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[Zum Zeugen gewandt:]

Jetzt möchte ich mich einen Moment mit einem Kapitel befassen, das in Ihrem eigenen Dokumentenbuch steht und das Dr. Kranzbühler Ihnen gestern verlesen hat. Es steht in Band II, Seite 92 – Beweisstück 42. Bevor ich Sie darüber befrage, habe ich eine Angelegenheit, bei der ich gerne Ihre Hilfe hätte. In Ihrem Verhör am 22. Oktober haben Sie ausgesagt, daß etwa zwei Monate nach dem Befehl vom 17. September Sie Befehle ausgaben, in denen Sie U-Booten überhaupt verboten aufzutauchen. Stimmt das?

DÖNITZ: Soweit das überhaupt bei einem U-Boot möglich ist. Wir haben sehr verschieden, wechselnd, Tag und Nacht, wie die Gefahr am größten schien und nach der Wetterlage, befohlen, wann U-Boote für das Aufladen an die Oberfläche zu gehen hatten auf dem Marsch.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie sollten nicht nach Angriffen auftauchen, sie sollten überhaupt vor oder nach einem Angriff nicht auftauchen. War das nicht der Effekt Ihres Befehls?

DÖNITZ: Bei Angriffen müssen die U-Boote selbstverständlich, bei Nacht zum Beispiel, an der Oberfläche sein; aber es kam darauf an, auf dem Marsch jedes Risiko zu ersparen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Zwei Monate später kam dann ein Befehl, daß sie so wenig wie möglich an die Oberfläche kommen sollten; und Sie sagen mir, daß es Ihr Befehl war?

DÖNITZ: Sie sollten die Luftgefahr so weit wie möglich irgendwie vermeiden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was für Befehle gaben Sie bezüglich des Auftauchens?

DÖNITZ: Ich habe ihnen eine ganze Reihe von Befehlen gegeben, wie ich schon sagte – je nach Wetterlage, Tag und Nacht und Seeraum, weil die Luftgefahr von diesen Momenten abhängig und verschieden war. Es wurde auch gewechselt, wenn wir die schlechten Erfahrungen machten; wenn sich zeigte, daß die Nacht gefährlicher war als der Tag, dann haben wir gesagt: Seid am Tage über Wasser. Wir hatten wieder den Eindruck, daß es doch besser ist, am Tag oben zu sein, weil man dann wenigstens durch Ortung das anfliegende Flugzeug noch vorher sehen kann. So haben wir gewechselt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es ist aber doch Tatsache, daß ganz kurz nach dem Erlaß dieses Befehls die alliierte Luftüberwachung so stark wurde – ich zitiere jetzt Ihre eigenen Worte, Sie sagen: »Zwei Monate später waren die U-Boote nicht mehr in der Lage, aufzutauchen.« Mit anderen Worten verstehe ich das so, daß das Auftauchen wegen der alliierten Luftangriffe sehr schwierig wurde. Ist das richtig?

DÖNITZ: Ja, sie kamen nicht in die Lage, aufzutauchen in gewissen Seegebieten, ohne sofort angegriffen zu werden. Das ist es gerade Aber dabei waren die U-Boote – und das ist der Unterschied – in höchster Alarmbereitschaft, wohingegen beim Retten die Alarmbereitschaft total unterbrochen ist, und besonders bei dieser höchsten Alarmbereitschaft traten diese großen Verluste und Schwierigkeiten auf.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich verweise Sie nunmehr auf Seite 93. Es ist eine Seite nach der, die ich Ihnen angab, im Band 2 Ihres Dokumentenbuchs. Sehen Sie Ziffer 1?

DÖNITZ: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE:

»Der Hundertsatz aus Geleitzügen versenkter Handelsschiffe betrug im Jahre 1941 40 Prozent, im ganzen Jahre 1942 knapp 30 Prozent, im letzten Vierteljahr 1942 57 Prozent, im Januar 1943 rund 65 Prozent, im Februar rund 70 Prozent und im März 80 Prozent.«

Ihre schlimmste Zeitspanne waren die ersten drei Vierteljahre 1942, Stimmt das? Das geht aus Ihren eigenen Zahlen hervor.

DÖNITZ: Welche »schlimmste Periode«? Was meinen Sie damit? Verstehe ich nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, es steht auf Seite 93, Ziffer 1.

