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[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Großadmiral, Sie haben während des Kreuzverhörs angegeben, bei den Lagebesprechungen am 19. und 20. Februar 1945 zugegen gewesen zu sein und sagen...

DÖNITZ: Nein, daß dieses Datum...

DR. LATERNSER: Ich habe es mir notiert, und Sie werden gleich die Besprechung erkennen. In der Lagebesprechung vom 19. Februar soll Hitler die Anregung gegeben haben, aus der Genf er Konvention auszutreten. Ich bitte Sie, nun mir zu sagen: Welche hohen militärischen Führerwaren bei der Lagebesprechung zugegen?

DÖNITZ: Ich glaube, hier liegt ein Irrtum vor. Ich habe diese Frage oder Anregung des Führers nicht aus seinem Munde gehört, sondern sie ist mir übermittelt worden von dem Seeoffizier, der regelmäßig bei diesen Lagebesprechungen teilnahm. Ich weiß also nicht genau, ob das mit dem Datum stimmt, und ich weiß auch nicht, wer bei diesem ersten Ausspruch des Führers mit dabei war. Auf jeden Fall ist die Sache am nächsten oder übernächsten Tage, meiner Erinnerung nach, noch einmal zur Diskussion gekommen, und dabei waren, meiner Erinnerung nach, der Reichsmarschall, selbstverständlich Jodl und der Feldmarschall Keitel zugegen, jedenfalls war die gesamte Wehrmacht einheitlich auf ablehnendem Standpunkt, Meiner Erinnerung nach ist der Führer aus diesem Grunde, weil er unsere Ablehnung sah, nicht wieder auf diese Frage zurückgekommen.

DR. LATERNSER: Danke schön. Ich habe keine weiteren Fragen.

VORSITZENDER: Der Angeklagte kann auf die Anklagebank zurückkehren.

[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Präsident! Gerade nach den Erfahrungen des Kreuzverhörs heute, halte ich es für richtig, dem Tribunal nunmehr meine Urkunden vorzulegen, wenn es dem Tribunal recht ist, bevor ich weitere Zeugen rufe. Ich glaube, daß ich damit die Befragung der Zeugen abkürzen kann und daß sie auch leichter verständlich werden.

VORSITZENDER: Sehr gut, Dr. Kranzbühler.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich darf einleitend das Gericht erinnern, daß in den Urkunden der Anklage GB-224 und GB-191 die allgemeinen Vorwürfe gegen den U-Bootkrieg enthalten sind, auf die sich viele meiner folgenden Urkunden beziehen. Die Urkunden zu diesen allgemeinen Vorwürfen sind enthalten in den Urkundenbüchern III und IV.

Ich lege zunächst vor das Dokument Dönitz 54, das die deutsche Beitrittserklärung zu dem Londoner U-Bootprotokoll enthält. Ich brauche es nicht zu verlesen, da es bereits wiederholt erwähnt worden ist.

Dann bitte ich das Tribunal von Amts wegen Kenntnis zu nehmen von der Deutschen Prisenordnung, die im Auszug abgedruckt ist auf Seite 137. Ich möchte darauf hinweisen, daß der Artikel 74 wörtlich den Bestimmungen des Londoner Protokolls entspricht.

Ich darf vielleicht zugleich darauf aufmerksam machen, auf Seite 138, daß diese Prisenordnung nicht vom Oberbefehlshaber der Kriegsmarine gezeichnet worden ist. Das ist ein Beitrag zu der Frage, ob der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine ein Mitglied der Reichsregierung war. Er hatte keinerlei Befugnis gehabt, dieselbe zu zeichnen.

Als nächstes Dokument lege ich vor Dönitz 55. Das ist der Befehl vom 3. September 1939, mit dem die U-Boote in den Krieg gingen. Ich weiß nicht, ob dem Tribunal diese Dokumente so bekannt sind, daß ich sie bloß zusammenfassen brauche, oder ob es besser ist, wenn ich Stücke daraus verlese.

