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[Zum Zeugen gewandt:]

Wollen Sie sich den nächsten Satz in II – 1 ansehen, der besagt:

»Der Kriegsmarine wird mit dieser Weisung bei Beginn der allgemeinen Verschärfung des Krieges die warnungslose Versenkung aller Schiffe durch U-Boote in den Seegebieten vor den feindlichen Küsten freigegeben, in denen die Verwendung von Minen möglich ist. Nach außen hin ist in diesem Falle der Einsatz von Minen vorzutäuschen. Verhalten und Waffenverwendung der U-Boote soll dem Rechnung tragen.«

Angesichts dieses Satzes wollen Sie immer noch behaupten, daß Sie nicht versuchten, die Neutralen zu täuschen – um Ihren eigenen Ausdruck zu gebrauchen?

DÖNITZ: Nein, wir haben hier nicht getäuscht, weil wir sie vorher gewarnt haben, und ich brauche im Kriege nicht zu sagen, welche Kampfmittel ich einsetze, und ich kann sehr wohl mein Kampfmittel tarnen. Aber den Neutralen ist nichts vorgetäuscht worden. Im Gegenteil, man hat ihnen gesagt, fahrt nicht dahin. Daß ich militärisch dann so oder so vorgehe, hat mit den Neutralen dann nichts mehr zu tun.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bitte Sie nun, dem Gerichtshof zu sagen, was Ihrer Ansicht nach Ihre Verantwortung gegenüber Seeleuten war, deren Schiffe versenkt wurden. Dachten Sie dabei an die Bestimmungen des Londoner Abkommens, und geben Sie zu, daß es Ihre Verantwortung war, Seeleute, deren Schiffe versenkt worden waren, zu retten, wo immer dies möglich war, ohne das eigene Schiff in Gefahr zu bringen? Ist das im großen und ganzen richtig?

DÖNITZ: Ja, selbstverständlich, wenn das Schiff sich nach dem Londoner Abkommen selbst verhalten hat, beziehungsweise wenn es nicht in diesen genannten Operationsgebieten erfolgt ist.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Oh, ist das Ihr Ernst? Das heißt, wenn Sie ein neutrales Schiff versenkten, das in diese Zone gekommen war, dachten Sie, Sie wären all Ihrer Verpflichtung unter dem Londoner Abkommen entbunden, sich um die Sicherheit der Mannschaft zu kümmern?

DÖNITZ: In Operationsgebieten bin ich verpflichtet, mich nach dem Kampf um die Schiffbrüchigen zu kümmern, wenn es die militärische Lage erlaubt. Dasselbe hat auch in der Ostsee gegolten und in vielen Operationsgebieten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gerade das fragte ich Sie, Angeklagter. Glauben Sie mir, ich will nichts Unrichtiges feststellen. Ich wiederhole: Wenn man das tun konnte, ohne das eigene Schiff in Gefahr zu bringen, also ohne Gefahr zu laufen, das Schiff zu verlieren. Wollen wir es doch ganz klar zum Ausdruck bringen: Wollen Sie sagen, daß in der von Ihnen festgelegten Zone keine Verpflichtung bestand, für die Sicherheit der Mannschaft zu sorgen, daß Sie keine Pflicht anerkannten, für die Sicherheit der Mannschaft zu sorgen?

DÖNITZ: Ich habe ja gesagt, daß ich die Pflicht hatte, mich um die Schiffbrüchigen zu kümmern nach dem Kampf, wenn es die militärische Lage erlaubte. Das steht ja in der Genfer Konvention oder in dem Abkommen zur Anwendung der Genfer Konvention drin.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann bestand doch kein Unterschied, ob die Versenkung innerhalb oder außerhalb der Zone erfolgte. Nach dem, was Sie sagen, erkannten Sie genau dieselben Verpflichtungen gegenüber den Überlebenden an, gleich ob innerhalb öder außerhalb der Zone. Ist das richtig?

DÖNITZ: Nein, das ist falsch, denn außerhalb der Zone wurden ja die Neutralen nach der Prisenordnung behandelt, nur innerhalb der Zone nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was ich nicht verstehen kann, ist folgendes, und ich hoffe wirklich, daß ich nicht allzu dumm bin. Worin bestand der Unterschied? Was für ein Unterschied, glaubten Sie, bestand in Ihrer Verantwortlichkeit den Überlebenden gegenüber, zwischen der Versenkung innerhalb und der außerhalb der Zone? Das möchte ich gerne wissen.