DÖNITZ: Ja, aber inwiefern »schlimmste Periode«?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der Hundertsatz aus Geleitzügen versenkter Handelsschiffe belief sich im Jahre 1941 auf 40 Prozent.

DÖNITZ: Sie meinen Handelsschiffe?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, ich lese Ihr eigenes Kriegstagebuch oder vielmehr das Skl-Kriegstagebuch. »Im ganzen Jahre 1942 knapp 30 Prozent...«

DÖNITZ: Aus Geleitzügen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, aus Geleitzügen. Mit anderen Worten: Die schlimmste Zeitspanne, die Sie hatten, waren die ersten drei Vierteljahre des Jahres 1942.

DÖNITZ: Nein. Wir hatten im Jahre 1942, wie ich ja schon sagte in meiner Schilderung der Gesamtlage, mit einem großen Teil der Boote unmittelbar vor den Häfen gestanden; sie standen vor Neuyork, Trinidad und so weiter. Hierbei sind sie nicht erwähnt, und wir haben hierbei nur genannt in dieser Zusammenstellung die Versenkungen, die von den Gruppen gemacht wurden, die im Nordatlantik am Geleitzug standen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Bedeuten diese Zahlen nicht, daß Ihre schlimmste Zeitspanne die ersten drei Vierteljahre von 1942 waren? Es müssen wohl rund 30 Prozent gewesen sein?

DÖNITZ: Nein, meine erfolgreichste Periode war im Jahr 1942.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wie können Sie das die erfolgreichste Zeitspanne nennen, da während des ganzen Jahres 1942 Ihr Prozentsatz versenkter Handelsschiffe aus Geleitzügen nur 30 Prozent betrug, während im Januar, Februar und März 1943 es bis auf 65, 70 und 80 Prozent heraufging?

DÖNITZ: Richtig. Von den versenkten Handelsschiffen wurden im Atlantik im Jahre 1942 30 Prozent versenkt. Die Gesamtzahl war aber viel größer als zum Beispiel im Jahre 1943, wo 65 und 70 Prozent versenkt wurden, und zwar einfach deshalb, weil wir uns damals im Jahre 1943 vor einem Hafen wie Neuyork nicht mehr halten konnten. Das gibt ja nur die Prozentzahl der Versenkungen im Atlantik aus reinen Geleitzügen an.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was ich Ihnen jetzt vorhalte, ist, daß im Jahre 1942, als Ihr Prozentsatz aus Geleitzügen gering war, als Sie unter dem vorher erwähnten Druck standen, Sie doch allen Grund hatten, einen unzweideutigen Befehl zu erlassen, der die Wirkung haben würde, daß die U-Bootkommandanten die Besatzungen vernichten sollten. 1943 kamen Ihre U-Boote nicht an die Oberfläche, Ihr Geleitzug- Hundertsatz hatte sich erhöht und es gab keinen Grund, Ihre Befehle noch klarer auszudrücken. Das ist es, was ich Ihnen vorhalte, Angeklagter.

DÖNITZ: Ich halte das für ganz falsch.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun möchte ich...

DÖNITZ: Es ist so gewesen, daß wir, wie ich schon sagte, ab Sommer 1942 die Erfahrung machten, daß die Luftgefahr plötzlich anwuchs. Und diese Luftgefahr wirkte sich in allen Seeräumen aus, und zwar auch in den Seeräumen, wo die U-Boote nicht am Geleitzug oder nicht unmittelbar vor den Häfen kämpften.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie mir jetzt bei einer anderen Frage aushelfen? Dr. Kranzbühler sagte gestern zu Ihnen, daß Kapitänleutnant Eck behauptet hätte, daß, wenn er zurückgekehrt wäre, er kaum erwartet hätte, daß Sie Einspruch erhoben hätten oder ihm böse gewesen wären darüber, daß er die Mannschaft der »Peleus« abgeschossen hatte. Sie sagten, daß Sie wußten, daß Eck Ihren Befehl in, seinem Schubfach hatte, als er die Mannschaft des »Peleus« abschoß?

