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[Das Gericht vertagt sich bis

10. Mai 1946, 10.00 Uhr.]

Einhundertsechsundzwanzigster Tag.

Freitag, 10. Mai 1946.

Vormittagssitzung.

[Der Angeklagte Dönitz im Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Sir David! Wie ich höre, sind einige Zusatzanträge für Zeugen und Dokumente eingereicht worden. Es dürfte nicht lange dauern, bis diese erledigt sind. Stimmt das?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe die genauen Instruktionen noch nicht bekommen, Euer Lordschaft, kann das aber in Kürze feststellen. Ich will Major Barrington heraufbitten. – Ich höre, es stimmt.

VORSITZENDER: Aus diesem Grunde beabsichtigt der Gerichtshof, morgen eine offene Sitzung abzuhalten, und zwar bis 11.45 Uhr, entsprechend dem üblichen Prozeß verlauf, und dann 11.45 Uhr die Zusatzanträge vorzunehmen. Danach werden wir in geschlossener Sitzung tagen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wir werden morgen um 11.45 Uhr soweit sein, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Sehr gut.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Angeklagter! Das erste Dokument, das ich Ihnen jetzt vorlegen werde mit Bezug auf den Kommandobefehl des Führers vom 18. Oktober 1942, steht auf Seite 65 des englischen Dokumentenbuches und auf Seite 98 des deutschen Dokumentenbuches. Es ist das Dokument C-178, Beweisstück US-544. Wie Sie sehen werden, trägt dieses Dokument das Datum vom 11. Februar 1943, das heißt etwa zwölf Tage, nachdem Sie als Oberbefehlshaber Ihr Amt angetreten hatten. Sie können am Kopf sehen, daß es an »1. Skl Ii« gerichtet ist. Das ist doch die Abteilung für Völkerrecht und Prisenrecht Ihres Operationsstabes, nicht wahr? Die Abteilung von Admiral Eckardt?

DÖNITZ: Nein. Es ist gerichtet an die erste Abteilung der Skl, das ist die Operationsabteilung, und kommt von Eckardt und geht an die erste Abteilung, also an den Abteilungschef.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, es stimmt, wenn ich sage, daß der Kopf, über den ich Sie fragte, nämlich 1. Skl Ii, das heißt Admiral Eckardts Abteilung... Das ist doch das Zeichen von Adimrals Eckardts Völkerrechtsabteilung?

DÖNITZ: Nein, nein, nein. Es ist die Abteilung, in der auch Admiral Eckardt als Referent war. Also, der Admiral Eckardt war ein Referent in dieser Abteilung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und die dritte Skl in der nächsten Zeile ist die Presseabteilung, wie Sie sagten, nicht wahr?

DÖNITZ: Nein, die dritte Abteilung der Skl sammelte die Nachrichten, die für die Marine eingingen, und trug sie vor.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bemerke, es handelt sich um Nachrichten und Presse. Stimmt das oder nicht?

DÖNITZ: Ja, es war Nachrichten und Presse.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bitte Sie jetzt, dem Gerichtshof bei drei Punkten in diesem Dokument behilflich zu sein. Sie werden sich erinnern, daß ich Sie gestern über den Geheimhaltungsgrad bezüglich des ursprünglichen Führerbefehls vom 18. Oktober befragt habe. Wollen Sie sich bitte den zweiten Absatz ansehen. Dort heißt es, daß der erste Führerbefehl den Schutz als Chefsache genießt,

»nur deshalb, weil darin ausgesprochen ist:

1. daß...das... Sabotagewesen... zu verhängnisvollen Folgen... führen kann, und

2. daß die Erschießung uniformierter, auf militärischen Befehl handelnder Gefangener auch noch hinterher zu erfolgen hat, wenn diese sich freiwillig ergeben und um Pardon gebeten haben.«

Sehen Sie das?

DÖNITZ: Ja, das habe ich gelesen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie geben also zu, daß das einer der Gründe dafür war, daß der Befehl besonders geheimgehalten werden sollte?

DÖNITZ: Dieser Notenwechsel zwischen Herrn Eckardt und dem Abteilungschef ist mir nicht vorgelegt worden, was eindeutig hervorgeht aus den Abzeichnungen, die in dem Dokumentenbuch vorgemerkt sind...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ist das ein Grund, meine Frage nicht zu beantworten? Geben Sie zu, daß das der Grund war, warum der Befehl so geheimgehalten wurde?

