ende Januar 1945, also in etwa zwei Jahren, die Zahl, glaube ich, 57mal war und daß die große Zahl dadurch entsteht, daß ich in den letzten Kriegsmonaten bei den mittägigen Lagebesprechungen, die täglich stattfanden in der Voßstraße in Berlin, teilnahm.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will Sie über einige bestimmte Sitzungen befragen. Bei einigen war doch der Angeklagte Speer anwesend?

DÖNITZ: Ich kann mich nicht entsinnen, daß er bei den militärischen Lagebesprechungen selbst dabei gewesen ist. An sich hatte der Minister Speer als Zivilist bei der militärischen Lage nichts zu tun. Es kann aber sein, daß er dann und wann dabei war, wenn es sich zum Beispiel um die. Panzerproduktion handelte, Dinge die im unmittelbaren Zusammenhang mit irgendwelchen militärischen Überlegungen des Führers standen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Danach wollte ich Sie gerade fragen. Der Angeklagte Speer war anwesend, wenn Sie Versorgungsfragen besprachen, nämlich Versorgung der verschiedenen Waffengattungen einschließlich Nachschub für die Marine.

DÖNITZ: Versorgungsfragen der Flotte sind nie in der großen militärischen Lage besprochen worden, sondern die habe ich mit dem Führer allein, wie ich schon gesagt habe, persönlich besprochen, in Gegenwart meistens von Keitel und Jodl, und habe die Dinge dem Führer dann vorgetragen, wenn ich vorher mit dem Minister Speer ins reine gekommen war, dem ich ja, als ich Oberbefehlshaber der Kriegsmarine wurde, die gesamte Rüstung der Kriegsmarine überantwortet habe. Das ist generell der Zustand, wie er gewesen ist.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie mußten sich aber, wie der Chef jeder Waffengattung, über bevorzugte Zuteilungen und Rohstoffe und Arbeitskräfte informieren. Sie wollten doch wissen, wie Arbeitskräfte während des nächsten Zeitabschnittes zugeteilt werden würden. Nicht wahr?

DÖNITZ: Ich versuchte zu erreichen, daß durch Entscheidung des Führers der Minister Speer den Auftrag bekam, zum Beispiel soviel wie möglich von der neuen U-Bootwaffe zu bauen, um die es sich ja damals handelte, daß aber die Grenze eben darin gesetzt war, wie die Kapazität auf die einzelnen Wehrmachtsteile beim Minister Speer verteilt worden war.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aus diesem Grunde würde es doch von größtem Interesse für Sie gewesen sein herauszufinden, wieviele Arbeiter für die Flottenrüstung und für die andere Versorgung zur Verfügung standen und zu trachten, den Ihnen zukommenden Anteil zu bekommen?

DÖNITZ: Das tut mir schrecklich leid, daß ich Ihnen darauf keine Antwort geben kann. Das habe ich nie gewußt und weiß ich heute auch nicht, nämlich wieviele Arbeiter Speer in die Rüstung für die Kriegsmarine hineingesteckt hat. Ich weiß auch nicht, ob der Minister Speer Ihnen eine Antwort darauf geben kann. Nämlich, der Bau der U-Boote zum Beispiel erfolgte verteilt über das ganze Deutsche Reich in der ganzen Industrie, und die Teile wurden erst in den Werften zusammengestellt. Also über die Arbeitskapazität, die die Marine hatte, habe ich keine Ahnung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wissen Sie noch, daß Sie Speer als den Mann bezeichneten, der die Produktion ganz Europas in der Hand hatte? Das war am 17. Dezember 1943. Ich werde Ihnen das Dokument bald zeigen. Aber Sie erinnern sich, ihn so beschrieben zu haben?

DÖNITZ: Jawohl, das weiß ich sehr genau.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und wußten Sie nicht ebenso gut, daß Speers Arbeitskräfte Fremdarbeiter waren, die in das Reich gebracht worden waren?

