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[Zum Zeugen gewandt:]

Es ist Seite 41 unten. Es heißt: 20. September 13.20 Uhr. Das ist Ihr Funkspruch an das U-Boot »Schacht«. Können Sie das sehen?

DÖNITZ: Ja. Das habe ich gestern ganz genau aufgeklärt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will nur wissen, ob es stimmt, was in Ihrem Funkspruch steht, daß das Boot abgeteilt war, um italienische Bundesgenossen zu retten und nicht zur Rettung und Betreuung von Engländern und Polen; ist das wahr?

DÖNITZ: Das stimmt, weil das Boot mir gemeldet hatte: »Ich habe vier Schleppboote« – da steht auf Seite 40: »... mit Engländern im Schlepp.« Und bei der ganzen Lage war es klar, daß ein U-Boot mit einem Schleppschwanz ohne größte Eigengefährdung nicht an der Oberfläche sein konnte; daher auf Seite 40 unter Nummer 2 der Befehl und die gegebene Anweisung: »Boote mit Engländern und Polen schwabbern lassen,« Ich wollte die Boote weghaben. Das war der einzige Grund. Und weil nachher – auf Seite 41 – ein langer Funkspruch von ihm kam, der an sich eine Zusammenfassung war, der aber aufgefaßt wurde, daß er wieder mit Stoppen und Menschenübernehmen sein Boot stark gefährdet hatte. Nachdem die beiden Luftangriffe schon gewesen waren, hatte er diesen Funkspruch bekommen, zumal ich ja stark und allmählich, nachdem ich in den ersten vier Tagen oder wenigstens drei Tagen mich gegen das Retten der Engländer gar nicht gewandt habe, den Eindruck bekommen habe, daß die Italiener, die ja immerhin unsere Bundesgenossen waren, zu kurz kamen bei der Rettung, was sich tatsächlich dann auch ergeben hat.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben eine lange Erklärung abgegeben. Ich frage Sie nun: Stimmt das Telegramm, in dem es heißt, daß das Boot ausgesandt wurde, um italienische Bundesgenossen zu retten und nicht zur Rettung und Betreuung von Engländern und Polen? Ist das wahr oder nicht?

DÖNITZ: Selbstverständlich bezieht sich dieser Funkspruch auf die beiden Vorgänge und wird durch diese beiden Vorgänge eindeutig klar, und auch durch den Eindruck, daß die größte Zahl Engländer gerettet worden ist und die größte Zahl Italiener dabei getötet wurde.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte, daß Sie mir eine Sache etwas verdeutlichen. Als Sie über diesen Punkt vernommen wurden, gaben Sie an, daß Sie sich damals unter großem Druck befunden haben. Ich glaube, der Druck kam von Hitler durch Kapitän Fricke. Ist das richtig?

DÖNITZ: Nein, nicht allein; auch, aber nicht allein. Der Druck stammte, und das habe ich hier sehr klar ausgeführt, aus der Angst und Sorge vor dem Schicksal meiner U-Boote, weil ich wußte, daß sie nun außerordentlich gefährdet waren; den Beweis haben wir schon gehabt durch die Bombenangriffe. Und zweitens – und selbstverständlich – durch die Weisung des Führers, die Fricke gab. Ich habe aber auch erklärt, daß ich trotz dieser Weisung, wenn auch militärisch falsch, beim Retten geblieben bin, aber mein Druck, meine Angst und Sorge, die ich hatte, war hauptsächlich ausgelöst durch die U-Boote.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Also zu dieser Zeit hatten Sie die Meldung an den Führer vom 14. Mai vor sich. Sie hatten schon den »Laconia«-Fall hinter sich, und während dieses Zwischenfalls kam der Druck vom Führer. Nun, war es nicht darum...

DÖNITZ: Verzeihung, aber...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie mir gestatten, meine Frage zu beenden?

DÖNITZ: Ich glaube, das ist ein Irrtum, der sich hier eingeschlichen hat.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, ich werde es verbessern. Sie hatten die Meldung an den Führer vom 14. Mai gehabt. Sie haben mir das gesagt. Dann war der »Laconia«...

