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[Zum Zeugen gewandt:]

»Am 12. November wurde das norwegische Schiff ›Arne Kjöde‹ in der Nordsee ohne jede Warnung torpediert. Das war ein Tanker, auf der Fahrt von einem neutralen Hafen in einen anderen.«

Angeklagter! Haben Sie Tanker, die von einem neutralen Hafen nach einem anderen liefen, als Kriegsschiffe angesehen, oder warum wurde dieses Schiff ohne Warnung torpediert? Der Kapitän und vier Mann der Besatzung kamen um, die andern wurden nach vielen Stunden in einem offenen Boot aufgefunden. Warum torpedierten Sie neutrale Schiffe ohne Warnung? Das war erst am 12. November; es war ein Tanker, der in der Nordsee von einem neutralen Hafen zu einem anderen lief.

DÖNITZ: Ja, der U-Bootkommandant konnte in diesem Fall nicht sehen, erstens, daß das Schiff von einem neutralen Hafen in den anderen geht, sondern dieses Schiff..

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und darum...

DÖNITZ: Nein, aus diesem Grunde nicht, nein. Dieses Schiff hatte Kurs auf England und er hat dieses Schiff verwechselt mit einem englischen Schiff, und deshalb hat er es torpediert. Dieser Fall ist mir bekannt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und Sie billigen diese Handlung Ihres U-Bootkommandanten?

DÖNITZ: Nein, das ist eine Behauptung, die Sie aufstellen, und ist durch den sauberen U-Bootkrieg, und daß das überhaupt eine Verwechslung ist, eigentlich praktisch widerlegt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn man im Zweifel ist, torpediert man...

DÖNITZ: Dies ist einer der Fälle...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Billigen Sie das nicht, daß man ohne Warnung torpediert, wenn man im Zweifel ist? Ist das Ihr Standpunkt?

DÖNITZ: Nein, nein, das ist Ihre Behauptung. Wenn man in einer sauberen U-Bootkriegführung von fünfeinhalb Jahren ein oder zwei Beispiele von Verwechslungen findet, dann beweist das nichts, sondern es widerspricht Ihrer Behauptung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja. Nun, wenn Sie wollen, können wir uns Ihren sauberen U-Bootkrieg einmal ansehen. Schlagen Sie mal im englischen Dokumentenbuch Seite 30 oder im deutschen Seite 59 und 60 auf. Bei dem ersten handelt es sich um die Niederschrift über die Verschärfung des U-Bootkrieges. Sie sagen, auf Grund der Weisung des OKW vom 30. Dezember – dies ist am 1. Januar 1940 – habe

»... der Führer... auf Vortrag durch den Ob.d.M.« – den Angeklagten Raeder – »entschieden: a) Griechische Handelsschiffe sind in der durch USA um England erklärten Sperrzone wie feindliche zu behandeln.«

Euer Lordschaft! Da ist ein Fehler in der Übersetzung: Hier steht: »... in der durch USA und England blockierten Zone...«. Die richtige Übersetzung sollte lauten: »... in der durch USA um England erklärten Sperrzone...«

[Zum Zeugen gewandt:]

Angeklagter! Ich will keinen Fehler machen, auf alle Fälle nicht absichtlich. Haben Sie griechische Schiffe dieser Behandlung unterworfen, da Sie glaubten, daß die meisten griechischen Handelsschiffe von England gechartert waren? War das der Grund?

DÖNITZ: Ja, das werden die Gründe der Seekriegsleitung für diesen Befehl gewesen sein, weil die griechische Flotte für England fuhr. Das nahm ich an, daß das die Gründe der Seekriegsleitung waren.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nehmen wir an, das waren die Gründe. Ich will mit diesem Punkt keine Zeit mehr verschwenden. Ich will nur wissen, bedeutete das, daß jedes griechische Schiff in diesen Gewässern ohne Warnung versenkt werden würde?

DÖNITZ: Jawohl, es steht ja hier, sie wären wie feindliche Schiffe zu behandeln.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das heißt, ein griechisches Handelsschiff würde ohne Warnung versenkt werden, wenn es in die Sperrzone um England herumkäme.

Sie haben nun den Bristol-Kanal erwähnt und für den folgenden Satz Ihre Erklärung gegeben. Sie sagten, daß Schiffe ohne Warnung versenkt werden können. Nach außen hin sollten diese Angriffe als Minentreffer deklariert werden. Ich möchte, daß Sie mir das genau erklären: Sie wollen doch nicht behaupten, der Grund für diesen Befehl der Skl war, die Operationshandlungen der U-Boote zu verschleiern. Sie wollten doch nur Schwierigkeiten mit Neutralen vermeiden, zu denen Sie gute Beziehungen erhalten wollten?

