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[Zum Zeugen gewandt:]

Hier handelt es sich, wie Sie sehen, um einen Bericht aus dem Amt des Angeklagten Jodl. Er ist mit Kommentaren seiner Abteilung über einen feindlichen Kutter versehen, der eine Mission von den Shetland- Inseln aus durchführte. Es war ein Kutter der norwegischen Marine, dessen Bestückung angegeben wird. Weiter steht darin, daß der Kutter eine »Organisation zu Sabotagehandlungen gegen Stützpunkte, Batteriestellungen, Stab- und Truppenunterkünfte und auch Brücken aufbauen sollte«, ferner daß der Führerbefehl durch den SD ausgeführt wurde. Also hier handelt es sich um einen Kutter, der durch die norwegische Marine in die Luft gesprengt wurde, ich vermute, nachdem sie angegriffen worden war; zehn Gefangene wurden ermordet. Wurde Ihnen dieses vorgelegt?

DÖNITZ: Das ist mir hier beim Verhör vorgelegt worden. Da bin ich auch befragt worden, ob ich nicht mit dem Feldmarschall Keitel ein Telephongespräch gehabt hätte. Und es ist nachher festgestellt worden, daß es der Wehrmachtsbefehlshaber des Gebiets war, der sich an das OKW gewandt hatte. Es war Sache des Heeres und des SD und nicht der Marine.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sollten Sie nun ableugnen, daß Sie jemals etwas davon gehört haben, dann schlagen Sie bitte Seite 100 des Dokumentenbuches auf.

Euer Lordschaft! Es ist auf Seite 67 des britischen Dokumentenbuches.

[Zum Zeugen gewandt:]

Hier handelt es sich um eine Zusammenfassung des SD-Verfahrens.

DÖNITZ: Wo ist das, ich kann das nicht finden?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Seite 100 in Ihrem Dokumentenbuch. Ich habe es Ihnen bereits gesagt, Sie werden es gewiß finden, Seite 67 im englischen, wenn Sie das vorziehen.

Ich werde Ihnen das jetzt erklären. Ich glaube, Sie haben es schon einmal gelesen, denn Sie haben schon einmal darauf Bezug genommen. Es handelt sich um die Zusammenfassung des Kriegsgerichtsrats, über die bei dem Prozeß gegen einige SS-Leute gemachten Aussagen. Ich möchte gern wissen, ob Sie sich daran erinnern.

Ich verweise Sie auf Absatz 4. Da steht, daß sie von Lerwick auf den Shetland-Inseln abfuhren, um Torpedoangriffe auf deutsche Schiffe vor der norwegischen Küste auszuführen und dort Minen zu legen.

Absatz 5 enthält das Folgende:

»Die Verteidigung bestritt nicht, daß alle Mitglieder der Besatzung bei der Gefangennahme Uniform trugen, und durch viele Personen, unter welchen mehrere Deutsche waren, wurde der volle Beweis erbracht, daß sie die ganze Zeit nach ihrer Gefangennahme Uniform trugen.«

Dies haben Sie gestern erwähnt.

Sie können sehen, daß in Absatz 6 die Erklärung abgegeben wird: Der Zeuge sagt aus:

»Die gesamte Mannschaft wurde gefangengenommen und auf ein deutsches Kriegsschiff gebracht, das unter dem Kommando des Admirals von Schrader stand, dem Admiral der Westküste. Die Mannschaft wurde nach Bergenhus gebracht und dann durch Leutnant H. P. K. W. Fanger, einem Marinereserveoffizier, auf Befehl von Korvettenkapitän Egon Drascher verhört Beide gehörten der deutschen Marineabwehr an. Das Verhör wurde auf Befehl des Admirals Westküste ausgeführt. Leutnant Fanger teilte dem Offizier der Abwehrabteilung zu Bergenhus mit, daß seiner Ansicht nach alle Mitglieder der Besatzung das Recht auf Behandlung als Kriegsgefangene hätten, und jener Offizier wiederum berichtete sowohl schriftlich als auch mündlich an den Seekommandanten Bergen und schriftlich an den Admiral Westküste.«

Das ist Admiral von Schrader.

Ich möchte Ihnen nunmehr den einen Satz vorlesen, von dem Sie wohl kaum glauben werden, er sei wahllos der Aussage des Leutnant Fanger entnommen.

Er wurde gefragt: »Wissen Sie, warum diese Leute dem SD übergeben wurden?« Mit Ihrer Antwort auf diese Frage sollen Sie mir sagen, wer dafür verantwortlich war, daß sie übergeben worden sind. Dies waren Ihre Offiziere, Ihre Einheit, das war der Kommandierende General der norwegischen Westküste, der dortige Abschnittskommandant Admiral von Schrader, dessen Leute die Mannschaft gefangengenommen hatten. Das sind also Ihre eigenen Offiziere. Ist es wahr, was Sie gestern dem Gerichtshof sagten, daß nämlich die Mannschaft durch den SD gefangengenommen wurde? Haben Sie irgendeinen Grund, anzunehmen, daß Leutnant Fanger nicht die Wahrheit sagte?

VORSITZENDER: Woraus haben Sie vorgelesen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das war die stenographische Niederschrift des SS-Prozesses.