DÖNITZ: Das hat nichts zu tun mit der Anweisung des Führers während des »Laconia«-Falles. Während des »Laconia«-Falles hat der Führer richtigerweise sagen lassen, daß bei der Rettung keine Boote gefährdet werden sollten. Das ist also etwas ganz anderes als das Thema vom 14. Mai.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will nur im Moment die Punkte, mit denen Sie sich zu befassen hatten, zusammenziehen Sie hatten den 14. Mai, Sie hatten den »Laconia«-Zwischenfall und dann einen Befehl anzuhalten, der vom Führer kam.

DÖNITZ: Nein, beim »Laconia«-Zwischenfall habe ich an den Befehl oder an die Diskussion des Führers vom 14. Mai überhaupt nicht gedacht und denken können, weil es ein ganz anderes Thema ist. Es ist eine ganz andere Angelegenheit, eine reine Rettungsangelegenheit hier. Es hat gar keinen Konnex miteinander.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wir werden gleich darüber sprechen.

Nehmen Sie Seite 36 im englischen Dokumentenbuch oder Seite 71 bis 75 im deutschen Dokumentenbuch vor... Sie haben uns hier ausgesagt, das, was Sie vor allem besorgte, war die Sicherheit Ihrer eigenen Boote und Ihres eigenen Personals.

DÖNITZ: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aus welchem Grunde haben Sie dem Befehl noch hinzugefügt: »Rettung widerspricht den primitivsten Forderungen der Kriegsführung nach Vernichtung feindlicher Schiffe und Besatzungen?« Weshalb haben Sie diese Worte eingefügt, wenn Sie nicht Ihre Leute dazu ermuntern wollten, feindliche Schiffe und Mannschaften zu vernichten?

DÖNITZ: Das habe ich gestern ganz genau erklärt. Ich habe in den ganzen Jahren gepredigt: »Ihr dürft nicht retten, wenn eure Sicherheit gefährdet ist.« Ich habe beim »Laconia«-Fall selbst das noch viele Male durch Funksprüche in meiner Angst und Sorge der Truppe gesagt und habe immer wieder erlebt außerdem, daß die U-Bootkommandanten die Luftgefahr zu leicht nahmen. Ich habe auch erklärt, wie das psychologisch zu erklären ist. Ich habe gestern die erdrückende Zunahme der Luftwaffe geschildert und hätte infolgedessen unter keinen Umständen nochmals als Begründung den Leuten gesagt: Wenn Fliegergefahr ist oder, da die Fliegergefahr euch gefährdet und so weiter, dürft ihr nicht retten, oder widerspricht das Retten den primitivsten Dingen der Kriegsführung, weil ich eben jede Diskussion darüber – ist Fliegergefahr oder nicht – den Kommandanten wegnehmen wollte. Nach meiner ganzen Erfahrung der Verluste und der Allgegenwärtigkeit der Luftwaffe, die ja, wie historisch ist, immer stärker wurde, mußte ich nun mal auf Grund meiner Erfahrung den Kommandanten einen klaren Befehl geben: »Es geht jetzt nicht mehr, oder wir werden beim Retten des Gegners von dem Gegner selbst totgeschlagen.«

Deshalb konnte diese Gedankenführung nicht hineinkommen. Ich wollte den Kommandanten nicht wieder die Möglichkeit einer Überlegung oder einer Diskussion geben. Ich sagte gestern ja schon, ich hätte ja dazusetzen können: »Wenn wir jetzt an Hand der Fliegergefahr beim Retten des Gegners vom Gegner selbst totgeschlagen werden, so widerspricht das Retten den primitivsten Dingen der Kriegsführung«. Das wollte ich aber nicht, weil ich eine Diskussion überhaupt nicht mehr wollte. Wir hatten alle den Eindruck, daß diese Platte vom »Nichtretten bei Fliegergefahr« eben abgespielt war, weil die Kommandanten eben dann doch ihre Entschlußfreiheit verloren und in diese Sache hineinkämen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn Sie einfach gesagt hätten: »Ihr dürft nicht retten«, und wenn Sie einen Grund angeben wollten, hätten Sie sagen können: »Retten ist verboten, und zwar ist es angesichts des alliierten Jagdschutzes mit Rücksicht auf eure eigene Sicherheit und die eurer Boote zu gefährlich, eine Rettungsaktion zu unternehmen.« Das wäre doch ganz klar. Warum haben Sie es nicht so gesagt?