DÖNITZ: Dazu habe ich mich gestern schon geäußert. Das sind Dinge der politischen Führung, die mir nicht bekannt sind. Ich habe in dieser Sache als Befehlshaber der U-Boote den militärischen Vorteil oder die militärische Zweckmäßigkeit gesehen, die ja genau so in ähnlichen Fällen von England gemacht worden sind. Welche politischen Gründe dafür maßgebend gewesen sind, weiß ich nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das halte ich Ihnen ja gerade vor, Angeklagter, daß Sie auf Grund der militärischen Notwendigkeit vorgingen, wie sie in der Aufzeichnung der Seekriegsleitung erwähnt worden ist, daß nämlich England nur dann das größte Maß an Schädigung zugefügt werden könne, wenn man die Schiffe ohne Einschränkung und ohne Warnung versenke. Wir wollen aber jetzt das Folgende ansehen:...

DÖNITZ: Das waren bestimmte Gebiete, vor deren Befahren ja die Neutralen gewarnt waren. Ich habe gestern bereits erklärt, daß in den englischen Operationsgebieten genau so verfahren wurde. Wenn ein Neutraler sich in dieses Gebiet, wo Kampfhandlungen ständig von beiden Parteien waren, hineinbegibt trotz der Warnung, dann muß er eben das Risiko des Schadens dafür tragen. Das sind die Gründe gewesen, die die Seekriegsleitung zu diesen Befehlen geführt haben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Da Sie das nun erwähnt haben, werde ich Ihre Gebiete zuerst behandeln. Ihre bekanntgegebene Sperrzone erstreckte sich von den Faröern bis nach Bordeaux und 500 Meilen westlich von Irland. Mit anderen Worten, Ihre Zone umfaßte 750000 Quadratmeilen. Stimmt das? Diese Zone um England ging von den Faröern bis nach Bordeaux und 500 Meilen westlich von Irland.

DÖNITZ: Jawohl, das ist das Operationsgebiet vom August 1940.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, August 1940.

DÖNITZ: Und entspricht der sogenannten Kampfzone, deren Befahren Amerika für seine Handelsschiffe verboten hatte, raummäßig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie sagen, das entspricht sich. Dann wollen wir mal sehen, um was es sich eigentlich bei diesen beiden Dingen handelte. Die Vereinigten Staaten hatten damals gesagt, daß amerikanische Schiffe nicht in diese Zone fahren sollten. Sie sagten, wenn irgendein Handelsschiff in diese Zone von 750000 Quadratmeilen käme, seien Kriegsgesetze und Kriegsgebräuche nicht mehr gültig und man könnte das Schiff versenken, ganz gleich mit welchen Mitteln. War das Ihr Standpunkt?

DÖNITZ: Ja, das ist der deutsche völkerrechtliche Standpunkt, der übrigens auch von den anderen Nationen angewandt wurde, daß Operationsgebiete um den Gegner herum zulässig sind. Im übrigen kann ich nochmals sagen, ich bin kein Völkerrechtler, sondern ich bin ein Soldat und urteile nach gesundem Menschenverstand und halte es für selbstverständlich, daß man einen Seeraum, eine Wasserzone um England nicht dem Gegner ungestört überläßt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich finde nicht, daß Sie das widerlegen, aber ich will es nochmals klarmachen: Es war Ihr Standpunkt, daß es recht sei, daß, wenn Sie ein Operationsgebiet von dieser Ausdehnung festlegten, jedes neutrale Schiff – Sie selbst geben zu, daß es neutral ist –, das unbewaffnet in diese Zone kommt, ganz gleich mit welchen Mitteln, versenkt werden konnte. Das war Ihre Ansicht von der Führung des Seekriegs. Das stimmt doch, nicht wahr?

DÖNITZ: Ja, es gibt ja auch genug englische Aussprüche, die durchaus für richtig halten, daß man in einem Krieg – wir waren ja mit England im Krieg – nicht zulassen kann, daß Neutrale hineinfahren und den Kriegführenden unterstützen, besonders wenn sie vorher gewarnt sind. Es ist eine durchaus völkerrechtliche legale Sache.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Rechtsfragen werden wir mit dem Gerichtshof besprechen, ich will hier nur Tatsachen feststellen.

Das ist Ihr Standpunkt? Und ferner, wenn Sie außerhalb der Zone ein neutrales Schiff antrafen, das sein Radio benützte, würden Sie es als Kriegsschiff einer kriegführenden Macht behandeln? Wenn ein neutrales Schiff seinen Sender benützt, nachdem es das Unterseeboot gesichtet hatte, würden Sie es wie ein Kriegsschiff einer kriegführenden Macht behandeln? Stimmt das?

DÖNITZ: Jawohl, entspricht den völkerrechtlichen Bestimmungen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, das ist eine Rechtsfrage, die den Gerichtshof angeht, und über die ich nicht mit Ihnen streiten will. Ganz abgesehen von dem Völkerrecht, ist Ihnen jemals der Gedanke gekommen daß diese Art von Behandlung neutraler Schiffe eine absolute Nichtachtung des Lebens und der Sicherheit der an Bord befindlichen Leute bedeutete? Haben Sie das je bedacht?