DÖNITZ: Ja, das weiß ich nicht, das kann ich nicht sagen, weil ich diesen Kommandobefehl nicht herausgegeben habe. In diesem Kommandobefehl steht darin, daß diese Leute auf der einen Seite Gefangene vernichtet haben – so habe ich das als Befehlshaber der U-Boote gelesen gehabt – und auf der anderen Seite...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich gebe Ihnen noch einmal Gelegenheit, meine Frage zu beantworten. Sie waren Oberbefehlshaber der Kriegsmarine. Wollen Sie behaupten, daß Sie nicht imstande sind, diese Frage zu beantworten?

Ist der in Absatz 2 angegebene Grund der wirkliche Grund, den Führerbefehl vom 18. Oktober zur Geheimen Kommandosache zu machen? Dies ist Ihre letzte Gelegenheit, diese Frage zu beantworten. Wollen Sie antworten oder nicht?

DÖNITZ: Ja, das will ich tun. Ich halte das für möglich, zumal der Jurist hier dieser Ansicht ist. Ob das stimmt, weiß ich nicht, da ich den Befehl nicht herausgegeben habe. Andererseits steht im Befehl drin, daß diese Dinge nicht in Wehrmachtsbefehlen veröffentlicht werden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das war der nächste Punkt. Im nächsten Absatz steht, was in den Armeebefehlen zu veröffentlichen ist: Die Vernichtung von Sabotagetrupps im Kampf – natürlich nicht, wenn sie erschossen, sondern vielmehr in aller Ruhe nach der Schlacht vom SD ermordet werden. Ich verweise Sie nun auf den nächsten Absatz. Hier wird erörtert, wieviel Saboteure als Sabotagetrupps zu betrachten seien und gesagt, daß man Trupps bis zu zehn Leuten wohl als solche betrachten müsse.

Wenn Sie sich nun den letzten Absatz ansehen – ich werde Ihnen diesen langsam vorlesen:

»Es ist anzunehmen, daß Abwehr III die Führeranweisungen kennt und daher den Einspruch des Heeresgeneralstabs und des Luftwaffenführungsstabs entsprechend beantworten wird. Für den Marinebereich bleibt zu prüfen, ob der Vorgang nicht dazu zu benutzen ist, um nach Vortrag bei dem Ob.d.M.« – ich wiederhole ausdrücklich – »nach Vortrag bei dem Ob.d.M. sicherzustellen, daß über die Behandlung der Angehörigen von Kommandotrupps bei allen daran interessierten Stellen volle Klarheit besteht.«

Wollen Sie jetzt dem Gerichtshof gegenüber behaupten, daß man Sie auf dieses Memorandum von Eckardts Abteilung hin, das der 1. Skl, der Abteilung Ihres Stabschefs, unterbreitet werden sollte, nicht befragt hat?

DÖNITZ: Ja, das will ich behaupten und werde ich auch beweisen durch einen Zeugen, daß nämlich die Abzeichnungen und die Weitergabe dieses Memorandums hier nicht drin ist, und dieser Zeuge wird Ihnen ganz klar beweisen, daß ich einen Vortrag nicht bekommen habe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: War Admiral Wagner Ihr Stabschef?

DÖNITZ: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut; wir wollen jetzt keine Zeit mehr damit in Anspruch nehmen.

DÖNITZ: Ja, er war nicht mein Stabschef, er war in dieser Abteilung Chef; er war der Abteilungschef 1. Skl, wohin dieses Memorandum gerichtet war. Er weiß ganz eindeutig, daß mir ein Vortrag nicht gemacht worden ist. Das sind ganz klare Verhältnisse.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn Sie sagen, daß Sie das nicht gesehen haben, will ich diesen Punkt jetzt fallen lassen. Ich bitte Sie nun, sich Dokument 551-PS anzusehen.

Euer Lordschaft! Ich werde dem Gerichtshof eine Abschrift unterbreiten. Es ist Beweisstück US-551, von General Taylor am 7. Januar 1946 vorgelegt.