DÖNITZ: Nein, das konnte ich eben nicht; das habe ich ja eben gesagt, weil wieder irgendein Kommandant in einem Seeraum auf den Gedanken kommen konnte, hier ist keine Fliegergefahr, und dann wäre im nächsten Augenblick das Flugzeug da, und er wäre totgeschlagen worden. Das hatte ich ja alles doch schon gesagt, was Sie vorschlagen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie hatten zwei erfahrene Stabsoffiziere bei sich, als Sie diesen Befehl erließen, die Kapitäne Godt und Heßler. Stimmt das?

DÖNITZ: Ja, das ist richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Beide, sowohl Kapitän Godt wie Kapitän Heßler rieten Ihnen sehr dringend von dem Erlaß dieses Befehls ab, nicht wahr?

DÖNITZ: Meiner Erinnerung nach sagten sie etwa folgendes: »Die meisten der U-Boote« – das habe ich hier erklärt – »die meisten der U-Boote, also über 90 Prozent der U-Bootwaffe, kämpften bereits an den Geleitzügen; für sie kam ein solcher Befehl nicht mehr in Frage.«

Das war also die Frage, ob wir überhaupt noch einen solchen allgemeinen Befehl herausgeben sollten, und ob die Weiterentwicklung, die nämlich uns zwang, laufend andere Befehle zu geben, möglichst wenig über Wasser zu bleiben, einen solchen Befehl erübrigte. Da ich aber verantwortlich war für jede einzelne Möglichkeit eines U-Bootes, das man ausscheiden mußte, mußte ich diesen Befehl noch geben, und mein Stab stimmte dieser Maßnahme vollkommen zu.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Haben Sie nicht bei Ihrem Verhör am 22. Oktober, wie auch bei anderen Gelegenheiten erklärt: Godt und Heßler sagten mir: »Geben Sie dieses Telegramm nicht heraus, denn eines Tages könnte die Sache falsch ausgelegt werden oder falsch verstanden werden!« Haben Sie das nicht gesagt?

DÖNITZ: Ja, ich habe das gesagt, das ist auch richtig, eine solche Bemerkung mag gefallen sein; aber nicht falsch ausgelegt von der U-Bootwaffe, da hat kein Mensch daran gedacht, sonst hätten wir diesen Befehl nicht herausgegeben, sondern eben in der Wirkung nach außen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und war nicht die Wirkung, die Sie herbeiführen wollten, die, daß Sie einen Befehl haben würden, über den sich streiten ließe, der lediglich ein Rettungsverbot war und so die U-Bootkommandanten, die ebenso dachten, ermutigen würde, die Überlebenden der Besatzung zu vernichten?

DÖNITZ: Nein, das ist ganz falsch, und das ist ja auch bewiesen durch die Dokumente, die wir vorgelegt haben.

Es hat außer dem Fall Möhle kein Mensch diesen Befehl falsch verstanden, und dieses Bewußtsein haben wir auch bei dem Aufsetzen dieses Befehls gehabt. Das geht hervor aus den Zuschriften der U- Bootkommandanten, und es wird klar aus meinen hochnotpeinlichen Nachfragen, die von nur gestellt worden sind, ob sie irgendwie mit einer Faser daran gedacht haben. – Das geht ja aus dem Befehl gar nicht hervor, es geht ja auch nicht aus dem Anlaß an sich hervor. Es handelt sich ja darum, daß wir mit Hingabe gerettet haben, es handelt sich also um das Thema »Retten oder Nichtretten«, und um nichts anderes. Das ist der Abschluß des »Laconia«-Falles.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben ausgesagt: »Wir haben den Befehl erlassen.« Wissen Sie noch, daß Sie am 6. Oktober in Ihrem Verhör das Folgende sagten: »Ich bin vollständig und persönlich dafür verantwortlich, denn die Kapitäne Godt und Heßler haben beide ausdrücklich gesagt, daß sie das Telegramm als zweideutig und leicht mißzuverstehend ansahen.«

Wissen Sie noch, daß Sie gesagt haben: »Ich bin vollständig und persönlich verantwortlich«, weil Ihre beiden Stabsoffiziere ausgesagt haben, daß es zweideutig war? Haben Sie das ausgesagt?