DÖNITZ: Ich habe selbstverständlich gewußt, daß ausländische Arbeiter in Deutschland waren. Genau so selbstverständlich ist, daß ich mich als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine wohl nicht hinstelle und mich kümmere, wie diese Arbeiter verpflichtet worden sind. Das ging mich ja gar nichts an.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hatte Ihnen Gauleiter Sauckel nicht anläßlich jener Reise mitgeteilt, daß er fünf Millionen Fremdarbeiter in das Reich gebracht hätte, von denen nur 200000 freiwillig gekommen waren?

DÖNITZ: Ich habe mit dem Gauleiter Sauckel nicht eine einzige Besprechung gehabt. Ich habe mit keinem Menschen über Arbeiterfragen überhaupt eine Besprechung gehabt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, Angeklagter, Sie waren während des fünften und sechsten Kriegsjahres Chef einer Waffengattung. Hat nicht Deutschland so wie jedes andere Land versucht, die letzte Arbeitskraft für seine Bedürfnisse herauszuholen? Brauchte Deutschland nicht, wie jedes andere kriegführende Land, dringend Arbeitskräfte?

DÖNITZ: Das glaube ich auch, daß wir Arbeitskräfte brauchten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie dem Gericht erzählen, daß Sie nach Ihren Besprechungen mit Hitler und Speer nicht gewußt hätten, daß Sie diese Arbeitskräfte dadurch beschafft haben, daß Sie die Fremdarbeiter gezwungen haben, ins Reich zu kommen?

DÖNITZ: Bei meinen Konferenzen mit Hitler-Speer ist der Modus über die Arbeiterfrage überhaupt nicht zur Sprache gebracht worden. Die Methode interessierte mich gar nicht. In Konferenzen ist überhaupt nicht die Arbeiterfrage erörtert worden. Es ist für mich nur interessant gewesen, wie viele U-Boote bekomme ich gebaut, das heißt, wie groß ist nach der Anzahl der Schiffe, die gebaut wurden, die Kapazität, die mir zugeteilt wird.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie erzählen dem Gericht, Sie hätten mit Speer Besprechungen gehabt, und er hat Ihnen nie gesagt, wo er seine Arbeiter hernahm? Ist das Ihre Antwort?

DÖNITZ: Ja, das ist meine Antwort, das stimmt so.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Erinnern Sie sich, bevor wir die industrielle Seite des Problems verlassen, daß bei gewissen Besprechungen die Vertreter für Kohle und Transport und Gauleiter Kaufmann, der Reichskommissar für Seeschiffahrt, bei den Besprechungen anwesend waren, die Sie mit dem Führer hatten?

DÖNITZ: Nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie können es sich von mir sagen lassen, Sie sind bei diesen Besprechungen unter den Anwesenden angeführt. Befaßten Sie sich mit allgemeinen Schiffahrts- und Transportfragen?

DÖNITZ: Nie. Ich habe mich...was die Seetransporte anbelangt, das ist richtig, ich habe eben an Landdinge gedacht, Ihre Frage für Landdinge aufgefaßt. Ich habe ja bereits gesagt, daß ich zum Schluß des Krieges ein ganz brennendes Interesse bekam an der Handelsschifftonnage, weil diese Handelsschifftonnage mir nicht unterstand, sondern dem Gauleiter Kaufmann, Reichskommissar See, die ich brauchte, um die militärischen Transporte von Norwegen und vom Osten und nach dem Osten und die Flüchtlingstransporte militärisch durchzuführen. Also an Sitzungen und Besprechungen, was die Seetransportlage anbelangt, habe ich selbstverständlich teilgenommen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenden wir uns einem anderen Gegenstand dieser 119 Tage zu. An 39 Tagen war der Angeklagte Keitel ebenfalls im Hauptquartier anwesend und der Angeklagte Jodl ungefähr ebensooft.

DÖNITZ: Verzeihung, ich habe das Datum nicht verstanden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich werde die Frage wiederholen. An 39 Sitzungen zwischen Januar 1943 und April 1945 war der Angeklagte Keitel anwesend und der Angeklagte Jodl ungefähr ebensooft. Stimmt es, daß Sie in ihrer Gegenwart die allgemeine strategische Lage erörterten oder der Unterhaltung darüber zuhörten?