VORSITZENDER: Ist es schon als Beweismittel zugelassen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein. Euer Lordschaft, es ist aber im Rahmen des Artikels 19.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Präsident! Ich kenne diese hier verwertete Unterlage nicht. Ich bitte, sie mir zu überreichen. Es werden hier stenographische Niederschriften verwendet, die mir unbekannt sind. Nach der Entscheidung des Gerichts über Kreuzverhöre müssen sie mir bei der Vernehmung ausgehändigt werden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich gestatte mir höflichst zu bemerken, daß dieser Punkt gestern bereits zur Sprache kam, als der Angeklagte gewisse Aussagen über Admiral von Schrader abgab. Ich will diese Aussagen erschüttern, und die einzige Art und Weise, wie ich das tun kann, ist, daß ich Dokumente verwende, die ich sonst nicht zu verwenden beabsichtigte. Ich werde selbstverständlich Herrn Kranzbühler diese Dokumente zu gegebener Zeit überreichen.

VORSITZENDER: Haben Sie keine deutsche Ausfertigung? Diese Aussagen müssen doch auf deutsch gemacht worden sein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, ich habe nur das englische Protokoll. Ich bin gern bereit, dieses Herrn Kranzbühler zu zeigen, aber das ist alles, was mir zur Verfügung steht.

VORSITZENDER: Haben Sie nicht ein Exemplar, das Sie ihm geben können?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, das ist das einzige Exemplar, das ich habe.

VORSITZENDER: Sobald Sie mit dem Punkt fertig sind, wollen Sie bitte dieses Exemplar Herrn Kranzbühler geben?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl.

VORSITZENDER: Gut.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Haben Sie irgendeinen Grund anzunehmen, Angeklagter, daß Ihr Offizier, Leutnant Fanger, nicht die Wahrheit sagt, wenn er behauptet, daß diese Leute von Admiral von Schrader gefangengenommen wurden?

DÖNITZ: Ich habe keinen Grund, diese Aussage in Zweifel zu ziehen, weil ich von dem ganzen Vorkommnis nichts weiß Ich habe schon erklärt, daß weder mir, noch – wie ich durch Zeugen beweisen werde – dem Oberkommando der Kriegsmarine dieser Vorfall gemeldet worden ist und ich habe gestern gesagt, daß ich infolgedessen nur vermuten kann, daß diese Leute – hier steht das nämlich in Absatz 6 – auf einer Insel gefangengenommen worden sind, nicht von der Marine, sondern durch einen Teil der Polizei. Der Teil der Polizei... wenn ich vielleicht ausreden darf... und infolgedessen der Admiral von Schrader sagte, das sind keine Marinegefangenen, sondern Polizeigefangene, die der Polizei wieder übergeben werden müssen, und deshalb hat er keine Meldung gemacht.

Das ist der Zusammenhang, den ich vermute. Ich persönlich kann den ganzen Zusammenhang dieser Angelegenheit nicht beurteilen und auch nicht klären, weil ich seinerzeit keine Meldung bekommen habe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Zu diesem Punkt werde ich gleich kommen.

Es wird hier nirgendwo in diesem Dokument gesagt, daß die Polizei sie gefangengenommen hat, und daß sie tatsächlich durch Leute des Admirals von Schrader gefangengenommen wurden, die die Insel, wo das Boot vor Anker lag, angriffen.

DÖNITZ: Das weiß ich nicht. Hier steht: Die Leute erreichten die Insel. Aus welchem Grunde, ist unklar – und daß die Leute nachher von der Insel mit irgendeinem Fahrzeug an Land gebracht worden sind, das ist klar. Damit können sie aber natürlich Polizeigefangene bleiben, wenn sie dort von der Polizei oder der Küstenpolizei gefangengenommen worden sind. So kann ich mir bei der Person des Admirals von Schrader den Zusammenhang der Gefangennahme nur erklären.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber ich habe Ihnen doch gerade gesagt, daß Ihr eigener Offizier, Leutnant Fanger, gesagt hat, daß sie von Admiral von Schraders Truppen gefangengenommen wurden, und Sie sagen, wenn Leutnant Fanger das sagt, dann hätten Sie keinen Grund zu glauben, daß er nicht die Wahrheit spricht. Ist das richtig?

DÖNITZ: Jawohl. Ich habe gestern vermutet, daß der Zusammenhang so ist nach der Beurteilung der Person des Admirals von Schrader. Wenn ich heute Nachricht bekomme, was der Leutnant Fanger ausgesagt hat, dann mag der Zusammenhang ein anderer gewesen sein, denn ich kann mich ja irren.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Schauen Sie sich jetzt bitte das Ende des Absatzes 8 an, den letzten Satz:

»Es gab eine Unterredung zwischen Blomberg von der SS und Admiral von Schrader«

und im letzten Satz heißt es dort:

»Admiral von Schrader erzählte Blomberg, daß die Mannschaft dieses Torpedobootes auf Grund des Führerbefehls dem SD übergeben werden sollte...«

und sie wurde dann übergeben – und der SD-Beamte, der das Verhör durchführte, erklärte vor Gericht:

»... daß er nach dem Verhör der Meinung gewesen sei, daß die Mannschaft Anrecht auf Behandlung als Kriegsgefangene hätte und daß er seinem vorgesetzten Offizier in diesem Sinne Meldung erstattet habe.«

Trotz dieses Berichtes und der Vorstellungen eines vorgesetzten Offiziers wurde die Mannschaft gemäß dem Führerbefehl behandelt und erschossen, und dann wird weiter beschrieben, wie sie erschossen und ihre Leichen heimlich fortgeschafft wurden. Wollen Sie sagen, daß Sie davon niemals etwas gehört haben?