DÖNITZ: Ich glaube nicht, so habe ich das vielleicht nicht gesagt. Ich weiß es nicht, aber ich will folgendes sagen:

Es ist mir bei der Vernehmung gesagt worden, daß die Kapitäne Godt und Heßler den Befehl aufgesetzt hätten, und darauf habe ich erklärt: »Das ist ganz gleichgültig, ich bin für den Befehl verantwortlich!« Und im übrigen haben sie als Auftakt die Unterredung diskutiert, ob man einen solchen Befehl erlassen solle. Daß je im Gehirn des Kapitäns Godt und des Kapitäns Heßler der Gedanke gekommen ist, daß der Befehl für uns, für die U-Bootwaffe, mißverständlich ist, ist vollkommen abwegig. Auch das habe ich ausdrücklich erklärt in einer Vernehmung. Ich habe ausdrücklich erklärt, daß diese Überlegung und die Ventilation der Frage, soll der Befehl erlassen werden oder nicht, bei den beiden Herren ausdrücklich nichts damit zu tun hatte, daß der Befehl bei uns mißverständlich sei. Auch das steht in einer Interrogation drin.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben es ganz klar ausgedrückt, daß es das erstemal war. Ich habe klargestellt, daß Sie Ihre untergebenen Offiziere nicht beschuldigten, die Ihnen dieses abgeraten hatten, und daß Sie in diesem Falle die Verantwortung selbst übernahmen. Das stimmt doch, daß diese Ihre untergebenen Offiziere Ihnen abgeraten haben? Sie haben selbst gesagt, die beiden sagten ausdrücklich, daß sie das Telegramm für zweideutig und mißverständlich hielten. Das ist richtig, nicht wahr, Sie haben das doch gesagt?

DÖNITZ: Ich habe diese Unterredung, nachdem sie niedergeschrieben wurde, nicht gesehen und nicht unterschrieben. Ich kann Ihnen ganz klar sagen, das geht auch aus einer Unterredung noch hervor, daß ich gesagt habe, ich allein trage die Verantwortung. Das war mir das Wesentliche. Und diese ganze Frage ist überhaupt nur zur Diskussion gekommen, weil mir der vernehmende Offizier sagte, diese Offiziere haben den Befehl aufgesetzt, und dann – soweit ich mich entsinne – würden diese Offiziere für meinen Befehl ausdrücklich unter keinen Uniständen verantwortlich gemacht werden. Das war der Sinn der Sache.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, auf jeden Fall wollen Sie nicht das jetzt ändern, was Sie vor ein paar Minuten gesagt haben, daß beide, Kapitän Godt und Kapitän Heßler, Ihnen davon abgeraten haben, diesen Befehl zu erlassen. Nicht wahr?

DÖNITZ: Meiner Erinnerung nach haben beide zunächst abgeraten. Ich habe jetzt gehört, daß beide sagen, sie hätten nicht abgeraten –, ich hätte vielleicht abgeraten oder ein anderer, das weiß ich nicht mehr. Ich habe in Erinnerung, daß beide zunächst mir abgeraten haben, wenn bereits 90 Prozent unserer U-Boote gegen Geleitzüge kämpften, noch einen solchen Befehl zu erlassen, wenn wir sowieso ins Wasser hineingezogen werden und ja positiv überhaupt nicht mehr retten können, weil wir unter Wasser sitzen. Und ich habe gesagt: »Nein, es gibt doch noch Fälle, wo das vorkommen kann und der Kommandant dann in diese Zwangslage kommt, und dann will ich ihm die Entscheidung abnehmen.«

Und das ist der Grund gewesen, der Sinn dieser Diskussion dabei, weiter nichts.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wir wollen weitergehen.