DÖNITZ: Ich darf sagen, daß das Wort »Sitzung« erstmals die Sache nicht genau trifft, sondern es war, wie ich...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, wählen Sie das Wort; geben Sie uns das Wort.

DÖNITZ: Es war, wie ich es geschildert habe, die große militärische Lage, und bei dieser Lage habe ich selbstverständlich zugehört, wie auch die Heereslage vorgetragen worden ist. Das habe ich ja schon erklärt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will nur ganz klar festhalten, daß Sie während dieser zwei Jahre jede Gelegenheit hatten, die militärisch-strategische Lage kennenzulernen und abzuschätzen. Ist das nicht so?

DÖNITZ: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun war der Angeklagte Göring bei zwanzig Gelegenheiten anwesend. Der Angeklagte Göring trat in zwei Funktionen auf: als Oberbefehlshaber der Luftwaffe und als Politiker. Was hat er bei diesen zwanzig Sitzungen getan?

DÖNITZ: Reichsmarschall Göring war bei der militärischen Lage da als Oberbefehlshaber der Luftwaffe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und so erhielten Sie von dem Angeklagten Göring volle Kenntnis und Abschätzung der Luftlage und der Lage der Luftwaffe während dieser Zeit?

DÖNITZ: Soweit war es bei meiner gelegentlichen Teilnahme bei den Lagen, wo ja immer nur Ausschnitte behandelt wurden, es wurde ja bei keiner Lage ein generelles Bild gegeben, soweit ich mir also aus diesen Ausschnitten ein Urteil bilden konnte, was natürlich immer Stückwerk war; das war ja der Grund, warum ich mich ganz streng nie zu militärischen Dingen außerhalb der Kriegsmarine geäußert habe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Lassen Sie mich noch eine weitere Frage zu diesem Thema stellen. Im Anschluß an das, was Dr. Laternser gefragt hat, wären am 29. Juni 1944 neben den Angeklagten Keitel, Jodl und Göring auch Feldmarschall von Rundstedt und Feldmarschall Rommel anwesend. Ich darf Sie erinnern, daß dies drei Wochen nach der Landung der Alliierten im Westen war. Sie erhielten damals Gelegenheit, die strategische Lage nach der Landung der Alliierten in der Normandie zu beurteilen, nicht wahr?

DÖNITZ: Jawohl, ich bekam daraus einen Eindruck, wie ist die Lage in der Normandie, nachdem der Gegner da Fuß gefaßt hatte, und ich war in der Lage, nun dem Führer zu melden, welche meiner neuen kleinen Kampfmittel ich in der Lage wäre, in diesem Raum einzusetzen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gehen wir nun auf eine andere Sparte der Regierung im allgemeinen über. Der Reichsführer-SS Himmler war mehrfach bei diesen Konferenzen – wenn ich sie so nennen soll – anwesend, nicht wahr?

DÖNITZ: Ja, wenn der Reichsführer-SS Himmler da war, was meiner Erinnerung nach ein- oder zweimal gewesen ist, dann war er da wegen seiner Waffen-SS.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie können mir glauben, daß er dort mindestens siebenmal als anwesend verzeichnet ist und daß Fegelein, der sein Vertreter im Hauptquartier des Führers war, fünfmal als anwesend aufgeführt ist. Was hat Himmler über die Waffen-SS, über die Taten der Totenkopf-Division, erzählt?

DÖNITZ: Das kann nicht stimmen. Der Fegelein ist immer bei der Lagebesprechung dagewesen, stets, ständig, weil er ein ständiger Vertreter war. Wenn der Reichsführer bei den Lagebesprechungen war, hat er nur zu seiner Waffen-SS gesprochen, und zwar nur zu diesen Divisionen der Waffen-SS, die im Rahmen des Heeres irgendwo eingesetzt waren. Wie sich die einzelnen Divisionen nannten, weiß ich nicht, Totenkopf glaube ich aber nicht, das habe ich nie gehört, es gab Wiking, oder...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Deshalb, weil sie hauptsächlich in Konzentrationslagern beschäftigt waren. Und Sie sagen, daß Himmler dies nie erwähnt hat?

