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[Zum Zeugen gewandt:]

Ich sehe diesen Befehl von Ihnen als einen Beweis für Ihre Treue, Ihre fanatische Treue zum Faschismus an, und in Verbindung damit frage ich Sie, ob Sie nicht glauben, daß Hitler gerade Sie zu seinem Nachfolger ernannt hat, weil Sie sich als ein so fanatischer Gefolgsmann des Faschismus, der faschistischen Weltanschauung, erwiesen hatten. Es war ihm bekannt, daß Sie so ein fanatischer Anhänger des Faschismus waren, der die Wehrmacht zu jedem Verbrechen im Sinne der Hitler-Verschwörer aufhetzen könnte und dann diese Verbrechen reinen Idealismus nennen würde. Haben Sie meine Frage verstanden?

DÖNITZ: Ja. Da kann ich Ihnen nur darauf antworten, das weiß ich nicht. Ich habe Ihnen bereits erklärt, daß der gesetzliche Nachfolger der Reichsmarschall war, daß aber durch das bedauerliche Mißverständnis einige Tage vor seiner Ernennung er ausfiel, und daß ich dann der nächste rangälteste Soldat war von einem selbständigen Wehrmachtsteil. Ich glaube, das war die entscheidende Tatsache. Daß der Führer zu mir Vertrauen gehabt hat, mag dabei auch eine Rolle gespielt haben.

OBERST POKROWSKY: Die Sowjetische Anklagebehörde, Euer Lordschaft, hat keine weiteren Fragen an diesen Angeklagten.

VORSITZENDER: Dr. Kranzbühler! Wollen Sie wiederverhören?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich möchte noch einige Fragen stellen, Herr Präsident.

[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Großadmiral! Sie sind im Kreuzverhör von Sir David gefragt worden über Ihre Kenntnis von den Zuständen in den Konzentrationslagern. Sie wollten dabei eine zusätzliche Erklärung abgeben, zu der Sie nicht gekommen sind. Welche persönlichen Beziehungen hatten Sie zu irgendwelchen Insassen von Konzentrationslagern? Hatten Sie überhaupt Beziehungen?

DÖNITZ: Ich hatte zu niemand Beziehungen, zu keiner Person, die in das Konzentrationslager gekommen war, bis auf Pfarrer Niemöller. Pfarrer Niemöller war ein Marinekamerad von mir. Als mein letzter Sohn gefallen war, sprach er mir sein Beileid aus, und bei dieser Gelegenheit fragte ich ihn dann, wie es ihm ginge.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wann war das?

DÖNITZ: Das war im Sommer 1944. Ich bekam darauf die Antwort, es ginge ihm gut.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Hatten Sie ihm unmittelbar geschrieben, oder wie kam es?

DÖNITZ: Nein, diese Nachricht habe ich über eine dritte Person bekommen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ist das die einzige Nachricht, die Sie aus Konzentrationslagern gehabt haben?

DÖNITZ: Die einzige, die ich hatte.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Im Kreuzverhör ist ein Protokoll von Kapitän zur See Aßmann vorgelegt worden über eine Besprechung beim Führer im Mai 1943. Sie erinnern sich an den Inhalt. Sie sollen dabei gesagt haben, daß es bei der gegenwärtigen Seekriegslage wünschenswert wäre, daß Deutschland im Besitz von Spanien und Gibraltar sei. Haben Sie einen positiven Vorschlag in dieser Richtung gemacht? Das Dokument läßt das nicht erkennen.

DÖNITZ: Selbstverständlich. Bei meiner Lagebetrachtung über die Gefährlichkeit des schmalen Streifens der Biskaya habe ich gesagt, es wäre günstiger, wenn wir aus einem breiteren Raum mit den U-Booten abspringen könnten. Niemand und keiner hat in der damaligen Zeit überhaupt an ein Unternehmen gegen Spanien gedacht, sei es mit dem Einverständnis von Spanien oder als Angriff. Es lag ja auf der Hand, daß unsere Kräfte in der Beziehung in keiner Weise ausreichten. Auf der anderen Seite ist es selbstverständlich, wenn ich die Sorgen für einen schmalen Raum zeige, sage, es wäre besser, wenn der Raum größer ist. Es bezog sich also auf den U-Bootkrieg und nicht auf irgendwelche Landunternehmen in Spanien. Ich hätte ja unmöglich als Seeoffizier einen Vorschlag machen können, Spanien anzugreifen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Im Zusammenhang mit der Versenkung der »Athenia« ist angedeutet worden, daß Ihre Erklärung als eine Ausrede angesehen wird, nämlich, daß der Kommandant des U-Bootes die »Athenia« mit einem Hilfskreuzer verwechselt habe. Ich möchte Ihnen deshalb einen Kriegstagebuchauszug desselben Kommandanten von der gleichen Unternehmung vorhalten. Sie sollen mir bestätigen, daß es wirklich von dem gleichen Kommandanten ist. Ich lese aus dem Dokument der Anklage GB-222, abgedruckt auf Seite 142 in meinem Urkundenbuch, Band III. Es ist ein Kriegstagebuch des U-Bootes U-30. Der Auszug ist vom 11. September 1939, Seite 142 im Urkundenbuch, Band III.