VORSITZENDER: Ich glaube, Sie können sie alle zusammen erwähnen und dabei kurz bezeichnen, worauf Sie sich beziehen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Jawohl. Der Befehl vom 3. September weist die Schiffe an zur strikten Beachtung aller Seekriegsregeln. Er befiehlt den Krieg nach Prisenordnung. Ferner ist dort vorgesehen ein vorbereiteter Befehl zur Verschärfung des Handelskrieges wegen der Bewaffnung feindlicher Handelsschiffe. Dieser Befehl befindet sich auf Seite 140. Da ich auf ihn in einem Zeugenverhör zurückkomme, brauche ich ihn jetzt nicht zu verlesen. Ich möchte dem Tribunal nun aus einem englischen Dokument vorlesen, daß sich die U-Boote tatsächlich an diesen Befehl gehalten haben, und zwar aus dem Dokument GB-191; das ist im Original auf Seite 5 abgedruckt, Herr Präsident. In dem englischen Auszug steht dieser Satz nicht drin. Ich lese Ihnen deshalb auf englisch aus dem Original:

»Thus the Germans started with the Prize-Ordinance, which was at any rate a clear, reasonable and not inhumane document.«

»German submarine commanders, with some exceptions, behaved in accordance with its provisions during the first month of the war. Indeed, in one case, a subma rine had ordered the crew of a trawler to take to their boat, as the ship was to be sunk. But when the commander saw the state of the boat, he said: ›Thirteen men in that boat. You English are no good, sending a ship to sea with a boat like that.‹ And the skipper was told to reembark his crew on the trawler and make for home at full speed with a bottle of German gin and the submarine commanders compliments.«

(»Die Deutschen fingen mit der Prisenordnung an, die jedenfalls ein klares, vernünftiges und nicht unmenschliches Dokument war.

Deutsche U-Bootkommandanten – mit einigen Ausnahmen – benahmen sich in den ersten Kriegsmonaten in Übereinstimmung mit diesen Vorschriften. In einem Fall hatte wirklich ein U-Boot der Mannschaft eines Fischdampfers befohlen, in das Rettungsboot zu steigen, da der Dampfer versenkt werden sollte. Aber als der Kommandant des U-Bootes den Zustand des Bootes sah, sagte er: ›Dreizehn Mann in dem Boot! Ihr Engländer taugt wirklich nichts; ein Schiff auf hoher See mit solch einem Rettungsboot auszuschicken!‹ Und dem Kapitän wurde befohlen, seine Mannschaft wieder auf den Fischdampfer zurückzubringen und mit Volldampf nach Hause zu fahren, mit einer Flasche deutschen Gins und der Empfehlung des U-Bootkommandanten.«)

Das ist eine englische Beurteilung aus einem Dokument der Anklage.

Mein nächstes Dokument ist Dönitz 56, ein Auszug aus dem Kriegstagebuch der Seekriegsleitung vom 9. September 1939, abgedruckt auf Seite 141:

»Englisches Informationsbüro verbreitet über Reuter, daß Deutschland uneingeschränkten U-Bootkrieg eröffnet habe.«

Ich möchte dann als Dönitz 57, abgedruckt auf Seite 143, dem Tribunal die Erfahrungen übermitteln, die die Seekriegsleitung im U-Bootkrieg bis dahin gemacht hatte. Es ist eine Eintragung vom 21. September 1939 im Kriegstagebuch der Seekriegsleitung. Ich lese die Ziffer 2:

»Kommandanten zurückgekehrter U-Boote melden folgende wertvolle Erfahrungen:...

b) Englische, teilweise auch neutrale Dampfer starke Zick-Zacks, zum Teil abgeblendet. Englische Dampfer bei Anhalten sofort mit SOS mit genauem Standort gefunkt. Darauf Ansatz englischer Flugzeuge zur U-Bootbekämpfung.

c) Englische Dampfer haben wiederholt versucht zu entkommen. Dampfer zum Teil bewaffnet, ein Dampf er hat Feuer erwidert.