DÖNITZ: Daß Totenkopf-Divisionen in Konzentrationslagern eingesetzt waren, habe ich hier erfahren, hier in Nürnberg. Erwähnt worden ist es dort nicht. Ich habe schon gesagt, daß bei militärischen Lagen nur militärische Dinge besprochen wurden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der Angeklagte Kaltenbrunner wird nur einmal als anwesend genannt, und zwar am 26. Februar 1945, als eine ganze Reihe von hohen SS-Führern zusammenkam. Was besprachen Sie denn damals mit ihm?

DÖNITZ: Das stimmt nicht, daß Kaltenbrunner nur einmal da war, denn meiner Erinnerung nach war er zwei- oder drei- oder viermal da. Ich habe ihn jedenfalls in den letzten Monaten des Krieges zwei- oder drei- oder viermal gesehen. Gesprochen hat Kaltenbrunner da überhaupt nicht. Er hat meiner Erinnerung nach nur zugehört und dabeigestanden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte, daß Sie dem Gerichtshof über folgendes Auskunft geben: Was war das Gesprächsthema, wenn Sie nicht nur den Angeklagten Kaltenbrunner dort hatten, sondern auch den SS-Obergruppenführer Steiner, Ihren eigenen Kapitän vom Dienst und Generalleutnant Winter. Warum waren diese Herren dort, und was haben Sie von ihnen gehört?

DÖNITZ: Wer ist der eine Kapitän, und wer ist Generalleutnant Günther?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Kapitän von Aßmann. Ich nahm an, daß er Ihr Kapitän vom Dienst war, obwohl ich mich auch getäuscht haben mag, Kapitän zur See von Aßmann. Außerdem waren Generalleutnant Winter, SS-Obergruppenführer Steiner und SS-Obergruppenführer Kaltenbrunner anwesend. Was haben Sie am 26. Februar 1945 besprochen?

DÖNITZ: Dazu muß ich eine Tatsache sagen: Erstens, der Kapitän Aßmann war bei jeder Lage dabei, er war immer dabei.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Einen Augenblick, bitte. Sie können später darüber sprechen. Hören Sie erst auf meine Frage. Was haben Sie mit diesen Leuten der SS am 26. Februar 1945 besprochen?

DÖNITZ: Das weiß ich nicht mehr. Ich entsinne mich aber, daß Steiner den Befehl bekam über die Heeresgruppen, die in Pommern den Stoß von Norden nach Süden machen wollten, um Berlin zu entlasten. Ich glaube, es kann sein, wenn Steiner dabei war, daß diese Frage besprochen worden ist, die mich nicht betraf.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte aber, daß Sie darüber noch nachdenken, bevor ich diesen Punkt verlasse.

Sie stimmten mit mir überein, daß bei einer großen Anzahl von Besprechungen Keitel und Jodl anwesend waren, weniger häufig Göring, von denen Sie die Lage des Heeres und der Luftwaffe in Deutschland erfuhren. Der Angeklagte Speer war anwesend, von dem Sie die Produktionslage erfuhren. Himmler war anwesend oder sein Vertreter Fegelein, von dem Sie die Sicherheitslage erfuhren. Und schließlich waren Sie selbst anwesend und erklärten die Lage der Marine. Bei allen Zusammenkünften war der Führer anwesend, der die Entscheidungen traf.

Ich halte Ihnen vor, Angeklagter, daß Sie eine genau so große Rolle in der Regierung Deutschlands spielten wie irgend jemand, abgesehen von Adolf Hitler selbst.