DÖNITZ: Ja, ich weiß aber auch, daß dieser Befehl auf seinen Entschluß nicht die geringste Wirkung gehabt hat, sondern, wie Eck ausdrücklich sagt, sein Entschluß sei gewesen, die Trümmer abzuschießen, da er ein ganz anderes Ziel gehabt habe, nämlich das Ziel, die Trümmer zu beseitigen, weil er Angst hatte für sein Boot, daß es genau so wie andere Boote in diesem Seeraum kaputtgeschlagen werde. Er hat ausdrücklich gesagt, daß irgendeine Gedankenverbindung zwischen dem Befehl, den er bezüglich der »Laconia« ganz zufällig an Bord hatte, und seinem Entschluß gar nicht existiert hat.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber Sie wissen doch, daß noch zwei andere Fälle dem Gerichtshof vorliegen, die Fälle der »Noreen Mary« und der »Antonico«, die auf Seite 47 und 52 des Dokumentenbuches der Anklage stehen; darin machen Zeugen bestimmte Aussagen, daß das U-Boot sie angegriffen habe, als sie in einem Falle sich auf Trümmern und im anderen Fall im Rettungsboot befanden. Wollen Sie sich den Fall »Noreen Mary« auf Seite 47 des Dokumentenbuches ansehen? Die Aussage des Überlebenden steht auf Seite 49 und 50. Er spricht da über diesen Punkt und sagt im vierten Absatz, Seite 85 des deutschen Dokumentenbuches...

DÖNITZ: Ich habe das englische Dokumentenbuch.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es ist Seite 50 im englischen, ich habe das englische Dokument.

»Ich schwamm herum, bis ich den geborstenen Bug unseres gekenterten Rettungsbootes fand, und es gelang mir, auf ihn heraufzuklettern. Auch jetzt tauchte das Boot nicht, sondern fuhr direkt in meiner Richtung und feuerte eine kurze Maschinengewehrsalve direkt auf mich aus nur 60 bis 70 Meter Entfernung. Da ihre Absicht ganz offensichtlich war, ließ ich mich ins Wasser fallen und blieb dort, bis das U-Boot aufhörte zu schießen und tauchte, woraufhin ich wieder auf den Kiel des Bootes kletterte.«

Die Erklärung des Brasilianers werden Sie auf Seite 52 finden.. Haben Sie es?

DÖNITZ: Ja, ich habe sie.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Fünfzehn Zeilen vom Ende der Seite sagt er,

»daß der Feind die hilflosen Seemänner in Rettungsboot Nummer 2... rücksichtslos mit dem Maschinengewehr beschoß«.

Angenommen – und man muß das natürlich annehmen –, daß Herr McAllister und Herr De Oliveira Silva die Wahrheit sagen, behaupten Sie, daß die U- Bootoffiziere auf eigene Faust hin gehandelt haben?

DÖNITZ: Es ist möglich, daß subjektiv die Leute sich das eingebildet haben. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß bei einem Nachtgefecht – um bei der »Antonico« anzufangen –, das zwanzig Minuten dauerte, sehr leicht Schüsse angenommen werden können oder auch Schüsse, die dem Schiff gelten, auf ein Rettungsboot kommen. Jedenfalls, wenn bei einem Nachtgefecht von zwanzig Minuten jemand einen Bericht davon gibt, dann ist das ein subjektiver Bericht und jeder, der weiß, wie verschieden die Berichte sind, weiß, wie sehr ein Seemann einem Irrtum unterliegen kann. Wenn das U-Boot bei diesem Nachtgefecht die Menschen hätte vernichten wollen, dann wäre es nicht nach zwanzig Minuten weggefahren, zumal der Betreffende sagt, er hätte in der Dunkelheit das U-Boot kaum sehen können. Das sind doch alles sehr vage Angaben.

Bei der »Noreen Mary« liegt es ganz ähnlich. Es stehen da sehr viele Dinge drin, die bestimmt nicht stimmen, zum Beispiel, daß das U-Boot ein Hakenkreuz am Turm gehabt hat. Kein einziges Boot ist mit irgendeiner Bemalung in See gegangen. Wenn jemand auf Trümmern oder im Rettungsboot ist und Schüsse sind in der Nähe, dann fühlt er sich sehr leicht beschossen. Wir haben ja gerade aus diesem Grunde eine ganze Reihe von Fällen der anglo-amerikanischen Seite angegeben, nicht um einen Vorwurf zu machen, sondern um zu zeigen, wie sehr skeptisch man diesen persönlichen Berichten gegenüber sein soll.