DÖNITZ: Nein. Das will ich behaupten und kann das auch durch Zeugen beweisen, und wenn der Beamte des SD den Eindruck gehabt hat, daß diese Leute nicht darunter fallen, dann hätte er das seiner Behörde melden müssen, und seine Behörde hätte das Entsprechende veranlassen müssen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehen Sie, Sie haben schon den Standpunkt eingenommen, daß die Marine die Leute vernommen hatte. Die Marineabwehr sagte, sie seien als Kriegsgefangene zu behandeln; und Admiral von Schrader sagte, sie müßten der SS übergeben werden; und daß die SS die Leute verhörte und sagte, sie müssen als Kriegsgefangene behandelt werden, und trotzdem sind diese Leute ermordet worden. Sie sagen, Sie wissen nichts davon? Hat Ihr Kapitän zur See Wildemann Ihnen denn gar nichts von dieser Angelegenheit gesagt? W-i-l-d-e-m-a-n-n.

DÖNITZ: Ich kenne ihn nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, vielleicht kann ich Ihre Erinnerung in dieser Beziehung auffrischen. Zu jener Zeit war er Operationsoffizier im Stabe des Admirals von Schrader und hatte diese Angelegenheit zu bearbeiten. Kapitän Wildemann, und wenn Sie nichts Gegenteiliges wissen, dürfen wir annehmen, daß er ein vertrauenswürdiger Offizier ist, sagte: »Ich weiß, daß Admiral von Schrader eine schriftliche Meldung über diese Vorgänge erstattete, und ich weiß keinen Grund, warum die Übergabe der Gefangenen an den SD nicht gemeldet werden sollte.« Wollen Sie immer noch sagen, daß Sie von Admiral von Schrader keine Meldung darüber hatten?

DÖNITZ: Ja, das will ich immer noch sagen, daß ich keine Meldung davon bekommen habe, und ich bin auch überzeugt, daß das Oberkommando der Kriegsmarine – wie ein Zeuge beweisen wird – auch nichts erhalten hat. Wohin der Bericht gegangen ist, weiß ich nicht. Der Admiral von Schrader unterstand ja nicht direkt dem Oberkommando der Kriegsmarine, und es kann sein, daß ein Bericht an das OKW abgegangen ist, wenn überhaupt ein Bericht abgegangen ist. Jedenfalls das Oberkommando der Kriegsmarine hat anläßlich dieser Angelegenheit keine Meldung bekommen, und daher kommt eben meine Vermutung, daß von vorneherein die Leute auf der Insel von der Polizei gefangengenommen worden sind; denn sonst glaube ich, daß Admiral von Schrader das gemeldet hätte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Bevor Sie weitere Erklärungen abgeben, möchte ich Ihnen noch etwas ins Gedächtnis zurückrufen, was Kapitän Wildemann sagte und was Sie wahrscheinlich auch ganz gut wissen: »Nach der Kapitulation sagte Admiral von Schrader oft, daß die Engländer ihn für die Übergabe der Gefangenen an den SD zur Verantwortung ziehen würden.« Admiral von Schrader hatte nach seiner Gefangennahme Befehl erhalten, nach England zu fahren, hat sich aber erschossen. Wußten Sie, daß sich Admiral von Schrader erschossen hat?

DÖNITZ: Das habe ich hier erfahren.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wußten Sie, daß er sich Sorgen darüber machte, daß er für diesen Befehl zur Verantwortung gezogen werden würde?

DÖNITZ: Nein, davon habe ich nicht das geringste gehört, weil ich seinen Selbstmord erst hier erfahren habe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie dem Gericht gegenüber immer noch behaupten, daß Admiral von Schrader Ihnen keine Meldung erstattete?

Können Sie sich erinnern, daß einige Tage nach dem Kapern dieses MTB Admiral von Schrader das Ritterkreuz bekam?

DÖNITZ: Ja, das hängt aber damit nicht zusammen. Eine Meldung hat er nicht gemacht über diesen Vorgang, und er ist auch für dieses Ritterkreuz nicht in Berlin gewesen, meiner Erinnerung nach.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Zwei weitere Offiziere, Oberleutnant Nelle und See-Oberfähnrich Böhm wurden ausgezeichnet, und in den Verleihungsurkunden wurde das Kapern dieses MTB als Grund für diese Auszeichnung angeführt. Sie sagen, Sie wissen davon nichts?

DÖNITZ: Davon weiß, ich nichts und kann auch davon nichts wissen, denn die Auszeichnung dieser Leute wird von dem zuständigen Disziplinarvorgesetzten bearbeitet und nicht von mir. Das Oberkommando der Kriegsmarine hat von diesem Geschehnis keinen Bericht bekommen, sonst wäre mir das gemeldet worden. Dieses Zutrauen habe ich zu meinem Oberkommando, und mein Zeuge, der wird beweisen, daß auch er das nicht bekommen hat, der es ja bei der Kriegsmarine hätte bekommen müssen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Meine letzte Frage, bevor ich dieses Thema verlasse, ist: Admiral von Schrader war Ihr Untergebener, und Sie sagen, er war ein sehr tapferer Offizier. Wollen Sie das Gericht glauben machen, daß die Verantwortung, die den Admiral von Schrader gebrochen und zum Selbstmord getrieben hat, die seine war? Daß er Sie niemals um Rat gefragt hat, und daß Sie für seine Handlung keine Verantwortung übernehmen? Wollen Sie das dem Gericht sagen?