DÖNITZ: Meiner Ansicht nach ist diese Darstellung nicht richtig. Bei diesen Lagen wurde ja weder von Speer noch von sonst jemand eine Übersicht über ihr Arbeitsgebiet gegeben, im Gegenteil, es wurden nur die akuten Tagesfragen – ich habe ja erklärt, die letzten 24 Stunden – besprochen, was zu tun wäre. Also etwa, daß nun ein Kollegium da ist, das durch einen Vortrag ein allgemeines Bild gab, kam überhaupt gar nicht in Frage, so ist die Sache ja gar nicht gewesen, sondern der einzige, der die gesamte Übersicht hatte, war der Führer, und bei diesen militärischen Lagen wurden die Zeitläufe der letzten 24 Stunden, möchte ich sagen, die Maßnahmen, die zu treffen waren, durchgesprochen; das ist die Tatsache. Man kann also von keinem dieser Teilnehmer annehmen, daß sie eine gesamte Übersicht hatten, sondern jeder übersah klar sein Ressort, für das er verantwortlich war. Von einer gesamten Übersicht irgendeines dieser Teilnehmer ist gar keine Rede. Die hatte allein der Führer.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will mit Ihnen nicht streiten, doch nehme ich an, Angeklagter, daß Sie ebenfalls sagen, so wie wir von so vielen anderen Angeklagten bereits gehört haben, daß Sie nichts vom Zwangsarbeiterprogramm wußten; Sie wußten nichts von der Ausrottung der Juden, und Sie wußten nichts von den schlimmen Zuständen in den Konzentrationslagern. Vermutlich werden Sie uns erzählen, daß Sie von allem nichts wußten.

DÖNITZ: Das ist selbstverständlich, nachdem wir hier gehört haben, in welcher Weise diese Dinge geheimgehalten worden sind; und wenn man sich darüber klar ist, daß jeder in diesem Krieg seinen angespannten Aufgabenkreis hatte, dann ist das gar kein Wunder. Ich habe zum Beispiel, um das Beispiel zu nehmen, von den Konzentrationslager-Verhältnissen erfahren...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jetzt will ich nur Ihre Antwort, und die haben Sie mir bereits gegeben.

Ich komme nun auf eine Sache zu sprechen, die Sie wohl kannten, und zwar den Befehl zur Erschießung von Kommandos, der am 18. Oktober 1942 gegeben wurde. Sie sagten uns, Sie hätten denselben erhalten als Sie Befehlshaber der U-Boote waren. Erinnern Sie sich an das Dokument, mit welchem die Seekriegsleitung ihn weitergab? Erinnern Sie sich, daß es folgendes beinhaltete:

»Dieser Befehl ist nicht schriftlich über die Flottillen- und gleichgestellten Stäbe der anderen Wehrmachtsteile hinaus zu verteilen. Nach Bekanntgabe sind die über die Rgt.- und gleichgestellten Stäbe der anderen Wehrmachtsteile hinaus ausgegebenen Stücke wieder einzuziehen und zu vernichten.« Erinnern Sie sich dessen?

DÖNITZ: Ja, das habe ich hier wieder gelesen als ich den Befehl hier wieder gesehen habe. Auf der anderen Seite steht aber auch drin, daß diese Maßnahme bereits im Wehrmachtsbericht verkündet ist.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was ich von Ihnen wissen will, ist: Warum wurde dieser Befehl bei der Verteilung an die Marine so unerhört geheimgehalten?

DÖNITZ: Ich habe diese Frage nicht verstanden. Ich weiß nicht, ob eine unerhörte Heimlichkeit gehalten wurde. Ich bin der Ansicht, daß im Jahre 1942 alle Marinedienststellen darüber unterrichtet worden sind.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das war am 28. Oktober, zehn Tage nach der Ausgabe des Befehls. Ich will nicht mit Ihnen über Eigenschaftsworte streiten, Angeklagter. Lassen Sie mich die Frage so stellen:

Warum hat die Verteilung innerhalb der Marine diesen Grad von Geheimhaltung notwendig gemacht?

DÖNITZ: Das weiß ich nicht. Ich habe den Verteiler nicht gemacht. Ich habe als Frontoffizier diesen Befehl seinerzeit bekommen. Ich weiß das nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Drei Monate später waren Sie Oberbefehlshaber der Kriegsmarine. Haben Sie dann nicht Untersuchungen hierüber angestellt?

DÖNITZ: Bitte?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Haben Sie niemals Untersuchungen angestellt?