Und das sind die einzigen Fälle, die hier vorliegen, in fünfundeinhalb Jahren Krieg bei mehreren tausend Angriffen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja. Natürlich bekommen Sie nur während der zweiundeinhalb Jahre, wo die U-Bootkommandanten Schiffbrüchige zusammengeschossen haben, wahrscheinlich nicht viele Fälle zu hören, nicht wahr? Ich möchte Sie jetzt noch in einer anderen Sache fragen

DÖNITZ: Die U-Bootkommandanten haben, bis auf den Fall Eck, in keinem Fall Schiffbrüchige zusammengeschossen, in keinem Fall. Das ist nicht wahr.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das sagen Sie!

DÖNITZ: Das ist nicht belegt, in keinem Fall. Im Gegenteil, sie haben mit einer ganz großen Hingabe gerettet. Es ist nie die geringste Anweisung und nie aus der U-Bootwaffe selbst heraus ein Verfahren gegen Schiffbrüchige gemacht worden, bis auf den Fall Eck, und zwar aus einem ganz bestimmten, genannten Grunde. Das ist eine Tatsache.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie mir folgendes sagen:

Wußten Sie, daß das Logbuch der »Athenia«, nachdem sie eingelaufen war, in schwindelhafter Weise ausgefüllt wurde?

DÖNITZ: Nein, nicht in schwindelhafter Weise ausgefüllt wurde, sondern es kam ein klarer Befehl, daß die »Athenia« geheimzuhalten ist aus politischen Gründen, und infolgedessen mußte das Logbuch geändert werden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Oh, das Wort »gefälscht« paßt Ihnen nicht. Ich werde das Wort »geändert« benutzen. Es wurde eine Seite herausgeschnitten und eine neue eingefügt. Wußten Sie das?

DÖNITZ: Das kann ich heute nicht sagen, es ist möglich. Wahrscheinlich hat der Kapitän Lemp von mir oder von meinem Stab die Anweisung bekommen: »Der Fall ist geheimzuhalten«. Und daraufhin wird er oder die Flottille das Kriegstagebuch genommen haben, das zu zehn verschiedenen Abteilungen an die Marine ging und hat es abgeändert. Was sollte er anderes machen? Er konnte nichts anderes tun.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte nur wissen, ob das Logbuch auf Ihren Befehl und mit Ihrem Wissen von, nehme ich an, der Wahrheit auf die Unwahrheit umgeändert wurde, so, wie es heute noch existiert? Das ist eine einfache Frage. Können Sie sie beantworten?

DÖNITZ: Jawohl. Es ist entweder auf meinen Befehl oder, wenn es nicht geschehen wäre, hätte ich es befohlen, weil die politische Weisung bestand: »Es muß geheimgehalten werden«. Also blieb dem Soldaten gar nichts übrig, als das Logbuch zu ändern. Die U- Bootkommandanten haben nie den Befehl bekommen, eine falsche Eintragung zu machen, sondern speziell in einem Fall, dem der »Athenia«, wo hinterher befohlen wurde, es geheimzuhalten, ist es im Tagebuch nicht vermerkt worden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut. Nun, ich habe nur noch einen Punkt mit Ihnen zu besprechen, und das läßt sich kurz erledigen: Sie waren ein starker Anhänger der weltanschaulichen Erziehung Ihres Personals, nicht wahr?

DÖNITZ: Jawohl, die Gründe habe ich erklärt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will nur folgendes klarstellen, und dann können Sie Ihre Gründe darlegen. Sie hielten es für Unsinn, daß ein Soldat keine politische Meinung haben soll, nicht wahr? Falls Sie wollen...

DÖNITZ: Selbstverständlich. Der Soldat hatte ja mit Politik nichts zu tun, aber andererseits mußte er natürlich im Kriege hinter seinem Staate stehen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und Sie wünschten, daß durch Ihre Kommandanten die Marine mit Nazi-Ideen geschult wurde, nicht wahr?

DÖNITZ: Ich wünschte, daß die Kommandanten der Truppe sagten, daß die Einheit des deutschen Volkes, wie sie war, eine Kraftquelle ist für unsere Kriegführung und daß infolgedessen, da wir die Nutznießer dieser Einheit waren, wir auch dafür sorgen müßten, daß die Einheit bestehen bleibt, weil wir eben im Weltkrieg gerade in der Beziehung die schlimmsten Erfahrungen gemacht haben. Jede Zerrissenheit des Volkes hatte sich zwangsläufig auf die Kriegführung ausgewirkt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Schauen Sie sich einmal Seite 7 im englischen Dokumentenbuch an. Ich denke, es steht dort genau so wie in meiner Frage. Ja, 7. Der Anfang des letzten Satzes:

»Man muß das ganze Offizierskorps von vornherein so einstellen, daß es sich für den nationalsozialistischen Staat in seiner Geschlossenheit mit verantwortlich fühlt. Der Offizier ist der Exponent des Staates; das Geschwätz, der Offizier ist unpolitisch, ist barer Unsinn.«

(Dokument Nummer D-640.)