DÖNITZ: Der Unterschied lag darin, daß die Neutralen außerhalb der Zone nach der Prisenordnung behandelt wurden, daß wir also nach dem Londoner Abkommen verpflichtet waren, bevor das Schiff versenkt wurde, für die Sicherheit und Landnähe der Besatzung zu sorgen. Und diese Verpflichtung war innerhalb der Zone nicht vorhanden, sondern es galt das Haager Abkommen zur Genfer Konvention, wo ich mich um die Schiffbrüchigen nach dem Kampf kümmern soll, wenn es die militärische Lage erlaubt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie zugeben, daß ein ausdrücklicher Befehl, Überlebende eines versenkten Schiffes zu vernichten, zu ermorden, ein empörender Befehl wäre?

DÖNITZ: Das habe ich ja hier eingangs erklärt, daß eine Bekämpfung von Schiffbrüchigen gegen die soldatische Kampfsittlichkeit verstößt und daß ich nie einen Millimeter in der Beziehung durch einen Befehl meine Hand dazu gegeben habe; selbst als Vergeltung nicht, wo mir entsprechende Vorschläge gemacht worden sind.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie zugeben, daß trotz der Disziplin, die in Ihrem Wehrmachtsteil herrschte, die Möglichkeit bestand, daß einige U-Bootkommandanten sich geweigert hätten, einen Befehl, Überlebende zu vernichten, auszuführen?

DÖNITZ: Es ist ja überhaupt kein solcher Befehl gegeben worden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, daß es eine berechtigte Frage ist. Wenn dieser Befehl so gegeben worden wäre: »Vernichte Überlebende, nachdem du ihr Schiff versenkt hast«. Sie kennen Ihre Offiziere. Würde irgendwie die Gefahr bestanden haben, daß einige von ihnen sich geweigert hätten, diesen Befehl auszuführen?

DÖNITZ: Ja, wie ich meine U-Bootwaffe kenne, wäre ein Entrüstungssturm gekommen gegen einen solchen Befehl. Im sauberen und reinen Idealismus dieser Leute hätten sie das nicht getan, und ich hätte auch nie einen solchen Befehl gegeben oder zugelassen, daß ein solcher Befehl gegeben wird.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, darauf wollte ich Sie hinweisen.

Sehen Sie sich einmal Seite 33 des englischen Dokumentenbuches an. Dieses enthält Ihren ständigen Befehl Nr. 154. (Dokument Nummer GB-196.) Lassen Sie mich ihn vorlesen, langsam, wenn der Gerichtshof nichts dagegen hat. Es heißt dort:

»Keine Leute retten und mitnehmen. Keine Sorge um Boote des Dampfers. Wetterverhältnisse und Landnähe sind gleichgültig. Nur Sorge um das eigene Boot und das Streben, sobald wie möglich den nächsten Erfolg zu erringen! Wir müssen hart in diesem Kriege sein.«

Sagen Sie mir zuerst, was meinen Sie bei dem »nächsten Erfolg«? Bedeutet das nicht den nächsten Angriff auf ein Schiff?

DÖNITZ: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehen Sie sich jetzt einmal Ihren Befehl an und vergleichen Sie denselben mit dem Wortlaut des Londoner Abkommens. Das Abkommen besagt, wie Sie sich erinnern werden, daß ein Kriegsschiff, also auch ein U-Boot, ein Handelsschiff nicht versenken oder seeuntauglich machen darf, ohne daß zuerst die Passagiere, Mannschaft und die Schiffspapiere an einen sicheren Ort gebracht worden sind. Die Rettungsboote des Schiffes werden nicht als sicherer Ort betrachtet, es sei denn, daß die Sicherheit der Passagiere und Mannschaft durch die vorherrschenden See- und Wetterverhältnisse, durch die Nähe von Land oder durch die Gegenwart eines anderen Schiffes gesichert ist.

