[Zum Zeugen gewandt:]
Sehen Sie, Angeklagter, ich behaupte, daß die Erklärung, diese Warnung, daß Sie Handelsschiffe, falls sie bewaffnet waren, versenken würden, nichts an der bereits von Ihnen angewandten Methode änderte, unbewaffnete Schiffe ohne Warnung zu versenken.
DÖNITZ: Ich habe anfangs Oktober, meiner Erinnerung nach, den Befehl bekommen oder die Erlaubnis bekommen, die legale Erlaubnis bekommen, bewaffnete Handelsschiffe zu versenken, und von diesem Augenblick an habe ich danach gehandelt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann sagen Sie mir, bitte, standen Sie auf dem Standpunkt, daß das bloße Vorhandensein einer Waffe, eines Geschützes auf einem Handelsschiff schon aktiven Widerstand gegen Besichtigung und Untersuchung im Sinne des Abkommens bedeutete, oder war das ein neuer Zusatz zu den Richtlinien für die deutsche U-Bootkriegführung, den Sie jetzt völlig unabhängig von dem Abkommen einführten?
DÖNITZ: Es ist selbstverständlich, wenn einer eine Kanone an. Bord hat, daß er von der Waffe Gebrauch machen will. Es wäre ja eine einseitige Bindung, wenn das U-Boot nun selbstmörderisch abwarten wollte, bis der andere den ersten Schuß macht. Das ist ein Vertrag auf Gegenseitigkeit, und man kann unter keinen Umständen verlangen, daß das U-Boot abwartet, bis es den ersten Treffer bekommt. Und wie ich schon gesagt habe, in der Praxis haben die Dampfer, sowie sie Artilleriereichweite hatten, von ihrer Waffe Gebrauch gemacht.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber Sie wissen doch, Angeklagter, das Bewaffnen von Handelsschiffen war im vorigen Krieg allgemein bekannt. Seit zwanzig Jahren vor der Unterzeichnung dieses Abkommens war das bekannt. Sie werden sicher mit mir einiggehen, daß kein Wort in diesem Abkommen die Bewaffnung von Handelsschiffen untersagt. Warum haben Sie den Schiffen nicht Gelegenheit gegeben, sich des Widerstandes zu enthalten oder zu stoppen? Warum haben Sie gegen dieses Abkommen gehandelt, das Sie erst drei Jahre vorher unterzeichnet hatten? Nur das will ich wissen. Wenn Sie mir das nicht sagen können, wenn Sie sagen, daß es eine Streitfrage sei, dann werde ich Admiral Raeder fragen. Aber wollen Sie uns sagen – oder können Sie uns jetzt sagen –, warum Sie sich nicht an das Abkommen gehalten haben?
DÖNITZ: Das ist kein Verstoß gegen das Abkommen. Ich bin auch kein Völkerrechtler, sondern ich bin ein Soldat und handle nach meinem soldatischen Befehl, und es ist selbstverständlich Selbstmord von dem U-Boot, wenn es wartet, bis es den ersten Treffer empfangen hat. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß der Dampfer seine Waffen nicht zum Spaß an Bord hat, sondern davon Gebrauch macht, und in welcher Weise davon Gebrauch gemacht worden ist, habe ich bereits erklärt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun noch einen Punkt; denn auf Grund Ihrer Aussage muß ich auf alle diese Punkte eingehen.
Haben Sie Ihren Kommandanten befohlen, die Benützung des Funkapparats als aktiven Widerstand zu behandeln? Haben Sie das Funken von Handelsschiffen als aktiven Widerstand im Sinne des Abkommens angesehen?
DÖNITZ: Ich habe am 24. September den Befehl der Seekriegsleitung...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, nein, Angeklagter, wollen Sie bitte zuerst die Frage beantworten und dann eine Erklärung geben. Ich habe Ihnen das gestern und heute schon zwanzigmal gesagt. Haben Sie die Benützung des Funkgeräts durch Handelsschiffe als aktiven Widerstand angesehen?
DÖNITZ: Es ist völkerrechtlich allgemein die Regel, daß gegen ein Handelsschiff, das seine F.T. beim Anhalten benutzt, mit Waffengewalt vorgegangen werden kann. Das steht auch in der französischen Vorschrift zum Beispiel. Um in dieser Sache eine Verschärfung zu vermeiden, ist dieses von uns in der Regel noch nicht angewandt worden, sondern erst Ende September. Als ich einen ausdrücklichen Befehl oder Genehmigung dazu bekam, ist diese durchaus legale völkerrechtlich internationale Regel angewandt worden.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sagen Sie, wußte die deutsche Admiralität im Jahre 1936 nicht, daß die meisten Handelsschiffe Funkanlagen hatten?
DÖNITZ: Selbstverständlich. Sie dürfen aber nach der internationalen Juristenkonferenz – das weiß ich nun zufällig mal, weil es in der Prisenordnung als Fußnote stand –, von 1923 durften sie von dieser F.T. beim Anhalten keinen Gebrauch machen. Das ist internationales Recht, so lauten alle Instruktionen. Ich weiß mit Sicherheit, daß die französische Instruktion auch so gelautet hat.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Auf jeden Fall noch einmal: Die deutsche Admiralität und das Deutsche Auswärtige Amt haben die Benützung von F.T. in diesem Abkommen in keiner Weise erwähnt. Ich behaupte nun – ich möchte Ihnen das ganz klarmachen –, daß Sie sich über dieses Abkommen überhaupt keine Kopfschmerzen machten, jedenfalls nicht, wenn es Ihnen bei den Operationen in diesem Krieg nicht paßte.
DÖNITZ: Das ist nicht richtig.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann kommen wir nunmehr zu den Neutralen. Ich habe zwar bisher von Ihnen noch nicht gehört, daß Sie sich mit Neutralen befaßten, weil sie bewaffnet wären. Aber wir wollen ein bestimmtes Beispiel nehmen »Am 12. November 1939..«
DÖNITZ: Ich habe nie gesagt, daß die Neutralen bewaffnet waren.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das dachte ich ja. Das wollen wir also streichen. Wir werden das Beispiel nehmen.
Euer Lordschaft! Es ist Seite 20 des englischen Dokumentenbuches. und zwar in der Mitte des mittleren Absatzes. (Dokument GB-191.)