d) Bisher kein Mißbrauch neutraler Dampfer festgestellt.«

Das auf Seite 144 des Dokumentenbuches abgedruckte Dokument befindet sich bereits in der Beweisaufnahme. Es ist ein Auszug aus GB-222, Kriegstagebuch des U-Bootes U-30 vom 14. September. Ich lese nur einige Sätze vom Beginn:

»Rauchwolken. Dampfer in starkem Zick-Zack. Östliche Kurse. Entgegengelaufen. Dreht bei Erkennen auf Gegenkurs und gibt SOS.

Englischer Dampfer ›Fanad Head‹ 5200 to nach Belfast. Mit A.K. gejagt. Da auf Stoppbefehl nicht reagiert, auf 2000 Meter ein Schuß vor den Bug gefeuert. Dampfer stoppt. Besatzung geht in die Boote. Boote abgeschleppt aus Gefahrenbereich.«

Das Folgende fasse ich zusammen. Es zeigt, wie das U-Boot auf Grund der Funkmeldung des Dampfers durch Flieger angegriffen wird, welche Schwierigkeit es hat, die Prisenbesatzung wieder an Bord zu bekommen und wie es, trotz der Bombenangriffe der Flieger, den Dampfer nicht versenkt, bevor zwei englische Offiziere, die sich noch an Bord befanden, über Bord gesprungen und auf dem U-Boot gerettet worden waren. Die Wasserbombenverfolgung dauerte zehn Stunden.

Das nächste Dokument, Dönitz 58, zeigt, daß die Handelsschiffe aggressiv gegen U-Boote vorgingen. Ein Kriegstagebuchauszug der Seekriegsleitung; ich lese die Eintragung vom 24. September:

»BdU meldet, daß 6. 9. englischer Dampfer ›Manaar‹ bei Aufforderung durch U-38 zum Stoppen nach Warnungsschuß zu entkommen versuchte. Dampfer gab FT-Meldung und eröffnete Feuer aus Heckgeschütz. Schiff wurde erst nach 4 bis 5 Treffern verlassen und anschließend versenkt.«

Und dann noch eine Meldung vom 22. September:

»Englische Nachricht, daß bei Versenkung des engli schen Dampfers ›Akenside‹ ein deutsches U-Boot von einem Fischdampfer überrannt sei.«

Aus dem Dokument der Anklage GB-193, das auf Seite 147 abgedruckt ist, möchte ich nur hinweisen auf die Beurteilung der Funkmeldung in den Augen der Seekriegsleitung. Ich lese aus der Ziffer 2, vom zweiten Satz an, zwei Sätze:

»Fast in allen Fällen haben englische Dampfer beim Insichtkommen eines U-Bootes mit FT, SOS und Standort abgeben. Da auf diese SOS-Meldung der Dampfer jedesmal nach einer bestimmten Zeit englische Flugzeuge erschienen, steht fest, daß es sich bei einem Engländer um eine befohlene militärische Maßnahme und Organisation handelt; der SOS-Ruf verbunden mit der Standortangabe ist also als militärische Nachrichtengebung, ja als Widerstand anzusehen.«

Das nächste Dokument, Dönitz 59, zeigt die Genehmigung des von des Befehlshaber der U-Boote vorgelegten Eintrages, Schiffe, die beim Anhalten von ihrem FT Gebrauch machen, zu versenken. Ich lese die Eintragung vom 24. November 1939, es ist ganz unten, die Ziffer 4:

»Auf Grund der erteilten Genehmigung des Führers erhalten Gruppen und BdU folgenden Befehl:...

4) Gegen alle Handelsschiffe, die nach Einleitung des Anhaltens von der FT Gebrauch machen, ist mit Waffengewalt vorzugehen. Sie verfallen ausnahmslos der Aufbringung beziehungsweise Versenkung. Rettung der Besatzung ist anzustreben.«

VORSITZENDER: Wir vertagen uns nunmehr.