Das ist der erste Teil dieses Befehls. Jetzt nehmen wir die Ziffer 2: »Befehle über Mitbringung Kapitäne und Chefingenieure bleiben bestehen.«

Nun, Angeklagter, Sie wissen genau genau, daß, um die Kapitäne oder Chefingenieure aufzufinden, das U-Boot doch um die Rettungsboote oder Trümmer herumfahren muß und fragt: »Wo ist der Kapitän?« Und Sie wissen ganz genau, daß es in der britischen Handelsflotte üblich war, den Kapitän zu verstecken, damit man nicht feststellen konnte, wer er war. Befand man sich also nicht praktisch in der Lage, daß Sie zwischen den Rettungsbooten herumfahren und nach dem Kapitän fragen mußten, wenn Sie ihn einbringen wollten? Ist das nicht so?

DÖNITZ: In diesem Maße nicht. Ich habe gestern ganz genau erklärt, daß erstens mal das Risiko, einen Menschen überzunehmen, zeitlich viel kürzer ist und die Alarmtauchklarheit des Bootes nicht einschränkt, wohingegen das Retten die Alarmtauchklarheit des Bootes vollkommen einschränkt; und zweitens, daß hier ein von der Seekriegsleitung befohlenes militärisches Ziel vorlag, wofür, wie immer im Kriege, ein gewisses Risiko getragen werden muß, und drittens, daß die Bedeutung dieses Absatzes uns allen mager erschien, und auch mager geblieben ist. Und dieser Befehl, wenn Sie es so nehmen, wenn Sie nun diese Sache rausziehen, der spricht ja gegen Ihre Behauptung, daß ich die Menschen vernichten wollte, denn ich will ja gefangennehmen; wenn ich einen Menschen aber vorher totschlagen will, dann kann ich ihn ja nicht gefangennehmen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich sage Ihnen nun, daß der zweite Teil des Befehls so lautete, daß Sie Kapitäne und Chefingenieure einbringen sollten, um sie zu verhören. Sehen Sie sich Ziffer 3 an:

»Schiffbrüchige nur retten, falls Aussagen für Boot von Wichtigkeit«;

das heißt von Wichtigkeit für Sie, um von ihnen die Position alliierter Schiffe festzustellen oder die Maßnahmen, die die Alliierten gegen U-Boote ergreifen. Dies spricht ja gegen Punkt 2 und 3, nicht wahr? Sie sollen nur Gefangene machen, wenn Sie Wichtiges von ihnen erfahren können?

DÖNITZ: Ich meine, das ist ja eine Selbstverständlichkeit, daß wir versuchten, möglichst viele Nachrichten zu bekommen; und da ich nicht die ganze Besatzung gefangennehmen kann, muß ich mich ja auf einem U-Boot auf die wichtigsten Personen beschränken, und ich entziehe ja dadurch diese Leute dem Einsatz, wohingegen die anderen ja wieder zum neuen Einsatz kommen. Selbstverständlich, daß ich nicht die unwichtigen Leute mitnehme wegen des beschränkten Raumes meines U-Bootes, sondern die wichtigen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte nicht viel Zeit damit verschwenden, aber ich hätte gerne von Ihnen folgendes gehört: Habe ich Ihre Erklärung des Wortes »wieder« in dem Kriegstagebuch so verstanden, daß Sie damit die Aufmerksamkeit bestimmter U-Bootkommandanten auf Ihre Telegramme während des »Laconia«-Falles lenkten? Stimmt es, daß das Ihre Erklärung ist?