Ich lese:

»Abgeblendetes Fahrzeug in Sicht. Angehängt. Als Handelsdampfer in Zick-Zack erkannt. Mit Morselaterne zum Stoppen aufgefordert. Dampfer zeigt ›Nichtverstanden‹, versucht in Regenböen zu entkommen und macht SOS, ›Chased by submarine‹! und Standort.

Mit F. T. und Morselaterne ›Stop‹ gegeben.

Vorgelaufen. Mit M. G. C/30 5 Schuß vor den Bug geschossen. Dampfer reagiert nicht. Dreht teilweise über 9 Dez. direkt auf das Boot zu. – Gibt weiter: ›Still chased‹.

Deshalb aus achterlicher Peilung mit 8,8 cm Feuer eröffnet. Engl. Dampfer ›Blairlogie‹ 4425 t.

Nach 18 Schuß und 3 Treffern stoppt der Dämpfer. Besatzung geht in die Boote. Letzter F. T.: ›Shelled, taking the boats‹. Sofort beim Zeigen eines Notlichtes und Stoppen Feuer eingestellt.

Zu den Rettungsbooten gegangen, Anweisung gegeben, nach Süden abzupullen. Dampfer durch Torpedoschuß versenkt. Danach beide Bootsbesatzungen mit Steinhäger und Zigaretten versorgt. 32 Mann in 2 Booten. Rote Sterne geschossen bis Hellwerden. Da amerik. Dampfer ›American Skipper‹ in der Nähe war, abgelaufen. Besatzung wurde geborgen.«

Können Sie bestätigen, Herr Großadmiral, daß dies eine Eintragung ist von dem Kommandanten desselben U-Bootes, der neun Tage vorher die »Athenia« torpediert hatte?

DÖNITZ: Ja, das ist derselbe Kommandant von derselben Unternehmung, dem kurz vorher diese Verwechslung passiert war.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: In dem Kreuzverhör ist noch einmal und entschieden die Behauptung aufgestellt worden, daß Sie einen Vernichtungsbefehl an die Kommandanten erlassen hätten. Ich möchte Ihnen vorlegen ein Schreiben, das unterschrieben ist von zahlreichen U-Bootkommandanten. Sie kennen das Schreiben und kennen die Unterschriften, und ich möchte Sie bitten, mir dann zu sagen, ob die U-Bootkommandanten, die unterschrieben haben, vor dem September 1942, das heißt vor Ihrem angeblichen Vernichtungsbefehl, in Gefangenschaft geraten sind oder hinterher.

Ich lese aus dem Urkundenbuch, Band II, Seite 99, Dokument Dönitz 53, das ich dem Gericht übergebe. Es ist gerichtet an den Lagerkommandanten des Kriegsgefangenenlagers Camp 18 in Featherstone Park in England. Es ist mir durch die Vermittlung des britischen Kriegsministeriums und durch das Generalsekretariat des Gerichts zugestellt worden. Ich lese das Datum vom 18 Januar 1946 und den Text:

»Die hier im Lager befindlichen und unterzeichneten Kommandanten von an der Front eingesetzt gewesenen U-Booten, erlauben sich, Ihnen, Herr Kommandant, folgende Erklärung zu machen und die Bitte auszusprechen, diese Erklärung an den Internationalen Gerichtshof in Nürnberg weiterzuleiten:

Aus Presse und Rundfunk ist uns bekanntgeworden, daß dem Großadmiral Dönitz zur Last gelegt wird, den Befehl gegeben zu haben, überlebende Schiffsbesatzungen torpedierter Schiffe zu vernichten und keine Gefangenen zu machen. Die Unterzeichneten erklären an Eides Statt, daß weder schriftlich noch mündlich ihnen ein solcher Befehl durch Großadmiral Dönitz gegeben worden ist. Es hat der Befehl bestanden, daß aus Gründen der Sicherheit des eigenen Bootes, infolge der verschärften Gefährdung durch Abwehr aller Art, nach einer Torpedierung nicht aufgetaucht werden durfte. Grund hierfür war, daß, wenn das Boot zu einer Rettungsaktion auftauchte, wie in den ersten Kriegsjahren, erfahrungsgemäß mit seiner eigenen Vernichtung zu rechnen war. Dieser Befehl war unmißverständlich. Er ist nie als Aufforderung zur Vernichtung von Schiffbrüchigen angesehen worden.

Die Unterzeichneten erklären, daß die deutsche Marine durch ihre Führung in der Achtung der geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze der See erzogen worden ist. Wir haben stets unsere Ehre in der Innehaltung dieser Gesetze und in der Führung eines ritterlichen Kampfes auf See gesehen.«

Es folgen die Unterschriften von 67 deutschen U- Bootkommandanten, die sich in britischer Kriegsgefangenschaft befinden.

Ich frage Sie, Herr Großadmiral – Sie kennen diese Unterschriften –, sind diese Kommandanten vor dem September 1942 in Gefangenschaft geraten oder nach dem September 1942?

DÖNITZ: Die Masse ist zweifelsohne nach dem September 1942 in Gefangenschaft gekommen. Ich müßte, um das genau nach links und rechts zu untersuchen, die Liste noch einmal sehen, aber die Masse ist zweifellos nach 1942 in Gefangenschaft gekommen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Das genügt mir. Ich habe keine weiteren Fragen mehr.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ich möchte nur einen, während des Kreuzverhörs aufgetauchten Punkt noch klären.