DÖNITZ: Jawohl. Das will ich unter Eid sagen, denn wenn tatsächlich der Admiral von Schrader Selbstmord begangen hat wegen dieses Vorfalls, dann hat er eben einen Fehler gemacht, weil er Seeleute, die in einem See-Einsatz standen, falsch behandelt hat; wenn das so stimmt, dann hat er gegen die Bestimmungen gehandelt. Auf jeden Fall ist an mich nicht die leiseste Andeutung dieser Geschichte gekommen.

VORSITZENDER: Sir David! Wollen Sie den Zeugen bitte fragen, was er meint, wenn er sagt, daß Admiral von Schrader nicht direkt der Marine unterstellt war? Er war unter dem Befehl von Admiral Ciliax, nicht wahr? War dieser nicht damals auf Urlaub?

DÖNITZ: Ich hatte gesagt, er ist nicht direkt dem Oberkommando der Kriegsmarine in Berlin unterstellt gewesen. Also, wenn irgendein Bericht darüber ausgegangen ist von dem Admiral von Schrader, dann ist dieser Bericht nicht direkt an mich gegangen, sondern an seinen nächsten Vorgesetzten, der in Norwegen war.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und dieser nächste Vorgesetzte war Admiral Ciliax, der sich zu der Zeit auf Urlaub befand – aber wir wollen im Augenblick den Urlaub sein lassen –, sein nächster Vorgesetzter war Admiral Ciliax, nicht wahr?

DÖNITZ: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will es absolut fair darstellen: Wollen Sie sagen, daß für die Operationen in Norwegen Admiral Ciliax unter dem Kommando des – verbessern Sie mich, wenn ich mich irre – Generals von Falkenhorst stand? Ich kann mich nicht daran erinnern. Erinnern Sie sich, daß dieser Admiral unter dem Kommando des Oberkommandierenden von Norwegen stand, vielleicht können Sie dem Gerichtshof sagen...

DÖNITZ: Ja, in territorialer Beziehung unterstand Admiral Ciliax nicht dem Oberkommando der Kriegsmarine, sondern dem Wehrmachtsbefehlshaber Norwegen, dem General von Falkenhorst. Ich kann aber nur erklären, wenn der Zusammenhang so ist, wenn Admiral von Schrader im Zusammenhang mit dieser Geschichte Selbstmord begangen hat, dann ist eben gegen den Kommandobefehl ein Fehler gemacht worden, daß diese Leute, die als Seeleute und für den Seekampf dort hingeschickt, nicht entsprechend als Kriegsgefangene behandelt worden sind; wenn der Zusammenhang so ist – ich weiß nicht –, dann ist eben ein örtlicher Fehler gemacht worden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Auf jeden Fall behaupten Sie, daß Sie als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine trotz dieser Ordensverleihungen von diesen Aktionen nichts wußten?

DÖNITZ: Admiral von Schrader habe ich aus ganz anderen Gründen das Ritterkreuz verliehen; das habe ich gemacht. Von der Verleihung von Auszeichnungen an andere Leute, die Sie genannt haben, weiß ich nichts. Das geht mich auch nichts an, weil das die nächsten Disziplinarvorgesetzten veranlassen. Ob diese Verleihungen tatsächlich damit zusammenhängen, weiß ich auch nicht, oder ob dafür auch nicht andere Gründe maßgeblich gewesen sind. Ich kann es mir immer noch nicht vorstellen und glaube auch nicht, daß ein Mann wie der Admiral von Schrader Seeleute so behandelte. Hier steht ja auch nichts drin, daß sie im Seekampf erledigt worden sind, sondern es steht drin, daß sie auf einer Insel gefangengenommen worden sind. Ich finde es ja auch merkwürdig, daß das Oberkommando der Kriegsmarine darüber keine Meldung bekommen hat, wo es doch befohlen war, und daß auch im Wehrmachtsbericht dann darüber gemäß diesem Kommandobefehl nichts erschienen ist. All diese Dinge sprechen ja dagegen; also ich persönlich kann mir aus der Sache kein Bild machen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte nicht auf Einzelheiten eingehen, Angeklagter. Sie dürfen mir glauben, das Beweismaterial in diesem Prozeß zeigt klar, daß dieser Kutter von zwei Marinespezialverbänden angegriffen wurde. Wenn Kranzbühler findet, daß ich unrecht habe, bin ich gern bereit, es zuzugeben. Aber wir werden jetzt auf etwas anderes übergehen. Die Zeit drängt.

Wollen Sie sich Seite 105 des Dokumentenbuches ansehen?

DÖNITZ: Dann kann ich Ihnen nur erklären, daß ein ganz klarer Verstoß gegen einen Befehl gemacht worden ist, von dem das Oberkommando keine Kenntnis bekommen hat.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich wünsche, daß Sie jetzt zu dem nächsten Punkt kommen, Seite 71 im englischen und Seite 105 im deutschen Dokumentenbuch. In Bezug auf dieses Dokument brauchen sich keine Schwierigkeiten zu ergeben, denn Sie haben es selbst unterschrieben. Es ist eine Aktennotiz über die Frage von zusätzlichen Arbeitern für den Schiffsbau, und Sie kennen sie vermutlich sehr gut.

Ich verweise Sie auf den ersten Satz.

DÖNITZ: Verzeihung, auf welcher Seite steht es?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Seite 105, Beweisstück GB-211, englische Seite 71.

