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[Zum Zeugen gewandt:]

Ich möchte, daß Sie die Frage ganz klar beantworten, ob Sie sich selbst in erster Linie als einen Politiker oder als einen Soldaten ansehen, als einen Soldaten, der nur die Befehle seiner direkten Vorgesetzten ausführt, ohne den politischen Sinn und Inhalt dieser Befehle irgendwie zu kritisieren?

DÖNITZ: Die Frage verstehe ich nicht in ihrer Ganzheit. Als Staatsoberhaupt war ich nach dem 1. Mai ein politischer Mensch.

OBERST POKROWSKY: Und bis dahin?

DÖNITZ: Ein reiner Soldat.

OBERST POKROWSKY: Am 8. Mai 1946 um 16.35 Uhr haben Sie in diesem Gerichtssaal gesagt: »Als Soldat stellte ich nicht die politischen Überlegungen an, die es geben konnte.« Am 10. Mai um 12.35 Uhr haben Sie hier gesagt, als es sich um den U-Bootkrieg handelte: »Alles das bezieht sich auf politische Ziele; ich aber als Soldat habe mich nur mit militärischen Problemen beschäftigt.« Ist das richtig?

DÖNITZ: Das ist sehr richtig. Ich sage ja, vor dem 1. Mai 1945 war ich reiner Soldat. Sowie ich Staatsoberhaupt war, habe ich den Oberbefehl der Kriegsmarine abgegeben, weil ich Staatsoberhaupt wurde und damit eine politische Person.

OBERST POKROWSKY: Sir David Maxwell-Fyfe hat Sie vor ungefähr 15 Minuten auf zwei Dokumente hingewiesen, nämlich auf Dokument GB-186, D-640. Er hat Ihnen einen Satz verlesen, der sich in einem sehr krassen Widerspruch mit dem befindet, was Sie jetzt aussagen. Erinnern Sie sich an die Redensart vom »unsinnigen Geschwätz«?

DÖNITZ: Ja, ich weiß es ganz genau.

OBERST POKROWSKY: Ich bitte Sie, nur zu sagen, wie kann man diese absoluten Widersprüche in Ihrer Aussage in Einklang bringen –, Erklärung über Geschwätz, daß ein Offizier kein Politiker ist. Diese Erklärung fiel am 15. Februar 1944, als Sie noch nicht Staatsoberhaupt waren. Ist das richtig?

DÖNITZ: Wenn ein Soldat im Kriege hinter seiner Nation und seiner Regierung steht, dann wird er dadurch nicht zum Politiker; so steht es in dem Satz darinnen, und das ist in dem Satz gemeint.

OBERST POKROWSKY: Wir wollen das mal klarstellen und sehen, ob es sich auch so in Wirklichkeit verhält. Sie haben mehrmals und in einer bestimmten Art und Weise hier im Gerichtshof behauptet, daß Sie lange Jahre vor dem Kriege und während des Krieges die Marine in dem Sinn eines reinen Idealismus und zur Hochachtung der Gesetze und Kriegsgebräuche erzogen haben. Ist das richtig?

DÖNITZ: Richtig, ja.

OBERST POKROWSKY: Insbesondere am 9. Mai, also gestern, um 12.45 Uhr Sie gesagt: »Ich habe die U-Bootwaffe im Sinne eines reinsten Idealismus erzogen und habe ihre Erziehung auch weiter während des Krieges fortgesetzt. Für mich war es nötig, um eine hohe Kampfmoral zu erzielen.« Fünf Minuten später am selben Tage haben Sie gesagt, als Sie über die Kriegsmarine sprachen: »Ich hätte niemals erlaubt, daß man diesen Leuten Befehle gab, die dieser Moral widersprachen, und es kann keine Rede davon sein, daß ich selbst einen solchen Befehl hätte geben können.«

Geben Sie zu, daß Sie es so gesagt haben oder ähnlich, wenn man den eventuellen Übersetzungsunterschied berücksichtigt?

DÖNITZ: Selbstverständlich, das habe ich gesagt.

OBERST POKROWSKY: Ich möchte, daß Sie einen Blick auf ein Dokument werfen, Ihr Verteidigungsdokument. Es liegt Ihnen vor – Dönitz 91. Unter dieser Nummer hat Ihr Verteidiger einen Auszug aus einer eidesstattlichen Erklärung eines Joachim Rudolphi unterbreitet. Um nicht die Zeit des Gerichtshofs zu verschwenden, möchte ich, daß Sie ganz kurz mit Ja oder Nein mir sagen, ob die Aussage Rudolphis richtig ist, daß Sie kategorisch der Einführung des sogenannten Hitlerschen Volksgerichtshofs in die Deutsche Wehrmacht widersprachen. Haben Sie mich verstanden?