Angeklagter! Sie hatten doch diese Bestimmung des Londoner Abkommens vor sich, als Sie diesen Befehl entwarfen? Und Sie haben vorsätzlich die in dem Londoner Abkommen erwähnten Punkte aus Ihrem Befehl ausgelassen. Hören Sie sich nochmals Ihren Befehl an: »Keine Sorge um Boote des Dampfers: Wetterverhältnisse« – eine Sache, die in dem Abkommen erwähnt ist – »Landnähe« – noch etwas, was in dem Abkommen erwähnt ist – »sind gleichgültig«

Ihr Befehl hätte genau so klar folgendermaßen ausgedrückt werden können:

»Kümmere dich nicht um all die Angelegenheiten, die im Artikel 2 des Londoner Abkommens stehen!«

Sagen Sie mir nun, hatten Sie nicht das Londoner Abkommen vor sich, als Sie diesen Befehl aufsetzten?

DÖNITZ: Selbstverständlich hatte ich das Londoner Abkommen in meinem Bewußtsein und vor mir. Ich habe aber gestern eingehend erklärt, daß es sich ja hier um den Kampf, um das gesicherte Schiff handelt, wie aus dem ganzen Befehl, wo Sie allein diesen Absatz herausnehmen, hervorgeht und infolgedessen das Londoner Abkommen, das sich nicht auf gesicherte Schiffe bezieht, gar nicht in Frage kam; und zweitens, daß es sich hier um ein Gebiet handelte, das unmittelbar in Gegenwart der ständigen feindlichen Sicherung unter der englischen Küste vor den Häfen war. Das Londoner Abkommen hat mit dem Kampf des gesicherten Schiffes gar nichts zu tun, das sind zwei ganz verschiedene Dinge, und für diesen Raum und für diesen Kampf am gesicherten Schiff galt dieser Befehl, das habe ich gestern ganz genau auseinandergelegt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn Sie sagen wollen, daß sich dies nur auf Angriffe auf Schiffe in Geleitzügen bezog, dann sehen Sie sich einmal Seite 26 des englischen Dokumentenbuches an, Seite 57 des deutschen Dokumentenbuches. Dort finden Sie den Bericht über die Versenkung der »Sheaf Mead« am 27. Mai 1940. Sehen Sie sich einmal das Logbuch des U-Bootes an gegenüber der Zeiteintragung von 16.48 Uhr, Seite 27 des englischen Textes, Seite 57 des deutschen Textes (Dokument Nummer GB-192). Es heißt dort wie folgt:

»Ein großer Haufen von Schiffstrümmern schwimmt umher. Wir nähern uns, um den Namen zu ermitteln. Die Mannschaft hat sich auf Schiffstrümmern und gekenterte Boote gerettet. Wir fischen einen Rettungsring auf. Kein Name daran. Ich frage einen Mann auf dem Floß. Er sagt: ›Nix Name‹, ohne kaum seinen Kopf zu drehen. Ein junger Bursche im Wasser ruft: ›Help, help, please‹. Die andern sind alle sehr gefaßt. Sie sehen naß und ziemlich müde aus. Ein Ausdruck kalten Hasses liegt auf ihren Gesichtern. Zurück auf den alten Kurs.«

Auf Seite 57 des deutschen, Seite 28 des englischen Dokumentenbuches finden Sie den letzten Satz aus dem Bericht der Überlebenden, der das Verhalten des U-Bootes wie folgt beschreibt:

»Sie kreuzten etwa eine halbe Stunde herum, photographierten uns im Wasser, sonst sahen sie uns nur zu, aber sagten kein Wort. Dann tauchten sie und fuhren weg, ohne uns irgendwelche Hilfe anzubieten.«

Hier sehen Sie, was ich meine, Angeklagter. Ihr eigener Kommandant sagt, daß ein junger Bursche im Wasser »Help, help, please« ruft und Ihr U-Boot photographiert, taucht und fährt weg.

VORSITZENDER: Sir David! Sollten Sie nicht auf die Stelle verweisen, und zwar gleich nach dem Namen des Schiffes unter 16.48 Uhr: »Es ist nicht klar...«

SIR DAVID MAXWELL-FYFE:

»Ob er als ein normales Handelsschiff gefahren ist, halte ich für fraglich. Dagegen spricht:«

Dann, Euer Lordschaft, werden einige Tatsachen aufgeführt.

Natürlich, Euer Lordschaft, spreche ich jetzt von den Überlebenden. Ich nehme dies nicht als Beispiel einer unberechtigten Versenkung. Ich nehme dieses als Beispiel der Ausführung dieses Befehls.

Ich danke, Euer Lordschaft, aber gerade deshalb habe ich die Stelle nicht angeführt.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich jetzt vertagen.