DÖNITZ: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich verweise Sie auf den ersten Satz:

»Des weiteren beantrage ich Verstärkung der Werftbelegschaften durch KZ-Häftlinge...«

Ich glaube nicht, daß wir uns mit Kupferschmieden befassen müssen, aber wenn Sie das Ende des Dokuments lesen, ganz am Schluß, dann sehen Sie, daß Ziffer 2 der Zusammenfassung lautet wie folgt:

»Als zusätzliche Arbeitskräfte werden 12000 KZ Häftlinge auf den Werften eingesetzt. (SD einverstanden )«

Nun, das ist ein Dokument von Ihnen, also...

DÖNITZ: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: So dürfen wir daraus schließen, daß Ihnen die Tatsache, daß es Konzentrationslager gab, bekannt war?

DÖNITZ: Das habe ich auch nie geleugnet.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, Sie sind noch weiter gegangen, Angeklagter, als Sie darüber am 28. September befragt wurden. Sie sagten damals: »Ich wußte im allgemeinen, daß wir Konzentrationslager haben, das ist klar.« Frage: »Von wem haben Sie das gehört?« Antwort: »Das ganze deutsche Volk wußte ja, daß es Konzentrationslager gab.« Wissen Sie noch, daß Sie das damals gesagt haben?

DÖNITZ: Ja, das deutsche Volk wußte, daß es Konzentrationslager gab; aber es wußte nichts von den Zuständen und Methoden dadrin.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es muß Sie doch ziemlich überrascht haben als der Angeklagte von Ribbentrop behauptete, er hätte nur von zwei Konzentrationslagern, von Dachau und Oranienburg, gewußt. Das muß doch ziemlich überraschend für Sie gewesen sein, nicht wahr?

DÖNITZ: Nein, gar nicht überraschend. Ich persönlich habe auch nur von Dachau und Oranienburg gewußt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber Sie sagten hier, daß Sie wußten, es gab Konzentrationslager; von wo dachten Sie denn, daß Ihre Arbeiter herkamen, aus welchen Lagern?

DÖNITZ: Aus diesen Lagern.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Haben Sie angenommen, daß alle Ihre Arbeiter Deutsche sein würden oder auch teilweise Ausländer?

DÖNITZ: Darüber habe ich mir überhaupt keine Überlegungen gemacht. Ich möchte jetzt dazu eine Erklärung abgeben, wie diese Forderung entstanden ist.

Ich habe bei Ende des Krieges die Aufgabe gehabt, in der Ostsee große Transporte durchzuführen. Allmählich ergab sich die Notwendigkeit, die Masse Hunderttausender von armen Flüchtlingen, die in Ost- und Westpreußen an der Küste standen, dort verhungerten und Seuchen unterlagen, die beschossen wurden, nach Deutschland zu bringen. Ich habe aus diesem Grunde mich um Handelsdampfer gekümmert, die an sich nicht mir unterstanden, und habe dabei festgestellt, daß von acht Dampfern, die in Dänemark in Auftrag gegeben waren, sieben kurz vor der Fertigstellung durch Sabotage vernichtet worden waren. Ich habe dann eine Sitzung einberufen von all den Stellen, die mit den Handelsdampfern zu tun hatten, und ich habe sie gefragt: »Wie kann ich Ihnen helfen, daß wir schneller zu Schiffsraum kommen und verschiedene Dampfer schneller reparieren können.« Dabei sind mir dann von diesen Seiten, die außerhalb der Marine standen, Vorschläge gemacht worden, und es ist mir auch der Vorschlag gemacht worden, zur Beschleunigung der Arbeit, der Reparaturen und so weiter KZ-Häftlinge einzusetzen mit der klaren Begründung, daß diese Beschäftigung bei sehr guter Verpflegung sehr gern gemacht würde, und da ich weder von Methoden und Zuständen von Konzentrationslagern wußte, so war es für mich selbstverständlich, daß ich in meiner Sammlung diese Vorschläge, dieses Angebot mit aufgenommen habe, zumal eine Schlechterstellung dieser Leute ja unter keinen Umständen in Frage kam, da zweifelsohne bei der Arbeit ihre Verpflegung besser war. Und ich weiß, man hätte mir umgekehrt einen Vorwurf machen können und hier erklären, die Leute wären besser gestellt in der Verpflegung, und ich hätte es abgelehnt. Ich hatte ja auch nicht den geringsten Grund dazu, weil ich von irgendwelchen Methoden in den Konzentrationslagern damals nichts wußte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wir sind Ihnen für Ihre Erklärung sehr dankbar. Ich möchte aber jetzt trotzdem von Ihnen wissen, ob – nachdem Sie vorgeschlagen hatten, 12000 KZ-Häftlinge zu bekommen – Sie diese auch wirklich bekommen haben?

DÖNITZ: Das weiß ich nicht, darum habe ich mich nicht mehr gekümmert. Nach der Sitzung habe ich eine Zusammenstellung machen lassen, welche dem Führer vorgelegt wurde...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Bleiben Sie bei der Frage! Die Antwort war, daß Sie nicht wußten, ob Sie diese Leute bekommen haben oder nicht, in der Annahme, daß Sie sie bekommen haben?

DÖNITZ: Ich habe die Leute überhaupt nicht bekommen, denn mich ging ja die Werft nichts an, deshalb weiß ich nicht, wie die Leute, die für die Werftarbeit verantwortlich waren, einen Arbeiterzuwachs bekommen haben; das weiß ich nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie hatten doch eine ziemlich verantwortliche Stellung; wenn Sie 12000 Leute aus Konzentrationslagern für die Schiffsbauindustrie bekommen haben, mußten diese Leute doch mit anderen Leuten zusammenarbeiten, die nicht aus dem KZ kamen, nicht wahr?