DÖNITZ: Ich war gegen irgendeine Abgabe von Gerichtsfällen aus der Kriegsmarine an andere Gerichte, sondern ich sagte, daß, wenn man die Verantwortung für einen Wehrmachtsteil trägt, man auch die Kriegsgerichtsbarkeit haben muß, das steht darin.

OBERST POKROWSKY: Sie kennen also die Aussagen des Rudolphi?

DÖNITZ: Ja, ich kenne sie.

OBERST POKROWSKY: Sie erinnern sich, auf der ersten Seite dieses Auszugs, den Sie dem Gerichtshof unterbreiten, steht das:

»Im Frühsommer 1943 begann der erste bedrohliche Versuch, die unpolitische Rechtspflege der Wehrmacht zu unterhöhlen«.

Wird diese Frage von Rudolphi richtig beleuchtet, und ist es richtig, daß Sie dem Versuch, politische Sondergerichte bei den See- und Landstreitkräften einzuführen, widersprochen haben? Ist das richtig?

DÖNITZ: Meiner Erinnerung nach setzte mein Widerspruch im Sommer 1943 ein, Es kann aber sein, daß schon im Frühjahr die Rechtspflege der Wehrmacht bedroht wurde. Das, glaube ich, ist aber nicht zu meiner Kenntnis gekommen.

OBERST POKROWSKY: Bleiben Sie dabei, Dönitz, ja oder nein. daß gerade diese sogenannten Volksgerichtshöfe sich damit beschäftigen sollten, was nach Rudolphi selbst auch nur entfernt einen politischen Einschlag besitzen konnte? Das ist seine Formulierung. Sie können es auf der ersten Seite des Dokumentenbuches finden. Dokument 91.

DÖNITZ: Ich habe schon erklärt, für mich war der Gesichtspunkt, meine Soldaten unter meiner Kriegsgerichtsbarkeit zu behalten. Außerhalb der Marine konnte ich die Vorgänge nicht beurteilen, weil ich das Rechtsverfahren nicht kannte. Es kam mir darauf an, daß meine Soldaten bei mir blieben und von mir verurteilt wurden.

OBERST POKROWSKY: Für alle Art Verbrechen, dazu gehören auch die politischen Verbrechen, nicht wahr? Habe ich Sie richtig verstanden?

DÖNITZ: Jawohl, das war beabsichtigt. Ich habe ja erklärt, daß ich der Ansicht war, daß sie bei der Marinegerichtsbarkeit bleiben sollen.

OBERST POKROWSKY: Wollen Sie bestreiten, Dönitz, daß Sie die Tötung schutzloser Menschen, die im deutschen Heere als Soldaten dienten, ausschließlich aus politischen Gründen predigten und in jeder Weise förderten und überdies diese Meuchelmords als hohe Tapferkeit betrachteten?

DÖNITZ: Ich verstehe Sie nicht. Ich weiß nicht, was Sie meinen.

OBERST POKROWSKY: Sie haben meine Frage nicht verstanden?

DÖNITZ: Nein, ich habe den Sinn Ihrer Frage gar nicht verstanden.

OBERST POKROWSKY: Ich kann die Frage wiederholen, vielleicht wird sie dadurch verständlicher. Wollen Sie die Tatsache bestreiten, daß Sie die Morde, die von einem Teil der Wehrmachtsangehörigen an einem andern begangen wurden, ausschließlich aus politischen Gründen predigten? Ist Ihnen die Frage jetzt klar?

DÖNITZ: Wie kommen Sie zu dieser Frage?

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hält Ihre Frage für nicht ganz klar.

OBERST POKROWSKY: Mylord! Ich denke an den Befehl Nr. 19 an die Ostseeflotte, der zum Teil von Sir David Maxwell-Fyfe behandelt worden ist. Ein Punkt dieses Befehls erlaubt es, eine absolute Klarheit in das wahre Motiv dieses Dokuments zu bringen. Dort kommt eine Idee in einer sehr klaren Form zum Ausdruck. Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich einen Absatz dieses Dokuments verlesen. »Ein Beispiel:« – heißt es in diesem Befehl Nr. 19, letzter Absatz – »In einem Gefangenenlager des Hilfskreuzers ›Cormoran‹ in Australien hat ein Oberfeldwebel...«

VORSITZENDER: Welcher Absatz?