Das ist Ihre Ansicht, nicht wahr?

DÖNITZ: So habe ich gesagt. Man muß aber auch von vorne lesen wo drinsteht, daß unsere Disziplin und Kampfkraft turmhoch steht über der vom Jahre 1918, und zwar weil die Einheit unseres Volkes hinter uns steht. Und wenn das nicht gewesen wäre, wäre unsere Truppe längst zerbrochen. Und das ist der Grund, warum ich das gesagt habe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sagen Sie mir bitte, wie vielen Leuten versuchten Sie, diese Ideen einzuimpfen oder besser gesagt, wieviel Leute hatten Sie am 15. Februar 1944 in der Marine? Ich möchte wissen, welche Masse Sie anzusprechen suchten. Eine Viertelmillion?

DÖNITZ: 600000 bis 700000.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, dann verweise ich Sie auf die nächste Seite, Seite 8 im britischen Dokumentenbuch, wo Ihre Rede zum Heldengedenktag am 12. März 1944 wiedergegeben ist. Sie sagen das Folgende:

»Was wäre aus unserer Heimat heute, wenn der Führer uns nicht im Nationalsozialismus geeint hätte? Zerrissen in Parteien, durchsetzt von dem auflösenden Gift des Judentums und diesem zugänglich, da die Abwehr unserer jetzigen kompromißlosen Weltanschauung fehlte, wären wir längst der Belastung dieses Krieges erlegen und der erbarmungslosen Vernichtung unserer Gegner ausgeliefert worden.«

(Dokument Nummer 2878-PS.)

Was wollten Sie damals sagen mit »dem auflösenden Gift des Judentums«?

DÖNITZ: Ich wollte sagen, daß wir in einer sehr großen Einheit lebten und daß diese Einheit eine Stärke war und daß alle Momente und alle Kräfte...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, das habe ich Sie gar nicht gefragt. Ich frage Sie, was Sie mit »dem auflösenden Gift des Judentums« meinten?

Das ist Ihr Ausspruch – sagen Sie uns, was Sie damit meinten.

DÖNITZ: Ich konnte mir vorstellen, daß der großen Belastung der Bombenangriffe gegenüber das Durchhalten der Bevölkerung der Städte sehr schwer sei, wenn ein solcher Einfluß ausgeübt würde. Das wollte ich damit ausdrücken

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, können Sie mir bitte noch einmal sagen, was heißt »auflösendes Gift des Judentums«?

DÖNITZ: Es bedeutet, daß es die Durchhaltekraft des Volkes, worauf es mir als Soldat im Kriege der Nation auf Leben und Tod besonders ankam, auflösend hätte beeinflussen können.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, das wollte ich wissen. Sie waren der Oberbefehlshaber und hatten 600000 oder 700000 Mann in Ihrer weltanschaulichen Schulung. Warum brachten Sie ihnen bei, daß die Juden ein auflösendes Gift in der Politik der Partei waren? Warum war dem so? Was hatten Sie gegen die Juden? Was veranlaßte Sie zu glauben, daß sie auf Deutschland einen schlechten Einfluß hatten?

DÖNITZ: Dieser Ausspruch ist in meiner Gedenkrede am Heldengedenktag gefallen und zeigt eben an, daß ich der Ansicht war, daß das Durchhalten oder die Durchhaltekraft des Volkes, so wie das Volk zusammengesetzt war, besser gewährleistet wäre, als wenn jüdische Volksteile im Volk gewesen wären.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Diese Redensarten vom »auflösenden Gift des Judentums« schufen die geistige Haltung, die in den letzten Jahren den Tod von fünf oder sechs Millionen Juden verursachte. Wollen Sie sagen, daß Sie nichts über die Aktionen und Pläne zur Vernichtung und Ausrottung der Juden wußten?