DÖNITZ: Nein, das habe ich nicht. Ich habe Ihnen erklärt, daß ich diesen Befehl als Befehlshaber der U- Boote gesehen habe und daß erstens mich für meinen Aufgabenkreis dieser Befehl damals gar nichts anging und zweitens, daß ausdrücklich die im Seekampf Gefangengenommenen ausgenommen waren, und insofern hatte dieser Befehl damals eine tatsächliche, also wirkliche Bedeutung gar nicht. Insofern bin ich bei der Fülle der Dinge, die ich in die Hand zu nehmen hatte, als ich Oberbefehlshaber der Kriegsmarine wurde...bin ich ganz naturgemäß nicht auf den Gedanken gekommen, nun diesen Befehl aufzunehmen. Ich habe nicht an diesen Befehl gedacht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn wir so weit sind, werde ich Ihnen ein Memorandum von der Seekriegsleitung vorhalten, das Ihnen vorgelegt wurde. Erinnern Sie sich daran?

DÖNITZ: Wenn Sie diese Aktennotiz meinen, die in meinem Trial-Brief ist, da kann ich nur sagen, daß diese Aktennotiz mir nicht vorgelegt worden ist, wie genau aus dieser Notiz hervorgeht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Bevor sich der Gerichtshof vertagt, will ich Sie noch folgendes fragen: Haben Sie diesen Befehl gebilligt oder nicht?

DÖNITZ: Ich habe Ihnen schon erklärt, da ich...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, Sie haben das nicht. Ich möchte, daß Sie dem Gerichtshof das jetzt sagen, und Sie können antworten entweder »ich billigte ihn« oder »ich billigte ihn nicht«. Haben Sie diesen Befehl an Ihre Schiffskommandanten gebilligt oder nicht?

DÖNITZ: Ich bin heute mit diesem Befehl nicht einverstanden, nachdem ich hier erfahren habe, daß die Unterlagen nicht so stichhaltig sind...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Billigten Sie ihn als Sie zu Beginn des Jahres 1943 Oberbefehlshaber der deutschen Kriegsmarine waren? Haben Sie ihn damals gebilligt?

DÖNITZ: Ich bin als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine mit dem Befehl nicht befaßt gewesen. Wie ich Befehlshaber der U-Boote war, habe ich Ihnen schon erklärt, habe ich diesen Befehl als reinen Vergeltungsbefehl aufgefaßt. Es stand mir gar nicht zu, nun in eine Prüfung oder in eine Rechenschaft einzutreten bei der Stelle, die den Befehl herausgegeben hat: Stimmen die Unterlagen oder nicht. Es stand mir auch eine völkerrechtliche Prüfung gar nicht zu. Es stand ja im ersten Punkt ganz klar drin, hier hat der Feind, der Gegner, sich außerhalb der Genfer Konvention gestellt, weil sie Gefangene umbringen, und folgedessen müssen wir als Vergeltung die und die Dinge machen. Ob diese Vergeltungsmaßnahmen notwendig oder im vollen Maße durch die Ziffer 1 bedingt waren, das wußte ich nicht und konnte ich auch nicht wissen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das ist meine letzte Frage. Versuchen Sie, mir gerade heraus zu antworten, wenn Sie dies können!

Haben Sie zu Beginn des Jahres 1943 diesen Befehl gebilligt oder nicht?

DÖNITZ: Die Antwort kann ich Ihnen nicht geben, weil ich zu Beginn 1943 an diesen Befehl nicht gedacht habe und nicht mit ihm befaßt war. Ich kann also nicht sagen, wie damals dieser Befehl auf mich gewirkt hätte. Ich kann Ihnen nur sagen, wie der Befehl auf mich gewirkt hat, als ich ihn als Befehlshaber der U-Boote gelesen habe. Und ich kann Ihnen weiter dazu sagen, daß ich heute den Befehl ablehne, nachdem ich erfahren habe, daß die Unterlagen dieses Befehls eben nicht so stichhaltig waren, und ich kann Ihnen drittens nur sagen, daß ich persönlich im Seekrieg jede Art von Vergeltung, von »Reprisals«, abgelehnt habe, jede Art, in jedem Fall, auf jeden Vorschlag.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich werde morgen an Sie noch weitere Fragen darüber stellen, da wir jetzt abbrechen müssen.