DÖNITZ: Ich habe schon gesagt, daß die Neutralen vor dem Befahren des Kampfgebietes gewarnt worden sind. Wenn sie sich nun in dieses Kampfgebiet hineinbegeben, müssen sie das Risiko, zu Schaden zu kommen, tragen, sonst müssen sie draußen bleiben, dafür ist Krieg. Man würde ja zum Beispiel auf dem Lande auch keine Rücksicht nehmen, wenn plötzlich ein neutraler Lastkraftwagenzug dem Gegner Vorräte und Munition zufährt, dann würde man diesen genau so beschießen, wie einen Transport des Gegners auch. Es ist also durchaus zulässig, um das Feindland auf dem Wasser auch Wasserzonen zum Kriegsgebiet zu machen. Das ist das, wie ich völkerrechtlich unterrichtet bin, obwohl ich nur Soldat bin.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ach so!

DÖNITZ: Eine strikte Neutralität würde bedingen, daß man eben ein Kampfgebiet meidet. Wer sich hineinbegibt, der muß die Konsequenz daraus ziehen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das ist Ihr Standpunkt? Ich glaube, das läßt sich nicht besser ausdrücken.

DÖNITZ: Aus dem Grunde haben ja auch die Vereinigten Staaten ausdrücklich im November das Befahren verboten, weil sie sagten, wir wollen nicht in das Kampfgebiet hineinfahren.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ihrer Ansicht nach beging jedes neutrale Schiff, das eine Zone von 750000 Quadratmeilen um England herum befuhr, einen unneutralen Akt und konnte daher ohne Warnung auf Sicht versenkt werden. Nicht wahr, das ist Ihr Standpunkt in der Seekriegsführung; das ist richtig, nicht wahr?

DÖNITZ: Jawohl, es waren für die Neutralen besondere Wege freigegeben. Sie brauchten nicht in das Kampfgebiet hineinfahren. Es sei denn, daß sie nach England fuhren, dann mußten sie das Risiko des Krieges tragen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann sagen Sie mir, bitte, jetzt einmal, sehen Sie sich noch einmal Dokument C-21 an, Seite 30 im englischen Text und Seite 59 und 60 im deutschen Text, da sehen Sie, daß in all diesen Fällen – nehmen Sie den in Absatz 2, Zeile 5:

»Lagebesprechung beim Chef der Seekriegsleitung« vom 2. Januar. »Verschärfte Maßnahmen für See- und Luftkriegsführung in Verbindung mit dem Fall ›Gelb‹« – das war die Invasion von Holland und Belgien –; »die warnungslose Versenkung aller Schiffe durch U-Boote in den Seegebieten vor den feindlichen Küsten.., in denen die Verwendung von Minen möglich ist.«

Warum denn, wenn Sie, wie Sie dem Gerichtshof verschiedentlich gesagt haben, wenn Sie nach Ihrer Meinung völkerrechtlich gehandelt haben, warum haben Sie dann so nur in den Gebieten gehandelt, in denen Minen verwendet werden konnten?

DÖNITZ: Das habe ich ja bereits erklärt, daß es keine Frage der Rechtmäßigkeit, sondern der militärischen Zweckmäßigkeit ist. In einem Gebiet, wo Minen liegen können, kann ich aus militärischen Gründen dem Gegner nicht klar darstellen, mit welchen Kampfmitteln ich arbeite. Genau so haben Sie auch operiert. Ich erinnere an das französische Warngebiet, das entsprechend des Minenraums um Italien erlassen worden ist, und Sie haben ja in Ihrem Warngebiet auch nicht erklärt, mit welchen Kampfmitteln Sie operierten. Das hat mit der Rechtmäßigkeit nichts zu tun, sondern ist eine Frage der militärischen Zweckmäßigkeit.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehen Sie, ich glaube, es dürfte Ihnen ganz klar sein, daß das, was ich Ihnen vorhalte, folgendes ist: Den Neutralen gegenüber taten Sie so, als ob Sie in Übereinstimmung mit dem Londoner Abkommen handelten. Aber tatsächlich handelten Sie nicht in Übereinstimmung mit dem Abkommen, sondern in Übereinstimmung mit Instruktionen, die Sie zum eigenen Gebrauch herausgegeben hatten und die auf militärischer Notwendigkeit beruhten.

Ich halte Ihnen vor, daß die Seekriegsleitung vortäuschte, sich an das Abkommen zu halten und auf diese Weise betrügerische Vorteile aus diesem Abkommen zog. Und ich behaupte, daß das der Zweck dieser Befehle ist, die besagen, daß das nur da geschehen solle, wo man Minen verwenden konnte. Hatten Sie nicht das im Sinne?

DÖNITZ: Das ist nicht richtig, daß wir den Neutralen das vortäuschten, sondern wir haben klar die Neutralen gewarnt, in diesen Operationsgebieten finden Kampfhandlungen statt, und wenn er reinfährt, kommt er zu Schaden. Wir haben also nichts vorgetäuscht, sondern ihnen ausdrücklich gesagt: »Fahrt nicht dahin!« Genau so hat es England auch gemacht.

VORSITZENDER: Sir David! Bezieht sich nicht der nächste Satz darauf?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Euer Lordschaft. Verbindlichsten Dank.