DÖNITZ: Ja, selbstverständlich sage ich das. Ich habe davon nicht das geringste gewußt. Und wenn ein solcher Ausspruch fällt, so ist ja noch kein Beweis erbracht, daß ich von irgendwelchen Morden gegenüber dem Judentum eine Ahnung hatte. Das ist im Jahre 1943 gewesen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, was ich Ihnen hier vorhalte, ist, daß Sie sich an der Jagd auf diesen unglücklichen Teil Ihres Volkes beteiligten und sechs- oder siebenhunderttausend Angehörige der Marine bei dieser Jagd anführten.

Sehen Sie sich einmal Seite 76 des Dokumentenbuches an – das bezieht sich auf Sie. Seite 76.

DÖNITZ: Kein Mensch hat von meinen Soldaten an irgendwelche Gewaltanwendung an Juden gedacht, keiner, niemand, und niemand kann das aus diesem Wort schließen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun bitte, sehen Sie sich Seite 76 an. Dort befassen Sie sich mit der Beförderung von Unteroffizieren und Mannschaften, die sich als Persönlichkeiten in der Kriegführung erwiesen haben. Hier sagen Sie zuerst:

»Ich wünsche, daß mehr als bisher die für die Truppe verantwortlichen Einheitsführer und die ihnen überge ordneten Flottillenchefs, Kommandanten und Kommandeure sich die Förderung solcher Unteroffiziere und Mannschaften angelegen sein lassen, die in besonderen Lagen im Kriege bewiesen haben, daß sie kraft ihrer inneren Haltung und Festigkeit, durch Tatkraft und inneren Schwung, kurz, auf Grund ihrer Persönlichkeitswertung imstande sind, richtige Entschlüsse selbständig zu fassen und sie zielsicher und verantwortungsfreudig durchzuführen.

Ein Beispiel: In einem Gefangenenlager des Hilfskreuzers ›Cormoran‹ in Australien hat ein Oberfeldwebel als Lagerältester die unter der Lagerbesatzung sich bemerkbar machenden Kommunisten planvoll und von der Bewachung unauffällig umlegen lassen. Dieser Unteroffizier ist für seinen Entschluß und seine Durchführung meiner vollen Anerkennung sicher. Ich werde ihn nach seiner Rückkehr mit allen Mitteln fördern, da er bewiesen hat, daß er zum Führer geeignet ist.«

War das Ihre Anschauung von Führerschaft in dieser nationalsozialistisch geschulten Marine, daß er politische Gegner in einer Weise ermorden konnte, daß die Wachen es nicht merkten?

DÖNITZ: Nein, die Sache ist anders. Es war mir gemeldet worden, daß dort ein Spitzel ist, der, wenn neue Besatzungen eingeliefert werden, in die Besatzung hineingeschmuggelt wird und durch Aushorchen Nachrichten dem Gegner zuträgt. Die Folge davon ist gewesen, daß an Hand dieser Nachrichten U-Boote nun verlorengingen. Und da hat sich der Lagerälteste, ein Feldwebel, entschlossen, diesen Mann zu beseitigen als Verräter. Das ist das, was mir gemeldet worden ist und was ich durch einen Zeugen belegen werde. Der Mann hat meiner Ansicht nach, und das wird jede Nation anerkennen, wie jeder, der in einer außerordentlich schweren Lage sich befindet, gehandelt, und er mußte...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Warum sagten Sie das dann nicht, Angeklagter? Wenn Sie gesagt hätten, daß dieser Mann einen Spion getötet hat, der durch Verbreitung von Nachrichten gefährlich war, so hätte ich Ihnen diese Sache nicht vorgehalten. Aber was Sie sagten, war, daß es Kommunisten waren, die sich bemerkbar machten, und daß dieser Mann sie ohne Kenntnis der Wachen getötet hat. Warum sagen Sie in Ihrem Befehl »Kommunisten«, wenn Sie einen Spion meinen?

DÖNITZ: Ich glaube, das ist ein Befehl der Ostseestation Mir ist gemeldet worden, es handelt sich um einen Spitzel, was ein Zeuge belegen wird. Wenn Gründe gegeben sind, dann als Abwehrgründe, es nicht zu erkennen zu geben, so...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie die Verantwortung für diesen Befehl auf einen Ihrer untergebenen Offiziere abschieben? Sagen Sie, daß es einer Ihrer untergebenen Offiziere war, der den Befehl so herausgab? Sie haben es gar nicht so gemeint? Das ist es, was Sie sagen?

DÖNITZ: Ich habe nur erklärt, wie der Befehl zustandegekommen ist. Ich habe bisher in keinem Fall die Verantwortung abgeschoben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Also gut.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof vertagt sich.