DÖNITZ: Aber sicher, ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie nunmehr diesem Gerichtshof einreden, daß, wenn Sie 12000 KZ-Häftlinge verlangt und möglicherweise auch bekommen haben und nun diese mit Leuten zusammenarbeiteten, die nicht aus Konzentrationslagern kamen, daß dann die Zustände, die in den KZ's waren, für die anderen Leute und für alle Machthaber Deutschlands ein Geheimnis geblieben sind?

DÖNITZ: Erstens weiß ich nicht, ob die Leute gekommen sind, zweitens, wenn die Leute gekommen sind, kann ich mir sehr wohl vorstellen, daß die Leute ein Schweigeverbot hatten; drittens weiß ich gar nicht, aus welchen Lagern sie kamen, ob das nicht Leute waren, die an Hand ihrer Arbeitsleistung schon in anderen Lagern gewesen waren; jedenfalls habe ich mich um die Durchführung, die Methode und so weiter nicht gekümmert, weil mich das ja gar nichts anging, sondern ich habe mich eingesetzt für die zuständigen Stellen außerhalb der Marine, die die Arbeiter brauchten, um die Reparaturen schneller zu machen, damit in der Frage der Handelsschiffsreparatur etwas geschah. Das war meine Pflicht angesichts der Pflichten der Rücktransporte, die bevorstanden; und das würde ich heute genau so wieder machen. So ist die Sachlage.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie sich das Dokument weiter unten ansehen, und zwar den vierten Absatz, wo es heißt: Anmerkung des Übersetzers. Wenn Sie den englischen Text anschauen, den Absatz, der anfängt: »Da sich an anderen Stellen...« Haben Sie es gefunden? Es ist die Stelle, nachdem Sie Ihrer Sorge um die Sabotagefälle in den dänischen und norwegischen Werften Ausdruck gegeben haben. Sehen Sie sich einmal Ihren Vorschlag an, wie man mit Saboteuren umgehen soll:

»Da sich an anderer Stelle Sühnemaßnahmen gegen ganze Belegschaften, bei denen Sabotage vorkam, bewährt haben und zum Beispiel in Frankreich die Werftsabotage völlig unterdrückt wurde, kommen möglicherweise ähnliche Maßnahmen auch in den nordischen Ländern in Betracht.«

Dahin ging Ihr Vorschlag, Angeklagter, daß man Sühnemaßnahmen gegen die ganzen Belegschaften ergreift, wenn einzelne Sabotageakte vorkamen. Stimmt das?

DÖNITZ: Ja. Darf ich dazu eine Erklärung geben?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut; aber außerdem stimmt es doch?

DÖNITZ: Bei dieser Sitzung ist von den Stellen, die außerhalb der Marine standen und die mit den Werftdingen zu tun hatten, erklärt worden, daß in Frankreich durch Sühnemaßnahmen Sabotagefälle verhindert worden sind. Ich habe jetzt durch die eidesstattliche Versicherung des Offiziers, der an der Sitzung teilnahm und das Protokoll oder die kurze Denkschrift aufgesetzt hat, festgestellt, daß unter Sühnemaßnahmen damals verstanden worden ist die Entziehung der zuständigen Verpflegung, die die Werftregie, die Werftleitung, herausgegeben hat. Das bedeutete das. Und zweitens um nun zu Norwegen zu kommen oder Dänemark: Ich habe den Leuten gesagt: Es ist ja unmöglich, daß wir mit unseren Devisen und unserem Material Schiffe dort bauen, und wenn die Schiffe nahezu fertig sind, werden sie durch Sabotage, wobei die Werftarbeiterschaft unter allen Umständen mitmacht, schließlich kaputtgeschlagen. Was kann man dagegen tun? Darauf bekam ich die Antwort: Die einzige Möglichkeit ist, sie von den Kreisen zu trennen, die Sabotage machen, und sie in Lagern zusammenzufassen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die ganze Erklärung, die Sie abgegeben haben, steht schon in dem Dokument, das dem Gerichtshof vorliegt. Haben Sie dem Dokument etwas hinzuzufügen?

DÖNITZ: Richtig: ich habe noch hinzuzufügen, daß außerdem die Arbeiter genau so behandelt werden sollten wie unsere Arbeiter, die dort auch in Baracken lagen. Es wäre dabei den dänischen und norwegischen Arbeitern wohl kein Haar gekrümmt worden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich verweise Sie noch auf einen Satz:

»Durch Einsatz betroffener Belegschaften... als KZ-Arbeiter würde nicht nur ihre Leistung auf 100 Prozent steigen, sondern unter Umständen auch durch Fortfall des bisherigen Verdienstes eine beträchtliche Abschreckung gegen Sabotage eintreten...«

Das zeigt doch Ihre Einstellung, wie man norwegische Arbeiter behandeln sollte. Stimmt das?

DÖNITZ: Das war eine Sicherheitsmaßnahme, um der Sabotagefälle Herr zu werden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Also dann schlagen Sie zurück auf Seite 70 im englischen und Seite 103 im deutschen Dokumentenbuch. Hier handelt es sich um einen Auszug aus der Niederschrift über die Besprechungen zwischen Ihnen und Hitler vom 1. Juli 1944. Es ist von Ihnen selber unterschrieben. Haben Sie das?