OBERST POKROWSKY: Der vorletzte Absatz aus dem Dokument D-650, Seite 4, englischer Text; Verzeihung, Seite 4 im deutschen Text und dritte Seite, letzter Absatz im englischen.

VORSITZENDER: Das ist schon in dem Kreuzverhör verlesen worden.

OBERST POKROWSKY: Nein, diese Stelle ist nicht verlesen worden. Sie hat eine wesentliche Bedeutung für diesen Fall.

VORSITZENDER: Wir haben eben diese Frage gehört – gerade dieses Beispiel. Sir David Maxwell- Fyfe hat es vor einer halben Stunde vorgelesen.

OBERST POKROWSKY: Als Sir David dieses Beispiel verlesen hat, hat er nicht den Satz, der gerade mich interessiert, verlesen. Er wird Dönitz' Haltung bedeutend aufklären. Daher habe ich mir erlaubt, nochmals zu diesem Dokument zurückzukommen. Hier ist nur ein Satz.

VORSITZENDER: Auf welchen Satz beziehen Sie sich?

OBERST POKROWSKY: Der erste Satz im zweiten Absatz von unten, der Absatz, der anfängt mit dem Wort: »Ein Beispiel: In einem Gefangenenlager...«

VORSITZENDER: Sie haben ganz unrecht. Er hat den ganzen Absatz verlesen. Sir David Maxwell-Fyfe hat den ganzen Absatz vorgelesen.

OBERST POKROWSKY: Wenn ich mit Ihrer Erlaubnis diese paar Worte vorlesen werde, dann werden Sie sehen, Herr Vorsitzender, daß sie nicht verlesen worden sind.

VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Ich habe hier eine Notiz in meinem Notizbuch, nach der das Ganze vorgelesen worden ist, daß der Angeklagte über die Bedeutung des Wortes »Kommunist« kreuzverhört wurde und daß er erklärte, daß es sich auf einen Spion unter der Besatzung bezog, der die U-Bootgeheimnisse verraten könnte. Diese ganze Sache wurde erschöpfend von Sir David Maxwell-Fyfe behandelt, und der Gerichtshof wünscht nichts mehr darüber zu hören.

OBERST POKROWSKY: Mir ist es unbedingt notwendig, zwei Worte aus diesem Satz vorzulesen, die nicht verlesen wurden. Ich möchte um Ihre Erlaubnis bitten, diese zwei Worte zu verlesen.

VORSITZENDER: Welche zwei Worte sagen Sie, sind nicht verlesen worden. Wollen Sie die zwei Worte angeben.

OBERST POKROWSKY: »Planvoll« und »unauffällig«, das heißt, nach einem bestimmten Plan. Es handelt sich hier nicht nur um einen einzelnen Fall, sondern um einen bestimmten Plan, ein bestimmtes System.

VORSITZENDER: Ja, das ist aber alles verlesen worden, Oberst Pokrowsky. Sie haben es wohl überhört.

OBERST POKROWSKY: Ich sage nicht, daß Sir David sie zufällig ausgelassen hat oder nicht.

VORSITZENDER: Es ist von Sir David Maxwell- Fyfe verlesen worden und dem Zeugen vorgelegt worden, dem Angeklagten.

OBERST POKROWSKY: Es ist möglich, daß Sir David diese zwei Worte zufällig ausgelassen hat, aber für uns sind sie von großer Bedeutung. Dönitz hat ausgesagt, daß es sich um die Tötung eines Spions handelt. Aber in Wirklichkeit handelt es sich im Befehl um planvolle Vernichtung der Kommunisten oder besser gesagt, derjenigen Menschen, die irgendein Oberfeldwebel als Kommunisten betrachtete.

VORSITZENDER: Es ist genau das, was Sir David Maxwell-Fyfe dem Zeugen vorgehalten hat. Er sagte: »Wie können Sie sagen, daß sich dieses auf Spione oder einen Spion bezieht, wenn es sich auf alle Kommunisten bezieht?« Das war gerade die Frage, die er ihm vorgelegt hat.

OBERST POKROWSKY: Vielleicht habe ich nicht genau verstanden, was unser Dolmetscher gesagt hat, aber in unserer Übersetzung wurde es nicht erwähnt.

Mit Ihrer Genehmigung werde ich jetzt zur nächsten Frage übergehen.