DÖNITZ: Nein, es ist nicht auf U-Bootkommandanten hingewiesen; das »wieder« soll, wie mein Stab sagt, ich glaube das, Bezug nehmen auf die vier Funksprüche, die mir in den Tagen vorher in diesem Sinne vorgetragen wurden, die dem Gericht gestern vorgetragen wurden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Vor ein paar Minuten habe ich Ihnen eine Frage gestellt, und Sie sagten, das Wort »wieder« bezieht sich auf die Telegramme, die Sie während des »Laconia«-Falles ausgesandt haben. Ich glaube, Sie stimmen damit überein, nicht wahr? Fürchten Sie sich nicht, das, was ich gesagt habe, zuzugeben. Wann war das?

DÖNITZ: Es waren vier Funksprüche, so ist mir erklärt worden – das nehme ich an –, daß der Betreffende, der diese Zusammenfassung dieses ganzen Unternehmens so komprimiert hat, sich das dabei vorgestellt hat das Wort »wieder«. Das ist ein Obersteuermann gewesen, und ich weiß das heute nicht, was er dabei gedacht hat.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie sagen jetzt, daß Sie nie von dem Gespräch zwischen Hitler und Oshima gehört haben, von dem ich vor ein paar Minuten sprach?

DÖNITZ: Nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aus diesem Grunde darf man annehmen, nicht wahr, daß der Leutnant Heisig, der hier aussagte, auch nicht von dem Hitler- Oshima-Gespräch gehört hatte. Glauben Sie nicht, daß er davon nicht gehört haben konnte?

DÖNITZ: Ich nehme an, daß das ausgeschlossen war, daß er das wußte

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Haben Sie bemerkt, daß Heisig bei seiner Aussage gesagt hat, daß er bei einem Vortrag gehört hat, daß Sie dieselben Argumente vorgebracht haben, wie sie Hitler in seiner Unterredung mit Oshima zum Ausdruck brachte?

DÖNITZ: Einmal möchte ich feststellen, daß Heisig hier auf dem Zeugenstand was anderes gesagt hat als in seiner Vernehmung. Er hat hier bei dem Kreuzverhör zugegeben, daß ich nichts von der Bekämpfung Schiffbrüchiger gesagt habe; zweitens, was er sonst behauptet hat, ist so unklar, daß ich der Glaubwürdigkeit von ihm gar keinen Wert beimesse; drittens sagt er ganz klar, daß ich das nicht in dem Vortrag gesagt hätte, sondern in einer Diskussion, was ja an sich keine Rolle spielt, und viertens mag es sein, daß das Thema angeschnitten wurde, der Neubau Amerikas und die Besetzung dieses Neubaus mit Menschen, in dieser Diskussion nachher, das ist durchaus möglich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie jetzt sagen, daß Sie zugeben, daß Sie niemals eine Unterredung über das Amerika-Schiffsbauprogramm und die Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Mannschaften anfingen? Stimmen Sie Heisig in diesem Punkte zu?

DÖNITZ: Davon war die deutsche Presse voll, das hat jeder gelesen und gewußt, über das Bauprogramm. Da wurden Bilder gemacht...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber das Argument, behaupte ich, war, daß das Bauprogramm nutzlos sein würde, wenn Sie nur genügend Handelsschiffsmannschaften vernichten oder abschrecken könnten. Das ist der Hauptpunkt in Hitlers Unterhaltung, und das war, was Heisig sagte, daß Sie gesagt haben. Haben Sie das gesagt?

DÖNITZ: Ich habe immer auf dem Standpunkt gestanden, daß Verluste von Personal den Ersatz schwierig machen würden, wie das in meinem Kriegstagebuch drin steht und ähnliches. Und ähnlich werde ich mich vielleicht diesen Fähnrichen gegenüber so ausgesprochen haben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Schauen Sie weiter auf Seite 37 des Anklagedokumentenbuches, Seite 76 des deutschen Textes, Seite 37 im englischen, das ist der Befehl vom 7. Oktober 1943. Dokumentennummer D-663, Beweisstück Nummer GB-200. Ich verweise nur auf den letzten Satz:

»Ihre Versenkung ist im Hinblick auf die erwünschte Vernichtung von Dampferbesatzungen von großem Wert.«

DÖNITZ: Ich habe ihn gelesen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: »Ihre Versenkung ist im Hinblick auf die erwünschte Vernichtung der Dampferbesatzungen von großem Wert« – und Schiffsbesatzungen werden dauernd dringend benötigt.