DÖNITZ: Noch nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Seite 70 im englischen, Seite 112 im deutschen Text. (Dokument GB-

210.)

DÖNITZ: Ja, ich habe es.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: »... Der Führer äußert im Zusammenhang mit dem Generalstreik in Kopenhagen, daß Terror nur mit Gegenterror bekämpft werden könne. Durch Kriegsgerichtsverfahren werden nur Märtyrer geschaffen. Die Geschichte beweist, daß die ganze Welt von diesen spricht, während von den vielen Tausenden, die bei gleichen Gelegenheiten ohne Kriegsgerichtsverfahren ums Leben gekommen sind nicht die Rede ist.« Keine Rede von denen, die ohne Verfahren verurteilt wurden! Sind Sie mit dieser Erklärung Hitlers einverstanden?

DÖNITZ: Nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Warum haben Sie dann diese Erklärung an Ihre Operations-Abteilung zum Umlauf geschickt, wenn Sie nicht damit einverstanden waren?

DÖNITZ: Ich bin mit dem Verfahren nicht einverstanden, es ist aber eine Betrachtung des Führers ausgedrückt. Es handelt sich auch nicht um eine Besprechung zwischen mir und dem Führer, sondern es handelt sich um ein Protokoll, das der mich begleitende Offizier über die große militärische Lage gemacht hatte, wo sehr verschiedene Punkte drinnen standen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie bitte versuchen, meine Frage zu beantworten? Sie ist ganz einfach. Warum haben Sie diese Erklärung des Führers an die Operations-Abteilungen zum Umlauf geschickt? Was enthalten diese wenigen Zeilen, das für Ihre Offiziere von Interesse ist? Was hielten Sie für Ihre Offiziere in diesem furchtbaren Stück Barbarei für so wertvoll?

DÖNITZ: Es ist sehr einfach zu sagen: Der Offizier, der das Protokoll aufgesetzt hat, hat das aufgenommen, um unsere Werftstellen darauf aufmerksam zu machen, daß in Kopenhagen Generalstreik ist. Aus diesem Grunde ist dieser Absatz aus der ganzen langen Lagebesprechung mit hineingezogen worden, damit die Werftstellen wußten, daß in Kopenhagen Streik ist. Das ist der ganze Sinn gewesen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich unterstelle Ihnen. Angeklagter, daß Sie es haben zirkulieren lassen, um Ihren Offizieren Unbarmherzigkeit einzuimpfen. Was sagen Sie dazu?

DÖNITZ: Dazu sage ich, daß das vollkommen falsch ist. Ich kann Ihnen weiter erklären, daß ich diesen Ausspruch des Führers gar nicht gehört habe, daß es aber möglich ist, daß er von dem begleitenden Offizier, Wagner, aufgenommen wurde aus dem Grunde, wie ich gesagt habe, um unsere Leute zu warnen: In Kopenhagen ist Generalstreik.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Angeklagter, ich will jetzt mit Ihnen über Ihre Kenntnis von Dokumenten, die Sie selber unterschrieben haben, nicht weiter streiten. Ich habe Fragen über Dokumente zu stellen, die Sie nicht unterschrieben haben; wir werden also zum nächsten übergehen.

DÖNITZ: Ich kenne das Dokument. Ich kenne es, weil ich es gezeichnet habe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Auf Seite 69, Seite 4 im englischen Dokumentenbuch, im deutschen Dokumentenbuch Seite 102.

(Dokument GB-209.) Hier handelt es sich um das Protokoll einer Besprechung am 19. Februar 1945 zwischen Ihnen und Hitler.

DÖNITZ: Nein, das ist nicht richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, Verzeihung. Es ist ein Auszug aus dem Protokoll der Hitler-Konferenz vom 19. Februar 1945, und es enthält einen Vermerk...

DÖNITZ: Nein; es heißt hier: Teilnahme der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine an der Führer-Lage; das war keine spezielle Besprechung mit dem Führer über die Gesamtlage.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich meinte nicht, daß es eine Sonderbesprechung war, sondern die Hitler-Konferenz am 19. Februar.

DÖNITZ: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der erste Satz, Absatz 1 lautet:

»Der Führer erwägt, ob das Deutsche Reich nicht aus der Genfer Konvention austreten solle.«

Und der letzte Satz:

»Der Führer beauftragt den Ob.d.M., das Für und Wider dieses Schrittes zu erwägen und baldmöglichst darüber vorzutragen.«

Und wenn Sie sich dann das Protokoll der Konferenz vom 20. Februar ansehen, mit der Überschrift »Teilnahme des Ob.d.M. an der Führer-Lage am 20. 2. 1945, 16.00 Uhr«, finden Sie folgendes:

»Der Ob.d.M. unterrichtet den Chef WFST, Generaloberst Jodl, und den Vertreter des Reichsaußenministers im FHQu, Botschafter Hewel, über seine Auffassung betreffend etwaigen Austritt des Deutschen Reiches aus der Genfer Konvention. Militärisch gesehen lägen für die Seekriegsführung keinerlei Gründe für diesen Schritt vor, die Nachteile seien im Gegenteil größer als die Vorteile. Auch allgemein scheine dem Ob.d.M. diese Maßnahme keine Vorteile zu bringen.«

Sehen Sie jetzt den letzten Satz:

»Es sei besser, die für notwendig gehaltenen Maßnahmen ohne Ankündigung zu treffen und nach außen hin auf alle Fälle das Gesicht zu wahren.«

Das heißt, um uns jetzt kurz und brutal auszudrücken, nicht aus der Konvention austreten, aber sie brechen, wenn immer es Ihnen paßt! Stimmt das?

DÖNITZ: Nein, das stimmt nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was bedeutet es dann? Wir wollen mal die Sache Wort für Wort durchgehen: »Es sei besser, die für notwendig gehaltenen Maßnahmen zu treffen...« Sind das nicht die Maßnahmen, die gegen die Genfer Konvention verstoßen?

DÖNITZ: Dazu muß ich eine Erklärung abgeben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Beantworten Sie erst meine Frage, und dann geben Sie Ihre Erklärung ab! Sie haben es vorhin schon getan, aber bitte beantworten Sie die Frage: Was sind »die für notwendig gehaltenen Maßnahmen«, wenn nicht Maßnahmen, die gegen die Genfer Konvention verstoßen? Beantworten Sie zuerst diese Frage.

DÖNITZ: Es sind Maßnahmen gegen die eigenen Truppen. Ich habe gehört – es ist mir mitgeteilt worden, daß der Führer beabsichtigte oder geäußert hätte, weil im Westen die Front nicht hielt und er Sorge hatte, daß die englische und amerikanische Propaganda die Leute verleite überzulaufen, aus der Genfer Konvention auszutreten. Darauf habe ich meinem Stab erklärt: »Wie kann man auf eine solche Idee kommen, ein etwa hundertjähriges Völkerrecht in dieser Beziehung in Bausch und Bogen über Bord zu werfen?« Es mag sein, daß dieser Ausspruch von mir gefallen ist: »Man solle die Maßnahmen treffen, die erforderlich sind.« An konkrete Maßnahmen ist da überhaupt nicht gedacht worden; es sind auch keine solchen Maßnahmen eingeleitet worden. Wie ich persönlich über die Behandlung von Kriegsgefangenen gedacht habe, können am besten die 8000 Engländer aussagen, die in meinen Lagern gewesen sind. Das ist der Zusammenhang dieser Angelegenheit. Alle Chefs aller Wehrmachtsteile haben sich gegen die Idee gewandt, aus der Genfer Konvention auszutreten. Sie sind nicht für diese Idee gewesen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ist das Ihre ganze Erklärung für den Ausspruch »die für notwendig gehaltenen Maßnahmen sind zu treffen«? Haben Sie weiter nichts dazu zu sagen?

Dann kommen wir zu etwas anderem.

Wissen Sie, daß Sie gestern zu Kranzbühler sagten, daß, als Sie Oberbefehlshaber der Kriegsmarine wurden, der Krieg ein reiner Verteidigungskrieg gewesen sei? Wissen Sie, daß Sie das zu Ihrem Verteidiger gesagt haben?

DÖNITZ: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das war nicht Ihre Schuld? Es war nicht Ihre Schuld, daß der Krieg auf die Länder beschränkt blieb, die schon drin waren, als Sie Ihr Amt übernahmen? Wissen Sie noch, welchen Rat Sie Hitler am 14. Mai 1943 gaben?

DÖNITZ: Nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann darf ich Ihnen vielleicht vorhalten: Erinnern Sie sich der Unterredung über die Seetransporte nach Sizilien und Sardinien? Wissen Sie, daß Sie darüber gesprochen haben? Und wissen Sie auch noch, daß Sie Hitler vorstellten, daß Ihre U-Bootverluste sich auf 15 bis 17 pro Monat beliefen und daß die Situation bezüglich des zukünftigen U-Bootkrieges ziemlich düster aussähe? Wissen Sie das noch?

DÖNITZ: Ja, das weiß ich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wissen Sie auch noch, daß Hitler sagte: »Die Verluste sind zu hoch. So geht das nicht weiter!«

Und Sie haben daraufhin zu Hitler gesagt:

»... daß dabei Biskaya unser einziges schmales Ausfalltor sei, dessen Überwindung größte Schwierigkeiten bereite und schon jetzt 10 Tage beanspruche. Ob.d.M. sieht beste strategische Lösung in Besetzung Spaniens einschließlich Gibraltars.«

Und daraufhin hat Hitler zu Ihnen gesagt,

»daß dies 1940 unter Mitziehen Spaniens noch möglich gewesen sei, jetzt aber und gegen den Willen Spaniens unsere Kräfte dazu nicht ausreichen.«

Wissen Sie noch, daß Sie diesen Vorschlag Hitler am 14. Mai 1943 gemacht haben und Hitler sagte, seine Kräfte seien nicht mehr ausreichend?

DÖNITZ: Ich glaube nicht, daß ich dem Führer den Vorschlag gemacht habe, Spanien zu besetzen, sondern ich habe sehr klar die Situation geschildert, daß wir in dieser schmalen Ecke der Biskaya blockiert wären und daß die Lage anders wäre, wenn der Raum viel größer wäre. Damit liegt aber noch nicht die Andeutung vor, daß wir in Anbetracht der defensiven Lage Spanien besetzen sollen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wir wollen die Angelegenheit ganz klarstellen. Ich zitiere aus dem Tagebuch des Admirals Aßmann eine wörtliche Übersetzung, Absatz 2.

Das Original liegt in London, Euer Lordschaft, aber ich werde eine Abschrift beschaffen, sie einreichen und beglaubigen. Dieser Punkt kam erst gestern auf. Ich habe das Original und werde Kranzbühler diese Eintragung zeigen.