DÖNITZ: Ja, selbstverständlich, aber durch Bekämpfung. Es ist ja ganz eindeutig, diese rescue-Schiffe, schwer bewaffnete Schiffe mit Flugzeugen, unterlagen der Versenkung im Geleitzug genau wie andere Geleitzugschiffe, und wenn sie voller Dampferbesatzungen waren, so war es selbstverständlich – da wir die Berechtigung hatten, diese Besatzungen zu versenken – ein Wunsch, daß diese rescue-Schiffe versenkt wurden. Außerdem wurden sie als U-Bootfallen bei den Dampfern gebraucht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Frage, ob es richtig oder falsch ist, Rettungsschiffe zu versenken, Schiffsmannschaften zu vernichten... Jetzt möchte ich Ihnen noch eine oder zwei Fragen über Möhle stellen. Er hat die U-Bootflottille von 1942 bis Kriegsende kommandiert, also beinahe drei Jahre, und, wie er hier erklärte, hat er verschiedene Auszeichnungen für Tapferkeit erhalten. Wollen Sie dem Gerichtshof gegenüber behaupten, daß Kapitän Möhle drei Jahre lang die U-Bootkommandanten auf einer vollkommen irrigen Basis instruierte, ohne daß jemand aus Ihrem Stab oder Sie selbst das entdeckt haben? Sie haben jeden U-Bootkommandanten gesehen, wenn er zurückkam?

DÖNITZ: Ja, ich bedaure da, daß der Kapitän Möhle, der als einziger, wie er hier angegeben hat, Zweifel bei dem Befehl gehabt hat, das nicht sofort geklärt hat. Ich habe nicht ahnen können, daß dieser Zweifel bei ihm gewesen ist. Er hätte Gelegenheit genug gehabt, das zu klären, und ich, und in meinem Stabe überhaupt niemand, hatte geahnt, daß er die Zweifel hatte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, ich habe hier einen Brief von der Witwe eines Ihrer U-Bootkommandanten. Ich kann den Kommandanten selbst nicht herbekommen, aber das ist ein Briet von seiner Witwe. Sagen Sie mir bitte, was Sie von dem folgenden Passus daraus halten:

Sie sagt in dem zweiten Absatz: »Kapitän Möhle sagt, daß er nicht einen U-Bootkommandanten gefunden hat, der Einwand erhob gegen den Befehl, auf hilflose Seeleute, die sich in Not auf dem Wasser befanden, zu schießen.«

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich widerspreche der Verwertung dieses Briefes. Ich glaube, daß dieses nun ein Brief ist, den man nicht als Beweisdokument verwenden kann. Er ist nicht beschworen, und er ist ein typischer Brief, wie ihn Herr Justice Jackson bereits mehrfach charakterisiert hat.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte nur dieses sagen: Der Mann selber ist nicht heimgekehrt. Seine Witwe kann Auskunft darüber geben, wie er seine Befehle auslegte, bevor er auslief. Ich hätte es als Dokument mit Beweiswert vorlegen sollen. Ich glaube, es fällt unter Artikel 19 des Statuts. Wenn der Gerichtshof irgendwelche Zweifel darüber hat, werde ich den Briet nicht unterbreiten.

DÖNITZ: Er strotzt auch vor Unrichtigkeiten, der Brief. Es steht drin, daß der Prien im KZ-Lager gestorben ist, was nicht stimmt.

VORSITZENDER: Warten Sie eine Minute.

DÖNITZ: Es ist nicht wahr.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Präsident! Ich habe den Brief jetzt erst ganz durchgelesen.

VORSITZENDER: Nun, der Gerichtshof erörtert den Fall augenblicklich.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Darf ich zuerst ein Argument dazu sagen?

VORSITZENDER: Wir haben Ihr Argument schon gehört, und wir überlegen uns gerade die Sache.

Sir David! Der Gerichtshof findet, daß es nicht wünschenswert ist und daß dieses Dokument nicht benützt werden soll.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wie Euer Lordschaft wünschen.